nach der Erkenntnis des Wirkens der Natur zu Tage treten. Es besteht aus volkswirtschaftlichen Gründen ein großes Interesse an der Erfassung der Vorgänge, die bei der Hagelbildung eine Rolle spielen. Ausgehend von der Annahme, daß erst dann Aussichten auf eine bessere Bekämpfung des Hagels bestehen, wenn man seine Bildung versteht, versucht man daher, den Aufbau und die
Struk-tur
natürlicher Hagelkörner kennenzulernen und diese im Experiment bei meßbaren, künstlich
erzeugten atmosphärischen Bedingungen nachzubilden. So wird es möglich, auf Grund genauer
Kenntnisse natürlicher Eisschlossen und deren Entstehungsbedingungen Rückschlüsse auf eine
Gewitterwolke zu machen. Dabei müssen sich als Ergebnisse die Bedingungen herausschälen, die
die Hagelgefahr verursachen oder verschärfen, so daß daraus Bekämpfungsmethoden in ihrer
Wirksamkeit abgeschätzt, d. h. verbessert, weggelegt oder neu geschaffen werden können. Die
Suche nach den Entstehungsbedingungen des Hagels auf Grund experimentell-physikalischer
Ar-beilsmethoden darf zudem als notwendiges Gegengewicht gegenüber den vielen
theoretischenArbeiten bezeichnet werden, die auf hypothetischem Weg das gleiche Ziel erreichen wollen. Die
nachstehende Darstellung der bisherigen Ergebnisse der Forschungen auf Weißfluhjoch zeigt
ein-drücklich, daß man bisher gerade mit der Postulierung gewisser Annahmen Vorgänge
beschrie-ben hat, die den natürlichen Begebeschrie-benheiten
ineiner Gewitterwolke direkt widersprechen. Der
Grund hierzu liegt einfach darin, daß wir für viele Vereisungsvorgänge gar keine Kenntnisse und
damit auch kein richtiges Gefühl besitzen. Scheinbar vernünftige Annahmen können daher in Widerspruch zum Handeln der Natur stehen.
Es sei hier noch ein Wort gesagt über die Verwendung der natürlichen Hagelkörner als Son-den in Gewitterwolken. Wohl könnte man Son-den direkten Weg beschreiten und mit Flugzeugen in hagelträchtige Wolkenzonen fliegen und die Entstehungsbedingungen an Ort und Stelle messen.
Aber dieser Weg ist einerseits viel zu gefährlich, anderseits dürfte es sehr schwierig sein auf diese Art festzustellen, welche von den vielen Parametern (wie Lufttemperatur, Luftdruck, freier Wassergehalt in Form von Tropfen, deren Größenspektrum und Unterkühlung, Eisbildungskern-spektrum, Aufwindgeschwindigkeit, etc.) und in wie starkem Maße an der Hagelbildung be-teiligt sind - von den Schwierigkeiten solcher Messungen vom Flugzeug aus wollen wir gar nicht sprechen. Da scheint es einfacher, natürliche Hagelkörner zu untersuchen und schauen, was sie über ihren Entstehungsweg erzählen. Denn sie tragen ja gerade in ihrer Struktur ihre Daseins-geschichte und ihre Entwicklung mit sich. Es bleibt nur das Problem, diese Kennzeichen verstehen zu lernen und zu interpretieren. Und gerade dafür wollen wir ja den Hagelversuchskanal ein-setzen. Er soll uns zeigen, welche Entstehungsbedingungen gewisse Eisansätze zur Folge haben und was für Aenderungen einzelner Parameter sich in meßbaren Einflüssen auswirken.
In der Folge seien daher die wichtigsten Beobachtungen und Meßresultate an natürlichen Ha-gelkörnern zusammengestellt.
In
einem weiteren Abschnitt soll der Hagelversuchskanal als solcher besprochen werden, währenddem die Ergebnisse aus künstlichen Vereisungen einem letz-ten Kapitel Inhalt geben.2. Entstehung und Aufbau von Hagelkörnern
2.1 Wachstumsstadien
Die Untersuchungen an natürlichen Eisschlossen zeigen vielfach sehr deutlich, daß diese meist in ihrem Zentrum eine Partikel enthalten, die wir als Graupel bezeichnen können (Figur 35). Diese Tatsache und verschiedene Beobachtungen auf Weißfluhjoch lassen daher die Entwicklung
Fig. 35 Hagelkorn K 57.7 mit eingebauter konischer Reifgraupel, Durchmesser 4,5 cm
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Schema des Wachstums vom Eisbildungskern zum Hagelkorn
Fig. 36 Vergraupelter Schneestern, Durchmesser 1,5 mm
Fig. 37 Dünnschnitt durch die Achse einer Reifgraupel, Durchmesser 4,5 mm
der Hagelkörner gemäß dem Schema auf Seite 118 darstellen. Als Ausgangspartikel hat man einen Eisbildungskern anzunehmen, der als eigentlicher Katalysator das Wachstum eines Eis- oder Schneekristalles veranlassen kann. Dieses stellt prinzipiell ein Größenwachstum durch Subli-mation dar. Ein
sovergrößertes Eisteilchen kann nun auf Grund seiner genügenden Schwere fallen und gelangt daher in wärmere Wolkenzonen, wo freies Wasser in Form kleiner unterkühl-ter Tropfen auftritt. Die Eispartikel fängt solche Wassertropfen ein, die auf Grund ihrer Ununterkühl-ter- Unter-kühlung im Kontakt mit dem Eis verhältnismäßig rasch gefrieren können. So erhält man z.B.
Schneesterne, die „vergraupelt" sind. Figur 36 zeigt
ein solches Gebilde. Noch kann man auf ihmdie Größe der angelagerten Tropfen erkennen, die in diesem
Falleca. 20 µ betragen. Bei
fort-schreitendem Wachstum entstehen meist kegelartige Gebilde weißen Aussehens, sogenannteReif-graupeln. Schneidet
man einsolches Eisteilchen direkt durch
seineAchse, so
ergibtsich ein symetrischer Schnitt gemäß
Figur37
.Um mit den Worten von Schema Seite 118 zu sprechen, hat man hier ein Volumen-Wachstum durch Anlagerung von unterkühlten Tropfen, die im Zeitpunkt ihres Einfanges durch
die Ursprungspartikel relativ schnell gefrieren. Sobald sich aber dieWachs-tumsbedingungen ändern und z.B. die angelagerten Wassertropfen
wenigerunterkühlt sind und daher langsam gefrieren, so verändert sich der Wachstumsprozeß. Die Tropfen werden durch die Kapillarkräfte der prinzipiell nur aus einem lockeren Eisgerüst bestehenden Reifgraupeln in die-selben hineingesogen, wo
siedie vorhandenen
Zwischenräumeganz oder auch nur teilweise auf-füllen können. Dieses Wachstum erfolgt bei praktisch konstantem Volumen nur durch Vergrößerung der Dichte. Sobald nun dieser Verclichtungsprozeß beendet ist, so sprechen wir von Frostgraupeln
(Figur 38),und von diesen ausgehend wachsen durch weitere Anlagerung von unterkühlten Tropfen die
eigentlichenHagelkörner (Figur 39). Nähere Angaben über das Wachstum und die Struktur von Graupeln und Hagelkörnern sind zu
finden in (1, 2, 3, 4].An dieser Stelle muß auch vermerkt werden,
daß verschiedene Forscherder Ansicht sind, daß
die Bildung von
Hagelkörnernvon Wassertropfen ausgeht. Tatsächlich finden sich manchmal in
einzelnenHagelkörnern Hinweise, die diese Ansich
tunterstützen. In der Mehrzahl aller
Hagel-Fig. 38 Dünnschnitt durch eine Frostgraupel, Durchmesser 4 mm
Fig. 39 Sammelprobe des Hagelschlages vom 2l. Juni 1957 in Fischbach LU, Schalendurchmesser
17,7 cm