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Von Paula SCHNEIDERHÖHN, Göttingen

Der Kattenbühl, der nördlichste Bereich des aus Buntsandstein aufgebauten Kau-funger Waldes, bildet in der unmittelbaren Umgebung von Hannoversch Münden einen ziemlich steilen Abfall zur Werra. An diesem Hang liegt das alte große jetzt verlassene Steinbruchsgebiet, in dem der „Mühlsteinquarzit" gebrochen wurde, der jahrhundertelang ein außerordentlich wichtiges Handelsobjekt für die Stadt darstellte; doch mindestens seit der Jungsteinzeit haben die Menschen die besonderen Qualitäten dieses Gesteins erkannt, denn bei der Untersuchung des Sedimentgesteinsinhaltes von Abfallgruben einer band-keramischen Siedlung in Rosdorf bei Göttingen konnte ich Bruchstücke von Mahlsteinen mit großer Sicherheit als von dort herkommend identifizieren.

Da über die Petrographie des „Mühlsteinquarzites" m. W. keinerlei Veröffentlichung vorliegt, soll das Ergebnis von einigen Untersuchungen an frisch aus dem Anstehenden über das ganze Steinbruchgebiet hinweg entnommenen Proben kurz mitgeteilt werden.

Das Gestein ist reinweiß bis weißlich-hellgrau, nicht ganz selten durchzogen auch von gelblichen oder ganz schwach rötlichen Partien. Für einen Buntsandstein unseres Gebietes erscheint es sehr grobkörnig, doch schon die Betrachtung mit der Lupe zeigt deutlich, daß die Quarze offensichtlich keine Einzelkörner sind, sondern ausgeprägte „Bereiche" bilden (Durchmesser etwa 1 mm und größer). Diese sind umschmiegt von schmalen netzartigen Bändern eines sehr feinen weißen und häufig auch mehligen Zwischenmittels. Schneeweiß sind kleine Batzen, sowie gängchenartige Gebilde parallel der Schichtung und Ausfüllungen von Klüften. Auffällig treten viele kleine Hohlräume hervor, häufig in der Größenordnung um 0,1 mm Durchmesser. Mit Sicherheit gehören diese dem Gestein selbst an und haben nichts mit rezenter Verwitterung oder mit Veränderungen beim Herausschlagen oder Zer-schneiden der Handstücke zu tun.

Im Dünnschliff zeigt sich als beherrschender Bestandteil der Quarz, der ein großzügiges Muster von in sich fest verschweißten einzelnen Bereichen bildet. Die Individuen, aus denen diese zusammengesetzt sind, lassen sich nur durch ihre untereinander verschiedene (und stets sehr wolkige) Auslöschung erkennen. Die Verwachsungsnähte dieser Individuen sind oft gerade. Nicht selten ist zu beobachten, daß säulige Fortsetzungen mit kristallographisch begrenzten Köpfen sich mit Nachbarindividuen verschränken oder in Hohlräume frei hin-eingewachsen sind. Auch Mikro- und Kleinquarzstücke fehlen nicht. Merkmale klastischer Quarzkörner lassen sich nur an einzelnen Individuen inmitten der „Bereiche" schwach erkennen. Bei allen übrigen Quarzindividuen deuten alle Anzeichen darauf hin, daß sie an Ort und Stelle neu ausgeschieden sind. Feldspat fehlt im Gegensatz zu nahezu allen unver-änderten Buntsandsteingesteinen unseres Raumes in den Schliffen des weißen Kattenbühl-gesteins vollständig; auch röntgenographisch ist er nicht festzustellen. Haematit oder andere Erze sind praktisch nicht vorhanden. Goethit tritt höchstens in geringen Spuren auf; er ist wahrscheinlich einer jüngsten Verwitterungsphase zugehörig. Die im Buntsandstein gewöhn-lich vorkommenden Schwerminerale Zirkon, Turmalin und Rutil sind, ohne erkennbare Veränderung, in einigen Körnern fast in jedem Schliff vertreten. Biotitblättchen sind in wenigen Exemplaren pro Schliff zwar vorhanden, doch stark verändert, denn sie sind Anschrift des Verfassers: Dr. Paula SCHNEIDERHÖHN, Mineralogisch-Petrologisches Institut der Universität, Goldschmidt-Straße 1, D-3400 Göttingen.

P. SCHNEIDERHÖHN: Beitrag zur Petrographie des „Mühlsteinquarzites" vom Kattenbühl 185 größtenteils farblos und haben merkwürdig „falsche" Interferenzfarben, z. T. nur Grau I. Ordnung. Ähnliches gilt für den noch selteneren Chlorit, der nur noch an seiner groß-büscheligen Form auszumachen ist. Muskovitmaterial von Häcksel- bis Sericitgröße findet sich dagegen reichlich und wirkt im Gegensatz zu Biotit und Chlorit unverändert. Es bildet den Grundbestandteil des Bändernetzwerkes, das die Quarzkornbereiche umschmiegt, und ist im Röntgendiagramm genau so sicher nachweisbar wie der eine sehr große Rolle spielende Kaolinit. Fein verteilt ist dieser ebenfalls ein wichtiger Bestandteil des Netzwerkes. In den größeren Gebilden, wie sie schon im Handstück zu erkennen sind, den Batzen und Aus-füllungen, bildet er öfters die für ihn typischen „geldrollenartigen" Partien. Als äußerst auffällig erweisen sich schließlich auch im Schliff die Hohlräume. Verteilung und Form deuten daraufhin, daß dort ein Bestandteil weggelöst wurde. Dabei ist aufgrund aller Merk-male weniger an Feldspäte sondern am ehesten an ein Carbonat zu denken.

Die chemische Analyse eines fast rein weißen Gesteins ist in der Tabelle wiedergege-ben. Sie macht die extreme Verarmung an allen Bestandteilen außer Aluminium und Kiesel-säure deutlich. Die Verrechnung dieser Analyse auf Minerale ergibt unter Berücksichtigung der mikroskopisch und röntgenographisch erzielten Befunde in Gewichtsprozent etwa 86 Quarz, 11 Kaolinit und 2V2 Glimmermineral. Von allen übrigen, im Buntsandstein unseres Raumes normalerweise vorhandenen Nebengemengteilen, insbesondere von Feldspat, Apatit und Chlorit, können höchstens Anteile in der Größenordnung von 0,1 Gew.-% vor-handen sein. Goethit, der sich im Handstück stellenweise durch ganz schwache Gelbfär-bungen zu erkennen gibt, bringt es auf rund 0,2 Gew.-%.

Tab.: Chemische Analyse eines fast reinweißen Kattenbühlgesteins

Si02 92,47 Gew.- %

T i 02 0,09

Al2Oa 5,30

F e203 0,26

FeO u. N .

MnO 0,01 MgO 0,014 CaO etwa 0,01

N a20 etwa 0,01

K20 0,16

H20 (gesamt) 1,76

P2Os .etwa 0,01

Summe 100,09 Gew.- % Geringe Reste im Gestein innerhalb des großen Aufschlußgebietes weisen darauf hin, daß der Kattenbühlquarzit als „normaler", durch Haematitumkrustung seiner klastischen Körner rotgefärbter Buntsandstein abgelagert worden ist und seine jetzige extrem einseitige Zusammensetzung erst durch spätere Umbildungsvorgänge erhalten hat. Wahrscheinlich setzten diese ein, nachdem der inzwischen tief versenkt gewesene Buntsandstein inmitten der Hessischen Senke in der jüngeren Kreidezeit wieder emporgehoben worden ist. Unter-halb von Landoberflächen mit reichem organischem Leben bei feuchtwarmem Klima konnte es damals über lange Zeiten hinweg zu ausgedehnten und tiefreichenden Auflösungs- und Neubildungsprozessen kommen. Die Untersuchungsergebnisse zeigen, daß die einzelnen Minerale dabei verschieden reagierten: Haematit, Feldspat, Apatit und der vermutete Calcit wurden praktisch vollständig aufgelöst und ihre Ionen teilweise weggeführt. Der Muskovit wurde höchstens durch die Herauslösung von Alkalien betroffen; sein Gitter blieb, wie die

186 P. SCHNEIDERHÖHN: Beitrag zur Petrographie des „Mühlsteinquarzites" vom Kattenbühl Röntgenaufnahme zeigt, erhalten. Dagegen verloren der Biotit und auch der Chlorit die zweiwertigen Elemente der Oktaederschicht, so daß das Gitter (wie die optischen Befunde dartun) weitgehend zerstört wurde. Als Neubildung entstand aus dem vor allem bei der Auflösung der Feldspäte angefallenen weniger beweglichen Aluminium und einem Teil der mobil gewordenen Kieselsäure Kaolinit. Weitere Kieselsäure baute um alte klastische Quarzkörner herum die „Quarzbereiche" auf. Für den AI-Bedarf des heute vorhandenen Kaolinites müßte das ursprüngliche Gestein mehr als 20 Gew.-% Feldspat gehabt haben.

Solche hohen und noch höhere Feldspatgehalte kommen nicht ganz selten in Buntsandstein-gesteinen unseres Raumes vor; sie sind aber nicht die Regel. Es ist daher möglich, daß die Neubildungen nicht allein dem „an Ort und Stelle" aufgelösten Bestand entstammen. Ein sicheres Zeugnis dafür, daß Transportvorgänge stattgefunden haben, ist die Bildung auch von Kaolinit auf Klüften und Schichtfugen. Für die zeitliche Reihenfolge der (jeweils be-stimmte Bedingungen erfordernden) einzelnen Prozesse ist aus dem Schliffbild mit Sicherheit zu erschließen, daß die Weglösung der Haematitrinden früh erfolgte und abgeschlossen war, ehe die Abscheidung der Kieselsäure einsetzte. Ähnliches gilt für den hypothetischen Calcit:

das freie Hineinwachsen neugebildeter Quarze in Hohlräume ist ein Hinweis darauf, daß diese bei deren Auskristallisation vorhanden waren.

Es ist bemerkenswert, daß in zahlreichen Buntsandsteingesteinen der weiteren Um-gebung (Bramwald, Reinhardswald) Erscheinungen von Auflösung und Neubildung von prinzipiell der gleichen Art wie die des Kattenbühlquarzites zu beobachten sind. Sie sind von individuell recht verschiedenem, aber stets außerordentlich viel geringerem Ausmaß als dort und bleiben stets weit entfernt von der einzigartigen petrographischen Ausbildung des Kattenbühlquarzites, von der seine besondere Bedeutung für den Menschen unmittelbar abzuleiten ist: die Güte eines Mahlsteines hängt vor allem an zwei Eigenschaften, der Härte und der bleibenden Rauhigkeit. Die hohe Härte verdankt das Kattenbühlgestein seinem reichlichen Quarzgehalt. Da die Quarzbereiche aber von den weicheren Sericit-Kaolinit-bändern umgeben sind und dazwischen viele kleine Hohlräume, also Vertiefungen liegen, so bilden sie über die ganze Gesteinsfläche hinweg gleichmäßig verteilte „Härteinseln", die ein klein wenig über ihre Umgebung hinausragen. Jeder Quarzbereich besteht jedoch in sich wieder aus mehreren Individuen, von denen jedes dem Mahlvorgang eine andere kristallographische Fläche darbietet, also auch ein klein wenig anders abgeschliffen werden wird. Es können also weder die Quarzbereiche in sich noch das Gestein als Ganzes durch den Mahlvorgang zu einer einheitlichen (und damit letztlich unwirksamen) Fläche werden, sondern die Rauhigkeit der Oberfläche wird durch diesen selbst weitgehend immer wieder erneuert und dadurch die Wirksamkeit als Mahlstein über lange Zeit erhalten.

Hinweis auf Kartenmaterial

KOENEN, A. von (1900): Bl. Jühnde. Geolog. Spezialkarte von Preußen und den Thüringischen Staaten, mit Erläuterungen.

LINSTOW, O. von (1928): Bl. Hann. Münden. Geolog. Karte von Preußen und benachbarten deutschen Ländern, mit Erläuterungen.

STILLE, H. und LOTZE, F. (1933): Geologische Übersichtskarte der Umgebung von Göttingen (Hochschul-Exkursionskarte Nr. 3), der Preußischen Geologischen Landesanstalt, mit Erläuterungen.

Topographische Karten 1:25000: Bl. 4523 Hann. Münden; Bl. 4524 Jühnde.

Der Aufschluß Sonderband 28 (Göttingen) 187-204 JHeidelbergJ97^_

Geologie des Unterwerra-Sattels