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Zerstörte od. beschädigte Gebäude

D. Die Lawinenperiode vom ro.-r 3· Februar

II. Kanton Tessin (Tab. 77)

Dem Kanton Tessin brachte der Februar 1951 die schwerste Lawinenperiode seiner Geschichte.

Sowohl in der Anzahl der Schadenlawinen wie im Ausmaß der Schäden steht der Kanton Tessin an zweiter Stelle hinter Graubünden. Mit dem Kanton Uri zusammen halten sich diese beiden Gebiete hinsichtlich der Schadendichte ungefähr die Waage.

Z o n e I : B e d r e t t o t a I - L e v e n t i n a (Tab. 78)

Im Be d r e t total gingen zahlreiche Lawinen nieder, besonders von der linken Talseite. Der noch vorhandene, bereits stark verlichtete Schutzwald wurde stark dezimiert. Im übrigen sind die Schäden in der Gemeinde Bedretto relativ gering. In geradezu wunderbarer Weise blieben sämtliche Siedlungen verschont, und im ganzen Tal sind weder Menschen- noch Tieropfer zu beklagen.

Trotzdem wirkten sich die gewaltigen Schneefälle und Lawinengänge sehr nachteilig aus, indem die Dörfer völlig von der Außenwelt abgeschnitten und die abseits gelegenen Stallungen kaum oder gar nicht mehr erreichbar waren. Angesichts dieser Schwierigkeiten entschloß man sich, nach den Lawinentagen das Tal zu evakuieren. Zwischen dem 25. Februar (Fontana) und 15. März (Bedretto) verließen die Bewohner ihre Heimstätten samt ihrer Viehhabe, begaben sich in den unteren Tes-sin und kehrten erst im späten Frühling wieder zurück.

SLF

Fig. 88 Lawinenkarte des Bedrettotales

Die größten Schäden entstanden im vorderen Teil des Tales, so vor allem durch die in gewalti-ger Breite niedergehende Lawine von Gannabianca (5), den Absturz von Luinescia (7), (letztmals 1887/88 beobachtet) und die bisher unbekannte Tamblina-Lawine (9). Allein diese drei Abstürze haben 25 ha Wald vernichtet. Das Dorf Albinasca verdankt seine Rettung der oberhalb der Siedlung gebauten Ablenkmauer (6).

Die schwerste Katastrophe dieser Lawinenperiode traf Air o l o. An der Schwelle zwischen der

"guten alten Zeit" mit der romantischen Gotthardpost und der mit dem Durchstich des Gotthard-tunnels im Jahre 1882 einsetzenden Neuzeit Airolos brach· eine erste große Katastrophe über das schmucke Bergdorf herein. Die vorwiegend aus Holzhäusern bestehende Ortschaft wurde 1877 durch eine Feuersbrunst fast vollständig zerstört. In Stein wurde sie neu aufgebaut und dabei weit nach Osten ausgedehnt, so daß nun ein großer Dorfteil östlich der früher am Dorfrande stehenden Kirche zu liegen kam. Eine weitere Katastrophe ereignete sich am 28. Dezember 1898, als sich um 2 Uhr morgens gewaltige Felsmassen vom Sasso rosso lösten und gegen Airolo niederstürzten. Die Felstrümmer verschütteten 10 Häuser im westlichen Dorfteil und forderten drei Todesopfer. Dazu wurden 15 ha wertvollen Schutzwaldes zerstört und etwa 20 ha Kulturland mit Steinen und Schutt überführt. Hierauf baute man oberhalb des Dorfes eine mächtige 5-6 m hohe Schutzmauer.

Von größeren Lawinenunglücken ist wenig bekannt. Die von den Steilhängen der Corna del Buco und aus dem Vallasciagebiet niedergehenden Lawinen erreichten das Dorf selten; mehrmals wurden sie durch die genannte Mauer noch rechtzeitig aufgehalten. Einzig im Jahre 1923, am 28.De-zember,- also genau 25 Jahre nach dem Felssturz! überflutete die Vallascia-Lawine alle Hinder-nisse und brach in das Dorf ein. Glücklicherweise waren keine Menschenopfer zu beklagen; der Sachschaden war jedoch sehr groß.

Während der Lawinenperiode 19./21. Januar 1951 ging die Lawine aus dem Vallasciagebiet bis östlich des Dorfes nieder ohne Schaden zu verursachen. Anfangs Februar betrug die Schneehöhe ca. 100 cm, im Einzugsgebiet der Lawine etwa doppelt soviel. Nach ein paar ziemlich schönen Ta-gen begann es am 3. Februar zu schneien. Als die Schneefälle in den nächsten TaTa-gen unvermindert anhielten und keine Aussichten auf eine baldige Besserung bestanden, bemächtigte sich der Be-völkerung ein wachsendes Angstgefühl. Am 5. Februar sahen sich die Gemeindebehörden veran-laßt, den meistgefährdeten östlichen Dorfteil zu evakuieren. Rund 200 Personen verließen ihre Heimstätten und fanden teils im Dorf selbst, teils in Gebäuden der Armee Unterkunft. Nach zwei-tägigem Unterbruch setzten die Schneefälle in der Nacht zum Samstag von neuem heftig ein.

Sonntag, 11. Februar: Die in den letzten Tagen vorübergehend etwas verminderte Gefahr erhöht sich mit den neuen Schneefällen von Stunde zu Stunde. Leute, welche ihre Wohnungen bereits wieder bezogen hatten, verlassen diese abermals. Die Häuser versinken geradezu in der wachsen-den Schneedecke, und die Dächer vermögen die Last kaum mehr zu tragen. Wie mag es wohl in der

Höhe und über der Waldgrenze aussehen? Gegen Abend ergeht an die Bevölkerung ein zweiter Evakuationsbefehl; er betrifft den ganzen Dorfteil oberhalb der Gotthardstraße und unterhalb der-selben die Häuser östlich des Hotel Motta. Unter den anwesenden Truppen wird ein Pikettdienst organisiert und das nötige Material bereitgestellt. Damit hofft man, die erforderlichen

Vorsichts-Fig. 89 Airolo vor der Lawinenkatastrophe

Fig. 90 Airolo nach dem Niedergang der Vallascia-Lawine

maßnahmengetroffen zu haben. Ueberall herrscht eine gedrückte Stimmung. Im Dorf geht mehrmals das Licht aus. Viele Leute wagen nicht, zu Bett zu gehen. Ein Zug der Gotthardbahn bleibt unterhalb Airolo im hohen Schnee stecken.

Montag, 12. Februar, 00.45 Uhr: ein paar heftige Windstöße. kurze Zeit darauf ein mehrere Mi-nuten dauerndes Rollen und dumpfes Getöse und anschließend ein Knistern, Bersten und Krachen.

Die Vallascia-Lawine ist niedergegangen. Gestlieh der Kirche sind die Schneemassen ins Dorf ab-gestürzt und teilweise bis zur Gotthardstraße vorgedrungen. Während vom Kirchturm die Sturm-glocke ertönt, erscheinen auf der Unglücksstätte um 01.05 Uhr als erste Helfer die 20 Mann der am Vorabend gebildeten Pikettmannschaft mit Schaufeln, Sondierstaugen und Fackeln ausgerüstet.

Infolge der völligen Dunkelheit und des ständig anhaltenden Schneefalles kann man sich über das Ausmaß der Zerstörungen vorerst gar kein genaues Bild machen; es ist aber anzunehmen, daß über 20 Gebäude ganz oder teilweise zerstört worden sind. Bald vernimmt man, daß fünf der ver-schütteten Häuser bewohnt waren. An diesen fünf Stellen wird die unterdessen durch Zivilpersonen und Angehörige des Festungswachtkorps auf ca. 100 Mann angewachsene Rettungsmannschaft ein-gesetzt.

Aus den Trümmern des Hauses Pedrini können bereits kurz nach 01.00 Uhr gerettet werden:

Emma Pedrini und Elda NegreHi, beide unverletzt, sowie der verletzte Romeo Pedrini.

Um 06.10 Uhr gelangt man durch den Keller ins Haus Bandi, wo der 43jährige Vater Hans Bandi und sein 9jähriger Sohn Carlo noch am Leben sind. während die Mutter Antonietta Bandi-Motta und ihr Sohn Hans tot aufgefunden werden.

Bei Tagesanbruch ist es möglich, die verheerende Wirkung der Lawine zu überblicken. Es zeigt sich, daß 11 Häuser, 11 Ställe und eine Schreinerei total und weitere 7 Häuser teilweise verschüttet wurden, dazu 15 Menschen und zahlreiche Haustiere. Die Gebäude sind buchstäblich erdrückt wor-den. Die ursprünglich gegen Steinschlag errichtete Schutzmauer oberhalb des Dorfes, welche durch die Lawine vom 21. Januar teilweise hinterfüllt war, vermochte die Schneemassen wohl abzu-bremsen, nicht aber aufzuhalten. Der Lawinenkegel weist eine Breite von ca. 400 m und eine Länge von beinahe 500 m auf. Die größte Mächtigkeit erreicht er beim Haus Dotta/Ramelli mit ca. 23 m, die Kubatur wird auf eine Million m3 geschätzt.

Bis am Montagmorgen um 06.30 Uhr sind von den 15 verschütteten Personen fünf lebend und zwei tot geborgen, acht werden noch vermißt. Nachdem die Suchmannschaft um 10.00 Uhr durch ein weiteres Truppenkontingent abgelöst werden konnte, gelingt um 11.35 Uhr im Haus Pedrini die Bergung der Leichen von Frau Frieda Pedrini und deren Sohn Romeino. Um halb drei Uhr nach-mittags werden im Haus Mercato die Eheleute Rinaldo und Lina Dotta ebenfalls tot aufgefunden.

Da vermutlich erst ein Teil der gewaltigen Schneemassen aus der Höhe niedergestürzt ist und es zudem am Montag immer noch weiter schneit, befürchtet man weitere Lawinenniedergänge. Die Lage veranlaßt die Gemeindebhörde, auf Montagnachmittag die Räumung des ganzen Dorfes anzu-ordnen. Kaum mit dem Allernotwendigsten versehen, verlassen die Bewohner mit Extrazügen ihr Dorf, um teils in Göschenen, teils im unteren Tessin Aufnahme zu finden. Auch sämtliches Vieh Emma Ramelli, Mutter 1907 Evelina Emma Ramelli, Tochter 1937

Stunden nächsten Tage wieder aufgenom-men. In der Nacht zum Mittwoch wird sie abermals eingestellt. Man hatte die Hoffnung aufgegeben, die restlichen vier verschütteten Per-sonen noch lebend zu finden. Die Leiche von Giuseppe Pedrina wird am Donnerstagabend geborgen, und erst am Samstagmittag findet man nach sehr beschwerlicher Arbeit die letzten Todesopfer: Familie Ra-melli, bestehend aus Vater, Mutter und Tochter.

Die nebenstehende Zusammen-stellung gibt Auskunft über die Personalien der verschütteten Per-sonen und deren Bergung.

Lawine

ilZill!li zerstörte Häuser

1§2;1 zerstörte Ställe

[lll] zerstörte öffentl. Gebäude

C:J beschädigte Werkstätten lili!l!l!l unbeschädigte Gebäude

Fig. 91 Dorfplan von Airolo mit Vallascia-Lawine

Fig. 92 Die Lawine im Dorf Airolo {Fliegeraufnahme)

Fig. 93 Bergungsarbeiten auf dem gewaltigen Lawinenkegel von Airolo

Der etwa 3% Stunden nach dem Lawinenniedergang eingesetzte Lawinenhund .,Arco" zeigte rasch zwei Stellen an, wo später verschiedene Opfer aufgefundenwurden.

Da

man die Verschütte-ten an diesen Stellen vermutet und bereits dort gesucht hatte, kann der Erfolg nur zum kleineren Teil dem Hunde zugesprochen werden. Es zeigte sich in Airolo wie an andern Orten, daß Lawinen-hunde bei Unglücken solcher Art praktisch nutzlos sind.

Sehr schwierig gestaltete sich die Bergung des Viehs. indem zu den verschütteten Ställen eigent-liche Stollen ausgegraben werden mußten.

Aus dem Stall Pedrini konnten am Mittwoch zwei Kühe und ein Pferd lebend geborgen werden.

Am Donnerstagnachmittag stellte man fest, daß auch die sechs ]$'ühe im Stall Dotta noch lebten.

Die Befreiung der erschöpften Tiere, welche seit vier Tagen nichts mehr zu fressen und zu trinken gehabt hatten, war erst am nächsten Morgen möglich. Von den restlichen 14 Stück Großvieh konn-ten nur noch vier gerettet werden, während die andern zehn zum Teil erst na·ch Wochen tot gebor-gen wurden. Die Hauptschadenzentren liegebor-gen eberseits im Raume zwischen der Kirche und dem Beamtenhaus, anderseits unmittelbar östlich desselben. Dieses selbst blieb verschont, da nach der Beschädigung im Jahre 1923 bereits eine ca. 30m lange und 5 m hohe Schutzmauer erstellt worden war. Groß sind auch die Wald- und Flurschäden. Rund 10 ha Waldfläche wurden in Mitleiden-schaft gezogen; dabei handelt es sich größtenteils um Pflanzungen oder natürlichen Jungwald.

Oberhalb des Dorfes wurden etwa 10 ha Wiesland verschüttet. Das verlassene Dorf mußte geradezu ausgeschaufelt und ausgebaggert werden. Auf den Dächern lasteten gewaltige Schneemassen, und in den Straßen reichte das weiße Element bis weit über das erste Stockwerk der Häuser hinauf.

Der Lawinenschnee drohte, die beschädigten Häuser längs der Gotthardstraße allmählich einzu-drücken. Die Arbeit der Sappeure, die während des dreiwöchigen Wiederholungskurses unter Einsatz zahlreicher, zum Teil modernster Maschinen geleistet wurde, bedeutete trotz großem Ein-satz nur einen Anfang. Die Zürcher Sappeure wurden abgelöst von einer weiteren Sappeureinheit und dieser folgten für je 2-3 Wochen mehrere Train-Kolonnen und Luftschutz-Kompagnien bis in den Sommer hinein. Während die ersten Truppen hauptsächlich mit der Räumung der· J1Je:ctstraßen, der Sicherung einsturzgefährdeter Gebäude und den eigentlichen Bergungsarbeiten sowie der Er-stellung eines Grabens mit talseiliger Schneemauer zum Auffangen bzw. Ablenken evtl. weiterer

Lawinen oberhalb des Dorfes beschäftigt waren, wurden die späteren Ablösungen vermehrt auch für die Oeffnung der Verkehrswege zu den abgeschnittenen Weilern und zur Räumung der Felder von Holz, Schutt und Steinen eingesetzt. Auf den Wiesen galt es, mit dem Ausapern sofort jeden Quadratmeter vom zurückgebliebenen Unrat zu säubern. Es blieben so noch große Flächen un-benutzbar; denn im Juni lagen noch große schuttbedeckte Lawinenreste auf den Feldern.

Ein gefährlicher Absturz ereignete sich nördlich P i o t t a. Die sich am Abend des 11. Februar im Gebiete der Verbauungen "Sotto Fongio" lösendenSchneemassen (14) hätten leicht großes Un-heil anrichten können. Sie bewegten sich anfangs in gerader Richtung gegen das Sanatorium, teilten sich jedoch wenig oberhalb desselben über einem Felskopf, der als natürlicher Spaltkeil wirkte. Der linke Arm blieb unmittelbar nördlich des Gebäudes stehen, der rechte riß ca. 200 m westlich da-von den geschlossenen Wald nieder und stieß bis fast in den Talboden vor.

Die bedeutendste Schadenlawine in der mittleren L e v e n t in a löste sich am frühen Morgen des 13. Februar, also 2 Tage nach der eigentlichen großen Lawinenperiode, wenig westlich des Culpiana (Pizzo Erra, 29). Ueber die steilen Alpwiesen fuhr sie in den Wald von Suaisgia herab und ergoß sich dann der Ri Dragonei folgend bis ins Tal. Oberhalb der Kantonsstraße Anzonico-Cavagnago teilte sich der mächtige Strom in zwei Arme, die sich über der Bahnlinie wieder ver-einigten. In den Wald von Suaisgia wurde eine gewaltige Lücke gerissen; mit 15 ha ganz oder teil-weise zerstörter Fläche und 2500 m3 Holzanfall ist es der größte Waldschaden im Kanton Tessin.

Der größte Teil der Schnee-, Schutt- und Holzmassen wurde nach dem letzten Steilabsturz auf der Gotthardlinie aufgehalten. In einem Bericht der Kreisdirektion II der SBB lesen wir hierüber:

Fig. 94 Die Pizzo-Erra-Lawine. Verschüttung von Bahn und Straße unterhalb der Biaschina

"Die Bahngeleise wurden auf der offenen Strecke auf ca. 100m Länge und ca. 5-16 m Höhe (beim Tunnelportall überschüttet, wäh-rend die Tunnelröhre selbst noch ca. 10m tief aufgefüllt wurde. Die Mulde hinter dem aus vier Oeffnungen von 8,30 m lichter Weite be-stehenden steinernen Traviaviadukt wurde vollständig hinterfüllt, glücklicherweise ohne die Brücke zu beschädigen. Ferner wurden acht Fahrleitungsmaste umgerissen. Die Kantonsstraße wurde auf einer Breite von 40 m verschüttet und war unpassierbar. Nach-dem feststand, daß die Räumung der Geleise mehrere Tage dauern würde, wurde zuerst mit der Räumung der Kantonsstraße begon-nen, um wenigstens für den Personenverkehr das Umsteigen auf Autobusse zwischen La-vorgo und Bodio zu ermöglichen. Ca. 14 Uhr war die Kantonsstraße offen." Und weiter:

"Am Tunnelportal bildete die Lawine einen Kegel mit Spitze 25 m über den Geleisen.

Zum Abbau dieses Kegels mußte in acht Etagen gearbeitet werden. Am 15. Februar hatte es wieder geschneit und geregnet, und das abzutragende Material nahm teilweise die Härte von schwerem Pickelfels an und mußte mit starken geballten Sprengladungen gelockert werden. Um sich ein Bild über die Schwierigkeiten zu machen, sei nur erwähnt, daß sich die entwurzelten Tannen im Tunnel-voreinschnitt derart verkeilt hatten, daß sie nur unter Einsatz von Dampflokomotiven einzeln aus dem Wirrwarr herausgerissen werden konnten."

Zur Freilegung der Geleise mußten rund 8000 m3 Schnee und Schutt weggeräumt werden. Trotz ständigem Einsatz von ca. 100 Mann und Maschinen wie Traxes, Löffelbagger, Lastautos usw. wäh-rend Tag und Nacht konnte der durchgehende Verkehr zwischen Lavorgo und Bodio erst nach 8% Tagen aufgenommen werden. Es handelt sich um den längsten Betriebsunterbruch, den die SBB seit ihrem Bestehen zu verzeichnen hatten.

Zone II: Val Blenio untere Leventina R i v i e r a (Tab 79)

Wenn auch dieser Kantonsteil von Menschenopfern ganz verschont blieb, so haben ihm die La-winen materiell empfindliche Wunden geschlagen. Dies gilt besonders für den Wald. Vielerorts, vor allem im mittleren Bleniotal zwischen Torre und Motto, werden Dörfer und Kommunikationen in kommenden Lawinenperioden größerer Gefahr ausgesetzt sein.

Im Lukmaniertal haben die Schneemassen dem ohnehin schon lichten Wald bedeutenden Scha-den zugefügt: auf der linken Talseite wurScha-den 8 ha, rechtseHig 7 ha zerstört oder beschädigt. Ge-bäudeschäden entstanden bei Acquacalda, wo eine vom P. Cadreghe abstürzende Lawine das 1948 erstellte Berghotel an der Lukmanierstraße ganz, das Oekonomiegebäude teilweise zerstörte (7).

Von den gegenüberliegenden Alphütten von Brönich wurden durch die Campellerlawine deren vier zertrümmert (8). Die wichtige Hochspannungsleitung wurde auf 600 m niedergelegt und blieb für drei Wochen unbrauchbar. Im Val die Campo waren neben Waldschäden zwei außerordentliche Lawinen auf Alpställe von Gar sotto (11) und Al Sasso (12) zu verzeichnen. 23 Alpgebäude sowie eine Brücke fielen hier der Wucht der Elemente zum Opfer. Eher unbedeutend waren die Schäden in der Gegend von Olivone. Im Seitental von Soja wurde durch 5 Lawinen ein Alpstall mit 35 Zie-gen (13) und einiger Bergwald vernichtet (14-17). Gravierender könnten sich die am Westhang des

Fig. 95 Lawinenkarte Bleniotal

Gana Bianca-Simano-Massivs erfolgten Abstürze auswirken (18-24). Wenn diesmal auch nur zwei menschliche Behausungen betroffen wurden (bei Acquarossa) und auch die Straßenverschüttungen keine weitem Schäden anrichteten, ist die Gefahr durch die Ausweitung der Lawinenzüge erheb-lich gestiegen. Dasselbe gilt für die Lawinen auf Gemeindegebiet Dongio (25, 26), besonders für die östliche, auf Motto abstürzende.

Zahlreich waren die rechtsseitigen Lawinenniedergänge vom Molaregrat Sie drangen aber nur vereinzelt bis gegen bewohnte Gebiete vor und suchten besonders Wälder und Alpgebäude heim (27-38). Gleiches gilt für die vier Abstürze im Val Malvaglia (39-42). Die restlichen drei Februar-lawinen (43, 45, 50) dieses Kreises betreffen zur Hauptsache Waldschäden im Val Pontirone, am links?eitigen Talhang von Bodio und im Val d'Inagna.

Z o n e I I I : V a ll e M a g g i a (Tab. 80)

Trotz zahlreicher und teilweise bisher unbekannter Lawinen waren im ganzen Tale keine Men-schenopfer zu beklagen. Empfindlich sind die Schäden an Gebäuden, doch fallen einige Waldzer-störungen bedeutend schwerer ins Gewicht, weil damit verschiedene Dörfer und Straßen ihres bis-herigen Schutzes beraubt sind.

Fig. 96 Lawinenkarte Valle Maggia

Das Gebiet von F u s i o war eine zeitlang von der Außenwelt abgeschnitten, der Weiler Mogno sogar eva-kuiert. Mit Ausnahme zahlreicher Straßenverschüttungen verursachten jedoch nur vier Lawinen (1-4) materielle Schäden.

Die Abstürze im V a l d i P e c c i a gefährdeten vor allem den Weiler San Carlo (9). Hier drangen die Schnee-massen erstmals bis zum Dorf, westlich davon sogar bis zum Fluß vor und bildeten dort einen gewaltigen Ablage-rungskegeL Dank der getroffenen Vorsichtsmaßnahmen wurden keine Menschen verschüttet. Zehn Personen aus dem meistgefährdeten Dorfteil waren vorher evakuiert worden. Da die Lawine schon oberhalb des Dorfes weit-gehend abgebremst wurde, hatten die obersten Gebäude nur noch die letzte Bewegung aufzuhalten. Ein Wohnhaus kam dabei stark zu Schaden und mehrere andere Häuser wurden teilweise mit Schnee angefüllt. Infolge anhaltender Schneefälle und der damit verbundenen Gefahr weiterer Lawinenniedergänge wurde das ganze Dörflein geräumt.

Die Bewohner begaben sich nach dem taleinwärts gelege-nen Weiler Alpiano in Sicherheit. Auch die Bewohner von Cortignelli verließen nach dem Absturz der Vallegia-La-wine ihre Heimstätten und begaben sich nach Alpiano.

Schließlich wurden Pr a t o und S o r n i c o vorsorg-lich geräumt. Die gewaltigen Schneemassen der Scodato--Lawine (14) kamen knapp vor den beiden Ortschaften zum Stillstand. Die Gefahr für M e n z o n i o ist durch Wald-verwüstungen (15) ebenfalls stark angewachsen.

B o s c o - G u r i n, die höchstgelegene Gemeinde des Kantons Tessin, 1504 m ü. M., war im Laufe der Jahrhun-derte mehrmals von großen Naturkatastrophen

heimsucht worden. So haben gewaltige Lawinen in den Jahren 1695 und 1749 34 bzw. 41 Todesopfer ge-fordert. 1925 wurden mehr als 30 Ställe mit über 40 StückVieh verschüttet; Menschenleben waren damals keine zu beklagen. Als man im Februar 1951 mehrere Tage keine Verbindung mehr mit Bosco-Gurin hatte - Straße und Telephonleitungen waren unterbrochen - befürchtete man eine neue Katastrophe. Dies bewahrheitete sich glücklicherweise nicht, wenn auch einiger Schaden ent-standen ist.

Am Sonntag, 11. Februar, um 16.00 Uhr lösten sich die Schneemassen an den felsigen Hängen oberhalb des Bannwaldes auf ca. 1800 m ü. M. und fuhren direkt gegen den Westteil des Dorfes nie-der (18). Der alte verlichtete Hochwald vermochte den Schneestrom nicht aufzuhalten. Im Auslauf teilte sich die Lawine in einige Arme auf, von welchen einer den Dorfrand in der Nähe der Kirche erreichte, wo gerade dieses Jahr das neue Schulhaus hätte erbaut werden sollen! Ein anderer Arm drang weiter westlich in den ältesten Dorfteil "Heimgard" ein. Die 58jährige Frau Pauline Toma-michel, welche sich zur Zeit des Unglückes gerade in einem dortigen Stalle aufhielt, wurde

Am Sonntag, 11. Februar, um 16.00 Uhr lösten sich die Schneemassen an den felsigen Hängen oberhalb des Bannwaldes auf ca. 1800 m ü. M. und fuhren direkt gegen den Westteil des Dorfes nie-der (18). Der alte verlichtete Hochwald vermochte den Schneestrom nicht aufzuhalten. Im Auslauf teilte sich die Lawine in einige Arme auf, von welchen einer den Dorfrand in der Nähe der Kirche erreichte, wo gerade dieses Jahr das neue Schulhaus hätte erbaut werden sollen! Ein anderer Arm drang weiter westlich in den ältesten Dorfteil "Heimgard" ein. Die 58jährige Frau Pauline Toma-michel, welche sich zur Zeit des Unglückes gerade in einem dortigen Stalle aufhielt, wurde