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2. SCHRIFTTUM

2.5 Körpereigene Antioxidantien

Substanzen, die aufgrund ihrer Oxidierbarkeit andere Stoffe vor spontaner Oxidation schützen, gehören zu der Gruppe der Antioxidantien. Wie alle lebenden Zellen, die Sauer-stoff zur aeroben Respiration nutzen, sind auch die Samenzellen der Gefahr einer Schädi-gung durch hoch reaktive Sauerstoffradikale ausgesetzt. Im Seminalplasma und den Spermien gibt es verschiedene regulatorische Systeme für ROS. Diese Systeme können – enzymatisch oder nicht-enzymatisch – eine Balance zwischen Produktion und Verstoffwechselung von ROS herstellen. Es ist wenig aussagekräftig, die Effektivität eines Antioxidans unabhängig von anderen zu messen, da eine Wechselwirkung zwischen verschiedenen Antioxidantien besteht.

Zu den wichtigsten körpereigenen Enzymen, welche als Antioxidantien ROS beim Menschen inaktivieren, gehören z. B. Superoxiddismutase (SOD), Katalase, Glutathion-Peroxidase und -Reduktase. BLONDIN et al. (1997) schreiben, daß intrazellulär SOD, Katalase und Glutathion-Peroxidase vorhanden sind. Mit den Membranen verbunden kommen α-Tocopherol und Karotinoide vor und extrazellulär sind Vitamin C sowie Proteine zu finden, welche mit Eisen- und Kupferionen Komplexe bilden, um die Bildung von Hydroxylradikalen zu verhindern. Weitere Antioxidantien befinden sich im Seminal-plasma (BAUMBER et al. 2002), wie z. B. Glutathion-Peroxidase, Taurin und Cholin-Derivate (KIM und PARTHASARATHY 1998). Die Stärke des ROS-Abfang-Systems wird durch physiologische und Umweltfaktoren bestimmt.

Superoxiddismutasen katalysieren die Reaktion von Superoxidradikalen zu Sauerstoff (O2) und Wasserstoffperoxid (H2O2) (SIKKA 2001). Wasserstoffperoxid wird als entscheidend für die Schädigung der Spermien angesehen, da es einen Abfall des ATP-Gehaltes, einen Motilitätsverlust, eine Schädigung des Chromatins und eine Membranschädigung durch Lipidperoxidation verursachen kann (DE LAMIRANDE et al.

1997; BALL et al. 2000). Hydrogenperoxide reagieren entweder mit Superoxidanionen (Haber-Weiss-Reaktion) oder mit freiem Eisen (Fenton-Reaktion) und formen dann stark reaktive Hydroxylradikale. Diese haben eine kurze Halbwertzeit, sind sehr energiereich und ausgesprochen toxisch. Enzyme mit Peroxidase-ähnlichen Aktivitäten, wie z. B.

Katalase, und weitere zelluläre Antioxidationsmittel, wie z. B. Glutathion-Peroxidase (GSH), metabolisieren H2O2 zu H2O. Die Glutathion-Reduktase reduziert die oxidierte Form der GSH mit Hilfe von NADPH wieder (SIKKA 2001). NADPH scheint daher eine

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Doppelrolle einzunehmen: bei der Produktion durch die NADPH-Oxidase und bei der Entgiftung von ROS (FORD et al. 1997).

2.5.1 Superoxiddismutase

Das Enzym Superoxiddismutase ist ein körpereigenes Antioxidans. Es ist ein Metalloprotein und kommt im menschlichen Hoden in verschiedenen Formen vor, z. B.

als zytosolische Kupfer-Zink-SOD, mitochondriale Mangan-SOD oder extrazelluläre Kupfer-SOD (FRIDOVICH 1985). Jede vermehrte Aktivität der intrazellularen Oxidasen in den Hodenkompartimenten oder den Spermien kann zu einem Anstieg von O2·- führen, welches mit Hilfe von SOD über HO2· zu H2O2 wird. H2O2 ist eine relativ stabile Verbindung, welche leicht durch das Plasma und die Kernmembran diffundieren kann.

Während die Katalase-Aktivität bei den Spermien nur schwach ausgeprägt, aber wesentlich im Seminalplasma ist, scheinen Superoxiddismutase und Glutathionperoxidase wichtig für das Überleben der Spermien zu sein (GRIVEAU und LE LANNOU 1997).

Superoxiddismutase ist im Sperma von verschiedenen Spezies gefunden worden, z. B. bei Hasen und Mäusen (SHARMA und AGARWAL 1996). Auch ALVAREZ et al. (1987) stellen eine Superoxiddismutaseaktivität im Sperma verschiedener Säugetierspezies fest, wobei Pferdesperma eine höhere Enzymaktivität als Rinder-, Schweine- oder Schafsperma aufweist. Die höchste Aktivität wurde im Esel-Sperma nachgewiesen. Bei den meisten Spezies befindet sich die Superoxiddismutase intrazellulär; bei Eber- und Equiden-Ejakulaten ist sie aber auch extrazellulär gefunden worden (MENELLA und JONES 1980), da sie dort über Sekretion der akzessorischen Geschlechtsdrüsen in das Seminalplasma gelangt (MANN 1964).

Bei der Tiefgefrierung von Spermien kommt es unter anderem zu einem Anstieg der Lipidperoxidation, da die Superoxiddismutase durch den Tiefgefrierprozess fast vollständig inaktiviert wird (MENELLA und JONES 1980). DE LAMIRANDE et al.

(1993) haben gezeigt, daß durch Superoxidanionen ausgelöste Hyperaktivierung und Kapazitation von Spermien durch Superoxiddismutase gestoppt werden kann.

2.5.2 Katalase

Die Katalase ist eine Peroxidase, welche die Spaltung von Wasserstoffperoxid zu Wasser und Sauerstoff katalysiert. Sie ist durch ein dreiwertiges Eisenatom im Zentrum ihres Coenzyms (Hämin) zur Übertragung von Elektronen befähigt (BUDDECKE 1994).

Katalase schützt die Enzymaktivität der Antioxidantien Superoxiddismutase und Glutathionperoxidase (GRIVEAU et al. 1995). Pferdesperma weist eine hohe Katalaseaktivität (989,3 ± 167,8 U/ml) auf, die stark zwischen verschiedenen Hengsten variiert (BALL et al 2000). Obwohl die Katalase hauptsächlich aus Sekreten der Prostata des Hengstes stammt, ist die spezifische Enzymaktivität in extrahierten Samenzellen höher als im Seminalplasma. Daher wird vermutet, daß Katalase sich bevorzugt an Samenzellen anlagert. Es konnte jedoch keine Korrelation zwischen der Katalaseaktivität im Sperma und der Spermaqualität in Bezug auf Vorwärtsmotilität und Morphologie festgestellt werden (BALL et al. 2000).

2.5.3 Glutathionperoxidase/ -reduktase

Das Vorkommen des Glutathion-Peroxidase-Reduktase-Systems im Samen ist bei verschiedenen Säugetieren nachgewiesen (zitiert nach TSELKAS et al. 2000), jedoch ist die Aktivität des Glutathion-Peroxidase-Reduktase-Systems für Pferdesperma bisher noch nicht beschrieben worden (BAUMBER et al. 2000). Bei Ratten dagegen ist eine Glutathion-Peroxidase in Spermienmitochondrien entdeckt worden (SIKKA et al. 1995).

Glutathion, ein Bestandteil des Redoxsystems Glutathionperoxidase/ -reduktase, ist ein Tripeptid aus Glutaminat, Cystein und Glyzin. Es liegt in reduzierter Form als Glutathion-Sulfhydryl (GSH) und in oxidierter Form als Glutathiondisulfid (GSSG) vor (BUDDECKE 1994). Der Abbau von Wasserstoffperoxid und Lipidhydroperoxiden durch die Glutathion-Peroxidase erfolgt intrazellulär und ist stark vom Selengehalt der Zelle abhängig (SLAWETA et al. 1988). Die Reduktion des oxidierten Glutathion durch die Glutathion-Reduktase ist NADPH-abhängig. Ein Mangel an NADPH führt zum Wirkungsverlust dieses Schutzsystems (GRIVEAU et al. 1995).

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2.5.4 Vitamin E

Als weiteres Antioxidans kann Vitamin E Lipidradikale neutralisieren. Vitamin E (α-, β- oder γ-Tokopherol) ist ein fettlösliches Vitamin. Da ein Mangel an Vitamin E zu Fertili-tätsstörungen führt, wird es auch als Antisterilitätsvitamin bezeichnet. Es wird über die Nahrung aufgenommen und ist in Lipidmembranen von Zellen und Zellorganellen lokalisiert (SCOTT 1980; BUETTNER 1993). Wenn Peroxidradikale aus der wäßrigen Phase in die Plasmalipidschicht der Membranen eindringen (DEL MAESTRO 1980), fängt Vitamin E die Radikale ab und bewahrt die ungesättigten Fettsäuren und Sulfhydrylgruppen vor Oxidation. SHARMA und AGARWAL (1996) schreiben, daß Vitamin E auch als kettenbrechendes Antioxidans wirken kann. AGUERO et al. (1994) vermuten, daß Vitamin E Pferdespermien beim Tiefgefrierprozeß durch Erhöhung der Zellatmung vor den schädlichen Auswirkungen der Abkühlung und der Lipidperoxidation schützt. Ein durch Fütterungsversuche mit Vitamin E erreichter hoher Serumspiegel von α-Tocopherol hat die Leistung von Spermien im Zona-Bindungstest verbessert (KESSOPOULOU et al. 1994).

2.5.5 Vitamin C

Ascorbinsäure (Vitamin C), eine hitzelabile Hexuronsäure, gehört zu den wasserlöslichen Vitaminen und wird bei Säugetieren – außer bei Primaten und Meerschweinchen - in der Leber synthetisiert. Sie ist mit zwei Hauptfunktionen im Stoffwechsel integriert, nämlich als Redoxsystem und als Radikalfänger (DRESSLER, o.J.). Bei der Neutralisation von reaktiven Sauerstoffspezies geht Ascorbinsäure reversibel in Ascorbat und Dehydroascorbat über (DAVIES et al. 1991). Vitamin C kann Superoxidanionen, einzelne Sauerstoffatome, reduziertes Glutathion, Taurin und Hypotaurin sowie Pyruvat abfangen und das oxidierte Vitamin E regenerieren (GRIVEAU und LE LANNOU 1997).

Weiterhin ist Ascorbinsäure in der Lage, die Aktivität der Superoxiddismutase zu schützen (BECONI et al. 1993) und es verbessert die intestinale Selen-Absorption und damit die Aktivität der Glutathionperoxidase (DRESSLER, o.J.).

AEHNELT (1950) fand heraus, daß der Ascorbinsäuregehalt im Pferdesperma individuell sehr stark schwankt und mit der Veranlagung des Spenderhengstes in

Zusammenhang steht, da Ejakulate mit hoher natürlicher Ascorbinsäurekonzentration bessere Vitalitäts- und Motilitätswerte der Spermien zeigten als Ejakulate mit niedriger Konzentration. THIELE et al. (1995) ermittelten an Humansperma eine positive Korrelation zwischen Ascorbinsäurekonzentration und normaler Spermienmorphologie und eine reziproke Korrelation zur Produktion von ROS. Bei einer gekühlten Lagerung von Pferdesperma hat der Zusatz von Ascorbinsäure einen Einfluß auf den Anteil membranintakter Samenzellen nach 24, 48 und 72 Stunden Lagerung (SCHÖNHERR 1996).

Beim Pferd konnte bisher nicht mit Sicherheit nachgewiesen werden, daß orale Vitamin C-Gaben die Fruchtbarkeit verbessern, außerdem ist die gastro-intestinale Aufnahme beim Pferd im Vergleich zu anderen Spezies sehr gering. Nur bei intravenöser Applikation ist die Verfügbarkeit im Körper zufriedenstellend (LÖSCHER et al. 1984).

2.5.6 β-Karotin

Karotine sind Pflanzenfarbstoffe und gehören zu der Gruppe der Karotinoide. Sie besitzen ein Kohlenstoffgerüst aus acht Isoprenresten und enthalten viele konjugierte Doppelbindungen. Im Tierorganismus werden sie zu Farbstoffen des Gewebes umgewandelt. β-Karotin ist ein hydrophobes Antioxidans. Es reagiert mit Singulett-Sauerstoff und geht dabei in einen Triplettzustand über, aus dem es durch Wärmeabgabe wieder in den Grundzustand zurückkehren kann. Reagieren Karotine mit Sauerstoffradikalen, oxidieren sie diese zu Polyencarbonylen (DEL MAESTRO 1980;

BUDDECKE 1994).

ß-Karotin ist die Vorstufe von Vitamin A. Es wird lokal durch das Enzym Karotinase in Vitamin A umgewandelt. ß-Karotin stimuliert die Synthese des Progesterons und beeinflußt – wahrscheinlich Vitamin A unabhängig – durch seine antioxidativen Eigenschaften zellschädigende Lipidradikale.

Bei Versuchen mit Jungbullen traten bei fehlender Karotinzulage vermehrt Veränderungen an den Spermien im Bereich des Spermienkopfes und des Plasmatropfens im Verbindungsstück auf, die eine ungenügende Ausreifung in den Nebenhoden aufzeigten. Volumen und Spermiengehalte der Ejakulate wurden nicht beeinflußt (zitiert nach HOFFMANN LA ROCHE 1997). Bei Zufütterung von ß-Karotin während der

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Aufzuchtperiode von Ebern wurde ein günstiger Einfluß auf die Hodenentwicklung und spätere Spermaqualität ausgeübt (KAWECKA et al. 1993). Auch KLUG et al. (1976) folgerte in seinen Versuchen mit Jungbullen, daß ß-Karotin eine spezifische Funktion in den Samenbildungs- und Samenreifungsprozessen zukommt.

Bei Verabreichung von ß-Karotin an Eber wurde die Beweglichkeit der Spermien nach zweitägiger Lagerung bei 16 ºC beeinflußt; die Anzahl Spermien mit proximalem Zytoplasmatropfen nahm ab (zitiert nach HOFFMANN LA ROCHE 1997). Durch Zufütterung von ß-Karotin zeigte sich ein deutlich positiver Effekt auf die Anfangsmotilität der Samenzellen bei Besamungsebern (STEINBRINK 1996).

WEMHEUER et al. (1996) fanden in einer Studie bei Besamungsebern heraus, daß ß-Karotin bei vollständiger Abdeckung des Vitamin A-Bedarfes die antioxidative Kapazität des Stoffwechsels steigert; allerdings konnte ß-Karotin unter Stress nicht zum antioxidativen Schutz der mehrfach ungesättigten Fettsäuren der Samenzellen beitragen.

KUPFER et al. (1986) stellten bei einer Zufütterung von ß-Karotin an Jungbullen keinen spezifischen Einfluß auf die Fruchtbarkeit fest.