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Invalidenversicherung Eingliederung

Urteil des EVG vom 13. April 1966 i. Sa. H. G.

Art. 17 IVG. Umschulung infolge Invalidität ist bei teilweisem Ver-lust der Erwerbsfähigkeit immer dann notwendig, wenn der Invalide bei seiner verbleibenden Erwerbsfähigkeit nicht als zumutbar ein-

gegliedert erscheint. Eine beachtliche dauernde Einkommenseinbuße steht der Annahme einer zureichenden und damit zumutbaren Ein-gliederung entgegen, falls mit einer beruflichen Maßnahme die Erwerbsfähigkeit wesentlich verbessert werden kann.

Im September 1964 ersuchte der Versicherte die IV-Kommission, ihn auf eine neue Erwerbstätigkeit umzuschulen. Er habe im Januar 1963 die «Chauffeur-Schule» bestanden und hernach als Chauffeur schwerer Lastwagen rund 950 Franken im Monat verdient; jetzt müsse er den Beruf wechseln, da er am 21. August 1964 bei einem Verkehrsunfall sein linkes Auge verloren habe.

Die IV-Kommission beauftragte die IV-Regionalstelle für berufliche Einglie-derung, den Sachverhalt abzuklären. Am 4. November 1964 eröffnete die Automobilkontrolle dem Versicherten, als Einäugiger dürfe er nur noch leichte Lastwagen führen. Mit Eingabe vom 8. Dezember 1964 und 27. März 1965 meldete eine Firma der IV-Regionalstelle, sie beschäftige den Versicher-ten seit November 1964 als Chauffeur eines Lieferwagens. Sie wolle ihn zum Betriebskontrolleur ausbilden und bitte die IV sich mit mindestens 2 000 Franken an den Kosten dieser Anlehre zu beteiligen; der strebsame junge Mann habe mindestens einen Schreibmaschinenkurs, einen Rechenschieberkurs und einen Kurs für psychologische Arbeiterführung nötig. Im April 1965 meldete die IV-Regionalstelle, der Versicherte beziehe bei der Firma zur Zeit als Chauffeur 800 Franken Monatslohn (Lohn mit Zulagen vor dem Unfall 1 000 Franken);

man werde aber den Versicherten «sobald es die Organisation zulasse, in die Verzinkerei einarbeiten» und hernach mit 1 000-1 200 Franken entlöhnen.

Die IV-Regionalstelle empfehle, einen Skizzierkurs für die Metallindustrie so-wie einen Rechenschieberkurs für Anfänger zu finanzieren. Auf Grund eines Kommissionsbeschlusses vom 25. Mai 1965 verfügte die Ausgleichskasse am 9. Juli 1965, eine Umschulung auf Kosten der IV werde abgelehnt. Der Ver-sicherte arbeite als Chauffeur und sei beruflich eingegliedert. Wolle man ihn in der Verzinkerei einsetzen, so sei das Sache der Arbeitgeberin, die ohnehin einen Stamm von Facharbeitern heranbilden müsse.

Der Versicherte beschwerte sich. Er erneuerte sein Gesuch und schrieb, seit dem 25. November 1964 zahle ihm die SUVA eine Rente von monatlich 159,60 Franken für eine auf 25 Prozent geschätzte Invalidität. Mit Urteil vom 22. Dezember 1965 wies die Rekurskommission die Beschwerde ab.

Der Versicherte hat rechtzeitig Berufung eingelegt mit dem Antrag, die Sache zur Festlegung der ihm nach Art. 17 IVG gebührenden Leistungen an die IV-Kommission zurückzuweisen. Gemäß augenärztlichem Zeugnis tauge er nicht weiter zum Berufschauffeur und ohne Umschulung auf eine neue Tätigkeit bringe er es nicht mehr auf den Lohn, den er vor dem Unfall be-zogen habe. Zum Beweis werden gesamtarbeitsvertragliche Bestimmungen, namentlich das Lohnreglement vom 27. Oktober 1965 für das ostschweizeri-sche Transportgewerbe vorgelegt. Die Ausgleichskasse und das BSV schließen sich dem Berufungsbegehren an.

Das EVG hieß die eingereichte Berufung im Sinne folgender Erwägungen gut:

1. Nach Art. 8, Buchst. b, Art. 9, Abs. 1 und Art. 17, Abs. 1, IVG in Vbindung mit Art. 6, Abs. 1, IVV hat die IV einen Invaliden, der bereits er-werbstätig war, auf eine neue Erwerbsarbeit umzuschulen, wenn sein Ge-

brechen eine Umschulung nötig macht und von einer solchen die Erhaltung oder eine wesentliche Verbesserung seiner Erwerbsfähigkeit zu erwarten ist.

Durch die Umschulung soll dem Versicherten zu einer seiner frühern mög-lichst gleichwertigen neuen Erwerbsmöglichkeit verholfen werden (EVGE 1962, S. 121; ZAK 1962, S. 379; EVGE 1962, S. 221; ZAK 1962, S. 499; EVGE 1965, S. 44; ZAK 1965, S. 450).

2. Der Versicherte ist im Sommer 1964 um ein Auge gekommen und hat deswegen die Stelle verloren, wo er als Chauffeur schwerer Motorwagen rund 1 000 Franken Monatslohn bezogen hatte. Seither darf er aus verkehrs-polizeilichen Gründen bloß noch leichte Lastwagen führen. Aus dem Bericht der IV-Regionalstelle ergibt sich, daß der Verlust des Führerausweises für schwere Lastwagen bei der Tätigkeit als Chauffeur ein dauerndes Absinken in eine tiefere Lohnklasse bedeutet. Die jetzige Arbeitgeberin des Versicher-ten erklärt, obwohl 800 Franken für einen Lieferwagen-Chauffeur ein zu hoher Lohn sei, erhalte er ihn mit Rücksicht auf seine Familie, solange er noch nicht durch die vorgesehene Umschulung in die Verzinkerei eingearbeitet sei. In der Tat ergibt sich auch aus den vorgelegten Lohnreglementen, daß die Chauffeure schwerer Motorwagen höher als die übrigen entlöhnt werden.

3. Die kantonale Rekurskommission nimmt an, der Versicherte könnte trotz seiner Einäugigkeit auch ohne Umschulung ohne weiteres eine Stelle bekleiden, in welcher er sich finanziell gleich gut stellt wie vor dem Unfall.

Wenn der Versicherte nur ein ungelernter Arbeiter wäre, der durch seinen Körperschaden eine der in dieser Erwerbskategorie liegenden Möglichkeiten verloren hat, dann wäre ihm ohne Umschulung zuzumuten, auf eine andere ungefähr gleichwertige Arbeit überzugehen, wobei er gegebenenfalls vorüber-gehend auch einen geringem Anfangslohn anzunehmen hätte, soweit solche Verhältnisse in seiner Kategorie üblich sind. Aber der Versicherte hat, ob-wohl ungelernt, als Chauffeur schwerer Lastwagen eine qualifizierte Lohn-stellung innegehabt und sie durch den Unfall dauernd verloren. Daß er als Chauffeur oder mit einer andern, einem ungelernten Arbeiter offenstehenden Arbeit ungefähr den gleichen Verdienst erzielen könnte, wie der verlorene es war, das nehmen IV-Kommission und Vorinstanz wohl an; allein es fehlen tatbeständliche Unterlagen hierzu, so daß sich die Rückweisung der Sache zur näheren Abklärung rechtfertigt.

Wohl hat der Berufungskläger durch den Unfall seine Erwerbsfähigkeit bei weitem nicht ganz verloren. Allein die Umschulung ist nach den geltenden Grundsätzen auch dann notwendig, wenn ein teilweiser Verlust vorliegt, sofern dieser nach den gesamten Umständen nur beachtlich genug ist. Ob das schließlich der Fall sein werde, wird die weitere Abklärung durch die IV-Kommission ergeben. Vorläufig läßt sich nach den Akten nur sagen daß der Vergleich des verlorenen mit dem jetzigen Lohn einen Verlust von rund 20 Prozent ergibt, was bei einem dauernden Durchschnitt wohl als hinreichend bezeichnet werden müßte. Die Umschulung infolge Invalidität ist bei teil-weisem Verlust der Erwerbsfähigkeit immer dann notwendig, wenn der Invalide bei seiner verbleibenden Erwerbsfähigkeit nicht als zumutbar ein-gegliedert erscheint. Eine beachtliche dauernde Deklassierung im Erwerbs-einkommen verbietet aber die Annahme der zureichenden und damit zumut-baren Eingliederung, falls mit einer beruflichen Maßnahme wie der Um-

schulung die Erwerbsfähigkeit wesentlich verbessert werden kann (Wortlaut von Art. 17, Abs. 1, IVG).

Da im vorliegenden Fall der Anspruch auf eine gewisse Umschulung nach allem grundsätzlich begründet sein kann, liegt es an der IV-Kommis-sion, zu ermitteln, ob in der jetzigen Firma das Fortkommen des Versicherten hinsichtlich Dauer und Lohnhöhe ausreichend gesichert ist und insofern Beiträge der IV an seine dortige Anlehre gerechtfertigt sind. Im allgemeinen fallen die Kosten der Ausbildung von Spezialarbeitern nur insoweit unter Art. 6, Abs. 1, IVV, als sie nicht üblicherweise vom Arbeitgeber getragen werden.

Sollten die ergänzten Akten den Umschulungsanspruch begründen, so hätte die IV-Kommission die dem Versicherten gebührenden Beiträge zu be-stimmen. In diesem Sinne ist die vorliegende Berufung begründet.

Urteil des EVG vom 25. März 1966 i. Sa. G. A.

Art. 21, Abs. 1, IVO und Art. 14, Abs. 1, Buchst. d, IVV. Eine Ver-sicherte, welche kurz vor Vollendung ihres 62. Altersjahres steht, hat dann Anspruch auf die Abgabe eines Hörapparates, wenn sie sowohl im beruflichen als auch im hausfraulichen Tätigkeitsbereich auf einen solchen angewiesen ist.

Die am 13. Juni 1903 geborene Versicherte ist in einer Trikotfabrik als Zu-schneiderin tätig. Daneben besorgt sie den ehelichen Haushalt. Anfang De-zember 1964 meldete sie sich bei der IV an; sie ersuchte um Abgabe eines Hörgerätes. Nachdem die IV-Kommission Berichte der Arbeitgeberin und zweier Ohrenärzte eingeholt hatte, beschloß sie am 2. August 1965, kein Hör-gerät zu gewähren. Die Versicherte sei darauf «nicht unbedingt» angewiesen.

Ferner bestehe «nur noch eine kurze Aktivitätsperiode». Diesen Beschluß eröffnete die Ausgleichskasse mit Verfügung vom 17. August 1965.

Die Beschwerde der Versicherten wurde von der kantonalen Rekurs-kommission am 20. Januar 1966 abgewiesen. Die Rekurskommission stellte auf die Auskunft der Arbeitgeberin ab, wonach die Invalide für die Ausübung ihrer beruflichen Tätigkeit nicht unbedingt ein Hörgerät braucht.

Die Versicherte hat Berufung eingelegt. Sie weist auf die Zeugnisse der Ärzte hin und macht geltend, sie sei als Berufstätige und Hausfrau auf einen Hörapparat angewiesen. Sie habe nur deshalb nicht selber ein Gerät ange-schafft, weil sie dadurch den Anspruch gegenüber der IV eingebüßt hätte.

Ausgleichskasse und BSV beantragen Gutheißung der Berufung.

Das EVG hieß die eingereichte Berufung im Sinne folgender Erwägungen gut:

la. Gemäß Art. 21, Abs. 1, IVG hat der Versicherte im Rahmen einer vom Bundesrat aufzustellenden Liste Anspruch auf jene Hilfsmittel, die zu seiner Eingliederung ins Erwerbsleben notwendig sind. Die Hilfsmittel werden in einfacher und zweckmäßiger Ausführung abgegeben, sei es leihweise oder zu Eigentum (Art. 21, Abs. 2, IVG; Art. 15, Abs. 3, IVV). In Art. 14, Abs. 1, IVV, der die Liste der Hilfsmittel enthält, werden unter anderem «Hörappa-rate» erwähnt (Buchst. d). Art. 15, Abs. 1, IVV ordnet ergänzend an, daß

ein Hilfsmittel abgegeben wird, wenn der Versicherte für die Ausübung der Erwerbstätigkeit oder der Tätigkeit in seinem Aufgabdnbereich für die Schu-lung, die Ausbildung oder zum Zwecke der funktionellen Angewöhnung darauf angewiesen ist.

b. Das EVG hat in einem Entscheid vom 5. Juni 1962 einem Arbeiter, der vorwiegend an einer Spinn- und Gallonmaschine tätig war und dabei in der Regel keinen Hörapparat benötigte, trotzdem ein Hörgerät zuerkannt, weil er außerdem Lade- und Magazinarbeiten verrichtete und sich hierbei mit den Nebenarbeitern verständigen mußte. Das Gericht berücksichtigte ferner den Umstand, daß ein Hörapparat angesichts des heutzutage herrschenden Verkehrs auch für die gefahrlose Zurücklegung des Arbeitsweges von Be-deutung ist.

c. Nach diesen Grundsätzen muß der Anspruch auf Abgabe eines Hör-gerätes auch im vorliegenden Fall prinzipiell bejaht werden. Die Versicherte ist beidseits in hohem Grade schwerhörig. Dr. med. A wies in seinem Bericht vom 15. März 1965 u. a. darauf hin, daß die Versicherte ohne Hörapparat die Arbeitsanweisungen nicht mit der erforderlichen Deutlichkeit verstehen könne.

Dr. med. T kam zum Schluß, die Invalide brauche ein Hörgerät «zur Aus-übung einer Erwerbstätigkeit». Im Berufungsverfahren ist eine Bestätigung der Arbeitgeberin zu den Akten gegeben worden, die mehr ist als ein bloßes Gefälligkeitszeugnis. Danach verschlechterte sich das Hörvermögen der Ver-sicherten in letzter Zeit stark, weshalb diese die Aufträge und Arbeitsanwei-sungen der Directrice wiederholt falsch verstand. Unter solchen Umständen ist es glaubhaft, wenn in der Berufungsschrift erklärt wird, die Arbeits-kolleginnen und Vorgesetzten hätten öfters auf die Verständigungsschwierig-keiten hingewiesen. Ferner ist, wie das BSV mit Recht hervorhebt, zu be-rücksichtigen, daß die Versicherte als Hausfrau ebenfalls auf ein Hörgerät angewiesen ist. Dieses dient schließlich auch der gefahrlosen Zurücklegung des Arbeitsweges.

d. Somit ist davon auszugehen, daß die Berufungsklägerin im beruflichen und hausfraulichen Tätigkeitsbereich auf einen Hörapparat angewiesen war.

Zu prüfen bleibt, ob der Umstand, daß die Anmeldung erst kurze Zeit vor Vollendung des 62. Altersjahres erfolgte — die Verfügung der Ausgleichskasse wurde sogar erst nach diesem Zeitpunkt erlassen — dem Anspruch entgegen-stehe.

2a. Gemäß Art. 10, Abs. 1, IVG erlischt der Anspruch auf Eingliederungs-maßnahmen spätestens mit der Entstehung des Anspruchs auf eine Alters-rente der AHV; in diesem Zeitpunkt noch nicht abgeschlossene Eingliede-rungsmaßnahmen sind zu Ende zu führen.

b. Frauen, die das 62. Altersjahr zurückgelegt haben, können grundsätzlich keine Eingliederungsmaßnahmen der IV mehr beanspruchen (Art. 10, Abs. 1, IVG in Verbindung mit Art. 21, Abs. 1, AHVG). Dies gilt auch für Ehefrauen, die das 60. Lebensjahr vollendet haben und an einer Ehepaar-Altersrente be-teiligt sind (EVGE 1963, S. 11; ZAK 1963, S. 375).

Die Versicherte, deren Ehemann im Jahre 1907 geboren wurde, ist an keiner Ehepaar-Altersrente beteiligt. Hingegen vollendete sie am 13. Juni 1965 ihr 62. Lebensjahr und konnte deshalb vom 1. Juli 1965 an eine einfache

Altersrente beanspruchen (Art. 21, Abs. 2, AHVG). Von diesem Zeitpunkt an hatte sie gemäß Art. 10, Abs. 1, IVG keinen Anspruch auf Eingliederungs-maßnahmen mehr. (Vorzubehalten wäre die Beendigung einer nicht abge-schlossenen Maßnahme).

c. Daß die Verfügung über den Anspruch erst nach dem 1. Juli 1965 er-ging, sagt noch nichts darüber, ob der Anspruch begründet sei. Erhoben wurde dieser nämlich rund sieben Monate vor Entstehung des Anspruches auf die Altersrente, mithin so rechtzeitig, daß die Verwaltung ordentlicherweise und besonders auch mit Rücksicht auf das bevorstehende Erlöschen des Anspru-ches die Abgabe des Hilfsmittels noch rechtzeitig hätte in die Wege leiten können. In derartigen Fällen ist die Frage, ob der Anspruch erloschen sei, nach objektiver Betrachtungsweise zu entscheiden. Nur so kann das Gebot der rechtsgleichen Behandlung aller Versicherten verwirklicht werden.

d. Da es bei der Abgabe von Hilfsmitteln — anders als im Rahmen von Art. 12 TVG — nicht darauf ankommt, ob das Hilfsmittel außer dem Ein-gliederungszweck auch anderen Zielen diene (EVGE 1963, S. 147; ZAK 1963, S. 502), ist die Länge der dem Versicherten verbleibenden Aktivitätsperiode grundsätzlich unerheblich. Aus dem Umstand allein, daß die Versicherte kurz vor der Vollendung des 62. Lebensjahres stand, als der Beginn der umstrittenen Maßnahme nach objektiver Betrachtungsweise möglich war, kann somit nichts gegen den Anspruch auf ein Hörgerät abgeleitet werden.

e. Damit ist jedoch noch nicht entschieden, daß die verbleibende Aktivi-tätszeit im Sinne von Art. 10 IVG überhaupt unbeachtlich sei. Das Hilfsmittel ist nämlich seiner Bestimmung nach an die Eingliederung gebunden. Deshalb muß besonders dann, wenn ein Hilfsmittel relativ kurze Zeit vor dem Ende der Aktivitätsperiode beansprucht wird, ein vernünftiges Verhältnis zwischen den Kosten und dem Nutzen des Hilfsmittels gefordert werden (vgl. EVGE 1962, S. 235; ZAK 1963, S. 33). Bei der Beurteilung dieser Frage ist im vor-liegenden Fall nicht nur der Beruf der Versicherten, sondern auch deren Tätigkeit im Haushalt zu berücksichtigen. Die scharfe Trennung dieser beiden Tätigkeitsbereiche ist bloß dann notwendig, wenn der Invaliditätsgrad er-mittelt werden muß (EVGE 1964, S. 258; ZAK 1965, S. 387). Das EVG hat denn auch entschieden, daß Versicherte, die zwar nicht mehr in beachtlichem Ausmaß erwerbstätig zu sein vermögen, dagegen in der vom IVG anerkannten

«Tätigkeit im Aufgabenbereich» (Art. 15, Abs. 1, I\7V) gefördert werden können, ebenfalls Anspruch auf Eingliederungsmaßnahmen haben (EVGE 1964, S. 238; ZAK 1965, S. 194).

f. Das BSV ist zum Schluß gekommen, die Abgabe des Hilfsmittels recht-fertige sich trotz der Kürze der restlichen Aktivitätsperiode. Mithin hält es die Kosten des Hörapparates im Verhältnis zu dessen Nutzen für angemessen.

Das Gericht hat keinen Anlaß, von dieser ermessensweisen Beurteilung abzu-weichen.

3. Somit ist der Berufungsklägerin ein Hörgerät abzugeben. Es wird Sache der IV-Kommission sein, die entsprechenden Modalitäten festzusetzen und insbesondere darüber zu befinden, ob im Hinblick auf die Kosten und die Erwahrung der Geeignetheit des Gerätes die bloß leihweise Abgabe an-gezeigt ist.

Renten

Urteil des EVG vom 4. April 1966 L Sa. T. H.

Art. 29, Abs. 1, IVO. Der Versicherte, der Opfer eines ersten Unfalles geworden war und seine Erwerbsfähigkeit wiedergefunden hat, hat keinen Anspruch mehr auf eine Rente, selbst wenn er weniger als einen Monat nach Arbeitsaufnahme Opfer eines neuen Unfalles ge-worden ist; vorbehalten bleibt die Zusprache einer Rente, falls infolge des zweiten Unfalles eine erneute maßgebende Erwerbsunfähigkeit eintreten wird.

Die 1908 geborene, als Verkäuferin tätige Versicherte brach sich im Mai 1962 während der Arbeit das linke Handgelenk und war von da an voll arbeits-unfähig. Sie konnte ihre Tätigkeit erst anfangs Dezember 1964 wieder auf-nehmen. Am 24. Dezember 19'64 brach sie sich den rechten Arm und war bis zum 9. März 1965 erneut voll arbeitsunfähig; dann arbeitete sie bis anfangs Mai 1965 auf ihrem Beruf. Am 4. Mai 1965 unterzog sie sich wegen großer Schmerzen an der 1962 gebrochenen, linken Hand einer Operation.

Die Versicherte meldete sich im Mai 1964 bei der IV an. Die IV-Kommis-sion kam zum Schluß, der Versicherten stehe vom Monat der Anmeldung, anfangs Mai 1964 bis Ende November 1964 die ganze Rente zu; auf diesen Zeitpunkt sei der Anspruch auf Rente untergegangen, da die Versicherte ihre Arbeit wieder voll aufgenommen habe; der neue Unfall vom 24. Dezember 1964 lasse die Weiterführung der Rente nicht zu. Die Ausgleichskasse ge-währte darauf durch Verfügung vom 16. August 1965 für die Monate Mai bis und mit November 1964 eine ganze einfache Invalidenrente von monatlich 125 Franken.

Eine Beschwerde mit dem Begehren, die bis Ende November 1964 zu-gesprochene Rente sei weiterhin auszurichten, wies die kantonale Rekurs-kommission ab; gleichzeitig übermittelte sie die Akten der IV-Kommission zur Abklärung der Frage, ob seit der Beschlußfassung wegen des Unfalles vom 24. Dezember 1964 ein neuer Rentenanspruch entstanden sei (Entscheid vom 28. 12. 65).

Der kantonale Rekursentscheid wurde durch Berufung an das EVG weiter-gezogen.

Das EVG wies die eingereichte Berufung aus folgenden Erwägungen ab:

1. Nach der durch das Gesetz aufgestellten und durch die Rechtsprechung ergänzten Ordnung (Art. 29, Abs. 1, IVG und EVGE 1965, S. 185 und

S.

192;

ZAK 1966, S. 115 und S. 118) entsteht ein Rentenanspruch, wenn der Ver-sicherte

a. mindestens zur Hälfte (in Härtefällen mindestens zu zwei Fünfteln) bleibend erwerbsunfähig ist (Variante I),

b. während 360 Tagen voll arbeitsunfähig war und weiterhin mindestens zur Hälfte (bzw. zu zwei Fünfteln) erwerbsunfähig ist (Variante II), c. während 450 Tagen ohne beachtliche Unterbrüche durchschnittlich

min-destens zu zwei Dritteln erwerbsunfähig war und weiterhin minmin-destens zur Hälfte (bzw. zu zwei Fünfteln) erwerbsunfähig ist (Variante Ina),

d. während 540 Tagen ohne beachtliche Unterbrüche durchschnittlich mindestens zur Hälfte (in Härtefällen zu zwei Fünfteln), aber weniger als zu zwei Dritteln erwerbsunfähig war und weiterhin mindestens zur Hälfte (bzw. zu zwei Fünfteln) erwerbsunfähig ist (Variante Mb).

Aendert sich der Grad der Invalidität eines Rentenbezügers in einer für den Anspruch erheblichen Weise, so ist die Rente für die Zukunft entsprechend zu erhöhen, herabzusetzen oder aufzuheben (Art. 41, Abs. 1, IVG). Wie das EVG gefunden hat (ZAK 1966, S. 335), sind die Normen über den Renten-beginn grundsätzlich im Gebiet der Rentenrevision sinngemäß anwendbar.

Steht eine Verminderung des Invaliditätsgrades in Frage, so wird daher die ganze Rente erst dann durch die halbe ersetzt oder geht der Anspruch auf Rente erst dann unter, wenn

a. die bleibende Erwerbsunfähigkeit weniger als zwei Drittel bzw. weniger als die Hälfte beträgt (Variante I),

b. die durchschnittliche Erwerbsunfähigkeit während der vergangenen 450 Tagen nicht mehr zwei Drittel bzw. während der vergangenen 540 Tage nicht mehr die Hälfte beträgt (Varianten IIIa und IIIb) unter dem Vorbehalt einer bevorstehenden Zunahme der Invalidität.

Die Variante II gemäß Art. 29, Abs. 1, IVG dürfte bei einer Verminde-rung der Erwerbsunfähigkeit außer Betracht fallen.

2. Im vorliegenden Fall ist streitig, ob die der Versicherten seit 1. Mai 1964 zustehende Rente über den 30. November 1964 hinaus gewährt werden kann. Gleichzeitig mit dem Beschluß über die Gewährung einer Rente hob die IV-Kommission diese Leistung auf Ende November 1964 wieder auf, da die Versicherte ihre Arbeit als Verkäuferin anfangs Dezember 1964 voll auf-genommen habe. Hierin lag eine mit der Festsetzung der Rente verbundene Rentenrevision gemäß Art. 41 IVG, die grundsätzlich zulässig war. Nach dem Gesagten konnte auf jenen Zeitpunkt die Rente aufgehoben werden, wenn die bleibende Erwerbsunfähigkeit nun weniger als die Hälfte (bzw. weniger als zwei Fünftel) betrug. Diese Voraussetzung war erfüllt. Denn die Annahme, anfangs Dezember 1964 sei die auf einen Handgelenkbruch des Jahres 1962 zurückgehende Erwerbsunfähigkeit der nun wieder voll arbeitenden Ver-sicherten bleibend unter die Hälfte (bzw. unter zwei Fünftel) gesunken, hielt sich im Rahmen des der Verwaltung zustehenden Ermessens. Der Unfall vom 24. Dezember 1964 und die hieran anschließende erneute Erwerbsunfähigkeit vermögen hierin nichts zu ändern. Damit trat ein neuer Sachverhalt ein, der anfangs Dezember 1964, auf welchen Zeitpunkt die IV-Kommission die

2. Im vorliegenden Fall ist streitig, ob die der Versicherten seit 1. Mai 1964 zustehende Rente über den 30. November 1964 hinaus gewährt werden kann. Gleichzeitig mit dem Beschluß über die Gewährung einer Rente hob die IV-Kommission diese Leistung auf Ende November 1964 wieder auf, da die Versicherte ihre Arbeit als Verkäuferin anfangs Dezember 1964 voll auf-genommen habe. Hierin lag eine mit der Festsetzung der Rente verbundene Rentenrevision gemäß Art. 41 IVG, die grundsätzlich zulässig war. Nach dem Gesagten konnte auf jenen Zeitpunkt die Rente aufgehoben werden, wenn die bleibende Erwerbsunfähigkeit nun weniger als die Hälfte (bzw. weniger als zwei Fünftel) betrug. Diese Voraussetzung war erfüllt. Denn die Annahme, anfangs Dezember 1964 sei die auf einen Handgelenkbruch des Jahres 1962 zurückgehende Erwerbsunfähigkeit der nun wieder voll arbeitenden Ver-sicherten bleibend unter die Hälfte (bzw. unter zwei Fünftel) gesunken, hielt sich im Rahmen des der Verwaltung zustehenden Ermessens. Der Unfall vom 24. Dezember 1964 und die hieran anschließende erneute Erwerbsunfähigkeit vermögen hierin nichts zu ändern. Damit trat ein neuer Sachverhalt ein, der anfangs Dezember 1964, auf welchen Zeitpunkt die IV-Kommission die