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Interpretation der Ergebnisse und weitere Erkenntnisse

8 Diskussion und Bewertung der Ergebnisse

8.2 Interpretation der Ergebnisse und weitere Erkenntnisse

tere hybride Erfolgsvariable, das Markt-Buchwert-Verhältnis nur um den Buchwert der Verbindlichkeiten erweitert, finden sich zunächst keine statistisch signifikanten Ergeb-nisse. Auch hier deckt sich das Ergebnis mit den Vorgängerstudien.145 Dass es keinen statistisch signifikanten Unterschied macht, ob man die Erfüllungsquote adjustiert, d. h.

die sich bedingenden Empfehlungen zusammenfasst, zeigt, dass diese Empfehlungen einzeln keinen statistisch nachweisbaren Effekt auf die Unternehmensentwicklung ha-ben. Eine durchschnittlich höhere Erfüllungsquote weist also nicht automatisch auf ein besseres Markt-Buchwert-Verhältnis hin, es ist entscheidend, welche Empfehlungen erfüllt werden und die höhere Erfüllungsquote bedingen.146

Einen ganz neuen Aspekt beleuchtete die Hinzunahme der Stewardship-Theorie (Hypo-these 2): Aus der Stewardship wurde abgeleitet, dass ein möglicher Grund für die weni-gen, statistisch signifikanten Zusammenhänge der Vorgängerstudien zwischen dem DCGK und dem Unternehmenserfolg der Fokus auf ‚kontrollierende’ Empfehlungen sei.

Daher wurden die Empfehlungen des DCGK inhaltsanalytisch untersucht. Die Tatsache, dass 59 Empfehlungen der Kontrolle dienen, fünf Empfehlungen der Zusammenarbeit und 43 Empfehlungen nicht zuzuordnen waren, zeigt eindeutig, dass dem DCGK eine klare Richtung fehlt. So war es auch nicht möglich, empirisch zu überprüfen, ob die auf Kooperation ausgelegten Empfehlungen die Schwankungen in der Unternehmensent-wicklung besser erklären als andere. Dennoch ergab die inhaltsanalytische Auswertung ein klares Bild: Solange die Summe der einzelnen Empfehlungen des DCGK keine klare Richtung ergibt, wird es schwer sein, statistisch signifikante Zusammenhänge zu erken-nen. Dem DCGK liegt keine eindeutige Definition, was genau Corporate Governance ist, zugrunde und bietet daher auch nicht die klare Orientierung, die nötig wäre, um einen starken Einfluss auf die Unternehmensentwicklung zu haben.

Es geht sogar noch weiter: Dem DCGK fehlt nicht nur eine klare Richtung. Dadurch, dass unterschiedliche Menschenbilder in den einzelnen Empfehlungen vermischt werden, neutralisieren sich einige der Empfehlungen gegenseitig. Außerdem beinhaltet der

145 Eine mögliche Erklärung ist, dass der DCGK Anteilseigner und nicht Fremdkapitalgeber schützen möchte und daher die Hinzunahme der Verbindlichkeiten das Ergebnis ‚verwässert’.

Diese Interpretation ist wissenschaftlich nicht abgesichert, soll aber trotzdem nicht unerwähnt bleiben. Sie bildet einen Ansatz für weitere Untersuchungen (siehe Kapitel 8.4).

146 Das bestätigt auch das Ergebnis der Untersuchung einzelner Empfehlungen zur Überprüfung der Hypothese 2. Nur 53 von 107 Empfehlungen hatten einzeln betrachtet einen statistisch sig-nifikanten Effekt auf die Unternehmensentwicklung.

DCGK Empfehlungen, die weder der Prinzipal-Agenten noch der Stewardship-Theorie zugeordnet werden können. Ob der DCGK damit eine Vorlage gegeben hat, vielleicht so-gar über eine dritte theoretische Begründung für Corporate Governance nachzudenken, kann in dieser Arbeit nicht beantwortet werden.147 Auch kann keine Aussage darüber getroffen werden, welche theoretische Begründung nun die richtige ist. Was die statisti-sche Auswertung aber eindeutig zeigt, ist die Unwirksamkeit einer Institution wie der DCGK, wenn eine klare Richtung fehlt.

Hier greifen dann auch zwei Kategorien der in Kapitel 2.3.3 zusammengefassten Kriti-ken: Verfehlung der Ziele und unzureichende Gestaltung. Während unter anderem Wiesner (2003) die erhöhte Transparenz als eines der Leitziele des DCGK durch die Ein-führung einer weiteren Regulierungsebene anzweifelt, unterstreicht das Fehlen einer klaren Richtung diese Kritik. Zwar wird bei der Kritik bezüglich der unzureichenden Gestaltung vornehmlich auf die Ausrichtung an großen Publikumsgesellschaften und die mangelnde Kontrolle der tatsächlichen Umsetzung eingegangen, dennoch sollte auch bei der Gestaltung klar definiert sein, auf welcher theoretischen Basis der DCGK steht. Es ist nicht ausgeschlossen, dass sowohl Empfehlungen, die auf Kontrolle ausgerichtet sind, oder Empfehlungen, welche die Zusammenarbeit zwischen Unternehmensleitung und den Besitzern fördert, beide den Unternehmenswert steigern. Entscheidend ist hierbei eine klare Rollenverteilung: Geht das Management von einer Prinzipal-Agenten-Beziehung aus und agiert entsprechend, die Unternehmenseigner hingegen agieren un-ter der Prämisse einer Stewardship-Beziehung, wird das Management immer die Unun-ter- Unter-nehmenseigner ausnutzen. Gleiches gilt natürlich auch in umgekehrter Richtung: Etab-lieren die Unternehmenseigner Richtlinien und Mechanismen zur Kontrolle der Ge-schäftsführung, können diese die intrinsische Motivation einer GeGe-schäftsführung, die von einer Stewardship-Beziehung ausgeht, zerstören. Da nicht davon auszugehen ist, dass die ‚Beziehung’ zwischen Unternehmensleitung und –besitzern immer geklärt ist, verpasst der DCGK hier eine große Chance, für mehr Klarheit zu sorgen.

Ein weiterer Effekt, der bisher in den Vorgängerstudien unberücksichtigt gelassen wur-de, ist der Einfluss der Gruppengröße (bzw. der Einfluss dominierender Unternehmen) auf die Erfüllungsquote (Hypothese 3). Hier konnte ein eindeutiger Zusammenhang

147 Diese interessante Fragestellung wird aber in Kapitel 8.4 noch einmal aufgegriffen.

festgestellt werden: Je größer die Gruppe (bzw. niedriger die Anzahl dominierender Un-ternehmen) ist, desto höher ist die Erfüllungsquote bei den Empfehlungen des DCGK.

Während in kleinen Gruppen (bzw. in Gruppen, die von einigen großen Unternehmen dominiert werden) die Nicht-Befolgung einer guten Corporate Governance leichter er-kannt und damit eine mögliche ‚Beschmutzung’ der Gruppe als Ganzes bestraft werden kann, sind in großen (bzw. nicht dominierten) Gruppen Institutionen, wie der DCGK, wesentlich effektiver, da sich die Gruppe nicht von selbst regulieren kann. Während zum Beispiel Bebchuk und Ḥamdani (2009) fordern, dass Forscher als auch Investoren die Suche nach einem einzigen globalen Corporate Governance-Einheitsstandard einstellen und vielmehr die Unterscheidung nach Unternehmen mit und ohne Mehrheitsaktionär berücksichtigen sollen, bietet dieses Ergebnis eine ganz neue Sichtweise: Es geht nicht nur darum, dass die Unterschiede von Industrien und Eigentümerstrukturen der Unter-nehmen die Wirkung eines Corporate Governance-Standards beeinflussen, auch die Größe der einzelnen Industrien (bzw. Sektoren) und deren Struktur sind hier von ent-scheidender Bedeutung.

Somit kann auch hier die Kritik, der DCGK sei zu stark an großen Publikumsgesellschaf-ten ausgerichtet, erneut aufgegriffen und ergänzt werden: Nicht nur die Unterschiede der einzelnen Unternehmen, sondern auch die Beschaffenheit der zugehörigen Sektoren sollte berücksichtigt werden. Allen börsennotierten Unternehmen mit einem Kodex zu begegnen, verfehlt auf jeden Fall die Zielsetzung des DCGK.

Das bestätigte sich dann auch, als der Einfluss der Erfüllungsquote auf die Unterneh-mensentwicklung innerhalb der einzelnen Sektoren untersucht wurde (Hypothese 4).

Bei großen bzw. wenig dominierten Gruppen konnten mehr statistisch signifikante Er-gebnisse gefunden werden. Die Richtung war jedoch nicht immer eindeutig. Dies gilt auch für die Ergebnisse aus der letzten Untersuchung (Hypothese 5). Die folgenden Ta-bellen fassen die Ergebnisse kurz zusammen.

Tabelle 28: Zusammenfassung aus der Überprüfung der Hypothese 4

Sektor Unternehmenskennziffer Modell Erklärungsgrad (R2) Richtung

1 Total Investment Return 1 (re) 3,03% +

1 Tobins Q 1 (re) 18,2% ---

1 Total Investment Return 2 (re) 3,25% ++

1 Tobins Q 2 (re) 18,72% ---

4 Markt-Buchwert-Verhältnis 1 (fe) 1,87% +

4 Tobins Q 1 (fe) 4,54% +

4 Markt-Buchwert-Verhältnis 1 (fe) 1,87% +

4 Tobins Q 1 (fe) 4,53% +

4 Eigenkapitalrendite 2 (re) 4,25% -

5 Gesamtkapitalrendite 1 (re) 13,03% +

5 Gesamtkapitalrendite 2 (re) 12,99% +

Modell: 1 = Erfüllungsquote; 2 = Erfüllungsquote adjustiert; re = random effects; fe = fixed effects 0 = kein statistisch signifikanter Zusammenhang

+ = positiver, statistisch signifikanter Zusammenhang (10%) ++ = positiver, statistisch signifikanter Zusammenhang (5%) +++ = positiver, statistisch signifikanter Zusammenhang (1%) - =negativer, statistisch signifikanter Zusammenhang (10%) -- =negativer, statistisch signifikanter Zusammenhang (5%) --- =negativer, statistisch signifikanter Zusammenhang (1%)

Tabelle 29: Zusammenfassung aus der Überprüfung der Hypothese 5

Unternehmenskennziffer Beobachtungen Schwellenwert Erklärungsgrad (R2) Richtung

Eigenkapitalrendite 258 0,92795883 14,36% ++

Gesamtkapitalrendite 215 0,9329268 10,5% --

Tobins Q 849 0,887445887 2,65% -

Markt-Buchwert-Verhältnis 892 keiner 1,97% ++

Total Investment Return 801 0,8913014 1,13% ++

0 = kein statistisch signifikanter Zusammenhang

+ = positiver, statistisch signifikanter Zusammenhang (10%) ++ = positiver, statistisch signifikanter Zusammenhang (5%) +++ = positiver, statistisch signifikanter Zusammenhang (1%) - =negativer, statistisch signifikanter Zusammenhang (10%) -- =negativer, statistisch signifikanter Zusammenhang (5%) --- =negativer, statistisch signifikanter Zusammenhang (1%)

Es zeigt sich, dass der Einfluss der Erfüllungsquote auf das Total Investment Return, ei-ne reiei-ne kapitalmarktorientierte Erfolgsvariable, in jeder Untersuchung positiv ist. Das bedeutet, dass Unternehmen, welche die Empfehlungen des DCGK erfüllen, am

Kapital-markt höhere Aktienrenditen erzielen. Der geringe Erklärungsgrad (R2) spiegelt jedoch die Erkenntnisse von Bhagat und Jefferis (2002) wider, wonach es schwierig ist, in ei-nem informationseffizienten Markt einen systematischen Zusammenhang zwischen der Aktienrendite und der im Beobachtungszeitraum (zumindest auf Jahresbasis) konstan-ten Erfüllung des DCGK zu finden. Dennoch zeigt dieses Ergebnis, dass das Ziel des DCGK, das Vertrauen internationaler und nationaler Anleger in die Leitung und Überwa-chung deutscher börsennotierter Gesellschaften zu fördern, erreicht wird. Das bestäti-gen die Ergebnisse mit dem Markt-Buchwertverhältnis als hybride Erfolgsvariable. Auch hier zeigen sich ausschließlich positive Zusammenhänge in den Untersuchungen.

Schwieriger wird es jedoch bei der zweiten hybriden Erfolgsvariablen, dem Tobins Q.

Während in dem Gesamtmodell mit der Einschränkung durch den Schwellenwert (Hy-pothese 5) der Einfluss der Erfüllungsquote negativ ist, unterscheidet sich der Einfluss bei den verschiedenen Sektoren. Die Ergebnisse aus dem Sektor 1 bestätigen den nega-tiven Einfluss, im Sektor 4 zeigt sich hingegen ein positiver Zusammenhang. Eine ein-deutige Aussage ist hierüber also nicht zu treffen. Gleiches gilt auch für die rein bilanzi-ellen Erfolgsvariablen: Während die Eigenkapitalrendite im Sektor 4 (Gesamtkapital-rendite im Sektor 5) negativ (positiv) durch die Erfüllungsquote beeinflusst wird, ist der Zusammenhang über alle Sektoren hinweg positiv (negativ).

8.3 Einschränkung der Aussagefähigkeit