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Entwicklung der forschungsleitenden Hypothesen

der DCGK-Empfehlungen verursachen genauso Kosten wie unter anderem die Konflikte aus den Prinzipal-Agenten-Beziehungen. Es gilt daher herauszufinden, welche Kosten überwiegen bzw. unter welchen Kosten der Unternehmenserfolg durch die Befolgung des DCGK optimiert werden kann. Die erste Hypothese lautet daher:

H1: Die deklarierte Befolgung des DCGK steigert den Unternehmenserfolg.

4.2 Die Bedeutung einzelner DCGK-Empfehlungen

Während die Prinzipal-Agenten-Theorie grundsätzlich von einem einseitig negativen Managerbild ausgeht (vgl. Nippa, 2002, S. 1), können nach der Stewardship-Theorie (siehe Kapitel 3.2) mit ihrem soziologisch und psychologisch geprägten Erklärungsan-satz zu strenge Kontrollmechanismen die Motivation der Unternehmensleitung senken.

Begleitende Maßnahmen zum Abbau von Informationsasymmetrien müssen dabei aber nicht immer ein Zeichen von Misstrauen sein, sondern können helfen, fehlerhafte Ent-scheidungen begrenzt rational handelnder Akteure aufzudecken (vgl. Grundei, 2008, S.

149). Obwohl die Wirkung von Corporate Governance demnach von dem gegenseitigen Verständnis der Beziehung zwischen den Eigentümern und der Unternehmensleitung abhängt, legt die Stewardship-Theorie nahe, dass sich bestimmte Corporate Gover-nance-Strukturen (auf Zusammenarbeit zwischen Unternehmenseigentümer und -leitung ausgelegt) positiv, während sich andere (mit Kontrollcharakter) negativ auf den Unternehmenserfolg auswirken. Die zweite Hypothese lautet daher:

H2 a: Auf Zusammenarbeit ausgelegte Empfehlungen des DCGK steigern den Unter-nehmenserfolg.

H2 b: Auf Kontrolle ausgelegte Empfehlungen des DCGK senken den Unternehmenser-folg.

Betrachten wir noch einmal die dieser Arbeit zugrunde liegende Definition von Corpora-te Governance. Hierbei zielen Regelungen zur CorporaCorpora-te Governance „darauf ab, unCorpora-ter Abwägung der Einbußen durch opportunistisches Verhalten (Opportunismuskosten) und der Aufwendungen für die Regelungen (Regulierungs- bzw. Governancekosten) möglichst günstige Bedingungen für eine produktive Wertschöpfung und faire Wertver-teilung zu schaffen.“ (von Werder, 2009, S. 14) Sollte sich die Hypothese 2 bestätigen

lassen, könnte eine völlig neue Diskussion zur Corporate Governance entstehen – weg von Regelungen, die darauf abzielen, opportunistisches Verhalten einzuschränken, hin zu Mechanismen, welche die Agenten (bzw. Stewards) dazu befähigen, noch stärker im Sinne der Prinzipale zu handeln.

Auch die Sinnhaftigkeit des DCGK müsste neu hinterfragt werden: Mit dem Ziel, das deutsche Corporate Governance-System transparent und verständlich zu machen46 so-wie das Vertrauen internationaler und nationaler Anleger, Kunden, Mitarbeiter und der Öffentlichkeit in die Leitung und Überwachung deutscher börsennotierter Gesellschaf-ten zu fördern (vgl. Kodex, 2010, S. 1f), ist zwar nicht festgelegt, welche Theorie (Prinzi-pal-Agenten oder Stewardship) die Basis für die einzelnen Empfehlungen darstellt, doch eine Bestätigung oder Ablehnung der Hypothese 2 würde genau das erwarten lassen.

Der DCGK kann nicht beides sein: Eine Regelung, die Unternehmenseigentümer vor dem Missbrauch der Unternehmensleitung schützt, und gleichzeitig ein Mechanismus, der basierend auf einem positivem Menschenbild die Zusammenarbeit zwischen beiden för-dert. Zwar kann der DCGK auch Empfehlungen enthalten, die dem Abbau der Informati-onsasymmetrien dienen. Um jedoch nicht die Motivation der Unternehmensleitung, im Sinne des Unternehmens zu handeln, zu senken, bedarf es hier entsprechender Formu-lierungen: Der Stewardship-Theorie folgend sollten die Empfehlungen nicht dazu die-nen, die Handlungen der Unternehmensleitung zu kontrollieren, sondern Anreize set-zen, Informationen freiwillig auszutauschen. Nach Chen et al. (2015) könnte der DCGK auch ‚Zuckerbrot und Peitsche’ kombinieren: Erst Anreize setzen, die Kooperation und den Austausch zwischen Unternehmensleitung und -eigentümer zu fördern, und an-schließend Mechanismen etablieren, die ein Abweichen von diesem Verhalten bestrafen.

Entscheidend wäre hierbei, dass der DCGK ein gemeinsames Grundverständnis zwi-schen Prinzipalen und Agenten schafft. Denn ein positives Menzwi-schenbild, das auf die Zusammenarbeit beider Parteien ausgelegt ist, kann gleichermaßen vom optimalen Zu-stand abweichen wie ein negatives. Genauso, wie bei der Prinzipal-Agenten-Beziehung nur dann eine Minimierung der Kosten möglich ist, ohne dass sich eine Partei betrogen fühlt, wenn beide von einer Prinzipal-Agenten-Beziehung ausgehen, gilt das gleiche bei einer Stewardship-Beziehung: Geht der Prinzipal (Agent) von einer

46 Hierzu zählt unter anderem die Erläuterung des dualen Führungssystems und der unterneh-merischen Mitbestimmung.

Beziehung aus, der Agent (Prinzipal) aber von einer Stewardship-Beziehung, verhält sich der Prinzipal (Agent) opportunistisch und der Agent (Prinzipal) fühlt sich betrogen (siehe hierzu Abbildung 4 auf Seite 41).47

4.3 Die Auswirkung von Gruppengrößen, -struktur und kollektivem Handeln Corporate Governance im Allgemeinen und der DCGK im Speziellen haben unter ande-rem zum Ziel, das Vertrauen potentieller Anleger in das Unternehmen zu erhöhen und somit die Finanzierung zu erleichtern. Das erhöhte Vertrauen in Unternehmen aus ei-nem Land, einer Industrie oder einer Branche (als kleinerer Einheit) stellt in gewisser Weise ein Kollektivgut dar, das heißt, auch Unternehmen, deren Corporate Governance schwächer ist, können hiervon profitieren. Nach Olsons Logik des kollektiven Han-delns (siehe Kapitel 3.3) hängt dabei die Wahrscheinlichkeit des Auftretens des soge-nannten Gefangenendilemmas von der jeweiligen Gruppengröße ab. Während kleinere, privilegierte Gruppen ein Kollektivgut immer bereitstellen, können mittelgroße bis gro-ße (latente) Gruppen nur durch selektive Anreize in Form von Zwang oder Belohnung mobilisiert werden. Es zeigt sich, dass eine mögliche Wirkung guter Corporate Gover-nance und damit die Bereitstellung des Kollektivgutes sowohl von der Gruppengröße als auch ihrer Struktur abhängen können. So sollten Gruppen, die von wenigen großen Un-ternehmen dominiert werden (sogenannte Branchenführer), die einen hohen ‚Bran-chenstandard’, also Regelungen bereits etabliert haben, die unter Abwägung der Einbu-ßen durch opportunistischen Verhaltens und der Aufwendungen für die Regelungen möglichst günstige Bedingungen für eine produktive Wertschöpfung und faire Wertver-teilung geschaffen haben, weniger von dem ‚Zwang DCGK’ profitieren. Wenn bereits ein

‚hoher Corporate Governance-Standard’ durch die Branchenführer vorgegeben wird, ist der Aufwand durch die Befolgung des DCGK größer als der durch die Befolgung ver-meintlich erreichte höhere Corporate Governance-Standard. Ist die Gruppe recht homo-gen und der Standard niedrig, gibt es eine höhere Wahrscheinlichkeit, dass die (ver-meintlich) positive Wirkung des DCGK den Aufwand durch die Einhaltung übertrifft.

Gleichzeitig sollten mittelgroße bis große Gruppen mehr von der Erfüllung des DCGK profitieren als kleine. Kleine Gruppen sollten in der Lage sein, das Kollektivgut ‚erhöhtes Vertrauen der Anleger in die Unternehmen der Gruppe’ ohne Zwang bereitstellen zu

47 Siehe Kapitel 8.2 für die Interpretation der Ergebnisse aus der empirischen Überprüfung der Hypothese. Mögliche Ungleichgewichte bei der ‚Wahl der Beziehung’ spielen hier eine Rolle.

können. Da die Erfüllung des DCGK und die entsprechende Kommunikation dieser mit Kosten verbunden sind, stellt der DCGK möglicherweise eine unnötige Belastung für Unternehmen privilegierter Gruppen dar. Die dritte und vierte Hypothese lauten daher:

H3: Die deklarierte Befolgung des DCGK wächst mit der Gruppengröße bzw. dem Nicht-Auftreten dominanter Unternehmen.

H4: Die deklarierte Befolgung des DCGK steigert den Unternehmenserfolg stärker bei großen Gruppen.

Nach Schelling (1978, S. 91ff.) kann das Verhalten von Akteuren davon abhängen, wie viele andere sich auf eine bestimmte Art verhalten bzw. wie stark sie dies tun. Übertra-gen auf die Corporate Governance, den DCGK und dessen Einfluss auf den Unterneh-menserfolg bedeutet das: Damit die Erfüllungsquote des DCGK grundsätzlich zu einem Reputationsgewinn bei potentiellen Anlegern führt und somit das Kollektivgut bereitge-stellt wird, muss eine ‚kritische Masse’ an Unternehmen innerhalb der Gruppe eine be-stimmte Erfüllungsquote erreichen. Die Bereitstellung des Kollektivgutes hängt also da-von ab, wie viele Unternehmen einer Gruppe sich der Erfüllung des DCGK verschreiben und diese entsprechend kommunizieren. Die fünfte Hypothese lautet daher:

H5: Die deklarierte Befolgung des DCGK steigert den Unternehmenserfolg, wenn eine bestimmte Adoptionsquote innerhalb der untersuchten Gruppe erreicht wurde.