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2 Modelltheoretische Grundannahmen über menschliches Verhalten innerhalb eines liberal geprägten Wirtschaftssystems

2.2 Interne und externe Institutionen als Restriktionen der individuellen Handlungsfreiheit

2.2.3 Interne Institution

Die internen Institutionen, wie z.B. Musterverträge und allgemeine Geschäftsbedingungen, leiten sich aus den externen Institutionen ab.171 Wie die angeführten Beispiele zeigen, handelt es sich hierbei um Regelwerke, die im Wesentlichen durch Selbstverpflichtung auf der Grundlage privater Überwachung entstanden sind.172 Diese sind i.d.R. Ausfluss des Strebens einzelner Interessensgruppen zur Vereinfachung des Wettbewerbs. Daher zählen zu diesen Institutionen beispielsweise auch Industrienormen, Qualifikationszertifikate oder Selbstverwaltungs-organisationen der Wirtschaft, deren Ziel es ist, u.a. die mit den wirtschaftlichen Aktivitäten zusammenhängenden Transaktionskosten zu senken, um auf diese Weise Wettbewerbsvorteile zu erzielen.173 Die internen Institutionen spielen insbesondere im Rahmen der Senkung der Verhandlungskosten eine wichtige Rolle, indem der Staat freiwillige Selbstkontrollen in die Wege leitet. Dem Staat kommt hier primär die Rolle des Initiators zur Schaffung von „Public-Private-Partnerships (PPP)“ im Rahmen der

„Situational Crime Prevention“ zu.174

168 Vgl. Streit, M. (2000): S. 132.

169 Unter den staatlich organisierten Kontrollorganen sind die polizeilichen und justiziellen Einrichtungen zu verstehen, siehe hierzu Kapitel 5.

170 Siehe hierzu Kapitel 4; vgl. zur weiteren Vertiefung Erlei, M.; Leschke, M.; Sauerland, D. (1999):

S. 288 ff.

171 Vgl. Müller, H. (1995): S. 18 f.

172 Vgl. Streit, M. (2000): S. 94; sowie Kiwit, D.; Voigt, St. (1995): S. 124.

173 Vgl. Heyer, Th. (2004): S. 15.

174 Siehe hierzu Kapitel 7.3.4; vgl. zur Vertiefung Streit, M. (2000): S. 90 ff; sowie Hinneburg, H. (2006):

S. 25.

2.3 Zwischenergebnis

Im Streben nach Verbesserung des Lebensstandards versuchen Individuen, im Rahmen ihrer Präferenzen, ihren Nutzen zu maximieren und nehmen dabei bewusst wie unbewusst in Kauf, die ihnen durch das Grundgesetz zustehende allgemeine Handlungsfreiheit auf Kosten anderer auszudehnen. Vor diesem Hintergrund ist ein institutioneller Rahmen notwendig, um die allgemeine Handlungsfreiheit zum Wohle aller zu begrenzen bzw. die sich auf der Handlungsfreiheit ausbildende spontane Ordnung zu regulieren. Dies geschieht durch das gesellschaftliche Institutionengefüge (externe und interne Institutionen), welches konkret Ausdruck in der rechtsstaatlichen Ordnung findet und in den formgebundenen, externen Institutionen (Gesetze, Vorschriften und staatliche Einrichtungen) sichtbar wird. Das Institutionengefüge wirkt also nicht nur verhaltenssteuernd, sondern auch verhaltensbeschränkend, wobei die zentrale Funktion der externen Institutionen die Verhinderung von normabweichendem Verhalten bzw. die Durchsetzung der durch die Gesellschaft vorgegebenen erwünschten Verhaltensweisen ist.

Die externen Institutionen sind daher Ergebnis einer sich spontan ausbildenden Ordnung, mit welcher diese in einer Wechselwirkung stehen und sich gegenseitig beeinflussen. Diese unterliegen dadurch einem permanenten Wandel oder werden als Reaktion auf die sich fortwährend weiterentwickelnden gesellschaftlichen Rahmenbedingungen neu geschaffen.175 Dabei entsteht ein Spannungsfeld aus dem Ziel der Schaffung eines stabilen Institutionengefüges, welches individuelles Handeln prognostizierbar macht, und dem Ziel der Realisierung eines flexiblen Institutionensystems, welches eine schnelle und kostengünstige Anpassung an die sich ändernden Umweltbedingungen erlaubt.176

Die Anpassung der externen Institutionen ist jedoch auch mit Problemen verbunden.

Zum einen macht es insbesondere die beschränkte Rationalität des Menschen unmöglich,177 die externen Institutionen widerspruchsfrei und perfekt an die sich ausbildende Ordnung anzupassen (schlechte Gesetzesqualität), zum anderen werden verschiedenste Interessensgruppen mit all ihrer Macht versuchen, den politischen

175 Vgl. Müller, H. (1995): S. 19.

176 Die Anpassung der formgebundenen Institutionen findet im Rahmen des politischen Willenbildungsprozesses statt; vgl. Richter, R.; Furubotn, E. (1999): S. 33.

177 Siehe hierzu Kapitel 5.2.

Normsetzungsprozess zu beeinflussen, um die formgebundenen externen Institutionen (Gesetze und Vorschriften) zu ihren Gunsten anzupassen oder ganz zu verhindern (inhärente Korruption der Demokratie).178

Das Resultat einer permanenten Anpassung der externen Institutionen ist eine Vielzahl von neuen Normen, die in Deutschland in der jüngeren Vergangenheit zu einer wahren Gesetzesflut führten. Als unmittelbare Folge hieraus entstehen erhebliche Mehrkosten auf Seiten der staatlichen Einrichtungen, die mit der Überwachung der zunehmenden Normenfülle betraut sind. Dies führt in letzter Konsequenz zu einer Verteuerung des öffentlichen Gutes „Innere Sicherheit“.179 Für die Marktteilnehmer entstehen ebenfalls erhebliche Mehrkosten, indem es zunehmend zeit- und kostenaufwendiger wird, die modifizierten und neuen Normen zukünftig im Rahmen der marktlichen Transaktionsaktivitäten einzuhalten. In der Summe können die steigenden Kosten, die weiterführend als Transaktionskosten bezeichnet werden,180 zu einer Verteuerung der Marktpreise führen, die ihre Ursache jedoch nicht in der Verknappung von Ressourcen hat, sondern vielmehr in einer fehlerhaften Ordnungspolitik liegt.181 Die Aufgabe des Marktpreises als zentrales Lenkungsinstrument zur optimalen Bündelung der Ressourcen wird damit beeinträchtigt. Die Konsequenz ist eine Fehlallokation der Ressourcen.

Das Resultat einer mängelbehafteten Anpassung der formgebundenen Institutionen aufgrund der grundsätzlich beschränkten Rationalität des menschlichen Handelns und insbesondere der Einflussnahme von Interessensgruppen auf den Normgebungs- und Veränderungsprozess ist wiederum die Zunahme an system-schädigenden Handlungen der Marktteilnehmer. Um ein noch ökonomisch vorteilhafteres Handeln zu realisieren, werden die entstehenden Gesetzeslücken in der Rechtsordnung systematisch ausgenutzt.182 Die Folge hieraus ist die Beeinträchtigung des Allgemeinwohls.

178 vgl. Müller, H. (1995): S. 19 sowie Gathmann, F. und Weisensee, N. (2007): S.1.

179 Siehe hierzu Kapitel 4.4.

180 Zu den Transaktionskosten, siehe hierzu Kapitel 2.4.1.1 sowie Kapitel 2.5.2.

181 Vgl. Müller, H. (1995): S. 17.

182 Siehe hierzu Kapitel 5.3.

Der Prozess der Normierung trägt nach Haferkamp183 daher auch zur Kriminalisierung bei.184 Als Quintessenz lässt sich jedoch festhalten, dass die Entstehung und Weiterentwicklung von Normen und die daraus folgende Sanktionierung als ein Prozess der Selbstorganisation und als ein Prozess der Machterhaltung der Gesellschaft angesehen werden kann. Weise185 bezeichnet dies folgendermaßen:

„Ordnungsstrukturen entstehen und werden aufrechterhalten, indem sie rückkoppelnd die Ursachen destabilisieren, aus denen sie entstanden sind und aufrechterhalten werden... .“186 Die Sanktionierung von Kriminalität ist dabei ein Instrument der Ausgrenzung von Mitgliedern der Gesellschaft zur Aufrechterhaltung der Ordnung.187 Da als systemtragendes Prinzip die individuelle Handlungsfreiheit unterstellt wird, die als der maximale Grad an individueller Freiheit verstanden werden muss, ohne andere in ihrer Freiheit zu beeinträchtigen (Gegenüberfreiheit),188 werden die Überlegungen bewusst auf der Basis eines liberal geprägten Wirtschaftssystems, wie es auch die (soziale) Marktwirtschaft in der Bundesrepublik Deutschland darstellt, angestellt. Nur so ist es den Individuen möglich, ihr Streben nach ökonomisch vorteilhaftem Handeln best-möglich und bei einer gleichzeitigen Definition von klaren Rechtsräumen für die Entfaltungsfreiheit des Einzelnen zu verwirklichen. Die funktionalen Elemente eines solchen liberal geprägten Referenzmodells gilt es daher nachfolgend inhaltstief zu konkretisieren.

183 Haferkamp, H. (1975).

184 Vgl. Lamnek, S. (1994): 71 ff.

185 Weise, P. (1991).

186 Vgl. Weise, P. (1991): S. 404; zum Prozess der Kriminalisierung, siehe hierzu ausführlich Lamnek, S. (1994): S. 71-119.

187 Vgl. Lamnek, S. (1995): S. 21 f.

188 Vgl. Heyer, Th. (2004): S. 25.

2.4 Funktionale Elemente eines liberal geprägten Wirtschaftssystems