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Internationaler Handel und Direktinvestitionen im Dienstleistungssektor

Teil 1: Grundlagen

3.3 Internationaler Handel und Direktinvestitionen im Dienstleistungssektor

vergangenen Jahrzehnten deutlich zugenommen. Noch stärker als für Waren gilt diese

Aussa-ge für den Dienstleistungssektor. Die Aussenhandelsverflechtung der Schweiz6 hat sich für die Waren zwischen 1960 und 2003 um 60 Prozent erhöht, für Dienstleistungen jedoch im gleichen Zeitraum verdoppelt. Der Dienstleistungshandel hat sich in diesem Sinne dynamischer als der Warenhandel entwickelt.

Anders als im Warenhandel, bei dessen Transaktionen ein Gut Landesgrenzen physisch über-quert, stehen im Handel mit Dienstleistungen aufgrund ihrer Immaterialität abstraktere Handels-varianten im Vordergrund. Die Welthandelsorganisation WTO unterscheidet im Rahmen der GATS-Verhandlungen vier Modi des Dienstleistungshandels, die im Folgenden dargestellt wer-den.

Bei Erbringungsart nach Modus 1 („Cross Border Supply“) wird die Dienstleistung über die nati-onalen Grenzen hinweg erbracht. Am Beispiel einer Beratungsdienstleistung würde dies bedeu-ten, dass ein Dienstleistungsunternehmen seine Beratung über das Telefon oder über das In-ternet erbringt. Mit der steigenden Nutzung neuer Technologien ist absehbar, dass Modus 1 zukünftig weiter an Bedeutung gewinnen wird. So werden bereits heute immer mehr Dienstleis-tungen in den Branchen FinanzdienstleisDienstleis-tungen, Kommunikation, Beratung aber auch Bildung direkt über das Internet erbracht.

InModus 2 („Consumption Abroad“) des Dienstleistungshandels begibt sich der Nachfrager einer Dienstleistung in den Staat des Leistungserbringers. Im Beispiel würde dies also bedeu-ten, dass der Kunde sich in das Land des Beratungsunternehmens begibt, um sich dort beraten zu lassen.

InModus 3 („Commercial Presence“) wurde im GATS die hohe Bedeutung der ausländischen Direktinvestitionen im Dienstleistungssektor berücksichtigt. Weil Dienstleistungen oft am selben Ort und zur gleichen Zeit erstellt und konsumiert werden (uno actu-Prinzip), bleibt Dienstleis-tungsunternehmen oft die Gründung von ausländischen Niederlassungen als vielverspre-chendste Exportchance. In dem verwendeten Beispiel würde das Beratungsunternehmen also ein Tochterunternehmen im Ausland gründen und somit die Dienstleistung im Ausland erbrin-gen.

Unter Erbringungsart nach Modus 4 („Presence of Natural Persons“) werden schliesslich die Transaktionen erfasst, bei denen sich einzelne natürliche Personen vorübergehend ins Ausland begeben, um eine Dienstleistung zu erbringen. Im Beispiel würde sich also ein einzelner, unab-hängiger Berater ins Ausland begeben, um dort ein Unternehmen zu beraten.

Der Dienstleistungshandel nach Modi 1 und 2 wird in den Zahlungsbilanzen der einzelnen Staa-ten erfasst, die in der Regel durch die Zentralbanken erstellt werden. Dabei ist davon auszuge-hen, dass die erhobenen Zahlen den Dienstleistungshandel eher unterschätzen. Die Messung erfolgt oft mittels Befragungen und Schätzungen aufgrund von Indikatoren, da eine direkte Er-hebung an der Grenze im Gegensatz zum Warenverkehr nicht möglich ist. Der Handel nach

6 Die Aussenhandelsverflechtung wird berechnet, indem die Summe der Importe und Exporte von Waren und Dienstleistungen durch das Bruttoin-landprodukt geteilt wird.

Modus 3 wird in den Statistiken bisher nur lückenhaft abgebildet. Während die Höhe der Direkt-investitionen selbst i.d.R. durch die Zentralbanken erfasst wird, gibt es (mindestens für die Mehrheit der Industriestaaten und auch die Schweiz) zur Zeit keine zuverlässigen Erhebungen über den Wert der erbrachten Dienstleistungen durch die ausländischen Tochtergesellschaften.

Häufig werden die Umsätze ausländischer Tochtergesellschaften durch die Muttergesellschaf-ten nicht veröffentlicht. Deshalb müssen sich die Ausführungen in diesem Bericht auf die Direkt-investitionen beschränken. Der Dienstleistungshandel nach Modus 4 nimmt im Vergleich zu den anderen Modi vom Volumen her eher eine untergeordnete Bedeutung ein. Auch die nach Mo-dus 4 erbrachten Dienstleistungen werden heute statistisch nur lückenhaft erfasst.

3.3.1 Bedeutung des Dienstleistungshandels nach Zahlungsbilanzdaten Kasten 1: Schwierigkeiten bei der Messung des Dienstleistungshandels

Die folgenden Ausführungen zum Handel mit Dienstleistungen sind mit Zurückhaltung zu interpretieren. Die Erhe-bungsmethoden zur Schätzung von Dienstleistungshandelszahlen sind international höchstens ansatzweise harmo-nisiert. Die Erhebungen selbst sind mit Unsicherheiten behaftet.

Die Schwierigkeiten bei Erhebung und Schätzung werden deutlich, wenn man die bilateralen Dienstleistungshan-delsdaten der einzelnen Staaten untereinander vergleicht. Die Abweichungen zwischen den Exporten von Land A in Land B, und den theoretisch entsprechenden Importen von Land B aus Land A können beträchtlich sein.

In der Schweiz sind derzeit keine Zahlen zum Dienstleistungshandel mit einzelnen Staaten verfügbar. In der Zah-lungsbilanzstatistik, die durch die Schweizerische Nationalbank erstellt wird, werden aber Dienstleistungsimporte und –exporte mit dem Ausland insgesamt publiziert.

Im internationalen Vergleich sind die USA gemäss Daten der WTO klar der grösste Dienstleis-tungsexporteur, gefolgt von den grössten EU-Staaten. Während die USA, aufstrebende Schwel-lenländer wie China, Indien, Südkorea und Taiwan, aber auch Grossbritannien, Irland, Spanien und Dänemark ihren Weltmarktanteil an den Dienstleistungsexporten in den vergangenen Jah-ren ausbauen konnten, verloJah-ren die Schweiz, Frankreich, Deutschland, Italien und Japan ten-denziell Anteile am internationalen Dienstleistungshandel.

Betrachtet man die EU15 als einen Wirtschaftsraum, so stellt sie mit Abstand den weltweit grössten Akteur im Dienstleistungshandel dar. Ihr Anteil am weltweiten Dienstleistungshandel betrug 2003 insgesamt 47%7. Auch wenn die Schweiz keine Statistiken über den Dienstleis-tungshandel mit einzelnen Staaten oder Wirtschaftsräumen publiziert, ist davon auszugehen, dass die EU mit grossem Abstand der wichtigste Partner der Schweiz im Dienstleistungshandel ist. Umgekehrt war die Schweiz im Jahr 2002 hinter den USA und weit vor Japan mit einem Anteil von gut 11% an den Importen der zweitwichtigste Dienstleistungshandelspartner der EU158.

7 Inklusive Intra EU-Handel mit Dienstleistungen 8 Quelle: OECD Statistics on International Trade in Services

Tabelle 5: Die wichtigsten Dienstleistungsexporteure 2003.

Land

(in Klammern Rangveränderung seit 1983) Anteil an den weltweiten Dienstleistungsexporten 2003 in Prozent

(in Klammern Veränderung seit 1983)

1. (-) USA 16.3 (+1.7)

Quelle: WTO, International Trade Statistics

Die Schweiz weist nach Zahlungsbilanzdaten einen deutlichen Exportüberschuss im Dienstleis-tungssektor auf (vgl. Tabelle 6). Wichtigste Exportbranchen für die Schweiz sind die Finanz-dienstleistungen und der Fremdenverkehr.

Tabelle 6: Die wichtigsten Exportbranchen der Schweiz im Dienstleistungssektor 2004

Branche Exporte der Schweiz in

Mio. CHF Importe der Schweiz in Mio. CHF

Post- und Kurierdienste, Fernmeldeverkehr 1’521 1404

Sonstige Dienstleistungen (darunter Patente und Lizenzen, unternehmensbezogene Dienstleistungen, Kulturdienste,

Regie-rungsdienste) 12’701 9’373

Dienstleistungen total 53’855 26’567

Quelle: SNB

International wie auch in der Schweiz stark an Bedeutung gewonnen haben in den vergange-nen Jahren die unternehmensbezogevergange-nen Dienstleistungen wie Informatikdienste, juristische Dienstleistungen, Revisionsdienste sowie mutmasslich auch Forschung und Entwicklung. Die Schweizer Statistiken weisen in diesen Branchen grössere Erhebungslücken auf. Nach Anga-ben von Eurostat exportierten die EU15-Staaten im Jahr 2003 Informatikdienste in Höhe von 3.7 Mrd. € und weitere unternehmensbezogene Dienste im Wert von 12.5 Mrd. € in die Schweiz. Diese Zahlen finden sich in den Schweizer Statistiken bei den Importen derzeit nicht wieder.

Aufgrund der Erhebungslücken ist nicht völlig klar, ob der in Tabelle 6 dargestellte Dienstleis-tungsexportüberschuss der Schweiz in Wirklichkeit nicht kleiner wäre. Angesichts der wachsen-den Bedeutung der betroffenen Branchen und der unklaren Wirkung auf wachsen-den Exportsaldo wäre eine (aufwendige) baldige Schliessung der Erhebungslücken wünschenswert.

3.3.2 Direktinvestitionen im Dienstleistungssektor (zur Annäherung an GATS-Modus 3) Aufgrund der bereits erwähnten besonderen Eigenschaften der Dienstleistungen kommt den Direktinvestitionen im tertiären Sektor grosse Bedeutung zu. In Abbildung 3 wird die markant steigende Bedeutung des Dienstleistungssektors im Vergleich zum Industriesektor erkennbar.

In der ersten Hälfte der Neunziger Jahre beschränkten sich die Direktinvestitionen der Schwei-zer Unternehmen im Ausland vor allem auf den Industriesektor. In den vergangenen Jahren haben sie sich jedoch markant in Richtung tertiären Sektor verschoben, so dass mittlerweile der Kapitalstock der Schweizer Unternehmen im Ausland im Dienstleistungssektor ebenso gross ist wie im Industriesektor. Treibende Kraft hinter den zunehmenden Kapitalflüssen ins Ausland waren dabei die Branchen der Banken und Versicherungen. Im Gegensatz zu den Investitionen der Schweiz im Ausland waren die Direktinvestitionen in die Schweiz seit jeher durch den Dienstleistungssektor dominiert.

Abbildung 3: Kapitalstock von Direktinvestitionen in die und aus der Schweiz, in Mio. CHF

Quelle: SNB

Bei Betrachtung der Kapitalflüsse wird deutlich, dass mit Ausnahme des Jahres 2003 die Inves-titionsabflüsse aus der Schweiz die Zuflüsse jeweils deutlich übertrafen. Den weitaus grössten Anteil der Investitionen im Ausland tätigten Schweizer Unternehmen in den vergangenen zehn Jahren dabei in den Branchen Banken und Versicherungen (insgesamt 33% aller Direktinvesti-tionen ins Ausland zwischen 1993 und 2003). 56% aller ausländischen DirektinvestiDirektinvesti-tionen in die Schweiz zwischen 1993 und 2003 nahmen ihren Ursprung in der EU15, wobei die Niederlande, Grossbritannien, Deutschland und Frankreich in dieser Reihenfolge die bedeutendsten Investo-ren darstellten. Mit einem Anteil von knapp 38% waInvesto-ren die USA im selben Zeitraum der zweit-grösste ausländische Ursprungsort der Direktinvestitionen in die Schweiz. Der zweit-grösste Anteil der Schweizer Direktinvestitionen floss zwischen 1993 und 2003 schliesslich ebenfalls in die EU15 (40%), wobei Grossbritannien, Deutschland, Luxemburg und die Niederlande die wichtigsten Partnerländer darstellten. Die USA zogen 32% aller Schweizer Direktinvestitionen an.

-400'000 -300'000 -200'000 -100'000 0 100'000 200'000

1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003

Dienstleistungssektor im Ausland Industriessektor im Ausland Dienstleistungssektor in der Schweiz Industriesektor in der Schweiz

Abbildung 4: Zielregionen der Direktinvestitionen Schweizer Unternehmen im Ausland und Ursprungsregionen ausländischer Direktinvestitionen in die Schweiz, 1993 - 2003

Zielregionen

EU

Nord-amerika Mittel- und Südamerika

Asien (ohne Japan) übrige

EFTA Mittel- und Osteuropa Quelle: SNB