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Zur besonderen Bedeutung der horizontalen Politiken für den Liberalisierungsstand bei den

Teil 1: Grundlagen

2.5 Zur besonderen Bedeutung der horizontalen Politiken für den Liberalisierungsstand bei den

2.5.1 Steuerpolitik

In Gross- wie Einzelhandel von besonderer Bedeutung ist die Mehrwertsteuer. Die Schweiz arbeitet seit Jahren in den Gremien der OECD mit, die sich mit den Umsatzsteuern befassen. In diesen Gremien ist bekanntlich auch die EG-Kommission vertreten. Ziel der Bemühungen die-ser OECD-Gremien ist es, eine einheitliche Besteuerung (auch) der Dienstleistungen in den Mitgliedstaaten der OECD (und damit auch in denjenigen der EU) zu erreichen.

Sowohl die Bestimmungen des Art. 14 des Mehrwertsteuergesetzes (MWSTG)19 über den Ort der Dienstleistungen, als auch der Art. 18 MWSTG, welcher die Liste der Steuerausnahmen enthält, stimmen weitgehend mit den entsprechenden Vorschriften des Art. 9 (Ort der Dienst-leistungen) und des Art. 13 (Liste der Steuerausnahmen) der 6. EG-Richtlinie über die Harmo-nisierung der Umsatzsteuern überein20.

Verzerrend wirken jedoch weiterhin - sowohl innerhalb der EU, als auch zwischen der Schweiz und der EU - die unterschiedlichen Mehrwertsteuersätze. Entscheidend wird dabei die komple-xe Frage, wie die unterschiedlichen Steuersätze von den Unternehmen an die Konsumenten weitergegeben werden.

Als illustratives Beispiel der Wirkung unterschiedlicher Steuersätze im Handel sind die Automo-bilpreise in Dänemark zu nennen, die unter Berücksichtigung der Mehrwertsteuer von 25% und den europaweit höchsten Zulassungssteuern brutto hoch sind. Netto (d.h. unter Annahme der Rückerstattung der dänischen MWSt.) lagen die Preise allerdings lange Zeit weit unter dem europäischen Durchschnitt21. Ohne weitere Untersuchung bleibt unklar, ob die Konsumenten anderer europäischer Staaten die Autokäufer in Dänemark quersubventionierten oder ob Auto-hersteller in Dänemark gezielt auf einen Teil der Marge verzichteten. In jedem Fall haben die Steuerunterschiede zu einer Handelsverzerrung geführt.

Im Weiteren unter dem Titel der Steuerpolitik zu nennen ist die Relevanz der Unternehmensbe-steuerung für die Sitzwahl von international tätigen Handelsunternehmen (vgl. auch Kasten 2.1 zu Detailhandel, Grosshandel und Merchanting). Die Schweiz bietet diesbezüglich gute

Stand-19 Bundesgesetz über die Mehrwertsteuer (MWSTG), SR 641.20 20 Sechste Richtlinie 77/388/EWG des Rates

21 vgl. Studien der Europäischen Kommission zu den steuerbereinigten Preisdifferenzen von Autos, http://europa.eu.int/comm/competition/car_sector/price_diffs/

ortbedingungen, was sich auch an der Sitzwahl mehrerer grosser Handelsunternehmen in der Schweiz zeigt.

2.5.2 Konsumentenschutz

Konsumentenschutzbestimmungen können einerseits die Dienstleistung eines Detailhandelsun-ternehmens verteuern. Andererseits stärken sie aber das Vertrauen der Konsumenten in die Dienstleister und tragen über den Abbau von Informationsasymmetrien zu einem verbesserten Funktionieren der Marktkräfte bei.

Im Rahmen des Projektes Swisslex, das auf die Ablehnung des EWR folgte, hat die Schweiz Teile des europäischen Verbraucherrechts in ihr nationales Recht integriert. Mit diesem Vorge-hen hat sie auch die Bedeutung der Information und des Schutzes der Konsumenten für das gute Funktionieren des Marktes anerkannt. Im Allgemeinen ist das Konsumentenschutzniveau im Schweizer Recht gut.

Einige Rechtsakte, die innerhalb der EU bestehen, sind bisher noch nicht umgesetzt, aber mit-tels Gesetzesentwürfen vorbereitet. Dazu gehören die für den Handel bedeutende Garantie bei Mängeln22, Produktsicherheit23 und die Verordnung über die Zusammenarbeit im Verbraucher-schutz24.

2.5.3 Wettbewerbsrecht

Ebenfalls von besonderer Bedeutung für die Handelsdienstleistungen ist das Wettbewerbsrecht.

Dies erstens wegen der im Detailhandel durch Skaleneffekte bedingten hohen Marktkonzentra-tion, zweitens aber auch, weil die Schweiz durch ihr Abseitsstehen vom europäischen Binnen-markt und der hier hohen Kaufkraft ein besonders gesuchtes Ziel für Vertikalabsprachen sein könnte.

Gemäss einer Untersuchung von BAK Basel Economics im Auftrag der Swiss Retail Federation seien es - neben den in der Schweiz teureren Vorleistungen - insbesondere Vertikalabsprachen gewesen, welche die Produkte im Schweizer Handel verteuerten. Namentlich ausländische Produzenten praktizierten, vertraglich abgesichert, Marktsegmentierung, die durch das damali-ge Wettbewerbsrecht nicht verhindert werden konnte (Schoder et al. 2002). Andererseits argu-mentieren Markenhersteller, gerade die hohe Marktkonzentration der Händler sei für die hohen Preise in der Schweiz verantwortlich und wettbewerbspolitisch bedenklich. Selbstverständlich schliessen sich die beiden Argumente nicht aus. Gerade die Kombination der beiden Faktoren könnte zu hohen Preisen im Schweizer Handel beitragen.

22 Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates 23 Richtlinie 2001/95/EG des Europäischen Parlaments und des Rates 24 Verordnung (EG) Nr. 2006/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates

In der Schweiz war das Wettbewerbsrecht über lange Jahre weniger streng als in der Europäi-schen Union. Für die Handelsdienstleistungen bedeutende horizontale Preisabsprachen, verti-kale Preisbindungen sowie Gebietsabsprachen waren lange Zeit vergleichsweise einfach zu rechtfertigen. Erst mit den Revisionen des Kartellgesetzes von 1985 und 1995 fand eine Annä-herung an das Wettbewerbsrecht der EU statt. Die unmittelbaren Folgen eines Verstosses wa-ren aber weiterhin erträglich, konnten doch, ausser der zu erwartenden Negativpublizität, bei erstmaliger Verletzung der Wettbewerbsregeln keine Sanktionen ausgesprochen werden. Geld-bussen waren erst möglich, wenn eine bereits einmal für unzulässig erklärte Wettbewerbsbe-schränkung weiter praktiziert wurde.

Erst mit der letzten Reform des Kartellgesetzes im Jahr 200425 wurde die Wettbewerbskommis-sion ermächtigt, direkte Sanktionen bei Aufdeckung harter horizontaler oder vertikaler Wettbe-werbsabreden sowie missbräuchlicher Verhaltensweisen marktbeherrschender Unternehmen aussprechen. Die möglichen Bussen sind auch im europäischen Vergleich hoch. Ebenfalls erst mit der letzten Revision wurden auch bestimmte Klauseln in Vertikalabreden als unzulässig vermutet, die besonders für Handelsunternehmen von Relevanz sind. Dazu gehören beispiels-weise Abreden über Mindest- oder Festpreise und Abreden in Vertriebsverträgen über die Zu-weisung von Gebieten, wenn insbesondere passive Verkäufe in diese durch gebietsfremde Ver-triebspartner ausgeschlossen werden26.

Seit der letzten Revision des Kartellgesetzes kommt der Wettbewerbskommission über Art. 3 Abs. 2 auch die Möglichkeit zu, Parallelimporte nicht generell, aber im Einzelfall und bei Vorlie-gen der im KG Vorlie-genannten VoraussetzunVorlie-gen zu erzwinVorlie-gen. Aufgrund fehlender Urteile bleibt allerdings bisher unklar, wie weit sich diese Möglichkeit in der Praxis erstreckt.

Weiterhin eher weniger streng im Vergleich zur EU werden in der Schweiz Unternehmenszu-sammenschlüsse beurteilt. Gemäss KG kann die Wettbewerbskommission einen Zusammen-schluss untersagen, wenn er eine marktbeherrschende Stellung, durch die wirksamer Wettbe-werb beseitigt werden kann, begründet oder verstärkt27. Während in der Schweiz von einer Be-seitigung des Wettbewerbs die Rede ist, kann die EG-Kommission Zusammenschlüsse unter-sagen, wenn wirksamer Wettbewerb im Gemeinsamen Markt oder in einem wesentlichen Teil desselben erheblich behindert würde28. Allerdings bleibt umstritten, inwiefern der semantische Unterschied in der Realität von Bedeutung ist. Manche Autoren meinen, die Regelungen hätten in der Praxis „zu keinen signifikant unterschiedlichen Resultaten geführt“ (Gugler 2004, S. 104).

25 Bundesgesetz über Kartelle und andere Wettbewerbsbeschränkungen (Kartellgesetz, KG), SR 251

26 Vgl. Art. 5 KG, auch Bekanntmachung über die wettbewerbsrechtliche Behandlung vertikaler Abreden, Beschluss der Wettbewerbskommission vom 18. Februar 2002

27 Art. 10 Abs. 2 KG

28Verordnung (EG) Nr. 139/2004 des Rates, Art. 2, Abs. 3

Man kann schliessen, dass sich das für die Handelsdienstleistungen besonders relevante Wett-bewerbsrecht in der Schweiz erst in der jüngeren Vergangenheit an das in der EU geltende Recht genügend angenähert hat, um vergleichbare Wirkung zu erzielen. Aus der Reform des Kartellgesetzes im Jahr 2004 verspricht man sich insbesondere eine starke präventive Wirkung auf früher im Handel allgegenwärtige Preisbindungen und Gebietsabsprachen, die möglicher-weise die Preise im Handel in der Schweiz in der Vergangenheit künstlich hoch hielten. Auf-grund des erst kürzlichen Inkrafttretens der Reform bleibt vorerst zu beobachten, inwiefern sich in der Praxis Auswirkungen auf die Handelsdienstleister in der Schweiz zeigen werden. Insbe-sondere wird abzuwarten sein, ob die Reform des Kartellgesetzes allein genügt, um die Preis-diskriminierung zu Lasten des Schweizer Marktes zu vermindern.

2.6 Schlussfolgerungen aus dem Liberalisierungsstand im Sektor