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Innerstaatliche Marktöffnung im Bankensektor

Teil 1: Grundlagen

5.3 Der innerstaatliche Liberalisierungsstand und regulatorische Unterschiede bei den

5.3.2 Innerstaatliche Marktöffnung im Bankensektor

Insbesondere in Südeuropa und Skandinavien waren bis in die neunziger Jahre strukturelle Regulierungsansätze des Bankensektors verbreitet. Getrieben durch das Binnenmarktpro-gramm der EU haben jedoch die Staaten mit strukturellen Regulierungsansätzen den Banken-sektor in den achtziger und neunziger Jahren dereguliert und sich damit den Regulierungsan-sätzen liberalerer Staaten angenähert. Massgebend waren die in durch die zweite Koordinie-rungsrichtlinie (89/646/EWG) eingeleitete grenzüberschreitende Liberalisierung der Bankdienst-leistungen und der damit verbundene Druck zur Effizienzsteigerung. Es darf nicht der Eindruck entstehen, die Banken stünden nach der erfolgten Deregulierung nicht mehr unter staatlicher Kontrolle. Vielmehr wurden strukturelle, marktferne Regulierungen durch prudentielle, wettbe-werbsfreundlichere Regulierungen ersetzt.

Im globalen Vergleich sind nach den deregulierenden Reformen der vergangenen Jahrzehnte alle europäischen Staaten als im internationalen Vergleich liberal zu betrachten, d.h. dass kaum mehr Monopole oder innerstaatliche Zutrittshürden zum Bankensektor bestehen. Gewisse regu-latorische Unterschiede zwischen den einzelnen Staaten existieren aber weiterhin, sind auf-grund der technischen Komplexität der Regulierungen aber schwierig zu werten.

Die Schweiz gehört, gemeinsam mit EU-Mitgliedsstaaten wie Grossbritannien, den Niederlan-den oder Luxemburg, zweifellos zu Niederlan-den liberalsten europäischen Staaten, welche die Finanz-dienstleistungen kaum strukturell regulieren und auf prudentielle Regulierung sowie eine starke

Selbstregulierung der Branche setzen. Empirische Studien zeigen, dass sich der Finanzdienst-leistungssektor gerade in Staaten mit geringer Staatsbeteiligung, zurückhaltenden Beschrän-kungen und starker Selbstregulierung vergleichsweise positiv entwickelt hat (Barth et al. 2002).

Auch die Expertengruppe Finanzmarktaufsicht stellt in ihrem Schlussbericht zur Finanzmarktre-gulierung in der Schweiz fest, dass das System der SelbstreFinanzmarktre-gulierung sehr zufriedenstellende Resultate gezeigt habe (Expertengruppe Finanzmarktaufsicht, S. 43).

Abbildung 5.2: Regulatorische Beschränkungen von Bankdienstleistungen und private Regulierung

Quelle: nach Barth et al. (2001)

Eine Studie der Weltbank zeigt, dass trotz der Deregulierungsanstrengungen weiterhin Unter-schiede in der innerstaatlichen Regulierung des Bankensektors bestehen (Barth et al. 2001).

Der Studie zufolge ist die Schweiz europaweit als dasjenige Land mit den wenigsten staatlichen regulatorischen Beschränkungen von Bankdienstleistungen in Europa einzustufen. Gleichzeitig wird das Ausmass der privaten Regulierung als stark ausgeprägt eingeschätzt (vgl. Abbildung 5.2). In der Schweiz werden vergleichsweise sehr viele regulatorische Aufgaben an Selbstregu-lierungsorganisationen einerseits oder an private Revisoren andererseits delegiert. Die verglei-chenden Indizes der erwähnten Studie basieren auf einem Survey, in dem insgesamt 175 regu-latorische Komponenten in 107 Staaten untersucht wurden, von Vertriebsbeschränkungen über revisorische Anforderungen bis hin zu staatlichen Eingriffsmöglichkeiten.

5.3.2.2 Internationale Harmonisierung im Rahmen der Basler Eigenkapitalvereinbarungen Verstärkte internationale Kooperation im Gleichschritt mit der erfolgten Deregulierung hat zu einer zunehmenden internationalen Harmonisierung der prudentiellen Regulierung beigetragen.

Die Notwendigkeit der internationalen Kooperation ergibt sich insbesondere aufgrund des Moral Hazard, der internationale Banken (und einzelstaatliche Regulatoren) in Versuchung führen könnte, bei der Mindestunterlegung mit Eigenkapital so nahe wie möglich an die unterste noch vertretbare Grenze zu gehen, um im Markt mit niedrigeren Kosten operieren zu können. Der Moral Hazard könnte noch verstärkt werden durch die Frage, ob nicht Grossbanken in Indust-riestaaten von einer impliziten Staatsgarantie profitieren, da ihr Scheitern wirtschaftspolitisch kaum zu verantworten wäre. Latent geht es bei der internationalen Harmonisierung auch dar-um, ein regulierungstechnisches „Race-to-the-bottom“ und seine verheerenden Wirkungen zu verhindern.

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Im Zentrum der internationalen Harmonisierung stehen die beiden Basler Eigenkapitalvereinba-rungen, die nicht zuletzt auch zum Ziel haben, kompetitive Ungleichheiten, die auf unterschied-lich strenge nationale Eigenmittelvorschriften zurückzuführen sind, zu beseitigen. Während sich Basel I im wesentlichen auf die Regelung der angemessenen Kapitalausstattung (Unterlegung der risikogewichteten Aktiven mit min. 8% Eigenkapital) beschränkte, ist die Wirkung von Basel II zugleich harmonisierender und differenzierter. Harmonisierender wirkt Basel II, weil sich das Abkommen nicht mehr nur auf die Eigenkapitalerfordernisse erstreckt, sondern in seinem zwei-ten Pfeiler auch Aufsichtsverfahren sowie die Marktdisziplin über Transparenz und einheitliche Rechnungslegungsstandards regelt. Differenzierter wirkt Basel II, weil die angemessene Kapi-talausstattung nicht mehr fix, sondern über eine vollständigere Erfassung der Risiken gesteuert wird. Dabei kommen mehrere Varianten der Berechnung in Betracht, die den Banken einen Anreiz für ein verstärktes Risikomanagement liefern. Verfügt eine Bank nicht über eigene In-strumente und Methoden, um eine Risikoklassifizierung nach Basel II durchführen zu können, ist das erforderliche Mass an Eigenkapitalunterlegung durch den so genannten Standardansatz zu bestimmen, was im Ergebnis den bisherigen Vorschriften nach Basel I entspricht. Da Basel II die Verwendung fortgeschrittener Risikomessmethoden fördern möchte, nimmt die erforderliche Eigenkapitalunterlegung für Banken bei konsequenter Anwendung interner Ratingsysteme ab.

Trotz seiner zweifellos harmonisierenden Wirkung werden auch nach vollständiger Umsetzung von Basel II (geplant für 2007) weiterhin Unterschiede zwischen den innerstaatlichen Regulie-rungen einzelner Staaten bestehen. Denn erstens werden auch mit Basel II längst nicht sämtli-che Facetten der Bankregulierungen abgedeckt. Es steht den ratifizierenden Staaten frei, ihre Märkte stärker zu regulieren, als in den Vereinbarungen vorgeschlagen. Zweitens handelt es sich bei Basel II wie bei anderen internationalen Empfehlungen um Soft Law. Ein Abweichen von den internationalen Empfehlungen zeigt keine unmittelbaren Konsequenzen.

Gleichwohl besteht in der EU wie in der Schweiz ein Interesse an einer möglichst empfehlungs-getreuen Umsetzung. Die in der Schweiz und mehreren Mitgliedsstaaten schon früher erfolgte gesetzliche Umsetzung von Basel I geschah auf Ebene der EU mit der Richtlinie 93/6/EWG über die angemessene Eigenkapitalausstattung. Die Umsetzung von Basel II über eine Neufas-sung der Richtlinie 93/6/EWG ist in der EU im Entwurfsstadium68. Nach allgemeiner Einschät-zung hat die EU dabei die Vorgaben des Basler Ausschusses weitestgehend übernommen.

Auch die Schweiz wird die Vorgaben des Basler Ausschusses weit gehend übernehmen (vgl.

Jahresbericht der EBK 2004). Die Schweizer Umsetzung dürfte im internationalen Vergleich eher konservativ ausfallen („Swiss Finish“), was einerseits mit dem Rufschutz des Bankensek-tors begründet wird, andererseits aber auch mit der vergleichsweise zurückhaltenden strukturel-len Regulierung. Notwendige Anpassungen der Bankverordnung solstrukturel-len in eine separate Ei-genmittel- und Risikoverteilungsverordnung (ERV) gefasst werden.

68 Vgl. Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Neufassung der Richtlinie 93/6/EWG über die angemessene Eigenkapitalausstat-tung von Wertpapierfirmen und Kreditinstituten