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Institutionelle Wechselwirkungen D

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D 1.1

Globalisierungsprozesse – die Millenniums-herausforderung internationaler Umweltpolitik Nicht erst die Bilder von Straßenkämpfen während der WTO-Konferenz und die eingeworfenen Fens-terscheiben anlässlich des Weltwirtschaftsforums in Davos veranschaulichen, dass die Begriffe Freihan-del und Globalisierung inzwischen zu „Kampfbegrif-fen“ geworden sind, die als Sinnbild für eine Aushöh-lung sozialer Standards, eine Zunahme weltweiter Unterschiede zwischen „Arm und Reich“, eine prob-lematische Angleichung von Konsumstilen und für viele nicht zuletzt auch als Ursachen für weltweite Umweltschäden gelten. Beide Tatbestände stehen hierbei in engem Zusammenhang. So ist es neben dem absoluten und relativen Bedeutungsverlust der Transportkosten vor allem der Abbau der Handels-barrieren, der die Globalisierung beschleunigte, den weltweiten Zugriff auf natürliche Ressourcen er-leichterte und über zusätzliche Wachstumsimpulse den Ressourcenverbrauch und damit die Emissionen steigerte. Insofern wird mit den Globalisierungspro-zessen auch das Spannungsfeld von Wachstum und Umwelt berührt.

Der Beirat weiß um die Brisanz des Themas und möchte sich gegebenenfalls in einem späteren Gut-achten ausführlich mit dem Spannungsfeld von Han-del, Globalisierung, Wirtschaftswachstum und globa-len Umweltproblemen auseinander setzen. Die fol-genden Ausführungen dienen primär einer ersten Differenzierung der oft ideologielastigen Debatte über eine Disziplinierung globaler Marktkräfte und vor allem einer Betrachtung der politischen Hand-lungsoptionen aus Sicht der internationalen Umwelt-politik (zu kontroversen Einschätzungen Daly und Goodland, 1994; Klemmer, 1999). Mit Blick auf das Thema dieses Gutachtens erscheint vor allem letzte-res von Bedeutung.

Die Globalisierung von Kapital-, Absatz- und Beschaffungsmärkten zählt ebenso wie die Interna-tionalisierung von Entscheidungen über Unterneh-mensstandorte und Wanderungen qualifizierter

Arbeitskräfte zu den Grundcharakteristika wirt-schaftlicher und sozialer Entwicklung im vergange-nen Jahrzehnt, die zugleich auf die Handlungsbedin-gungen und -optionen internationaler Umweltpolitik ausstrahlen (zu den Entwicklungen u. a. Bender, 1998; UNCTAD, 1999; WTO, 1999). Für die Umwelt-politik werden ambivalente Konsequenzen disku-tiert:

• einerseits eine Zunahme globaler Umweltproble-me aufgrund verUmweltproble-mehrter Transportleistungen, wachstumsinduzierter Ressourcenverbräuche, ei-nes gesteigerten Zugriffs auf Naturräume, einer Erweiterung des weltweiten Produktionsvolu-mens mit potenziell umweltgefährdenden Stoffen und Verfahren sowie geringeren Möglichkeiten nationaler Kontrollen und Schutzbestimmungen gegenüber multinationalen Unternehmen und grenzüberschreitenden Wertschöpfungsketten, und

• andererseits eine Erweiterung des weltweiten Transfers von Wissen, verbesserte Entwicklungs-chancen für wirtschaftlich schwache und daher auf den Abbau von Beständen natürlicher Ressour-cen angewiesener Länder sowie ein Export von Standards zum Schutz der natürlichen Umwelt an-gesichts einer zunehmenden Weltöffentlichkeit.

Der Beirat warnt daher vor einer pauschalen Dämo-nisierung des Freihandels, der durch ihn ausgelösten Globalisierungsprozesse und seiner Folgen. Unter Forschungsaspekten spricht er sich für eine differen-zierte Untersuchung der Wechselbeziehungen zwi-schen Handel, Globalisierung und Umwelt und unter umweltpolitischen Aspekten für eine Einbeziehung ergänzender institutioneller Anreize zur Identifizie-rung und VermindeIdentifizie-rung globaler Umweltschäden aus. Er sucht nach einem institutionellen Anreizsys-tem, welches die durchaus nicht auszuschließenden problematischen Folgen für die globale Umwelt min-dert. Neben der Frage, wie solche Anreize auszulösen sind, ist vor allem die Frage, wer für solche Anreize zuständig sein soll, Gegenstand vielfältiger Debat-ten. Insbesondere die Rolle der Welthandelsorgani-sation (WTO) und ihr Verhältnis zu weltweiten Um-weltstandards zählen zu den politisch umstrittenen

Themen. Glauben doch viele, primär über eine selek-tive Beeinflussung des Welthandels der Umwelt bes-ser Rechnung tragen zu können.

D 1.2

Die WTO und ihr Verhältnis zu internationalen Umweltstandards

Die WTO entstand im Rahmen der Uruguay-Runde des Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommens (GATT). Ihr Ziel ist eine weltweite Handelsliberali-sierung durch Prinzipien wie die Meistbegünstigung, die Inländerbehandlung, das Verbot mengenmäßiger Beschränkungen und generell die Verhinderung ei-ner Diskriminierung von Handelspartei-nern (zur Struktur und Entwicklung des Handelsregimes Helm, 1995; WBGU, 1996a; Leirer, 1998; Moncayo von Hase, 1999). Gerade aus Sicht der Umweltpolitik kann diese Funktion von entscheidender Bedeutung sein. Protektionistische Subventionen umweltgefähr-dender Produkte können eingeschränkt werden, der Zugang kapitalarmer Länder zu internationalen Märkten und ausländischen Investitionen wird ver-bessert, Armut und dauerhafte Abhängigkeit werden auf diese Weise verringert und möglicherweise ar-mutsbedingte Umweltschäden gemildert. Durch den Wettbewerb werden zudem Anreize geschaffen, durch einen effizienteren Einsatz vorhandener Res-sourcen Innovationsprozesse auszulösen. Dies ist unter Nachhaltigkeitsaspekten in der Regel zu be-grüßen. Sicherlich gilt, dass – allein schon wachs-tumsbedingt – auch Umweltrisiken auftreten kön-nen, die aber eher dem Spannungsfeld Wachstum und Umwelt und weniger dem Beziehungsgeflecht Handel und Umwelt zugeschrieben werden müssen.

Positiv hervorzuheben sind auch die Erfolge des GATT/WTO-Regimes bei der Verringerung protek-tionistischer Bestimmungen und die zunehmende Akzeptanz der internationalen Streitschlichtung gegenüber einer vormals vornehmlich unilateralen Sanktionierung (O’Neal Taylor, 1997; Knorr, 1997).

Sie bieten, wie unten beschieben, möglicherweise auch eine Chance für mehr Umweltschutz. Aller-dings sind auch weiterhin Benachteiligungen der Entwicklungsländer auf den Agrar- und Textilmärk-ten mit nicht auszuschließenden NegativeffekTextilmärk-ten für die globale Umwelt (etwa Intensivierung der nutzung in der EU und Behinderung pluraler Boden-nutzungsformen in den Entwicklungsländern) fest-zustellen. Der Beirat hat hierauf bereits in früheren Gutachten (WBGU, 1996b) hingewiesen.

Da die WTO u. a. auch nationale Regelungen auf ihre Verträglichkeit mit einem diskriminierungs-freien Welthandel prüfen muss, kann sie in Konflikt mit nationalen Regelungen zum Schutz der Umwelt geraten. Hierbei ist aber festzustellen, dass, auch wenn eine erschöpfende rechtliche Klärung des Ver-hältnisses des WTO-Regimes zu nationalen und internationalen Umweltstandards noch aussteht, schon heute die Berücksichtigung von Umweltbelan-gen durch verschiedene Ausnahmevorschriften des GATT-Abkommens möglich ist. Zu nennen ist hier vor allem Art. XX des GATT-Abkommens (Kasten D 1.2-1), der zwar die Umwelt als Ausnahmetatbe-stand für handelsbeschränkende Maßnahmen nicht ausdrücklich nennt, wohl aber Maßnahmen für zuläs-sig erklärt, die zum Schutz des Lebens oder der Ge-sundheit von Menschen, Tieren und Pflanzen erfor-derlich sind (Art. XX lit. b) und die dem Erhalt nicht-erneuerbarer Naturschätze dienen, wenn sie mit Ein-schränkungen für die inländische Produktion bzw.

den Verbrauch verbunden sind (Art. XX lit. g). Die-ses gilt allerdings nur, wenn die umweltpolitisch be-gründeten Handelsbeschränkungen weder verdeckte Handelsschranken darstellen noch willkürlich oder ungerechtfertigt zwischen Staaten diskriminieren, in denen gleiche Bedingungen herrschen.

Diese Vorschrift wird ergänzt durch Regelungen in den Nebenabkommen zum GATT:

• Insbesondere die im Rahmen der WTO angenom-menen Übereinkommen über die Anwendung ge-sundheitspolizeilicher und pflanzenschutzrechtli-cher Maßnahmen und über technische

Handels-Kasten D 1.2-1

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