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Institutionelle Defizite und Lösungswege

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C

Institutionenund Organisationensind das Kernstück jeder Umweltpolitik. Institutionen sind gemein-schaftliche Einrichtungen (instituere – einrichten), mit denen gesellschaftliche Akteure ihre Beziehun-gen regeln, von dem Gewaltverbot der Vereinten Na-tionen bis hin zur Ehe. Die besondere politische Be-deutung der Institutionen hat in der Politologie im letzten Jahrzehnt zu einer Renaissance der Beschäf-tigung mit Institutionen in Form des „Neuen Institu-tionalismus“ geführt. In der internationalen Politik werden die zentralen Institutionen dabei als „inter-nationale Regime“ bezeichnet, womit Regelwerke von gemeinsamen Grundsätzen, Normen, Regeln und Entscheidungsverfahren zwischen internationa-len Akteuren (meist: Staaten) gefasst werden. Meist sind Institutionen in der internationalen Politik eng mit Organisationen verknüpft, also mit administrati-ven Einheiten mit eigenem Budget, Personalbestand und Briefkopf. Diese Definition der Organisation be-zieht sich auf eine Einrichtung als administrative Einheit mit den genannten Merkmalen und nicht et-wa auf den völkerrechtlichen Status der Einrichtung im UN-System wie etwa der völkerrechtliche Begriff der Sonderorganisation (Kap. E 2). Das Klimaregime beispielsweise ist eine Institution, die das Verhalten seiner Parteien mit Blick auf den Klimaschutz regelt und ihnen gewisse Pflichten auferlegt; das Klimase-kretariat in Bonn gleicht wiederum einer kleinen internationalen Organisation.

Institutionen und Organisationen sind von der Po-litik geschaffen und können von ihr geändert und op-timiert werden. Dieses hat den Beirat veranlasst, sich in diesem Gutachten gezielt mit der Frage einer Re-form und Verbesserung des Systems internationaler Institutionen und Organisationen und insgesamt den

„institutionellen Arrangements“ (von Prittwitz, 2000) in der globalen Umweltpolitik auseinander zu setzen. Kap. C liefert hierzu das Handwerkszeug: Die bestehenden Institutionen werden exemplarisch nach einem systematischen Analyseraster untersucht und Lehren für die optimale Gestaltung neuer Insti-tutionen und für die Verbesserung der bestehenden gezogen.

Der Beirat folgt dabei dem in der Politologie übli-chen Muster des Politikzyklus, das den Bedingungen globaler Umweltpolitik und den Erfordernissen an-gewandter Politikberatung entsprechend leicht mo-difiziert wurde. So wird zunächst die Rolle von Insti-tutionen und Organisationen während der Formulie-rung und den ersten Verhandlungen von politischen Problemen (agenda setting) (Kap. C 2) erörtert, dann die institutionellen Fragen in der Phase der Aushand-lung und WeiterentwickAushand-lung internationaler Institu-tionen (Kap. C 3) diskutiert, um sich schließlich mit den Problemen der Umsetzung und der „Erfüllungs-kontrolle“ zu beschäftigen (Kap. C 4). Diese Unter-suchungen erfolgen meist anhand von drei Proble-men globaler Umweltpolitik, die mit Blick auf ihren analytischen Nutzen gewählt wurden: jeweils ein Er-folgsfall, ein „mittel-erfolgreicher“ Fall sowie eine eher wenig zufrieden stellende Regelung. Zusätzlich beschäftigt sich der Beirat mit den Lehren aus der Theorie der Spiele sowie den Chancen einer privaten transnationalen Zusammenarbeit zum Schutz globa-ler Umweltgüter.

Globale Umweltpolitik kann nur gelingen, wenn sie auch national und lokal umgesetzt wird. Das Mot-to „Global denken, lokal handeln“ gilt treffend für die globale Umweltpolitik. Dennoch hat sich der Bei-rat in diesem Gutachten auf die Politik in den inter-nationalen Institutionen konzentriert, weil deren na-tionale und lokale Umsetzung bereits in einer Reihe von Jahresgutachten ausführlich untersucht worden ist, etwa mit Blick auf Bodenschutzpolitik (WBGU, 1994), Wasserschutzpolitik (WBGU, 1998a) oder Biosphärenschutzpolitik (WBGU, 1999a). In Kap.

C 5 wird auf diese Texte zur nationalen Umsetzung globaler Umweltpolitik explizit verwiesen, und die aus Sicht des Beirats besonders entscheidenden Pro-zesse der LOKALENAGENDA21 und die Bildungspo-litik werden erneut hervorgehoben.

Vorverhandlungen

C 2.1 Einleitung

Welche Rolle spielen Institutionen und Organisatio-nen am Anfang einer internationalen Verhandlung, wenn Probleme definiert, Agenden strukturiert und erste Weichen zur Verhandlung eines Regimes gestellt werden? Warum erlangten manche Umwelt-probleme einen höheren Stellenwert in der interna-tionalen Politik als andere, selbst wenn diese aus öko-logischer Sicht vielleicht ebenso schwerwiegend wa-ren? Inwieweit tragen Institutionen und Organisatio-nen dazu bei, dass globale Umweltprobleme auf die Tagesordnung der internationalen Politik gelangen, und welche Rolle spielen sie in der Vorverhandlungs-phase eines Politikzyklus? Der Beirat hat zur Prü-fung dieser Fragen drei Kernprobleme des Globalen Wandels (Ozon, Klima, Bodendegradation) ausge-wählt, die international unterschiedlich effektiv gere-gelt sind und die – entscheidend für die Auswahl – ei-nen unterschiedlichen Stellenwert auf der Agenda der internationalen Politik erlangen konnten. Einen umfassenden Überblick zum Umweltvölkerrecht bietet Beyerlin (2000).

C 2.2

Problemdefinition und Vorverhandlungsphase in der Ozonpolitik

Die Reaktion der internationalen Gemeinschaft auf die fortschreitende Zerstörung der stratosphärischen Ozonschicht gilt vielfach als Musterbeispiel einer ef-fektiven internationalen Umweltpolitik. In den west-lichen Industrieländern sind Fluorchlorkohlenwas-serstoffe (FCKW) inzwischen fast vollständig aus dem Gebrauch genommen. Insgesamt wurde der weltweite Verbrauch von FCKW, Halonen und Me-thylchloroform durch das Ozonregime um etwa 80%

vermindert; rechnet man alle ozonabbauenden Stof-fe entsprechend gewichtet mit ein, ist der Verbrauch insgesamt um 70–75% gesunken (Oberthür, 1997, 1999a) (Kap. B 2.2).

C 2.2.1

Das Ozonproblem auf der internationalen und nationalen Agenda

Die Gefahr einer Schädigung der stratosphärischen Ozonschicht durch die Emission von FCKW wurde erst 1974 entdeckt (Luhmann, 1996). Die Sorge um die Ozonschicht entstand zunächst in den Industrie-ländern, wo noch Mitte der 80er Jahre fast alle FCKW produziert wurden. Zu den Befürwortern ei-ner internationalen Regelung zählten insbesondere die USA; schon Ende der 70er Jahre war der FCKW-Verbrauch für Sprühdosen in den USA und einigen skandinavischen Ländern verboten worden.

Da angesichts der Globalität des Problems Maß-nahmen nur weniger Staaten keinen Erfolg verspre-chen konnten, bemühten sich die USA, Finnland, Ka-nada, Norwegen, Schweden und die Schweiz, die so genannte „Toronto-Gruppe“, seit Anfang der 80er Jahre um einen internationalen Vertrag zur Kontrol-le des OzonprobKontrol-lems (Kindt und Menefee, 1989;

Parson, 1993; Benedick, 1998). Die übrigen Industrie-länder waren jedoch zu dieser Zeit noch skeptisch und strebten weichere Regeln als die Toronto-Grup-pe an. Es ist nicht abschließend zu klären, welche Faktoren für diese Differenz in der Betroffenheit der Industrieländer ursächlich war. Möglicherweise spielten in den USA kulturelle Faktoren, etwa die hohe Wertschätzung in der Bevölkerung für die NASA und die Weltraumforschung, eine gewisse Rolle (Benedick, 1998). Später trug auch die poten-ziell besonders große Gefährdung der Bevölkerung in den hohen Breitengraden – Kanada und Skandi-navien – dazu bei, dass das Ozonproblem in diesen Ländern als vordringlich angesehen wurde.

Während die Zerstörung der Ozonschicht seit Mitte der 70er Jahre in den USA und Skandinavien und in geringerem Maß auch in Japan und der Euro-päischen Gemeinschaft thematisiert wurde, ließ sich in den Entwicklungsländern kein originäres Interes-se an dieInteres-sem Umweltproblem erkennen. Zur Wiener Regierungskonferenz im Jahr 1985 entsandten nur 12 Entwicklungsländer Delegierte, und selbst bei der

Montrealer Abschlusskonferenz im September 1987, auf der das Montrealer Protokoll über Stoffe, die die Ozonschicht schädigen, verabschiedet wurde, waren nur 30 Entwicklungsländer vertreten (Biermann, 1998b).

Wie ist dieses mangelnde Interesse an den Ver-handlungen zu erklären? Eine gängige Sichtweise zwischenstaatlicher Umweltpolitik konzeptualisiert solche Probleme als Konflikt zwischen Verursachern und Betroffenen einer grenzüberschreitenden Um-weltverschmutzung. Demnach bremsen „Verursa-cherstaaten“ die Regimebildung, während die „Be-troffenen“ eher die Initiative für umfassende Nor-men ergreifen. Im Fall des Ozonproblems sind die wesentlichen Verursacher die Industrieländer. Mitte der 80er Jahre verbrauchten sie 90% der weltweit hergestellten FCKW, was dem 20fachen Pro-Kopf-Verbrauch der Entwicklungsländer entsprach. Auch galt die Begrenzung der FCKW-Freisetzung als teu-er: Die allein für die USA geschätzten Umstellungs-kosten schwankten beispielsweise zwischen 3 Mrd.

US-$ nach Angaben der US-Umweltbehörde bis zu vom Chemiekonzern DuPont geschätzten 135 Mrd.

US-$ (Benedick, 1998).

Die mangelnde Aktivität der Entwicklungsländer ist anfangs durch die fehlende Information über das Ozonproblem zu erklären, dem UNEP und die US-amerikanische Diplomatie Ende der 80er Jahre durch Informationskampagnen abzuhelfen suchten.

Informationsdefizite waren jedoch nicht allein die Ursache für das anfängliche Desinteresse im Süden.

Vielmehr scheint es, dass die großen Entwicklungs-länder zunächst bewusst die Verhandlungen oder zu-mindest die Zeichnung des Montrealer Protokolls von 1987 boykottiert haben, weil dieses in seinem spezifischen institutionellen Design, insbesondere seiner Lastenverteilung zwischen den Staaten, als nachteilig und „ungerecht“ im Hinblick auf ihre wirt-schaftlichen Interessen eingeschätzt wurde (für In-dien etwa Rajan, 1997). So war im Norden der Bedarf an FCKW-haltigen Kühlschränken, Kühlanlagen oder Klimaanlagen weitgehend gesättigt, während die Entwicklungsländer aufgrund ihres Wirtschafts-wachstums einen hohen Anstieg der Nachfrage nach diesen Gütern erwarteten. Deren Verbreitung wurde wiederum als Grundlage weiteren Wirtschaftswachs-tums gesehen. Soweit die Entwicklungsländer FCKW, FCKW-haltige oder davon abhängige Pro-dukte selbst herstellten, hätten sie einen Teil ihres In-vestitionskapitals für die Produktionsumstellung verwenden müssen: Deren alleiniger Nutzen hätte in der Reparatur eines Umweltproblems gelegen, das vor allem durch die bisherige Wirtschafts- und Le-bensweise der Industrieländer verursacht worden war.

All dies zusammen bewirkte, dass die Debatte über die Verringerung der FCKW-Nutzung im Süden nicht als Umweltproblem, sondern im Wesentlichen als Nord-Süd-Problem und als Entwicklungsproblem verstanden wurde. Noch heute werden beispielswei-se in Indien die nationalen Maßnahmen zum Schutz der Ozonschicht im Umweltplan nicht als Teil der Umweltpolitik, sondern als Element der „internatio-nalen Zusammenarbeit“ aufgeführt (Chatterjee, 1995; Biermann, 1999), was anzeigt, dass das Land für sich selbst weiterhin keinen eigenen Handlungsbe-darf sieht.

C 2.2.2

Rolle von Institutionen und Organisationen Es ist unverkennbar, dass das Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP) selbst mit Blick auf die Industrieländer in den 80er Jahren eine wesentliche Funktion im agenda setting einnahm. UNEP richtete schon 1977 das Co-ordinating Committee on the Ozone Layer (CCOL) ein und verkündete den

„Weltaktionsplan“ zum Schutz der Ozonschicht.

1981 wies die UN-Expertenkonferenz zum Umwelt-völkerrecht in Montevideo der Ausarbeitung von Rechtsnormen zum Schutz der Ozonschicht höchste Priorität zu. Auch die Wiener Konferenz zum Schutz der Ozonschicht von 1985 geht auf eine UNEP-Re-solution zurück. In den frühen 80er Jahren, als das Problem in den USA nach dem Verbot der FCKW-Nutzung in Sprühdosen an öffentlicher Aufmerk-samkeit verlor, war es vor allem UNEP, das die inter-nationale Debatte über die Gefährdung der Ozon-schicht am Leben erhielt (Benedick, 1998).

UNEP spielte ebenfalls eine wichtige Rolle in der Politikformulierung in den Entwicklungsländern, ge-rade weil es als Teil des UN-Systems als politisch neutral im Nord-Süd-Konflikt gilt und so dem Ozon-problem im Süden die erforderliche Akzeptanz ver-leihen konnte. UNEP ist Sitz des Sekretariats des Wiener Übereinkommens und seines Montrealer Protokolls und organisiert über sein Pariser Büro den Transfer FCKW-freier Technologie in die Ent-wicklungsländer. UNEP berät die „Ozone Focal Points“, die in den Verwaltungen der meisten Ent-wicklungsländer eingerichtet worden sind und u. a.

die Aufgabe haben, das Problembewusstsein in ihren Ländern zu erhöhen und im Dialog mit der Industrie nach Lösungen zu suchen. Nicht zuletzt organisierte UNEP die wissenschaftliche Bewertung zum Stand des Ozonproblems, die zahlreichen „ozone assess-ments“ (Jung, 1999b). Es war zwar die Forschung der großen Industrieländer, besonders in den USA, die diese Bewertung überhaupt erst ermöglichten. Den-noch war es UNEP, das der Forschung einzelner

Län-der das erforLän-derliche Gütesiegel Län-der politischen Neutralität und der Akzeptabilität, insbesondere in den Entwicklungsländern, verlieh (Watson, 1998, persönliche Mitteilung).

Auch andere UN-Organisationen und -Program-me spielen eine wichtige Rolle, beispielsweise in der Initiierung, Planung und Durchführung der FCKW-Konversionsprojekte in Entwicklungsländern. Ähn-lich agieren diese Organisationen bei der Informa-tion über das Umweltproblem in den osteuropäi-schen Staaten und besonders der Russiosteuropäi-schen Födera-tion. Es kann insgesamt davon ausgegangen werden, dass ohne diese internationalen Organisationen so-wie insbesondere auch ohne UNEP, das Ozonprob-lem in den meisten Staaten in Nord und Süd nicht den Stellenwert und im Süden nicht die Akzeptanz erlangt hätte, die seit den 80er Jahren erreicht wurde.

Obwohl das Ozonregime als eine der größten Er-folgsgeschichten der internationalen Umweltpolitik gilt, ist nicht zu verkennen, dass auch ein Reihe von Sonderfaktoren hierzu beigetragen haben. Insbeson-dere die US-amerikanische Industrie, die früh Er-satzstoffe für FCKW entwickelt hatte, leistete Ende der 80er Jahre keinen Widerstand gegen das Mont-realer Ozon-Protokoll, sondern trat offensiv für des-sen möglichst umfasdes-sende Anwendung in möglichst vielen Ländern ein. Insofern war das Ozonproblem eine Win-win-Situation für die Industrie des Nord-ens, der so ein bedeutender neuer weltweiter Markt für Ersatzstoffe und alternative Produktionsverfah-ren erwuchs – welcher häufig von denselben Unter-nehmen erschlossen werden konnte, die zuvor mit dem Verkauf von FCKW erhebliche Einnahmen er-zielt hatten.

C 2.3

Problemdefinition und Vorverhandlungsphase in der Klimapolitik

Anders als die internationale Zusammenarbeit zum Schutz der Ozonschicht hat die Klimapolitik bisher noch keine einschneidende Verbesserung der Um-weltsituation bewirkt (Kap. B 2.1). Nach wie vor stei-gen die Emissionen von CO2und anderen Treibhaus-gasen weltweit an. Nachdem der anthropogene Treibhauseffekt in den späten 60er Jahren zum Gegenstand der wissenschaftlichen Diskussion ge-worden war, wurde er international Ende der 80er Jahre auch politisch zum Thema. Dies kulminierte in der Aushandlung der Rahmenkonvention der Ver-einten Nationen über Klimaänderungen ab 1990, die 1992 auf dem Erdgipfel in Rio de Janeiro zur Zeich-nung aufgelegt wurde. Auf dessen Grundlage be-schlossen die Vertragsstaaten 1997 im Protokoll von Kioto zur Klimarahmenkonvention erstmals

ver-bindliche quantitative Pflichten der Industrieländer zur Minderung ihrer Treibhausgasemissionen (WBGU, 1998b).

C 2.3.1

Das Klimaproblem auf der internationalen und nationalen Agenda

Schon ab Ende der 60er Jahre galt als erwiesen, dass die CO2-Konzentration in der Atmosphäre kontinu-ierlich ansteigt. In den 80er Jahren gelangte das The-ma über eine Vielzahl von Konferenzen auf die inter-nationale politische Tagesordnung. Zunächst griff die Weltkommission für Umwelt und Entwicklung, die so genannte Brundtland-Kommission, das Problem 1987 in ihrem Abschlussbericht auf. 1988 wurde es erstmals auf hochrangiger politischer Ebene disku-tiert, auf dem G 7-Gipfel in Toronto sowie in der UN-Vollversammlung. Wegweisend wurde im gleichen Jahr eine weitere Konferenz in Toronto, die dazu auf-rief, die CO2-Emissionen bis 2005 um 20% (gegen-über 1988) zu senken. Dieses „Toronto-Ziel“ wurde für ein Jahrzehnt zur Referenzgröße der internatio-nalen Klimapolitik.

Wesentlich war hier die aktive Rolle der interna-tionalen Organisationen: Bereits 1988 hatten die Weltorganisation für Meteorologie (WMO) und UNEP, die bis dahin die internationale wissenschaft-liche Diskussion trugen, das Intergovernmental Pa-nel on Climate Change (IPCC) ins Leben gerufen (Bodansky, 1993). Die Einschätzungen des IPCC wurden die weithin anerkannte wissenschaftliche Grundlage internationaler Klimapolitik (Kap. E 1).

Die Aushandlung eines Rahmenübereinkommens zum Klimaschutz stieß zunächst auf vielfältige Inte-ressenkonflikte. Die Differenzen zwischen den In-dustrieländern waren schon früh deutlich geworden (Bodansky, 1993; Enquete-Kommission, 1990). Auf der einen Seite standen dabei die so genannten

„Bremser“, zu denen neben der UdSSR und Japan vor allem die USA zählten. Sie betonten die wissen-schaftlichen Unsicherheiten und sprachen sich gegen weit reichende Pflichten zur Emissionsminderung aus (Breitmeier, 1996). Bei den USA und der UdSSR (später: Russland) ist dabei zu berücksichtigen, dass beide Länder zu den größten Kohle-, Öl- und Gas-produzenten der Welt gehören. Für den Einfluss von Industrievertretern bietet gerade das offene US-amerikanische politische System gute Möglichkei-ten. Für die Position Russlands war und ist außerdem ihre Selbstwahrnehmung als potenzieller „Gewin-ner“ einer Erderwärmung von Bedeutung (Ober-thür, 1993; Oberthür und Ott, 1999).

Auf der anderen Seite befürworteten insbesonde-re die Europäer verbindliche Pflichten zur Beginsbesonde-ren-

Begren-zung des Ausstoßes an Treibhausgasen. Die Europä-er sahen sich nicht nur von den Auswirkungen dEuropä-er globalen Erwärmung (Meeresspiegelanstieg, Ver-steppung usw.) betroffen. Die starke Abhängigkeit von der Einfuhr fossiler Brennstoffe macht Klima-schutzmaßnahmen verhältnismäßig attraktiv, da sie die Importe verringern. Zudem war und ist die poli-tische Akteurslandschaft stark mit Umweltinteres-sen (Verbände und Grüne Parteien) durchdrungen.

Ein Beispiel für die unterschiedlichen Verhandlungs-positionen verschiedener Nationen bei der Waldnut-zung ist in Kasten C 2.3-1 dargestellt.

Die Entwicklungsländer hatten lange Zeit kein besonderes Interesse am Klimaproblem (Bodansky, 1993). Anders als im Fall des Ozonregimes – und

ge-rade wegen der hier gemachten Erfahrung, dass rechtzeitig getroffene Entscheidungen die künftigen Verhandlungen bestimmen – brachten sie sich aller-dings schon früh in die Klimadiskussion ein. Vor al-lem verwiesen sie dabei auf die Hauptverantwortung der Industrieländer für den zusätzlichen Treibhausef-fekt, lehnten deshalb eigene bindende Pflichten ab und verlangten einen Finanz- und Technologietrans-fer (Biermann, 1998b). Schnell wurden aber zu Be-ginn der 90er Jahre auch in dieser Gruppe Interes-senunterschiede deutlich. Zwei Gruppen artikulier-ten dabei vehement Positionen, die von der Mehrheit der Entwicklungsländer abwichen. Die Erdöl expor-tierenden OPEC-Staaten mit Saudi Arabien an der Spitze sträubten sich gegen eine wirksame

Begren-Kasten C 2.3-1

Unterschiede in der Verhandlungsposition von Nationen beim Klimaschutz am Beispiel der Waldnutzung

Bei den internationalen Verhandlungen um den Klima-schutz wird im Allgemeinen zwischen den Anliegen der In-dustrienationen und den Entwicklungsländern entlang ei-nes Nord-Süd-Gefälles unterschieden. Im Kioto-Protokoll wurde diese Differenzierung sogar festgeschrieben mit der Unterscheidung zwischen den Annex-I-Staaten, die Reduk-tionsverpflichtungen übernahmen, und den Nicht-Annex-I-Staaten, die potenziell in einen Handel mit Kohlenstoff-Einheiten eintreten können, ohne eine Reduktionsver-pflichtung übernommen zu haben. Die Verhandlungen über die Ausgestaltung des Kioto-Protokolls zeigen nun-mehr, dass die Interessenlagen der Nationen komplexer sind, als es in der genannten Zweiteilung deutlich wird. Am Beispiel der Waldverteilung und forstökonomischer Inte-ressen lässt sich dies darlegen.

Sechs Nationen (Russland, Brasilien, Kanada, USA, In-donesien und Zaire) besitzen 58% der globalen Waldfläche (25 Nationen besitzen 85% der Wälder) (FAO, 1999). Die Ziele, die mit diesem Besitz verfolgt werden, sind heterogen und abhängig von den wirtschaftlichen Ausgangsbedingun-gen: dem Einkommen und der Waldfläche pro Einwohner (Abb. C 2.3-1). Dabei sind die Länder mit hohem Pro-Kopf-Einkommen CO2-Quellen, Länder mit niedrigem Pro-Kopf-Einkommen CO2-Senken.

Es zeichnet sich ab, dass die Länder mit hohen Waldflä-chen pro Kopf diese vor allem für die wirtschaftliche Ent-wicklung einsetzen, auch wenn dies nicht mit Umweltzielen zu vereinbaren ist. Länder mit niedrigem Waldbestand und Einkommen sind auf die Holzimporte aus den Ländern mit hohem Waldaufkommen angewiesen. Damit ergibt sich nicht etwa eine Allianz zwischen den Ländern, die CO2 -Quellen sind (Annex-I-Staaten), sondern eine Allianz zwi-schen den Ländern, die den Wald für ökonomische Ziele einsetzen bzw. auf Importe angewiesen sind, gegen die Län-der, die Umweltziele verfolgen. Im Kioto-Protokoll gibt es Anzeichen, dass auch dort ökonomische Ziele wichtiger sind als Umweltziele (CDM-Mechanismus). Um Umwelt-ziele durchzusetzen, bedarf es großer Anstrengungen, diese Konstellation aufzubrechen.

Wald für Umweltschutz

Wald für Subsistenz

Pro-Kopf-Einkommen

Pro-Kopf-Waldfläche Dänemark

Deutschland Großbritannien Japan Niederlande

China Indien Kenia Philippinen Somalia

Australien Finnland Kanada Schweden USA

Brasilien Gabun Indonesien Malaysia Russland Wald als Teil einer nachhaltigen Entwicklung

Wald als Instrument wirtschaftlicher Entwicklung Abb. C 2.3-1

Unterschiedliche Ziele bei der Waldnutzung in Abhän-gigkeit von Einkommen und Waldfläche pro Kopf.

Quelle: WBGU

zung der CO2-Emissionen, von der sie ihre Export-märkte bedroht sahen. Im Gegensatz dazu befürwor-teten die von der Vereinigung kleiner Inselstaaten (Alliance of Small Island States, AOSIS) vertretenen Länder, die ihr Überleben durch einen Meeresspie-gelanstieg bedroht sehen, schon frühzeitig weit

zung der CO2-Emissionen, von der sie ihre Export-märkte bedroht sahen. Im Gegensatz dazu befürwor-teten die von der Vereinigung kleiner Inselstaaten (Alliance of Small Island States, AOSIS) vertretenen Länder, die ihr Überleben durch einen Meeresspie-gelanstieg bedroht sehen, schon frühzeitig weit

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