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Globale Umweltpolitik: Bewertung, Organisation und Finanzierung

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E

E 1.1 Einleitung

Der Beirat konzentriert sich in diesem Kapitel vor al-lem auf die Rolle der wissenschaftlichen Politikbera-tung bei der BewerPolitikbera-tung globaler Umweltverände-rungen und schlägt insbesondere die Schaffung einer unabhängigen Instanz vor, die die internationale Ge-meinschaft auf besonders risikoreiche Entwicklun-gen aufmerksam machen kann. In diese Überlegun-gen wird auch die Kommission für nachhaltige Ent-wicklung einbezogen. Darüber hinaus wird die Ein-richtung unabhängiger wissenschaftlicher Panels nach dem Beispiel des zwischenstaatlichen Aus-schusses über Klimaänderungen (Intergovernmental Panel on Climate Change, IPCC) vorgeschlagen. Zur Rolle der internationalen Forschung sowie zu den globalen Monitoring- und Frühwarnsystemen hat der Beirat bereits in früheren Gutachten ausführlich Stellung genommen (WBGU, 1996b, 1999a).

E 1.2

Unabhängige Instanz für Bewertung und Frühwarnung

In seiner Vision einer strukturellen Neuordnung der globalen Umwelt- und Entwicklungspolitik sieht der Beirat die Notwendigkeit für eine unabhängige In-stanz mit überragender ethischer und intellektueller Autorität zur Erkennung und Bewertung von Risi-ken des Globalen Wandels. Er empfiehlt der Bundes-regierung, die Gründung einer Earth Commissionzu prüfen und den Vereinten Nationen einen entspre-chenden Vorschlag zu unterbreiten (Abb. F 1.1). Die-se aus 10–15 Persönlichkeiten bestehende Earth Commissionsoll das für den Umweltschutz und die Wahrung der Rechte und Interessen zukünftiger Ge-nerationen nötige Langfristdenken gewährleisten so-wie Impulse für Forschung und politisches Handeln geben. Insbesondere solche Themen, die trotz ihrer existenziellen Bedeutung vernachlässigt werden, könnten von der Earth Commission

öffentlichkeits-wirksam auf die internationale Agenda gebracht werden.

Die durch die UN-Generalversammlung zu beru-fende Earth Commissionsollte mit Persönlichkeiten von höchster moralischer Autorität besetzt sein, die in der Weltöffentlichkeit Gehör finden, etwa nach dem Modell der Brandt- oder der Brundtland-Kommissionen. Eine solche Kommission würde ge-wissermaßen die globalisierte Form des deutschen

„Rates für nachhaltige Entwicklung“ darstellen.

Unterstützt werden könnte die Earth Commission bei Bedarf durch die Zuarbeit wissenschaftlicher Pa-nels (Kap. E 1.3), deren Hauptaufgabe allerdings die Beratung der Vertragsstaatenkonferenzen der Rio-Konventionen sein sollte.

Der Earth Commissionkönnten Vorschlagsrechte für zu behandelnde wissenschaftliche Fragen durch die Panels eingeräumt werden. Diese Umweltanaly-sen würden von der Earth Commissionaufbereitet und dahingehend bewertet, ob eine „Warnung“ an die Weltöffentlichkeit und die Vereinten Nationen über drohende, möglicherweise irreversible Umwelt-veränderungen ausgesprochen werden sollte. Wis-senschaftliche Panels und Earth Commissionsollten nicht eigenständig forschen, sondern Forschung an-regen, deren Ergebnisse auf Politikrelevanz prüfen, um die politischen Entscheidungsträger über beson-deres bedenkliche Entwicklungen des Globalen Wandels zu unterrichten.

Damit die Funktion der Frühwarnung ausrei-chend Gewicht und politisches Mandat besitzt, sollte der Earth Commissionbei der Generalversammlung der Vereinten Nationen ein Recht zur Anhörung ein-geräumt werden bzw. zum Anstoß von Initiativen zur Bewältigung von Problemen bzw. Fehlentwicklungen des Globalen Wandels. Sie sollte zu regelmäßigen Berichten an den UN-Generalsekretär verpflichtet werden, in denen die globale Umweltsituation be-wertet wird. Dabei könnte die CSD ein Diskussions-form für diese Berichte darstellen. Die Earth Commissionsollte zusammen mit den wissenschaftli-chen Panels insbesondere vier Aufgabenschwer-punkte wahrnehmen:

Zusammenschau: Sie sollte den bestmöglichen Nutzen aus den bestehenden Monitoringsystemen ziehen, um den jeweiligen Zustand des Systems Erde zu charakterisieren. Ebenso sollte bei Be-darf Monitoring aufgebaut werden.

Früherkennung und Frühwarnung: Sie sollte auf der Basis wissenschaftlicher Daten und Erkennt-nisse die Weltöffentlichkeit und insbesondere die Vereinten Nationen vor drohenden und potenziell irreversiblen globalen Umweltschädigungen war-nen.

Identifizierung von Leitplanken: Sie sollte „Leit-planken“ für die internationale Umweltpolitik identifizieren, um die noch akzeptablen Über-gangsbereiche und die inakzeptablen Zustände aufzuzeigen.

Rechenschaftspflicht: Sie sollte dem Generalsekre-tär der Vereinten Nationen einen jährlichen Re-chenschaftsbericht vorlegen, in dem die wichtigs-ten Umweltprobleme und -entwicklungen nach dem neuesten Stand der Kenntnisse bewertet wer-den.

E 1.3

Die Rolle wissenschaftlicher Politikberatung Der Beirat hat in seinen Gutachten vielfach auf die Bedeutung einer unabhängigen wissenschaftlichen Politikberatung für die Prozesse der Problemidentifi-zierung und -lösung hingewiesen (WBGU, 1996b, 1999a, 2000). Wegen der Komplexität globaler Prob-leme ist die systematische Vermittlung wissenschaft-licher Erkenntnisse und Früherkennungsstrategien unerlässlich für die politischen Steuerungsorgane.

Zur Unterstützung regime-interner wissenschaftli-cher Organe, die häufig nur konkrete Aufträge der Vertragsstaatenkonferenzen bearbeiten, fehlt es in der globalen Umwelt- und Entwicklungspolitik an Gremien zur wissenschaftlichen Beratung nach dem Beispiel des Zwischenstaatlichen Ausschusses über Klimaänderungen (IPCC), die ihre Empfehlungen der internationalen Gemeinschaft, den Vertragsstaa-ten und allen interessierVertragsstaa-ten Akteuren zugänglich ma-chen. Dazu gilt es die vorhandenen wissenschaftli-chen Netzwerke besser zu bündeln und in Form von themenspezifisch einzurichtenden Panels der Nut-zung durch die internationale Politik zuzuführen.

Diese Panels sollten sich aus den weltweit führenden Wissenschaftlern zusammensetzen.

Wie der Beirat bereits in früheren Gutachten dar-gelegt hat, ist Wissen der Schlüssel zur Bewältigung der Herausforderungen des Globalen Wandels, der aber bislang nur unzureichend genutzt wird (WBGU, 1999a). Die Ursachen reichen von einer mangelnden Integration partikulären Wissens über den

asymmet-rischen Zugang zu Wissen bis zu ineffektiven Struk-turen der Wissensvermittlung. Um dieses Wissen besser zusammenzuführen, hat der Beirat bereits mehrfach die Einrichtung verschiedener wissen-schaftlicher Panels empfohlen (WBGU, 1999a, 2000).

Im aktuellen Gutachten greift der Beirat diese ein-zelnen Empfehlungen wieder auf und entwickelt sie weiter zu einem Verbund wissenschaftlicher Panels im Rahmen des Earth Assessment, einem der drei Bausteine einer übergeordneten Struktur zur Stär-kung der internationalen Umweltpolitik (Earth Alli-ance, Kap. F).

E 1.3.1

Erfahrungen mit dem IPCC

Die Erfahrungen aus den Verhandlungsprozessen der internationalen Umwelt- und Entwicklungspoli-tik verdeutlichen einen wachsenden Bedarf an fun-dierter und unabhängiger wissenschaftlicher Bera-tung (Kap. B, Kap. C). Dabei ist zu beachten, dass der Einfluss der Wissenschaft auf die Politik jedoch we-sentlich davon abhängt,wiediese Erkenntnisse ge-wonnen wurden und wersie vorbringt. Dies war ei-nes der Motive für die Einrichtung des IPCC im Jahr 1988 durch die WMO und UNEP. Inzwischen wurden die Einschätzungen des IPCC, das nicht an die Be-schlüsse der Vertragsstaatenkonferenz gebunden ist, die weithin anerkannte wissenschaftliche Grundlage der internationalen Klimapolitik. Das Fundament der Arbeit des IPCC ist eine breite, internationale Beteiligung von Wissenschaftlern und ein differen-ziertes mehrstufiges Peer-Review-Verfahren. Die Zusammenfassungen für Entscheidungsträger beim IPCC werden allerdings Zeile für Zeile von Regie-rungsvertretern redigiert, während der Hauptteil des Berichts und der drei Arbeitsgruppen nicht einem solchen politischen Einfluss unterliegt (Agrawala, 1997). Hinzu kommt, dass – mit dem Ziel politikrele-vanter zu arbeiten – zumindest in Teilbereichen der wissenschaftliche Charakter des IPCC dadurch auf-zuweichen droht, dass interessengeleiteten Akteuren Einflussmöglichkeiten gegeben wird (Jung, 1999b).

Derzeit ist dies nach den Erfahrungen des Beirats al-lerdings nicht feststellbar.

Da die Entwicklungsländer nicht über ausreichen-de Forschungskapazitäten verfügen, sind sie häufig im IPCC unterrepräsentiert (Enquete-Kommission, 1990; Agrawala, 1997). Allerdings hat sich durch die finanzielle Unterstützung des IPCC die Zahl der Teilnehmer aus Entwicklungsländern seit 1988 konti-nuierlich gesteigert. Dabei kann es nach Ansicht des Beirats nicht darum gehen, eine allzu starre Erfül-lung regionaler Repräsentanzen zu fordern, da dies die wissenschaftliche Glaubwürdigkeit des IPCC

ge-fährden würde. Es kommt vielmehr darauf an, die wissenschaftliche Kompetenz in den Entwicklungs-ländern zu fördern, um langfristig einen Ausgleich zu schaffen.

E 1.3.2

Unterstützung globaler Umweltpolitik durch wissenschaftliche Panels

Die Unschärfe der wissenschaftlichen Grundlagen, Begriffe und Konzepte, die in den Verhandlungen der internationalen Umweltpolitik verwendet wer-den, ist in den vergangenen Jahren immer deutlicher geworden und bildet ein Hindernis bei der Ausarbei-tung bzw. Umsetzung von Entscheidungen der Ver-tragsstaaten. Im Hinblick auf den UNCED-Folgeprozess besteht Handlungsbedarf in folgenden Bereichen:

• Es fehlt ein abgestimmter Beitrag der wissen-schaftlichen Gemeinschaft zu den Problemen des Globalen Wandels. Für einzelne Umweltbereiche sind die Erkenntnisse über Zustand, Degrada-tionsdynamik und mögliche Folgewirkungen noch sehr lückenhaft bzw. fehlen vollständig (Kap. B).

Dies gilt beispielsweise für den Verlust biologi-scher Vielfalt und die Zerstörung der Böden. Erst regelmäßige wissenschaftliche Bestandsaufnah-men können die konkrete Ausgestaltung vertrag-licher Pflichten ermöglichen, etwa durch den Ein-satz eines zu entwicklenden Basiskatalogs globa-ler Indikatoren (Kap. C).

• Es fehlt eine Instanz, die sich übergreifend mit den zentralen Themen des Globalen Wandels und der Bestimmung von „Sicherheitsstreifen“ oder Leit-planken befasst, um die internationale Gemein-schaft möglichst früh über bedrohliche Entwick-lungen der Umwelt zu informieren. Leitplanken, die die Grenzen absoluter Nichtnachhaltigkeit aufzeigen, würden eine wissenschaftlich begrün-dete Grundlage für die Ermittlung von Reduk-tions- oder Schutzzielen einzelner Umweltregime bilden. Hierzu hat der Beirat in seinem Jahresgut-achten 1998 einen Ausschuss für Risikobewertung (Risk Assessment Panel, RAP) vorgeschlagen, der u.a. ein internationales Verfahren zur Risikoeva-luierung initiiert (WBGU, 1999a).

• Für die Umsetzung wissenschaftlicher For-schungsergebnisse in politikrelevante Handlungs-optionen fehlt häufig die Integration disziplinärer Ansätze und Sichtweisen.

• Für die Information der Öffentlichkeit bedarf es einer Struktur, die vorhandenes „Risikowissen“

bündelt und zugänglich macht.

Mit der vorhandenen Struktur, bei der lediglich die Klimarahmenkonvention über ein unabhängiges

wissenschaftliches Beratungsgremium verfügt, lassen sich die skizzierten Aufgaben nicht bewältigen. Zwar gibt es z. B. für die wissenschaftlich-technische Bera-tung zum Biodiversitäts- und Desertifikationsregime zwei zuständige Organe: SBSTTA (Nebenorgan für wissenschaftliche, technische und technologische Beratung der Biodiversitätskonvention) und CST (Ausschuss für Wissenschaft und Technologie der Desertifikationskonvention). Deren Funktion ist es, auf spezifische Anfrage der Vertragsstaatenkonfe-renz wissenschaftliche Expertisen anzuregen und auszuwerten. Die Ergebnisse dieser Expertisen müs-sen daraufhin in Beschlussvorlagen für die Vertrags-staatenkonferenz gebündelt werden. SBSTTA und CST sind als nachgeordnete, weisungsgebundene Gremien der Vertragsstaatenkonferenz eng in deren Arbeitsprogramm eingebunden. In der Klimarah-menkonvention gibt es den Zwischenstaatlichen Ausschuss über Klimaänderungen (IPCC), dessen Berichte vom Nebenorgan für wissenschaftliche und technologische Beratung (SBSTA) für die Vertrags-staatenkonferenz aufbereitet werden. Eine solche Beratungsstruktur fehlt aber für die Biodiversitäts-und die Desertifikationskonvention, bei denen die notwendige unabhängige wissenschaftliche Arbeit im Kräftefeld der politischen Interessen nicht zu rea-lisieren ist. Häufig sind bei den SBSTTA- bzw. CST-Sitzungen anstelle unabhängiger Wissenschaftler Re-gierungsvertreter anwesend und führen die Beratun-gen eher unter einem politischen Blickwinkel.

Aus den Erfahrungen von IPCC empfiehlt der Beirat, für die Beratung und Begleitung, etwa der internationalen Boden- und Biodiversitätspolitik, vergleichbare wissenschaftliche Gremien oder Pa-nels einzurichten. In einem Zwischenstaatlichen Ausschuss über biologische Vielfalt (Intergovern-mental Panel on Biological Diversity – IPBD) (WBGU, 2000) oder einem Zwischenstaatlichen Ausschuss über Böden(Intergovernmental Panel on Soils – IPS) ließen sich anerkannte Wissenschaftler zusammenführen, die kontinuierlich und unabhängig arbeiten und wissenschaftliche Politikberatung leis-ten könnleis-ten. Der Beratungsbedarf ist umfassend: Bei der Konvention zur Bekämpfung der Bodendegrada-tion in Trockengebieten bedarf es z. B. für eine effek-tivere Umsetzung der Beschlüsse eines „Kernsets“

globaler Indikatoren (Beobachtung und Berichtswe-sen) und Leitplanken (Schutz- bzw. Reduktionszie-le). Die hier bestehenden Ansätze, über die nächsten 10–15 Jahre eine Datenbank über Böden, Bodennut-zung und Bodendegradation zu schaffen, sind viel-versprechend. Langfristig ist aber eine Struktur not-wendig, die die Bodenveränderungen kontinuierlich überwacht und bewertet (Kap. C 4.3).

Ebenso essenziell ist die Zusammenführung der internationalen Biosphärenforschung in einem

wis-senschaftlichen Expertenausschuss, da auch in der Biosphärenpolitik ein Mangel an fundierter und un-abhängiger wissenschaftlicher Politikberatung fest-zustellen ist. Hierzu hat der Beirat bereits ausführlich Stellung genommen (WBGU, 2000). Darüber hinaus könnte ein Ausschuss für Risikobewertung (Risk As-sessment Panel)dazu dienen, als Netzwerkknoten die verschiedenen nationalen Risikoerfassungen und -bewertungen systematisch zusammenzubringen und aufeinander abzustimmen. Dieses Panel sollte weni-ger auf eine Analyse einmal erkannter Umweltprob-leme als vielmehr auf die frühzeitige Identifikation von neuartigen, erst ansatzweise identifizierbarer Ri-siken des Globalen Wandels ausgerichtet sein. Zu den Aufgaben des Panels hat der Beirat bereits aus-führlich Stellung genommen (WBGU, 1999a).

Die Beiträge dieser Panels könnten der Diskus-sion um den internationalen Umweltschutz mehr Gewicht verleihen. Schließlich würden die empfohle-nen unabhängigen Panels den Vertragsstaaten sowie allen interessierten Akteuren wissenschaftliche Poli-tikberatung zu aktuellen Fragen und Problemen aus dem politischen Prozess bieten und darüber hinaus auf von der Politik vernachlässigte Themen hinwei-sen können. Die wishinwei-senschaftlichen Ergebnisse die-ser Panels würden auch von der vom Beirat vorge-schlagenen Earth Commission genutzt. Zu prüfen wäre, ob statt „zwischenstaatlich“ die Bezeichnung

„international“ gewählt werden sollte, um die politi-sche Unabhängigkeit der einzurichtenden Panels zu unterstreichen.

Es ist allerdings zu berücksichtigen, dass durch eine Verlagerung der wissenschaftlichen Aufgaben an unabhängige Gremien den bestehenden nachge-ordneten wissenschaftlichen Ausschüssen zuneh-mend eine Vorbereitungsrolle für die Vertragsstaa-tenkonferenzen zukommt. Bereits heute ist eine sol-che Entwicklung bei der Klimarahmenkonvention und der Biodiversitätskonvention zu beobachten, wo die Sitzungen dieser Nebenorgane (SBSTTA bzw.

SBSTA und SBI) sich mittlerweile zu „Mini-Ver-tragsstaatenkonferenzen“ entwickelt haben, die zahlreiche Beschlüsse der Vertragsstaatenkonferen-zen vorbereiten. Eine solche Entwicklung findet bei der Desertifikationskonvention derzeit nicht statt, da die Sitzungen des Ausschusses für Wissenschaft und Technologie zeitlich an die Vertragsstaatenkonferen-zen gekoppelt sind und eine Vorbereitung der Ver-tragsstaatenkonferenz daher kaum möglich ist. Eine Weiterentwicklung der bestehenden wissenschaftli-chen Nebenorgane bzw. Ausschüsse in die beschrie-bene Richtung erscheint dem Beirat sehr sinnvoll, da somit wissenschaftliche Erkenntnisse eingespeist und für die Vertragsstaatenkonferenzen aufbereitet werden können. Die wissenschaftlichen Nebenorga-ne bzw. Ausschüsse würden damit eiNebenorga-ne wichtige

Scharnierfunktion zwischen Wissenschaft und Politik übernehmen, wie es bereits bei der Klimarahmen-konvention der Fall ist.

Auch auf der Ebene der Europäischen Union fehlt es an einer koordinierten wissenschaftlichen Politikberatung. Daher sollte den bestehenden natio-nalen Umwelt- und Nachhaltigkeitsräten in der Eu-ropäischen Union die Möglichkeit gegeben werden, mit gemeinsamen Gutachten die Umwelt- und Ent-wicklungspolitik Brüssels beratend zu begleiten. Ins-besondere die Vorbereitungen zur Rio+10-Konfe-renz würden sich aus der Sicht des Beirats hierzu an-bieten. In der Verhandlungspraxis des UNCED-Folgeprozesses spricht die Europäische Union schon lange mit gemeinsamer Stimme. Daher ist es an der Zeit eine Struktur zu schaffen, die eine EU-weite Ko-operation der nationalen Gremien zur wissenschaft-lichen Politikberatung ermöglicht bzw. einen wissen-schaftlichen Rat auf EU-Ebene, in dem Mitglieder nationaler Beratungsgremien vertreten sind. Die re-gelmäßigen Treffen der europäischen Umwelt- und Nachhaltigkeitsräte, die sich zum Verbund der Euro-pean Environmental Advisory Councils (EEAC) zu-sammengeschlossen haben und gemeinsam einen Focal Point finanzieren, sind ein erster Schritt in die-se Richtung.

E 1.4

Die Rolle der CSD

In der vom Beirat vorgeschlagenen Struktur eines Earth Assessmentwürde der Kommission für nach-haltige Entwicklung (CSD) eine wichtige Binde-glied- und Dialogfunktion im Meinungsbildungspro-zess zwischen Earth Commissionsowie den Staaten, der Wissenschaft, den Nichtregierungsorganisatio-nen und der internationalen Umweltorganisation einnehmen. In dieser Neupositionierung könnte nach Ansicht des Beirats eines der zukünftigen Auf-gabenfelder der CSD liegen, die 2001 ihre von UNCED festgelegte Rolle der Abarbeitung einzel-ner Themen der AGENDA21 erfüllt haben wird. Als funktionale Kommission des ECOSOC ist die CSD ohne zeitliche Limitierung eingeführt worden. Auf der Rio+10-Konferenz wird daher neu über die zu behandelnden Themen entschieden. Der Earth Commission könnte auch gegenüber der CSD ein Vorschlagsrecht für die zu behandelnden Themen eingeräumt werden, die aus wissenschaftlicher Sicht besonders wichtig sind, die bisher aber nicht die nöti-ge politische Aufmerksamkeit erlangt haben. Zudem könnte die CSD das Diskussionsforum für die Be-richte der Earth Commissionwerden.

Hierfür wäre die CSD besonders geeignet, da sie das zwischenstaatliche Forum im UN-Verbund ist,

auf dem Fragen zur Nachhaltigkeit über alle Sekto-ren hinweg angesprochen werden. Die CSD ist das zentrale Forum für Fragen von Umwelt und Ent-wicklung. Neben dieser integrativen Rolle erfüllt die CSD eine wichtige Unterstützungsfunktion in der internationalen Umwelt- und Entwicklungspolitik, da sie den für die politischen Entscheidungen nöti-gen konsens- und normbildenden Verarbeitungspro-zess innerhalb der Staatengemeinschaft initiiert. Die-se Die-sehr wichtige Funktion gilt es auch zukünftig bei-zubehalten und in dem vom Beirat vorgeschlagenen System der Bewertung von Risiken des Globalen Wandels zu integrieren. Schließlich ist die Wissen-schaft in der CSD bisher eher unterrepräsentiert. Da-her schlägt der Beirat vor zu prüfen, ob die Wissen-schaft im CSD-Prozess eine prominentere Rolle ein-nehmen könnte, etwa indem Vertreter der wissen-schaftlichen Panels auf den zweitägigen „multi stakeholder dialogues“, die am Anfang einer jeden CSD-Sitzung stehen, über neueste Erkenntnisse be-richten.

E 1.5

Handlungsempfehlungen zur Bewertung globaler Umweltprobleme

Insgesamt sollte die Bewertung von Umweltproble-men in Form einer Integration von Erd-Rat, wissen-schaftlicher Politikberatung und der CSD gestaltet werden. Nach Ansicht des Beirats ist ein solches Zu-sammenspiel von ethischer Autorität, neuester wis-senschaftlicher Expertise und offener Diskussion in einer UN-Institution unabdingbar, um die komple-xen Probleme des Globalen Wandels angemessen und nach dem Vorsorgeprinzip bewerten zu können.

Dabei kommt es vor allem darauf an, diesen Bewer-tungsprozess dynamisch zu gestalten und stets den sich ändernden Rahmenbedingungen und Erkennt-nissen anzupassen. Der Erd-Rat sollte nicht nur eine umweltpolitische „gelbe Karte“ zeigen, sondern bei günstiger Entwicklung auch eine Entwarnung aus-sprechen können.

E 2.1 Einleitung

Während der Beirat in Kap. C vorrangig Erfahrun-gen mit einzelnen Umweltregimen aufzeigt, sich in Kap. D mit der Politikverflechtung und in Kap. E 1 mit der wissenschaftlichen Bewertung des Globalen Wandels auseinander gesetzt hat, beschäftigt er sich nun gezielt mit der Frage der geeigneten organisato-rischen Fundierung globaler Umweltpolitik. An-schließend wird er sich in Kap. E 3 mit dem übergrei-fenden Problem der Finanzierung befassen. Dabei verstehen sich diese Ausführungen als ein aktions-orientierter Beitrag zu den Vorbereitungen für die Rio+10-Konferenz im Jahr 2002, bei der die Institut-ionenfrage eines der Schwerpunktthemen sein wird.

Wie in den bisherigen Abschnitten ausgeführt, er-kennt der Beirat in der gegenwärtigen globalen Um-weltpolitik eine Reihe von Fortschritten, doch ohne Zweifel bleiben erfolgreiche internationale Ver-handlungen mühsam und langwierig. Wegen des strukturbestimmenden Souveränitätsprinzips beruht die Entscheidungsfindung in internationalen Um-weltverhandlungen weiterhin im Grunde auf dem Konsensprinzip, auch wenn die Staaten sich in man-chen Regimen inzwisman-chen auf das Instrument der Mehrheitsentscheidung für bestimmte Fragen geei-nigt haben. Wie in Kap. C gezeigt, konnten Mehr-heitsentscheidungen beispielsweise im Rahmen des Montrealer Protokolls von 1987 über Stoffe, die die Ozonschicht schädigen eingeführt werden, sowie in-nerhalb der Globalen Umweltfazilität (WBGU, 1996b). Diese Durchbrüche blieben indes Ausnah-men, und in anderen Bereichen globaler Umweltpo-litik hat das Konsensprinzip geradezu eine Renais-sance erlebt. Die Folge der grundsätzlichen Konsens-orientierung, gerade beim Vertragsschluss, bewirkt, dass umweltpolitische „Bremser“ oft nur durch Zu-geständnisse zum Mitmachen bewegt werden kön-nen oder wirksame Maßnahmen gänzlich verhindern (Sand, 1990). Ebenso bleibt die Umsetzung und Durchsetzung internationaler Umweltpolitik in wei-ten Bereichen defizitär.

Wegen des häufig konstatierten Mangels an Koor-dination und Wirkungskraft der globalen Umweltpo-litik wurde deshalb in den letzten Jahren der Ruf nach einer umfassenden Umgestaltung des interna-tionalen Institutionen- und Organisationengefüges laut, wobei bislang in der wissenschaftlichen Diskus-sion kein Konsens über die notwendigen Schritte

Wegen des häufig konstatierten Mangels an Koor-dination und Wirkungskraft der globalen Umweltpo-litik wurde deshalb in den letzten Jahren der Ruf nach einer umfassenden Umgestaltung des interna-tionalen Institutionen- und Organisationengefüges laut, wobei bislang in der wissenschaftlichen Diskus-sion kein Konsens über die notwendigen Schritte

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