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Inadäquat Adäquat

Im Dokument Bildungsbericht Schweiz | 2010 (Seite 160-171)

Total vollschulische Lehre duale Lehre Frauen Männer tiefe Anforderungen hohe Anforderungen

adäquat inadäquat

Allerdings kann an dieser Stelle auch festgestellt werden, dass die Arbeit-geber bei der Selektion der Lernenden einen Beitrag zu grösserer Chancen-gerechtigkeit leisten könnten, wenn sie bei der Selektion weniger auf den absolvierten Typ der Sekundarstufe als Kriterium abstellen und mehr auf die tatsächlichen Leistungen der Bewerbenden achten würden. Auch wenn eine solche Selektion mit leicht höheren Kosten verbunden sein dürfte, wäre auch ein Ertrag für die ausbildenden Betriebe zu erwarten, da die Betriebe derzeit viele Bewerbende aus den Typen mit erhöhten Anforderungen ein-stellen, die leistungsmässig ihre Erwartungen nicht erfüllen dürften.

Positiv an den neuen Forschungsergebnissen ist aus der Sicht Chancen-gerechtigkeit der Umstand zu deuten, dass für den Erfolg auf dem Arbeits-markt nach abgeschlossener Lehre die Leistungen in der Lehre entscheidend sind und nicht die schulischen Leistungen vor der Lehre. Mit anderen Wor-ten bietet die Lehre auch schulisch leistungsschwachen Schülerinnen und Schülern die Möglichkeit, mit Leistungen während der Lehre Defizite aus der obligatorischen Schule zu kompensieren – sofern sie eine entsprechen-de Lehrstelle gefunentsprechen-den haben.

Fachmittelschulen

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164 Fachmittelschulen

Anfang der 70er Jahre des letzten Jahrhunderts stellte die Schweizerische Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren (EDK) einen Koordina-tionsbedarf im Bereich der Diplommittelschulen (DMS) fest (EDK 1972).

Die Diplommittelschulen waren aus den Töchter- und Handelsschulen entstanden, deren Wurzeln mancherorts bis weit ins 19. Jahrhundert zu-rück reichten. Die Bestrebungen der EDK zur Vereinheitlichung dieses Schultyps führten 1987 zu den Richtlinien für die Anerkennung der Diplo-me von Diplommittelschulen und 1988 zu RahDiplo-menlehrplänen (EDK 1989).

Da inzwischen das neue Berufsbildungsgesetz von 2004 vorschreibt, dass

«Diplom»-Abschlüsse der Tertiärstufe vorbehalten sind, nennt sich die DMS neu Fachmittelschule (FMS).

Von der Zubringerschule zur Schule für Allgemeinbildung mit berufsspezifischen Schwerpunktfächern

Bis vor kurzem haben die Diplommittelschulen weitgehend als Zubringer-schulen für Ausbildungen im erzieherischen, paramedizinischen und sozia-len nichtuniversitären Tertiärbereich gedient (EDK 1989). Da diese Ausbil-dungen erst ab dem 18. Altersjahr begonnen werden konnten, boten diese Schulen eine sinnvolle Überbrückung und Vorbereitung auf die späteren Ausbildungen. Mit dem Übergang der Berufsbildung in den Bereichen Ge-sundheit, Soziales und Kunst (GSK) in die Verantwortung des Bundes und damit in die Berufssystematik des Berufsbildungsgesetzes änderten sich auch die Positionierungen verschiedener GSK-Ausbildungen auf der Sekun-darstufe II und der Tertiärstufe. Während in der Westschweiz der Grossteil der Gesundheitsausbildungen auf der Stufe Fachhochschule angesiedelt ist, verbleiben in der Deutschschweiz einige Ausbildungen auf der Stufe höherer Fachschulen (GDK 2006). Zugleich wurde mit den Ausbildungen zur Fach-angestellten Gesundheit und Betreuung auch die Möglichkeit geschaffen, mit 16 Jahren über eine Berufslehre in den Gesundheits- oder den Sozial-bereich einzusteigen. Diese Entwicklungen (weitgehende Ter tiarisierung der GSK-Berufe mit gleichzeitiger Schaffung eines Zugangs zu GSK-Berufen via Berufslehre) machten eine Neuausrichtung der Fachmittelschulen nötig.

Die Fachmittelschule wird zu einer Schule, die neben der bisher schon star-ken Allgemeinbildung verschiedene berufsspezifische Schwerpunktfächer anbietet. Diese Diversifizierung der FMS im Fächerangebot und im Profil soll in erster Linie den Zugang zu den entsprechenden höheren Berufsbil-dungen, teilweise aber auch zu den pädagogischen Hochschulen und Fach-hochschulen sicherstellen.

Das deutliche Geschlechterverhältnis zugunsten der Frauen erklärt sich aus den Berufsprofilen, zu denen die Schulen hinführen und die mehrheit-lich weibmehrheit-lich sind. Im Schuljahr 2007/08 sind weiterhin etwa drei Viertel der Schülerschaft weiblichen Geschlechts. Ausländer und Ausländerinnen sind in der FMS im Vergleich zu ihrem Anteil an allen Schülern der Sekun-darstufe II auch 2008 leicht übervertreten ( Grafik 109 ).

Aus welchen Zubringerschulen die FMS-Schülerinnen und -Schüler selbst stammen, zeigt Grafik  108 . 2008 kommen nur noch zwei Drittel aus der Sekun darstufe I, 2004 waren es noch 78%. Zur Hälfte kommen die Schüle-rinnen und Schüler aus Schultypen mit erweiterten Ansprüchen, was einer Ab nahme um etwa 10% entspricht. Im gleichen Mass zugenommen hat der 108 Prozentuale Verteilung des Schul-

besuchs im Jahr vor dem Eintritt in die FMS, 2008

Daten: BFS

Diverse nachobligatorische Bildung Sekundarstufe I, ohne Selektion Sekundarstufe I, erweiterte Ansprüche Sekundarstufe I, Grundansprüche

52 13

18 14 3

Sekundarstufe I mit Grundansprüchen Sekundarstufe I mit erweiterten Ansprüchen Sekundarstufe I ohne Selektion

nachobligatorische Bildung Diverse

165

Bildungsbericht Schweiz | 2010

Fachmittelschulen

Zugang

109 Anteil FMS-Schülerinnen und -Schüler auf der Sekundarstufe II, 1995–2007

Daten: BFS

0%

1%

2%

3%

4%

5%

6%

7%

8%

Ausländer(innen)

Schweizer(innen)

Frauen

Männer

Total

2007/08 2005/06

2003/04 2001/02

1999/2000 1997/98

1995/96

Frauen

Ausländerinnen und Ausländer Total

Schweizerinnen und Schweizer Männer

aus der FMS/anderen allgemeinbildenden Schulen der Sekundarstu-fe II, d.h. ein Teil der FMS-Schülerinnen und -Schüler wechselt aus anderen Typen der Sekundarstufe II.

Was den Zugang zur FMS nach sozio-ökonomischem Status (SES) des Eltern hauses angeht, so zeigen die PISA-Daten 2000 und 2006, dass die FMS ihre Schülerschaft zu fast 60% aus den mittleren beiden Quartilen der SES-Skala rekrutiert, was die FMS deutlich von der dualen Berufsbildung unterscheidet. Aus den PISA-Daten 2006 geht weiter hervor, dass sich 19,7%

der Eltern von FMS-Schülerinnen und -Schülern für ihr Kind eine höhere Ausbildung (Gymnasium und Universität) als die FMS gewünscht hätten (18 % der Eltern bei jungen Frauen und 24% bei jungen Männern). Dabei ist zu beachten, dass die PISA-Zahlen nicht direkt die Meinung der Eltern wie-dergeben, sondern die Sicht der Jugendlichen über die Erwartungshaltung der Eltern. Ein Teil dieser Ambitionen wird auch erfüllt werden, da rund 12%

der FMS-Schülerinnen und -Schüler nach dem FMS-Abschluss eine Matu-ritätsschule besuchen.

60 Fachmittelschulen und ihre Angebote

Im Jahre 2003 hat die EDK ein neues Fachmittelschul-Anerkennungsregle-ment verabschiedet. Es ermöglichte die Einführung der Fachmittelschule, die bis August 2007 die Diplommittelschulen ablöste. In 60 Schulen (Stand Februar 2009) ( Grafik 110 ) bieten diese Einrichtungen eine dreijährige Voll-zeitausbildung in Allgemeinbildung auf der Sekundarstufe II an.

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166 Fachmittelschulen

110 Geografische Verteilung der Fachmittelschulen, 2009

Daten: www.fms-ecg.ch, Karte: Swisstopo

keinem DMS-Standort 1 DMS-Standort

2–4 DMS-Standorten 5–10 DMS-Standorten Kantone mit ...

Kantone mit

keinem FMS-Standort 1 FMS-Standort 2–4 FMS-Standorten 5–10 FMS-Standorten

Die Fachmittelschulen sollen

– «eine vertiefte Allgemeinbildung vermitteln,

– die Persönlichkeitsentwicklung durch Stärkung von Sozial- und Selbst-kompetenz fördern,

– berufsfeldbezogene Fächer anbieten, – den Berufsentscheid unterstützen,

– auf Studiengänge im nichtuniversitären Tertiärbereich vorbereiten und – einen Fachmittelschulausweis und ein Fachmaturitätszeugnis mit Aus-richtung auf ein bestimmtes Berufsfeld bzw. mit AusAus-richtung auf be-stimmte Studiengänge im nichtuniversitären Tertiärbereich verleihen»

(EDK 2003).

Der Abschluss an einer Fachmittelschule eröffnet drei mögliche Fortsetzun-gen der Bildungslaufbahn:

– «mit dem Fachmittelschulausweis (3 Jahre) den Zugang zu bestimmten höheren Fachschulen,

– mit dem Fachmaturitätszeugnis (4 Jahre) den Zugang zu bestimmten Fachhochschulstudiengängen und

– erweitert durch ergänzende Allgemeinbildung, den Zugang zu pädago-gischen Hochschulstudiengängen» (EDK 2003).

Die Fachmittelschulen sollen also sowohl eine Vertiefung der Allgemeinbil-dung anbieten als auch auf die folgenden Berufsfelder vorbereiten: so ziale Arbeit, Kommunikation und Information, Gestaltung und Kunst, Musik und Theater, angewandte Psychologie und Pädagogik. Die Lerninhalte zu diesen Berufsfeldern sind im Rahmenlehrplan für die Fachmittelschulen

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Bildungsbericht Schweiz | 2010

Fachmittelschulen

festgehalten (EDK 2004). Der Zugang zu den pädagogischen Hochschulen ist auf zwei Wegen möglich: 1) mit der Fachmaturität im Berufsfeld Pädago-gik, 2) mit dem Fachmittelschulausweis, wenn «vor Studienbeginn im Rah-men einer Ergänzungsprüfung der Äquivalenznachweis zur Fachmaturität erbracht wurde» (EDK 1999a).

111 Kantone mit Fachmittelschulen: Für welche Berufsfelder können Fachmittelschulausweise und Fachmaturitäten erworben werden?

Daten: www.fms-ecg.ch

Lesebeispiel:

Im Kanton Aargau bieten die 3 Fachmittelschulen 5 von 6 Berufsfeldern an, aber nur in 4 Berufs-feldern kann ab 2009 oder 2010 eine Fachmaturität erlangt werden (siehe Spalte «Total»).

Gesundheit / Natur- wissenschaften

soziale Arbeit Pädagogik Kommunikation / Information

Gestaltung / Kunst

Musik / Tanz / Theater

Total

AG 2007 / 2010 2008 / 2010 2007 / 2009 2007 / 2010 2007 5 / 4

AR 2008 / 2009 2008 / 2009 2008 3 / 2

BE 2007 2007   2007   2010 4 / 0

BL 2007 / 2008 2007 / 2008 2007 / 2008 2007 2007 / 2008 2007 / 2008 6 / 5

BS 2007 / 2008 2007 / 2008 2007 / 2008 2007 / 2008 2007 / 2008 2007 / 2008 6 / 6

FR 2008 2008 2008       3 / 0

GE 2005 / 2006 2005 / 2006 2005 2005 / 2007 2005 5 / 3

GL 2005   2005       2 / 0

GR 2006 2006 2006       3 / 0

JU 2007 2007 2007   2007 2007 5 / 0

LU 2007 2007 2007 / 2009 2008 / 2009 4 / 2

NE 2008 2008 2008     2010 4 / 0

SG 2007 / 2010 2007 / 2010 2007 2007 2007 5 / 2

SH 2008 / 2009 2008 / 2009 2008 2008 / 2009 4 / 3

SO 2007 / 2008 2007 / 2008 2007 / 2008 3 / 3

SZ 2005 2005 2005 / 2009 2005 4 / 1

TG 2007 / 2009 2007 / 2009 2007 3 / 2

TI 2007 2007         2 / 0

VD 2008 2008 2008   2008 2008 5 / 0

VS 2008 / 2010 2008 / 2009 2008 / 2009 3 / 3

ZG 2007 2007 2007 / 2009 3 / 1

ZH 2008 / 2009 2008 / 2009 2008 2008 / 2009 2008 / 2011 5 / 4

Total 22 / 11 21 / 11 19 / 8 7 / 4 8 / 3 10 / 4

schwarze Zahlen = Fachmittelschulausweise rote Zahlen = Fachmaturitätszeugnisse

Hellgrün hinterlegt sind die Kantone ohne ein Angebot an Fachmaturität.

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168 Fachmittelschulen

Die FMS sind in 12 von 22 Kantonen als eigenständige Schulen einer Kan-tonsschule oder einem Gymnasium angegliedert. Drei Berufsfelder (Ge-sundheit, soziale Arbeit, Pädagogik) werden von (fast) allen Kantonen an-geboten, die anderen drei nur von der Hälfte der Kantone oder weniger. Acht Kantone bieten in keinem der sechs Berufsfelder einen Maturitätslehrgang an (in der Tabelle 111 hellgrün unterlegt), dazu zählen die Kantone der Roman-die (ohne Genf und Wallis) und das Tessin. Umgekehrt ist in sechs Kantonen in (fast) jedem angebotenen Berufsfeld eine Fachmaturität möglich.

Massgebend für die Beurteilung der Effektivität der FMS ist ihr Bildungsziel:

Sie wollen auf Bildungsgänge im nichtuniversitären Tertiärbereich vorberei-ten und dazu den Fachmittelschulausweis und das Fachmaturitätszeugnis verleihen. Ob die Schülerinnen und Schüler nach der FMS mehrheitlich wei-tere Ausbildungen im nichtuniversitären Tertiärbereich absolvieren, kann mangels fehlender Daten zu den Bildungslaufbahnen dieser Absolventinnen und Absolventen noch nicht beurteilt werden. Es kann nur der Schulbesuch im Jahr nach dem Austritt angegeben werden ( Grafik 112 ), worunter auch alle aufgeführt werden, die ein Jahr repetieren oder für die Fachmatura ein viertes Jahr an der FMS anhängen.

Effektivitätsanalysen bezüglich der Outcomes, d.h. bspw. des Arbeitsmarkt-erfolgs, sind ebenfalls sehr schwierig durchzuführen, weil die Schülerzah-len an den FMS tief sind. Bei Analysen auf der Basis von Stichproben (bspw.

der Schweizerischen Arbeitskräfteerhebung) würden zu wenig FMS-Absol-venten und -Absolventinnen beobachtet, als dass man daraus gesicherte Er-kenntnisse gewinnen könnte.

Nimmt man die Quote der erfolgreichen Abschlüsse der FMS als Mass für die Effektivität, so lässt sich eine relativ grosse Spann breite feststellen, schlies-sen doch zwischen 86% und 98% der Schülerinnen und Schüler ihre Aus-bildung mit einem Abgangszeugnis ab. Da weder die Abschlüsse standardi-siert sind, noch für die Schülerselektion bei Eintritt in die FMS kontrolliert werden kann, können hohe Abschlussquoten allerdings nicht automatisch als Effektivitätsmass verwendet werden. Wie die andauernd hohen Un-terschiede in den Prüfungserfolgsquoten zwischen der Deutsch- und der lateinischen Schweiz zu erklären sind, bleibt ebenfalls weiterhin unklar ( Grafik 113 ). Aufgrund fehlender Individualdaten ist es auch nicht möglich, genau zu eruieren, wie viele der Prüfungsmisserfolge in endgültigen Drop-outs enden und wie viele an einer FMS oder in einer anderen Sekundarstufe-II-Ausbildung einen nachobligatorischen Abschluss schaffen.

Eine Beurteilung der Effizienz der FMS zum jetzigen Zeitpunkt ist nicht möglich, da keine Zahlen zu den Kosten dieser Ausbildung existieren. Es gibt auch – im Gegensatz zum Tertiärbereich – keine interkantonale Verein-barung über Zahlungen für Schülerinnen und Schüler, die eine solche Schule in einem anderen Kanton besuchen; es existieren lediglich bilaterale Verträ-ge zwischen den Kantonen, die – so ist anzunehmen – von unterschiedlichen Kosten ausgehen.

112 Prozentuale Verteilung des Schul-besuchs im Jahr nach Austritt aus der FMS, 2008

Daten: BFS

Berufsbildung: Handwerk, Technik, Landwirtschaft Berufsbildung: Gesundheit, Soziales Sek. II: andere allgemeinbildende Schulen Höhere Berufsbildung Berufsbildung: Handel und Verwaltung Maturitätsschulen

Berufsmaturitätsschule Fachmittelschule, 4. Schuljahr andere Maturitätsschule

berufliche Grundbildung: Handel und Verwaltung

höhere Berufsbildung

Sekundarstufe II: andere allgemeinbildende Schule

berufliche Grundbildung: Gesundheit, Soziales

berufliche Grundbildung: Handwerk, Technik, Landwirtschaft

113 FMS-Prüfungserfolgsquoten in der deutschen und der lateinischen Schweiz, 2000–2007 deutsche Schweiz lateinische Schweiz

Im Dokument Bildungsbericht Schweiz | 2010 (Seite 160-171)