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Berufs- und allgemeinbildende Optionen

Im Dokument Bildungsbericht Schweiz | 2010 (Seite 112-116)

Die an die obligatorische Schulzeit anschliessende Sekundarstufe II umfasst sowohl allgemeinbildende wie berufsbildende Ausbildungsgänge. Letztere werden sowohl vollschulisch wie dual (d.h. sowohl an einem schulischen wie einem betrieblichen Lernort) angeboten. Quantitativ ( Grafik 71 ) domi-niert in der Schweiz noch immer die betrieblich basierte (duale) Lehre, in welcher sich 2007 rund 60% aller in der Sekundarstufe II beschulten Jugend-lichen befanden. Bei den allgemeinbildenden Ausbildungszügen dominiert das Gymnasium, gefolgt von den Fachmittelschulen. Zählt man die dua-len und vollschulischen Ausbildungsformen der Berufsbildung zusammen, dann befanden sich rund 70% der 2007 beschulten Jugendlichen in einer berufsorientierten nachobligatorischen Ausbildung auf der Sekundarstufe II. 1990 lag dieser Anteil noch bei knapp 75%. Obwohl also die allgemeinbil-denden leicht zulasten der berufsorientierten Ausbildungen zugenommen haben, stellen die beruflich orientierten Ausbildungsformen die am meis-ten besuchmeis-ten Ausbildungen dar. Damit hebt sich die Schweiz bildungssys-temisch betrachtet von den meisten anderen industrialisierten Ländern ab.

71 Schülerzahlen der Sekundarstufe II nach Ausbildungstypus

Daten: BFS

0 50’000 100’000 150’000 200’000 250’000 300’000

350’000 Voll- und Teilzeitberufsschulen

Duale berufliche Grundbildung (2)

Berufsmaturitätsschulen (nachberuflich)

Übrige allgemeinbildende Schulen (1)

Gymnasien

2007 2006

2005 2000

1990

Voll- und Teilzeitberufsschulen duale berufliche Grundbildung Berufsmaturitätsschulen (nachberuflich) übrige allgemeinbildende Schulen Gymnasien

Die Hauptausbildungstypen auf der Sekundarstufe II, d.h. die Berufsbildung (betriebliche und vollschulische Berufsbildung und nachberufliche Berufs-maturitäten), die Gymnasien und die Fachmittelschulen, unterscheiden sich in der Struktur, Organisation, Finalität und Schülerschaft teilweise beträcht-lich. Deshalb werden sie nachfolgend in jeweils eigenen Kapiteln und nicht vergleichend, d.h. typenübergreifend, analysiert. Hingegen werden in die-sem Kapitel die Zwischenlösungen thematisiert, die weder zur obligatori-schen Schule noch eigentlich zur Sekundarstufe II gezählt werden können, aber aufgrund ihrer quantitativen Bedeutung ein bildungs-, arbeitsmarkt- und sozialpolitisch wichtiges Scharnier zwischen den Sekundarstufen I und II darstellen.

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Bildungsbericht Schweiz | 2010

Sekundarstufe II Berufs- und allgemeinbildende Optionen

Abschlussquoten auf der Sekundarstufe II

Betrachtet man die Arbeitsmarktergebnisse und die soziale Integration von Personen mit unterschiedlichem Bildungshintergrund ( Kapitel Kumula­

tive Effekte, Seite 271 ), so kann in allen industrialisierten Ländern beobach-tet werden, dass die obligatorische Bildungszeit allein nicht mehr genügt.

Zumindest ein Abschluss auf der Sekundarstufe II ist für eine reibungslose sozia le und wirtschaftliche Integration «obligatorisch» geworden. Deshalb ist es wenig überraschend, dass sich praktisch alle Länder eine möglichst hohe Abschlussquote auf der Sekundarstufe II als vordringliches Bildungs-ziel gesetzt haben. In der Schweiz haben sich Bund, Kantone und Organi-sationen der Arbeitswelt das Ziel gesetzt, die Zahl der Abschlüsse auf der Sekundarstufe II bis 2015 auf 95% zu erhöhen.

Derzeit liegen die Abschlussquoten auf der Sekundarstufe II nach den Be-rechnungen des BFS bei rund 89% mit einer leicht unterdurchschnittlichen Quote bei den Frauen ( Grafik 72 ). Bei letzteren konnte aber die Abschluss-quote in diesem Jahrzehnt gegenüber den 90er Jahren (84,9%) um vier Pro-zentpunkte (88,9%) gesteigert werden, während die Abschlussquoten bei den Männern auf dem Niveau von praktisch 90% verharrten. Diese Ab-schlussquoten werden so berechnet, dass die geschätzte Zahl der Abschlüs-se auf der Sekundarstufe II in einem Jahr der Zahl der Jugendlichen gegen-übergestellt wird, die sich in der Altersspanne befinden, in der theoretisch der Abschluss auf der Sekundarstufe II erfolgen sollte. Bei dieser Methode spielt der Umstand, dass die ganz genaue Zahl der Abschlüsse nicht bekannt ist, für die Genauigkeit der Schätzung wohl eine kleinere Rolle als der Um-stand, dass viele Jugendliche aus verschiedensten Gründen erst zu einem späteren Zeitpunkt einen Abschluss auf der Sekundarstufe II erreichen.

Kommt hinzu, dass die Abschlussquote wohl ein Indikator für den Beschu-lungserfolg der zu einem bestimmten Zeitpunkt in der Schweiz befindlichen

Die Leitlinien des Projektes Nahtstelle wurden am 27. Oktober 2006 von der EDK, den Organisationen der Arbeitswelt und verschiedenen Bundesämtern verabschie-det. Die Ziele des Projektes Nahtstelle sind: (1) den Anteil der Abschlüsse auf Sekundarstufe II bis 2015 von heute rund 90% auf 95% erhöhen, (2) die Zeitverluste durch Lehrstellenwechsel, Schulwechsel oder Wartejahre zu vermeiden und (3) Problemgruppen früh zu erfassen (obligatorische Schule) und gezielt zu unterstützen. Zu allen drei Themen werden in diesem Kapitel kurz die heute bekannten Fakten dargestellt: Zu den Abschlussquoten auf der Sekundarstufe II, zu den Zwischenlösungen bei den Übergängen zwischen der Sekundarstufe I und II und zum Zusammenhang zwischen den schulischen Leistungen in der obligatorischen Schule und dem Erfolg auf der Sekundarstufe II.

72 Abschlussquote auf der Sekundarstufe II nach Geschlecht, 1990–2007 *

* Die Schwankungen sind nicht leicht zu erklären, zumindest aber verhalten sie sich prozyklisch zur Konjunktur.

Daten: BFS

Anzahl Abschlüsse pro 100 Personen

der Bevölkerung im theoretischen Abschlussalter

78

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114 Berufs- und allgemeinbildende Optionen Sekundarstufe II

Jugendlichen darstellt,

73 Anteil der erwachsenen Wohnbevölkerung ohne nachobligatorischen Bildungsabschluss auf der Sekundarstufe II nach Alter und Geschlecht, 2007

Daten: BFS

0%

10%

20%

30% Männer

Frauen

56–65 46–55

36–45 26–35

Altersgruppe Frauen

Männer

aber nicht eine eindeutige Aussage über die Leis-tungsfähigkeit der obligatorischen Volksschule hinsichtlich der Vorberei-tung auf die Sekundarstufe II zulässt, weil in der Zahl der jungen Erwachse-nen auch jene Jugendlichen mitgezählt werden, welche gar keiErwachse-nen oder nur einen Teil ihrer obligatorischen Schulzeit in der Schweiz verbracht haben.

Diese Probleme lassen sich ohne individuelle Bildungsverläufe abbildende Daten nicht lösen – auch nicht mit einem anderen statistischen Ansatz.

Versucht man die Unterschätzung der Abschlüsse wegen später im Leben erfolgter Sekundarstufe-II-Abschlüsse zu beheben, muss man auf alterna-tive Statistiken ausweichen. So kann man die Abschlussquoten mittels Da-ten der Schweizerischen Arbeitskräfteerhebung (SAKE) berechnen (alter-nativ könnte man auch Daten des Haushalt-Panels oder der Volkszählung wählen), weil diese alle Alterskategorien umfasst und so alle auch später im Leben gemachten Abschlüsse auf der Sekundarstufe II einbezieht. Dabei wird der Anteil jener Personen in der Schweiz ohne einen nachobligatori-schen Abschluss auf der Sekundarstufe II bei älteren Kohorten nicht etwa kleiner, sondern grösser ( Grafik 73 ). Dies hat einerseits damit zu tun, dass die älte ren Kohorten generell tiefere Abschlussquoten auf der Sekundarstu-fe II aufweisen (KohortenefSekundarstu-fekt), und andererseits verweist es auf den Um-stand, dass die Arbeitsmigration, welche bis Mitte der neunziger Jahre vor-nehmlich schlecht qualifizierte Einwanderer in die Schweiz brachte, sich immer noch stark in den Statistiken niederschlägt.1 Immerhin zeigt sich, dass der sehr starke Geschlechterunterschied bei der Erreichung eines Se-kundarstufe-II-Abschlusses in den jüngsten Alterskategorien fast

vollstän-1 Ein- und Auswanderung verzerren die Bildungsstatistiken in praktisch allen Ländern, auch wenn Informationen darüber bestehen, welche Einwohner ihre Bildung im Heimatland erhalten haben. So verschlechtert sich bspw. das durchschnittliche Bildungsprofil in jenen Ländern, die unter einem starken brain drain, d.h. unter einer Abwanderung der besonders gut gebildeten Bürgerinnen und Bürger leiden.

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Bildungsbericht Schweiz | 2010

Sekundarstufe II Berufs- und allgemeinbildende Optionen

dig ausgeglichen wurde,

74 Anteil der erwachsenen Wohnbevölkerung ohne nachobligatorischen Bildungsabschluss auf der Sekundarstufe II, 2007

Alle Einwohner(innen) und jene Personen, die in der Schweiz geboren wurden Daten: BFS

0%

10%

20%

30% Personen in der Schweiz geboren

Total

56–65 46–55

36–45 26–35

Altersgruppe alle Einwohner(innen)

in der Schweiz geborene Personen

was mit dem Bild, welches man durch die Ab-schlussquoten des BFS erhält ( Grafik 72 ), übereinstimmt.

Der Migrationseffekt in den Statistiken lässt sich in Ermangelung von Indi-vidualdaten nicht vollständig herausrechnen. Betrachtet man den Bildungs-stand jener Personen (Schweizer[innen] und Ausländer[innen]), die in der Schweiz geboren wurden und von denen man mit grosser Wahrscheinlich-keit annehmen kann, dass sie die gesamte obligatorische Schulzeit in der Schweiz verbracht haben, so wird sichtbar, dass die Quote der Personen ohne nachobligatorischen Abschluss (besonders in den jüngsten Kohorten) das bildungspolitische Ziel für 2015 schon erreicht hätte. Allerdings ist diese Berechnungsweise etwas zu optimistisch, weil für die richtige Abschluss-quote auch jene Personen mitgezählt werden müssten, die zwar nicht in der Schweiz geboren worden sind, aber dennoch die ganze oder einen Teil ihrer Schulzeit in der Schweiz absolviert haben.

Gesamthaft betrachtet muss man sich bei der Wahl der Indikatoren aber immer zuerst bewusst sein, über welchen Tatbestand man eine Aussage machen möchte. Will man untersuchen, wie gut die obligatorische Schu-le die Jugendlichen in einem Land befähigt, auch einen Sekundarstufe-II- Abschluss zu erlangen, dann müssten sowohl Arbeitsmigranten als auch Personen, die nur einen Teil der Schulzeit in der Schweiz absolviert haben, aus der Betrachtung ausgeschlossen werden. Möchte man hingegen eine Aussage über das Qualifikationsprofil der im erwerbsfähigen Alter befind-lichen Wohnbevölkerung machen, dann muss die ganze Bevölkerung in die Betrachtung eingeschlossen werden, unabhängig vom Ausbildungsort und der Aufenthaltsdauer in der Schweiz.

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116 Zwischenlösungen Sekundarstufe II

Erfolg auf der Sekundarstufe II und Leistungen in der obligatorischen Schulzeit

Einen direkten Bezug zwischen der obligatorischen Schulzeit und der Er-folgswahrscheinlichkeit auf der Sekundarstufe II erlaubt der Jugendlängs-schnitt TREE, welcher die im Jahr 2000 durch PISA getesteten Jugendli-chen jährlich weiterverfolgt hat. Von den JugendliJugendli-chen, die im Jahr 2000 im Alter von 15 Jahren getestet worden waren, hatten 2006, d.h. im Alter von 21 Jahren, 16% noch keinen Abschluss auf der Sekundarstufe II erreicht ( Grafik 75 ).2 Betrachtet man nun die Anteile der (noch) nicht erfolgreichen Jugendlichen in Abhängigkeit von der Kompetenzstufe, die sie im PISA-Test 2000 erreicht haben, so wird leicht ersichtlich, dass die Abschlusswahr-scheinlichkeit auf der Sekundarstufe II nicht zufällig ist. Bei Jugendlichen in der höchsten Kompetenzstufe (≥ 4) haben nur gerade 3% noch keinen Ab-schluss, während es in der tiefsten Kompetenzstufe (≤ 1) mehr als zehnmal so viele Jugendliche betrifft. Die letzte TREE-Erhebung (2010) wird zeigen, wie viele der Jugendlichen es bis zum 25. Altersjahr noch schafften.

Generell ist es so, dass Jugendliche mit schlechten schulischen Leistungen in der obligatorischen Schule nicht einfach nur eine tiefere Wahrschein-lichkeit aufweisen, eine angefangene Ausbildung auf der Sekundarstufe II abzuschliessen (Lehrabbruch usw.), sondern vor allem zuerst einmal Mühe haben, überhaupt in eine Sekundarstufe-II-Ausbildung zu gelangen. Sie be-finden sich häufiger in Zwischenlösungen, welche sie zwar besser auf die Sekundarstufe-II-Ausbildungen vorbereiten sollen, aber gleichzeitig auch den Abschluss zeitlich stark verzögern können. Diese Zwischenlösungen, d.h. diejenigen Bildungsformen, die nicht mehr zur obligatorischen Schul-zeit zählen, aber auch nicht zu einem Abschluss auf der Sekundarstufe II führen, sind deshalb Gegenstand der folgenden Abschnitte.

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