• Keine Ergebnisse gefunden

Implizite und explizite Therapieziele der in der psychosomatischen

2. THEORETISCHER UND EMPIRISCHER HINTERGRUND

2.4 Das therapeutische Angebot in der psychosomatischen

2.4.2 Implizite und explizite Therapieziele der in der psychosomatischen

Weitestgehend unbestritten bleibt dagegen, dass die Effektivität verhaltenstherapeutischer Verfahren deutlich häufiger belegt wurde. Betrachtet man den größtenteils störungs- und problembezogenen Katalog empirisch validierter Therapieformen, wie er von der task-force der American Psychological Association (APA) entwickelt wurde, so findet sich nur für drei der insgesamt über 50 Störungsbereiche die (kognitiv-) verhaltenstherapeutische Verfahren nicht als empirisch bewährte Behandlung bei erwachsenen Patienten. Tiefenpsychologisch fundierte Ansätze werden dagegen nur in den Bereichen Posttraumatische Belastungsstörung, Opiat-Abhängigkeit, Depression und Borderline-Persönlichkeitsstörung als bewährt angesehen (Champless & Ollendiek 2001).

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass eine direkte empirische Grundlage für eine zielbezogene Indikation bislang nicht vorhanden ist. Die bisherigen Daten sowie Plausibilitätsüberlegungen sprechen dafür, dass sich mit allen Zielinhalten prinzipiell in einem stationären und primär gruppenpsychotherapeutischen Setting arbeiten lässt. Die Interdisziplinarität des Angebotes ermöglicht dabei auch die Bearbeitung von Zielstellungen, bei denen somatische Komponenten eine Rolle spielen. In Bezug auf die therapeutische Grundorientierung gibt es Hinweise darauf, dass v.a. im problem- und störungsbezogenen Bereich mit der Verhaltenstherapie ein zumindest häufiger empirisch bestätigtes Therapieverfahren angeboten werden kann. Weitere Hinweise gibt es darauf, dass, wenn die Verhaltenstherapie sich tiefenpsychologischen Verfahren überlegen erwiesen hat, dies eher im Bereich der Symptomatik und des Befindens und etwas weniger im interpersonalen Bereich der Fall war. In Bezug auf Veränderungen im Bereich „Persönlichkeit und Fähigkeit“

(sensu Grawe et al. 1994 und nicht zu verwechseln mit expliziten

„Persönlichkeitsstörungen“) liegen dagegen mit der Analyse von Grawe und Kollegen (ebd.) mit aller Vorsicht zu interpretierende Hinweise (vgl. z.B. Wampold 2001) darauf vor, dass hier tiefenpsychologische Verfahren überlegen sein könnten.

2.4.2 Implizite und explizite Therapieziele der in der psychosomatischen Rehabilitation dominierenden therapeutischen Grundrichtungen

Neben der Frage der zielbezogenen Effektivität verschiedener Therapieformen spielt für die Nutzung der motivationalen Ressourcen auch die Frage eine Rolle, inwieweit das Vorgehen des Therapeuten sich aus der subjektiven Sicht des Patienten auch

auf die Ziele des Patienten bezieht. Möchte ein Patient primär Hilfestellung bei der Linderung seiner Symptome bekommen, so stellt es für die therapeutische Beziehung und die Therapiemotivation des Patienten zumindest eine Herausforderung dar, wenn die Behandler (unnachgiebig) das Ziel einer Persönlichkeitsveränderung verfolgen etc. Aus diesem Grund sollen im folgenden die impliziten und expliziten Therapieziele der in der psychosomatischen Rehabilitation dominierenden therapeutischen Grundrichtungen herausgearbeitet werden. Sind diese bekannt, lässt sich je nach noch festzustellenden Zielvorstellungen der Patienten eine Empfehlung abgeben, zu welchen Anteilen und für welche Patienten das eine oder andere Verfahren anzubieten ist, um die Motivation der Patienten maximal zu fördern.

2.4.2.1 Therapieziele in der Verhaltenstherapie

Zielorientiertheit kann als eine zentrale Eigenschaft verhaltenstherapeutischer Behandlungen angesehen werden (vgl. im Überblick Wipplinger & Reinecker 1994).

So spricht Wolpe (1986), als einer der Mitbegründer der Verhaltenstherapie, in Bezug auf die Festlegung von Therapiezielen zu Behandlungsbeginn von einem

„kategorischen Imperativ der Verhaltenstherapie“. Und auch in modernden Lehrbüchern wird die Zielorientiertheit als ein zentrales Prinzip beschrieben, das die verhaltenstherapeutische Grundorientierung definiert. So konstatiert Margraf (2000, S. 4, Prinzip Nr. 4): „Verhaltenstherapie ist zielorientiert. Die Identifikation des Problems sowie die gemeinsame Festlegung des zu erreichenden Therapieziels durch Therapeut und Patient sind integrativer Bestandteil der Verhaltenstherapie“.

Die Orientierung an individuellen Therapiezielen basierte in den behavioralen Anfängen zunächst auf der Auswahl von zu modifizierenden „target behaviors“ (vgl.

Willutzki 1999), im Zuge der kognitiven Wende dann zunehmend auf der „Soll-Seite“

der „zu lösenden Probleme“ (Kanfer et al. 1996). Die in dieser Therapierichtung traditionellerweise starke Forderung nach Messbarkeit der Ergebnisse bedingt ebenfalls den hohen Stellenwert, der dem Erarbeiten und anschließenden Evaluieren konkreter, operationalisierter Therapieziele in der Verhaltenstherapie zugeschrieben wird (vgl. z.B. Kazdin 1980). Inhaltlich wird dabei der Verhaltenstherapie häufig eine Fokussierung auf symptombezogene Ziele zugeschrieben (vgl. z.B. Arnow &

Castonguay 1993 oder Goldfried & Castonguay 1993). In einer empirischen Studie von Ambühl und Kollegen (1995) gaben Verhaltenstherapeuten als übergeordnete

Ziele am häufigsten an, Patienten helfen zu wollen: 1. zu lernen, problematische Situationen effektiv zu bewältigen, 2. problematische Verhaltensweisen zu verändern oder zu kontrollieren, 3. den Mut zu entwickeln, sich auf neue oder bisher vermiedene Situationen einzulassen, 4. ein ausgeprägtes Selbstwert- und Identitätsgefühl zu bekommen und 5. die eigenen Ziele zu erkennen und zu verfolgen. Ambühl und Kollegen (ebd.) fassen zusammen, dass sich die Ziele in der Verhaltenstherapie hauptsächlich auf Problem- und Alltagsbewältigung beziehen. Die Therapieziele intendierten nicht primär eine Problemerklärung, sondern eine aktive Hilfe zur Problembewältigung. Es wird versucht, den Patienten mit adäquaten Interventionen wie z.B. Kompetenztraining oder Reizkonfrontation aktiv darin zu unterstützen, mit bestimmten Problemen besser zurecht zu kommen. Wichtig sei, dass der Patient die reale Erfahrung mache, problematische Situationen besser handhaben zu können. Im Bereich der psychosomatischen Rehabilitation schlägt sich die problem- und störungsspezifische Zielrichtung darin nieder, dass im Katalog therapeutischer Leistungen indikative Behandlungsgruppen nur für verhaltenstherapeutische Behandlungen finanziert werden. Im Einzelnen handelt es sich dabei um Gruppen zur Angst-, Schmerz-, Depressions-, Adipositas-, Zwangs- und Essstörungsbewältigung, sowie um Selbstsicherheitstrainingsgruppen und Gruppen zur Schulung der Körperwahrnehmung (s. Katalog therapeutischer Leistungen, KTL, BfA 2003).

2.4.2.2 Therapieziele in der tiefenpsychologisch fundierten Therapie

Das explizite Festlegen von individuellen Therapiezielen zu Behandlungsbeginn, die der nachfolgenden Behandlung eine Richtung geben sollen, war über lange Zeit nicht Teil der analytischen Behandlung (Strauss 1999). Verhaltensregeln für den Therapeuten wie „ohne Erinnerung und Absicht zu handeln” mögen die Ursache dafür gewesen sein, dass lange Zeit das Aufstellen und Verfolgen von Therapiezielen eher als störend denn als förderlich für den psychoanalytischen Prozess angesehen wurde (Strauß ebd.). Dagegen finden sich bei vielen tiefenpsychologisch orientierten Autoren implizite oder explizite Aussagen über die übergeordneten Ziele einer tiefenpsychologischen Therapie. Bei Freud selber findet sich in den Studien über Hysterie (Freud & Breuer 1895) die Aussage, dass es in der Psychoanalyse darum gehe, „Unbewusstes bewusst“ zu machen und „hysterisches Unglück in gemeines Unglück“ umzuwandeln. In den Vorlesungen zur Einführung in

die Psychoanalyse (Freud 1916/1917) setzt er für die psychoanalytische Behandlung das Ziel, die „Arbeits-, Liebes- und Genussfähigkeit“ des Patienten wiederherzustellen. Balint (1949) sieht die Ziele analytischer Behandlung unter Einbezug der Übertragungstheorie darin, den Widerstand des Patienten zu überwinden, die Kindheitsamnesie aufzuheben und das Unbewusste bewusst zu machen. Der Bereich der Reduktion der psychopathologischen Symptomatik zählte dabei lange Zeit nicht zu den Behandlungszielen, da es nicht dem Menschenbild der Psychoanalyse entsprach, eine „fully functioning person” mit Symptomfreiheit zu propagieren (Strauß 1999). In aktuelleren Auffassungen, wie z. B. von McGlashan und Miller (1982), entwickelten sich die psychoanalytischen Ziele immer mehr hin zu konkreten Aussagen, die auch auf Symptomebene Zielangaben umfassen.

McGlashan und Miller gruppierten nach ausführlicher Literatursichtung neun allgemeinere Cluster, für die Strauss mögliche Operationalisierungen zusammen stellte (siehe Tabelle 3).

Tabelle 3. Ziele psychoanalytischer Therapie und deren mögliche Operationalisierungen (vgl. Strauß 1999)

Globalziel Cluster (Spezifisches Ziel) Mögliche Operationalisierung (Strauß, 1999)

Entwicklungs-hemmungen aufheben

Urvertrauen und Sicherheit SASB, Bindungsqualität

Trennung und Individuation Bindungsqualität (z. B. der Wunsch nach Nähe versus Angst vor Verlassenwerden)

Gewissen SASB, Zwangs- und Depressionssymptome

Konstruktive Aggression Persönlichkeitsmaße, Methoden aus der Motivations- und Volitionspsychologie

Sexualität Methoden zur Erfassung von Aspekten der

Geschlechtsidentität, des sexuellen Erlebens und des Körperbildes

Aspekte des Selbst Selbst-Verantwortlichkeit SASB, Persönlichkeitsfragebögen, Methoden aus der Sozialpsychologie (kognizierte Kontrolle)

Selbst-Identität Verlaufsbeobachtungen von Befindlichkeiten, Narzissmusinventare

Selbstwertgefühl SASB, Narzissmusinventare, Hoffnungsskalen, Hardiness, Körper- und Selbstbesetzungsskalen

Selbsterleben und Kontinuität mit der früheren Störung

Biographische Methoden, Bewertungen der Symptomatik Bezogenheit auf

Mitmenschen

Außen- versus Innenorientierung Kommunikationsverhalten, Bindungsqualität Beziehung zu den Eltern Fragebögen zum ”Parental Bonding”, SASB, ZBKT Beziehung zu Gleichaltrigen und

Gruppen

SASB, ZBKT, IIP, Methoden zur Erfassung des sozialen Netzwerks.

Empathie Empathie-Skalen, Psychological Mindedness

Intimität Bindungsqualität (speziell partnerbezogen), IIP,

Partnerschaftsdiagnose.

Generativität Empathie, Impact Message Inventory Akzeptierung der

Realität

Verringerte Omnipotenz Narzissmusinventare

Triebkontrolle und Frustrationstoleranz Projektive Verfahren (Rosenzweig etc.) Loslassen können SASB, Bindungsqualität, Narzissmusinventare

Tabelle 3 Fortsetzung

Globalziel Cluster (Spezifisches Ziel) Mögliche Operationalisierung (Strauß, 1999)

Realitätsprüfung Methoden aus der Sozialpsychologie und der cognitive science Erlebnisfülle und

Lebendigkeit

Gefühle Emotionsvokabular, Mimik

Energie Methoden der Gesundheitspsychologie

Entspannung Psychophysiologische Indikatoren, Erfassung der

Selbstakzeptanz Fähigkeit zur Freude Hedonieskalen

Coping-Mechanismen Abwehrmechanismen Methoden zur Erfassung von Abwehr und Bewältigung Soziokulturelle Anpassung und

Veränderung

Analyse der sozialen und beruflichen Situation, Einstellung zum Beruf

Integrative Kapazität Ambivalenztoleranz Methoden zur Erfassung von Abwehr, SASB Kognitive Ökonomie Methoden zur Analyse des Problemlöseverhaltens Übergangskapazität Methoden zur Erfassung von Charaktermerkmalen, Einsicht Selbstanalytische

Fähigkeiten

Selbstbeobachtung und Selbstanalyse Psychological Mindedness

Übertragung „Patents representation of their therapist”, ZBKT,

Konfigurationsanalyse, CMP, consensual response formulation Symptomatologie Emotionale Symptome Symptomfragebögen und Fremdbeurteilungen

Körperliche Gesundheit Medizinische Befunde, Inanspruchnahme medizinischer Hilfe, Beschwerdebögen

Substanzabusus Fragebögen zum Suchtverhalten Abkürzungen:

SASB: Strukturale Analyse sozialen Verhaltens

ZBKT: Methode des Zentralen Beziehungskonfliktthemas

IIP: Inventar zur Erfassung interpersonaler Probleme

PSACH: psychoanalytischer Charakterfragebogen

KAPP: Karolinska-Psychodynamik-Profile

OPD: Operationalisierte Psychodynamische Diagnostik

Erstmals wurden in dieser Systematisierung auch Ziele auf Symptomebene miteinbezogen. Dass dies nur zögerlich geschieht, zeigt sich u.a. darin, dass in gängigen und weit verbreiteten Lehrbüchern über psychoanalytische Behandlungen (s. Mertens 1990) die Tabelle von McGlashan und Miller (1982) ohne Wiedergabe der symptombezogenen Ziele erfolgte. Dafür wird interpersonalen Zielen und komplexen Persönlichkeitsentwicklungszielen eine größere Bedeutung zugeschrieben (Goldfried & Castonguay 1993). Empirisch zeigt sich in der Untersuchung von Ambühl und Kollegen (1995), dass von analytischen Therapeuten am häufigsten Ziele verfolgt werden, die sich auf das Selbstwert- und das Identitätsgefühl bezogen. Dann folgen: 2. unterdrückte oder abgetrennte Aspekte der Erfahrung integrieren, 3. das Erleben von Gefühlen ganz zulassen, 4. eine neue Sicht der Gefühle, Motive oder des Verhaltens, und 5. die Qualität von sozialen Beziehungen bessern.

2.5 Die Therapieziele von Patienten