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2 Sägeschadenätzen und Texturierung

2.4 Saure Texturierung von multikristallinem Silizium

2.4.4 Implementierung auf In-line Anlage

Für die bisher gezeigten Ergebnisse wurde die Texturierung noch im Becherglas durchgeführt. Auch hier wurden teilweise größere Stückzahlen prozessiert. Bei einem Standzeittest wurden 500 Wafer im Format 12,5x12,5 cm² mit einem Ansatz des Texturbades geätzt, ohne Chemie zu zudosieren. Dabei hat sich die Qualität der Textur nicht verändert, nur die Ätzgeschwindigkeit sank im Laufe der Zeit ab. Bei einer industriellen Anwendung werden aus Kostengründen möglichst viele Wafer mit einer bestimmten Menge an Chemie geätzt. Es gilt also heraus zu finden, wie viel von welcher Ingredienz der Lösung pro Wafer verbraucht wird, um entsprechend nachdosieren zu können.

Wie weiter oben beschrieben, bietet der In-line Ansatz für die Texturierung einige Vorteile. Daher wurde der Prozess auf eine halbindustrielle Anlage der Firma RENA Sondermaschinen GmbH, übertragen und alle weiteren Optimierungen wurden auf dieser Anlage durchgeführt. In Abbildung 2.20 ist diese Laboranlage gezeigt, die am Lehrstuhl Bucher zur Verfügung steht. Mit dieser Anlage kann ein Durchsatz von bis zu 600 Wafern pro Stunde erreicht werden. Wafer mit einer Kantenlänge bis zu 25 cm können darin prozessiert werden.

Abbildung 2.20: Laboranlage mit zwei Spuren zur sauren Texturierung (Markenname: InTex). Die Wafer werden auf Rollen durch die verschiedenen Becken transportiert. Auf der linken Spur können Wafer mit bis zu 250 mm Kantenlänge prozessiert werden (im Bild ist ein Wafer mit 200 mm gezeigt).

Aufgrund der unterschiedlichen Ätzbedingungen im Vergleich zum Becherglas (z. B.

Waferposition, Fluss der Chemikalien, Temperaturverteilung), mussten die Ätzparameter auf diese Anlage angepasst werden. Gleichzeitig wurde versucht, die Ätzzeit zu verkürzen, da

diese bei einer In-line Anlage umgekehrt proportional in den Durchsatz der Anlage eingeht.

Am Ende dieser Entwicklung wurde eine Ätzzeit kleiner als 2 Minuten realisiert, was einem Durchsatz auf einer industriellen Anlage mit 5 Spuren von über 1800 Wafern (156x156 mm²) pro Stunde entspricht.

Mit den neuen Ätzparametern wurden dann drei Standzeittests durchgeführt. Für diese Tests wurden 7000, 10000 und 4000 Wafer (Format ≥ 150x150 mm²) verwendet. Die Ätzung wurde kontinuierlich durchgeführt, um eine industrielle Anwendung möglichst gut zu simulieren. Der längste dieser Tests dauerte 65 Stunden ohne Unterbrechung.

Im ersten Test wurde die Stabilität der Ätzbedingung bezüglich der Reflexion der Wafer untersucht. Dazu wurden regelmäßig Wafer entnommen bei denen über eine Wiegung der Ätzabtrag bestimmt wurde. Die Reflexion wurde mit einem Spektrometer vermessen und im Wellenlängenbereich von 400 bis 1100 nm gemittelt. In Abbildung 2.21 ist zu erkennen, dass der Mittelwert der Reflexion nur moderat ansteigt. Die kurzfristigen Auf- und Abbewegungen entstehen durch die manuelle Nachdosierung.

Bei der manuellen Nachdosierung muss der Ätzbetrieb unterbrochen werden. Es muss ein Teil der Lösung abgelassen werden und anschließend müssen Salpetersäure und Flusssäure nacheinander nachdosiert werden. Zuletzt muss darauf geachtet werden, dass die Temperatur der Ätzlösung wieder im richtigen Bereich liegt. Zusammengenommen dauert diese Prozedur 15 bis 20 Minuten. Daher wird diese Nachdosierung in größeren Zeitabschnitten durchgeführt. Zwischen den Nachdosierungen ändert sich die Zusammensetzung der Lösung kontinuierlich, nach den einzelnen Nachdosierungen ist ein sprunghafter Unterschied zu erkennen.

In diesem ersten Langzeittest zerbrachen insgesamt 10 Wafer. Dies entspricht einer mechanischen Ausbeute von 99,86%, was für eine Anlage mit manuellem Handling sehr gut ist. Dieses Ergebnis ist für die Anwendbarkeit dieser Kombination aus Anlage und Prozess sehr wichtig.

Im zweiten Langzeitexperiment sollte die Standzeit der Lösung sowie die Kosten der verbrauchten Chemikalien pro Wafer untersucht werden. Zu diesem Zweck wurden 10000 Wafer im Format 156x156 mm² geätzt. Die Nachdosierung wurde wiederum manuell durchgeführt und die Ätzrate wurde durch die Menge der nachdosierten Chemikalien konstant gehalten. Es ist dabei gelungen, die Ätzrate über einen Zeitraum von 60 Stunden bei 3 µm/min zu halten. Die Berechnung der Kosten ergab, dass für einen Wafer Chemikalien im Wert von 4,5 €cent benötigt wurden, das sind 1,2 €cent pro Watt bei der fertigen Solarzelle.

20 22 24 26 28 30

0 1000 2000 3000 4000 5000 6000 7000

Wafer Nr.

Reflexion [%]

3,0 3,5 4,0 4,5 5,0 5,5 6,0 6,5 7,0

0 1000 2000 3000 4000 5000 6000 7000

Wafer Nr.

Ätzabtrag [µm]

Abbildung 2.21: Reflexion und Ätzabtrag währen des ersten Langzeittests. Der zick-zack-Verlauf der Werte ist auf die manuelle Nachdosierung der Chemikalien zurückzuführen.

Im dritten Langzeittest wurde versucht, die Zusammensetzung der Lösung möglichst konstant zu halten und die Ätzrate durch die Änderung der Temperatur zu regeln. Bei diesem Experiment wurden 4000 Wafer im Format 156x156 mm² innerhalb von 26 Stunden ohne Unterbrechung geätzt. Die Überwachung der Zusammensetzung der Ätzlösung war durch Anschluss eines Online Analysegerätes möglich. Dieses entnahm automatisch alle 12 Minuten einige Milliliter der Lösung und bestimmte durch Titration den Gehalt an HF und HNO3. So konnte durch entsprechende Nachdosierung die Konzentration der Chemikalien über die gesamte Zeitspanne relativ gut kontrolliert werden. Es muss aber hier ergänzt werden, dass eine hundertprozentige Konstanthaltung der Konzentrationsverhältnisse recht schwierig, und vor allem sehr uneffektiv bezüglich des Chemikalienverbrauchs ist. Dies soll im Folgenden kurz erläutert werden.

Die Gesamtmenge an Ätzlösung in der Anlage beträgt ungefähr 100 Liter. HF und HNO3

liegen dabei in relativ hohen Konzentrationen vor. Fällt nun die Konzentration von HF aufgrund der chemischen Reaktion um einen Prozentpunkt, muss eine relativ große Menge HF nachdosiert werden, da diese Chemikalie üblicherweise nur in bis zu 50%iger Konzentration erhältlich ist. Die Hälfte des nachdosierten Volumens besteht also aus Wasser.

Um diese Menge nachdosieren zu können, muss vorher dieselbe Menge der Ätzlösung abgelassen werden. Dieser abgelassene Anteil ist aber nahezu identisch mit der Ätzlösung nach der Nachdosierung, bis auf den einen Prozentpunkt HF. Es gilt also einen Kompromiss zu finden zwischen der Konstanthaltung der Ätzkomposition und der Menge an verbrauchten Chemikalien. Aus diesem Grund wurde in diesem Experiment die Ätzgeschwindigkeit mit der Temperatur geregelt und nicht mit der Konzentration der Chemikalien.

In Abbildung 2.22 sind die Ergebnisse dieses Experimentes gezeigt. Die rot gezeichneten Punkte für die Ätzrate gehören zu der rechten Skala. Alle anderen Größen sind in beliebigen Einheiten dargestellt. Es ist gut zu erkennen, dass die Ätzrate zwar über die Dauer des Versuches leicht abnimmt, die Änderung aber sehr langsam geschieht. Durch die Erhöhung der Temperatur des Ätzbades konnte der leichte Abfall der Chemikalienkonzentration ausgeglichen werden. Das Verhältnis von HF Konzentration zu HNO3 Konzentration schwankt im Rhythmus der Nachdosierung, die HNO3 Konzentration selbst nimmt kontinuierlich über die Dauer des Experiments ab.

0,5

Abbildung 2.22: Messungen vom 3. Langzeitexperiment. Die Ätzrate liegt relativ konstant über 3 µm/min, die anderen Größen sind in beliebigen Einheiten angegeben.

Insgesamt wurden über 30000 Wafer in dieser halbindustriellen Anlage texturiert. Der Großteil dieser Wafer wurde anschließend bei Industriepartnern zu fertigen Solarzellen prozessiert. Nachdem die einzelnen Hersteller mit Unterstützung der Mitarbeiter des Lehrstuhls Bucher die Lernkurve mehr oder weniger schnell hinter sich gebracht hatten, kamen bis auf wenige Ausnahmen alle Hersteller zu sehr erfolgsversprechenden Resultaten.

Dabei galt es, die Erfahrung die am Lehrstuhl Bucher bezüglich Handling, Siliziumnitridbeschichtung und Feuerung der Kontakte gemacht wurde, in den Unternehmen umzusetzen.

In Abbildung 2.23 sind die Ergebnisse eines Vergleichstests gezeigt. Die Wafer (150x150 mm²) wurden am Lehrstuhl Bucher geätzt und anschließend bei einem Solarzellenhersteller fertig prozessiert. In diesem Fall betrug die Steigerung im Kurzschlussstrom gegenüber den alkalisch geätzten Referenzen 6% relativ. In der offenen Klemmenspannung muss von einem kleinen Verlust ausgegangen werden, und im Füllfaktor können Verluste bei unsachgemäßem Handling auftreten. Daher bleibt in der industriellen Fertigung ein Gewinn von 3 bis 5% im Wirkungsgrad der Zellen übrig. Bei den gezeigten Verbrauchskosten lässt sich somit eine sehr schnelle Amortisationszeit von ein bis zwei Jahren bei der Umstellung vom herkömmlichen alkalischen Ätzschritt auf diesen Prozess errechnen.

7,0 7,1 7,2 7,3 7,4 7,5 7,6 7,7 7,8

Isotextur NaOH Isc [A]

Abbildung 2.23: Stromsteigerung durch die saure Texturierung. Die Wafer wurden bis auf die Ätzung komplett in der Industrie prozessiert. Die Steigerung beträgt 6%

relativ.

Das hier dargestellte Texturierungsverfahren wurde im Mai 2003 zum Patent angemeldet. Mit der Firma RENA Sondermaschinen GmbH hat die Universität Konstanz einen Lizenzvertrag abgeschlossen. Mit jeder verkauften InTex-Anlage erhält die Universität Konstanz eine Lizenzgebühr. Es wurden für mehr als 20 Solarzellenhersteller Bemusterungen durchgeführt, deren Gesamtproduktion 2004 bei 860 Megawatt lag. Das sind 68% der weltweiten Produktion an Solarzellen. Bis Mitte 2005 werden insgesamt sieben Anlagen mit entsprechenden Lizenzen für diesen Texturprozess in der industriellen Produktion sein.