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Implementationskontext Schule

Im Dokument Eine für alle? (Seite 54-58)

4. Konzeption schulischer Kompetenzförderung

4.2. Implementationskontext Schule

Schulische Kompetenzförderung ist eine institutionelle Bemühung, die primäre Sozialisation von Schülern durch eine systematische Vermittlung von sozialen Kompetenzen zu ergänzen. Im Gegensatz zum quasi “urwüchsigen” Sozialisa-tionsprozeß im primären Kontext, der für jedes Kind anders gestaltet ist, kann für den schulischen Kontext ein Programm konzipiert werden, dessen Wirkung auf sozialpsychologischen und lerntheoretischen Prinzipien beruht (vgl. Dent et al. 1996). Es wird erwartet, daß ein solch strukturierter Ansatz sehr gute Lernbedingungen für alle Kinder bereitstellt, so daß die Kinder den gewünsch-ten Lernerfolg - Verbesserung der sozialen Kompegewünsch-tenzen - erzielen können.

Die Annahme, daß alle Kinder der Zielgruppe von der Teilnahme an der Kompetenzförderung profitieren, kann als “Annahme universeller Wirkung”

bezeichnet werden.

Die Durchführung einer schulischen Kompetenzförderung ist bestimmten Rahmenbedingungen unterworfen, die durch die spezifische Struktur des schulischen Kontextes bedingt sind. Der kontinuierliche Schulbesuch von Kindern und Jugendlichen wird als ein wesentlicher Vorteil des schulischen Kontextes gesehen. Die Schüler sind während der gesamten Kindheit und Jugend gut zu erreichen, so daß der Zeitpunkt für eine Kompetenzförderung aus entwicklungspsychologischer Sicht optimal gewählt werden kann. Caplan

& Weissberg (1989) schlagen hierfür die Klassenstufe direkt nach dem Über-gang der Kinder auf die weiterführende Schule vor10, weil zu diesem Zeitpunkt die sozialen Kompetenzen einerseits noch relativ formbar sind und andererseits der überwiegende Teil der Kinder bis zu diesem Zeitpunkt nur wenige eigene

Erfahrungen mit Problemverhalten gemacht hat.

Die kontinuierliche Teilnahme der Schüler am Unterricht bietet die Möglich-keit, die Schüler über einen Zeitraum von mehreren Monaten regelmäßig mit einer Maßnahme zu erreichen. Ferner ist die Durchführung von booster ses-sions und weiteren, auf die Kompetenzförderung aufbauenden präventiven Elementen zu einem späteren Zeitpunkt deutlich leichter zu realisieren, als in anderen Kontexten (Caplan & Weissberg 1989; Leppin 1995).

Die Schule ist für viele Kinder nicht nur ein Ort des Lernens, sondern auch ein sozialer Treffpunkt, an dem sie regelmäßig mit Gleichaltrigen zusammen-kommen und soziale Beziehungen aufnehmen können (Fölling-Albers 1989).

Diese Funktion von Schule trifft vor allem für Kinder zu, die außerhalb des Schulbesuchs nur wenige soziale Beziehungen zu anderen Kindern unterhalten.

Der Klassenverband unterscheidet sich von verinselten Freizeitbeziehungen vor allem durch seine Kontinuität des fast täglichen Kontaktes. Um sich in den Klassenverband integrieren oder Freundschaften anknüpfen zu können, müssen die Kinder ihre Interaktionen anders gestalten als in verinselten Beziehungen.

Solche langfristigen Beziehungen ermöglichen Erfahrungen mit verschiedenen Anforderungen sozialer Beziehungen, z.B. Konflikte, Versöhnung, Kompro-misse. Innerhalb eines solchen kontinuierlichen, relativ vertrauten Kontextes können die Schüler die sozialen Kompetenzen, die durch die Kompetenzför-derung vermittelt werden, während und außerhalb des Unterrichts mit den Mitschülern üben. Je mehr Schüler einer Klasse sich kompetent verhalten, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, daß die Kinder mit einem geringen Ausmaß an sozialen Kompetenzen das im Rahmen der Kompetenzförderung gelernte Verhalten dauerhaft übernehmen (Caplan & Weissberg 1989; Logan 1991).

Ein weiterer Vorteil des schulischen Kontextes ist die Implementation von Maßnahmen durch pädagogisch geschultes Personal. Die Lehrkräfte besitzen durch ihre pädagogische Ausbildung und Erfahrung gute Voraussetzungen, ihren Schülern die Inhalte der Kompetenzförderung adäquat zu vermitteln und die dem Programm zugrunde liegenden lerntheoretischen Prinzipien angemes-sen umzusetzen (Moskowitz 1989). Eine Kombination aus Fachpersonal, theoretisch fundierter Programmgestaltung und langfristiger Erreichbarkeit der Zielgruppe ermöglicht eine systematische, auf bestimmte soziale Kompetenzen ausgerichtete Schulung der Schüler.

Den Vorteilen des schulischen Kontextes stehen vor allem Nachteile auf struktureller Ebene gegenüber. Hier ist vor allem eine relativ starre Struktur des schulischen Alltags zu nennen. Diese zeichnet sich durch einen 45-Minu-tentakt des Unterrichtens aus, der gleichzeitig mit einem häufigen Fachlehrer-wechsel verbunden ist. Die Gestaltung der Kompetenzförderung muß sich dieser Struktur anpassen. Es können daher bestimmte lerntheoretisch und gruppendynamisch sinnvolle Elemente nicht in der optimalen Form implemen-tiert werden. Dies kann den vollen Erfolg solcher Programme deutlich ein-schränken oder zu einer vorzeitigen Beendigung von Interventionen führen.

Dies ist häufig dann der Fall, wenn die Lehrkräfte nicht nur von Lehr- und Stundenplan bei der Durchführung der Kompetenzförderung eingeschränkt werden, sondern auch Schulleitungen und Kollegen keine oder kaum Unter-stützung und Freiräume für die Durchführung gewähren (können). Ein weite-res Manko sind geringe Vorkenntnisse bei vielen Lehrkräften, da bislang in der Lehreraus- und Fortbildung Kompetenzförderung nur ungenügend thematisiert und vermittelt wird (Hesse 1993; Leppin 1995).

Insgesamt überwiegen im schulischen Kontext die Vorteile gegenüber den Nachteilen. Die Nachteile können oft durch Überzeugungsarbeit, Fortbildun-gen und angemessene Programmgestaltung beseitigt oder deutlich reduziert werden. Die positiven Ergebnisse, die bislang mit spezifischer Prävention und Kompetenzförderung im schulischen Kontext erzielt werden konnten, zeigen, daß der schulische Kontext zur Durchführung einer Kompetenzförderung gut geeignet ist (Weissberg et al. 1991; Künzel-Böhmer et al. 1993). Die Ent-scheidung für eine Kompetenzförderung im schulischen Kontext bedeutet unter den geschilderten organisatorischen Bedingungen im Regelfall auch eine Entscheidung für die Durchführung der Kompetenzförderung im Klassen-verband. Dies bedeutet, daß alle Schüler einer Klasse, unabhängig von ihrem Kompetenzniveau, an der Maßnahme teilnehmen. Wird die Kompetenzför-derung in Schulen ohne spezifisch sonderpädagogisches Profil durchgeführt, kann davon ausgegangen werden, daß sowohl Kinder mit geringen und mitt-leren Kompetenzen (Zielgruppe) als auch Kinder mit einem hohen Ausmaß an sozialen Kompetenzen teilnehmen.

Im allgemeinen wird dieses Vorgehen positiv bewertet, weil keine (räumliche) Ausgrenzung der Schüler mit geringen Kompetenzen während der Maßnahme stattfindet (Dent et al. 1996). Zudem stehen in den Klassen die sozial kompe-tenten Schüler als gleichaltrige Modelle zur Verfügung, die meist aufgrund eines hohen soziometrischen Status eine Vorbildfunktion einnehmen können.

Solche attraktiven Modelle können die Kompetenzförderung unterstützen, in dem sie entweder kompetentes Verhalten vorführen oder verstärken. Der Klassenverband ermöglicht den Schülern, die neuerworbenen Kompetenzen zunächst unter Anleitung der Lehrer zu üben, um dann selbständig Erfahrun-gen mit den Kompetenzen in alltäglichen Situationen zu sammeln. Diese Erfahrungen tragen zu der Generalisierung der Kompetenzen und damit zur Effektivität des Programms bei (Caplan & Weissberg 1989).

11 Der Begriff “universell” steht hier für die Annahme, daß die Kompetenzförderung in einer in bezug auf ihre psychosozialen und demographischen Merkmale relativ breit gestreuten Zielgruppe wirksam wird.

Weissberg et al. (1991) betonen, daß durch eine Kompetenzförderung nicht nur auf die Persönlichkeitsentwicklung der Schüler Einfluß genommen werden kann, sondern daß als ein erwünschter Nebeneffekt auch der soziale Rückhalt zwischen den Heranwachsenden bzw. die sozialen Beziehungen zu den Leh-rern verbessert werden können. Sie sehen in diesem Argument einen gewichti-gen Grund, nicht nur Kinder mit hohem Risiko in eine solche Maßnahme einzubeziehen, sondern auch die Kinder zu integrieren, deren Entwicklung sich - voraussichtlich - unproblematisch vollziehen wird. Diese sind am ehesten in der Lage, anderen soziale Unterstützung zu offerieren.

4.3. Erwartete universelle

11

Wirkung der

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