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Es gibt zwei Mechanismen, die zu Komplikationen bei einer peripheren Blutstammzelltrans-plantation (= PBSZT) führen:

1. Die Konditionierung vor der Transplantation mit Chemo- oder kombinierter Radio-Chemotherapie und die damit verbundene Immunsuppression.

2. Die Graft-versus-Host-Reaktion bzw. Graft-versus-Host-Disease (= GVHD).

Vor einer PBSZT wird eine myeloablative Therapie mit einer Hochdosis an Chemotherapeu-tika oder einer kombinierten Radio-Chemotherapie durchgeführt, um möglichst alle in einem Organismus angesiedelten malignen Zellpopulationen zu zerstören. Um eine Abstoßung des übertragenen Markes bei der Transplantation zu verhindern, ist die hierdurch hervorgerufene Immunsuppression notwendig. Diese Vorbehandlung wird auch als Konditionierungstherapie bezeichnet (konditionieren = in einen bestimmten Zustand bringen).

Diese Konditionierung beeinträchtigt jedoch auch die normale Hämatopoese für neutrophile Granulozyten, Monozyten und Makrophagen und beschädigt Mukosa-Vorläuferzellen. So wird vorübergehend die natürliche Haut- und Schleimhautbarriere aufgehoben und die norma-lerweise physiologisch besiedelnden Bakterien und Pilze des Gastrointestinaltrakts und der Haut werden zu potentiell pathologischen Keimen. Sie verlassen dann ihren Standort der na-türlichen Darmflora und durchbrechen die Schleimhautbarriere, so dass sie dem Körper als Pathogen gefährlich werden.

Fast alle Empfänger von PBSZT verlieren sehr rasch nach der Konditionierung alle B- und T-Lymphozyten, sowie ihre über das ganze Leben hinweg - durch die Konfrontation des Kör-pers mit infektiösen Substanzen, Umweltgiften und Impfungen - aufgebaute Immunität.

Es zeigt sich eine zeitliche Abfolge der Schädigungen und Störungen, die bei den Patienten auftreten. Diese werden in der Abbildung 1.4.1 - in Anlehnung an die Empfehlungen des CDC [12] – zusammengefasst. Im ersten Monat nach einer PBSZT ist die Phagozytose häufig beeinträchtigt und die Schleimhautbarriere beschädigt. Häufig werden für mehrere Wochen zentralvenöse Katheter bei den Patienten eingesetzt, um die parenterale Medikation, Blutpro-dukte und Nahrungsergänzungsmittel (Vitamine, Spurenelemente, etc.) verabreichen zu kön-nen. Diese Katheter sind eine weitere Eintrittspforte für opportunistische Erreger, welche die Haut kolonisieren können, wie zum Beispiel koagulase-negative Staphylokokken, Staphylo-coccus aureus, Candida spp. und Enterokokken spp.

Zwei Monate nach einer PBSZT kann bei dem Empfänger eine akute GVHD auftreten, die sich in Form einer Dermatitis, Enteritis oder durch Leberschäden manifestiert. Sie wird einge-teilt mit einer Skalierung von I-IV. Zwar können autolog und syngen (= genetisch identische Individuen) Transplantierte gelegentlich eine milde, selbstlimitierende GVHD-ähnliche Er-krankung durchlaufen, allerdings tritt die GVHD eher gehäuft bei allogen transplantierten Patienten auf. Vor allem diejenigen mit einer „matched-unrelated“ Spende sind dabei betrof-fen (matched-unrelated = passender unverwandter Spender). Ein wesentlicher Risikofaktor für eine Infektion nach einer PBSZT ist die GVHD, da sie mit einer verzögerten Erholung des Immunsystems und einem verlängerten Immunmangel verknüpft ist. Außerdem sind die Pati-enten durch die Applikation von immunsuppressiven MedikamPati-enten zur GVHD-Prophylaxe anfälliger für opportunistische, virale Pathogene und Pilze.

Bei einigen Patienten, in erster Linie erwachsenen, allogen Transplantierten tritt eine chroni-sche GVHD auf, die unterteilt werden kann in eine eher limitierte oder ausgedehnte Form. Sie tritt meist mindestens 100 Tage nach der PBSZT auf, wird aber auch schon nach 40 Tagen beschrieben. Die chronische GVHD hat eine ähnliche Erscheinungsform wie autoimmune Gewebeverband-Funktionsstörungen (zum Beispiel: Sklerodermie oder systemischer Lupus erythematodes). Sie ist verbunden mit einem zellulären und humoralen Immunmangel, der auch einen Mangel an Makrophagen, eine beeinträchtigte Neutrophilen-Chemotaxis, eine ein-geschränkte Immunantwort auf Impfungen und schwere Mukositiden beinhaltet. Risikofakto-ren für eine chronische GVHD sind ein höheres Alter, allogene PBSZT (insbesondere dieje-nigen, dessen Spender unrelated oder ein nicht HLA-identisches Familienmitglied ist), und eine akute GVHD in der Anamnese. Bei den allogen Transplantierten mit chronischer GVHD tritt ein lange anhaltender Mangel an IgA, IgG und IgG- Subklassen auf, obwohl sie einen normwertigen bis hohen Serum-Immunglobulin-Gesamttiter aufweisen. Außerdem kommt es zu einer minderwertigen Opsonisierung (= Anlagerung von Plasmabestandteilen an Antigene, wodurch deren Elimination durch Phagozytose begünstigt wird) und einer beeinträchtigten retikuloendothelialen Funktion. Deshalb sind sie auch einem erhöhten Risiko für Infektionen ausgesetzt, insbesondere lebensbedrohlichen, bakteriellen Infektionen durch umkapselte Erre-ger, wie Streptococcus pneumoniae, Haemophilus influenzae oder Neisseria meningitidis.

Wenn sich die chronische GVHD aufhebt, welches Jahre dauern kann, baut sich die zellulär vermittelte und humorale Immunfunktion schrittweise wieder auf.

Die Empfänger einer PBSZT erleiden typischerweise nach der Transplantation zu bestimmten Zeitpunkten Infektionen, die die vorherrschenden Defekte in der host-Abwehr widerspiegeln.

Die Wiederherstellung des Immunsystems der PBSZT-Empfänger verläuft in drei Phasen:

beginnend am Tag null, dem Transplantationstag. Phase eins ist die „preengraftment“

(engraftment = Verpflanzung) -Phase (< 30 Tage nach der Transplantation), Phase zwei die

„postengraftment“-Phase (30-100 Tage nach PBSZT), Phase drei die späte Phase (> 100 Tage nach PBSZT).

Präventionsmaßnahmen sollten die genannten Phasen berücksichtigen und auf den folgenden Informationen beruhen:

Phase I, preengraftment: Während des ersten Monats nach Transplantation haben Empfänger einer PBSZT zwei kritische Risikofaktoren für Infektionen. Es handelt sich hierbei um eine verlängerte Neutropeniephase und „Bruchstellen“ in der Haut-/Schleimhautbarriere, die durch die, auf die PBSZT vorbereitende Konditionierung und regelmäßige Gefäßzugänge, die für die Patientenversorgung notwendig sind, hervorgerufen werden. Aus diesem Grund stellen die Flora der Haut, des Mundes und des Gastrointestinaltrakts Infektionsquellen dar. Zu den do-minierenden Erregern gehören auch Candida-Spezies und, wenn sich die Neutropenie fort-setzt, auch Aspergillus-Spezies. Außerdem kann es zu einer Reaktivierung vom Herpes-simplex-Virus (HSV) in dieser Phase kommen. Das Risiko an einer Infektion zu erkranken ist für autolog und allogen Transplantierte gleich groß, wobei die opportunistischen Infektionen in Form von Neutropenie mit Fieber auftreten können. Zwar ist das erstmals auftretende Fie-ber bei den Transplantierten sehr wahrscheinlich bakteriell induziert, jedoch kann nur selten ein Erreger bzw. die genaue Ursache der Infektion nachgewiesen werden. Stattdessen werden diese Infektionen meist präventiv oder empirisch behandelt bis zum Ende der Neutropenie.

Zusätzlich können Wachstumsfaktoren verabreicht werden, um die Neutropeniephase zu ver-kürzen und die Rate der Komplikationen (zum Beispiel Fieber während der Neutropenie) zu vermindern.

Phase II, postengraftment: In der zweiten Phase kommt es typischerweise zu einer beeinträch-tigten zellvermittelten Immunität bei autolog und allogen Transplantierten. Der Umfang und die Auswirkung dieses Defekts bei allogenen Empfängern sind abhängig von dem Grad der GVHD und deren immunsuppressiver Therapie. Nach der Transplantation sind vor allem die Herpesviren, insbesondere die Cytomegalie-Viren (CMV), als gefährliche Erreger einzustu-fen. 30-100 Tage nach der PBSZT verursacht das CMV Pneumonie, Hepatitis, Kolitis und ermöglicht Superinfektionen mit opportunistischen Erregern, besonders bei Patienten mit

ak-tiver GVHD. Andere wichtige Pathogene, die in dieser Phase gehäuft auftreten, sind Pneumo-cystis jiroveci (früher: P. carinii) und Aspergillen.

Phase III, Spätphase: Während der dritten Phase tritt bei autologen Empfängern gewöhnlich eine schnellere Wiederherstellung des Immunsystems ein als bei allogenen Empfängern und damit verbunden ein geringeres Risiko für opportunistische Infektionen. Wegen der zellver-mittelten und humoralen Immunitätsdefekte, sowie der beeinträchtigten Funktion des retiku-loendothelialen Systems haben allogene Patienten mit chronischer GVHD und allogen Trans-plantierte mit wechselnden Spendern ein Risiko für bestimmte Infektionen in dieser Phase.

Wechselnde Spender schließt „matched-unrelated“, Nabelschnurblut, oder „mismatched fami-ly-related“ Spender ein. Diese Patienten haben ein Risiko für Infektionen; einschließlich CMV, Varizella-zoster-Virus (VZV), Epstein-Barr-Virus (EBV)-assoziierte, posttransplantä-re, lymphoproliferative Erkrankungen, Community-acquired Respiratory-Virus (CRV) und Infektionen mit umkapselten Bakterien (z. B. Hämophilus influenzae und Streptococcus pneu-moniae). Das Risiko für diese Infektionen ist annähernd proportional zu der Schwere der GVHD des Patienten in den Phasen II und III. Diejenigen Patienten, die „mismatched-allogen“ transplantiert werden, haben eine höhere Anfälligkeit und Heftigkeit für eine GVHD und damit ein höheres Risiko für opportunistische Infektionen in der zweiten und dritten Pha-se als „matched-allogen“ Transplantierte. Im Gegensatz hierzu haben autolog Transplantierte in erster Linie ein Infektionsrisiko während der Phase I.

Möglichen Infektionen bei Empfängern einer PBSZT vorzubeugen, ist der Therapie von In-fektionen vorzuziehen. Trotz der neuesten Fortschritte in der Technik ist noch mehr For-schung zur Optimierung der gesundheitlichen Resultate bei PBSZT-Empfängern notwendig.

Bemühungen um die Wiederherstellung des Immunsystems zu verbessern, vor allem bei den allogen Transplantierten Empfängern und die Vermeidung bzw. Auflösung der Immunsys-temfehlfunktionen, die verursacht werden durch Spender-Empfänger Histoinkompatibilität und GVHD bleiben bedeutende Herausforderungen um wiederkehrende, persistierende oder fortschreitende Infektionen bei PBSZT-Patienten zu vermeiden.

Durch die zunehmende Zahl von Hochdosisprotokollen der modernen Tumortherapie treten immer häufiger auch bei den nicht-Tx Patienten eine lang andauernde Neutropenie und eine daraus resultierende Immunabwehrschwäche auf [14]. Deswegen ist auch die Patientengruppe der „nicht-Transplantierten“ aufgrund ihrer immunsupprimierten Lage, in der Phase der Neutropenie potentiell lebensbedrohlichen Infektionen ausgesetzt. Durch die bei ihnen

durch-geführte Chemotherapie werden diese Patienten auch ohne eine Transplantation, in der Regel für sieben bis zehn Tage neutropen [10]. Damit sind sie der erhöhten Gefahr ausgesetzt eine NI zu akquirieren. Die Infektionshäufigkeit liegt bei einer Neutropeniedauer von mehr als acht bis zehn Tagen bei über 85% [38]. Daher ist auch für diese Patientengruppe eine syste-matische Überwachung (Surveillance) notwendig, um zu sehen, ob diese ein ähnlich großes Infektionsrisiko aufweisen wie Tx-Patienten.

Die Implementierung eines Surveillance-Protokolls, welches ursprünglich nur für KMT und PBSZT-Patienten gedacht war, ist zur frühzeitigen Erfassung von Infektionen bei hämatolo-gisch-onkologischen nicht-Tx Patienten wichtig.

Abbildung 1.4.1 Infektionsübersicht bei PBSZT-Patienten in Anlehnung an die Empfehlun-gen des CDC [12] - Preengraftment stellt die für die Patienten empfänglichste Phase dar eine NI zu entwickeln