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Hochschul- und Wissenschaftssysteme im internationalen

Im Dokument Hochschule und Gesell-schaft (Seite 70-73)

3. Aktueller Stand der Forschung

3.1 Hochschul- und Wissenschaftssysteme im internationalen

Robert M. May (1997) konnte in seiner vergleichenden Studie zeigen, dass die Verteilung der wissenschaftlichen Produktivität zwischen einzelnen Län-dern ungleich ist. Ende der 1990er Jahre haben allein Wissenschaftler in den USA zu mehr als einem Drittel zur weltweiten wissenschaftlichen Produkti-vität beigetragen, allerdings wurde die Mehrheit an Zeitschriftenartikeln von

kleineren und wohlhabenden Ländern produziert. Der Wissenschaftshistori-ker Joseph Ben-David (1984) hat die Zentren wissenschaftlicher Produktivi-tät seit Beginn des 16. Jahrhunderts folgenden Ländern zugeordnet: Italien (16. Jahrhundert), Großbritannien (Zweite Hälfte des 17. Jahrhunderts), Frankreich (1800), Deutschland (1840) und USA seit Beginn des 20. Jahr-hunderts. Nachdem Ben-David (1970) bereits vom Aufstieg und Niedergang Frankreichs als Zentrum wissenschaftlicher Produktivität in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts berichtete, merken Stephen Cole und Thomas S. Phelan in ihrem weitaus aktuelleren Beitrag an, dass von einigen For-schern befürchtet wird, dass die USA seine wissenschaftliche Vorherrschaft bald verlieren wird (Cole/Phelan 1999: 1). Bereits in den 1960er Jahren hat Derek J. de Solla Price den Zusammenhang zwischen den Investitionen ei-nes Landes in FuE und seiner wissenschaftlichen Produktivität untersucht.

Er ging davon aus, dass Länder, die viel in FuE investieren einen höheren Publikationsoutput erzielen als Länder, die nur wenig Geld für diesen Be-reich bereitstellen. Folglich produzieren große und wohlhabende Länder ei-nen Großteil der weltweiten Wissenschaft (de Solla Price 1963). Somit stehen sich de Solla Prices und Ben-Davids Arbeiten konträr gegenüber. Es ist davon auszugehen, dass nicht nur die Höhe der Investitionen in die Wis-senschaft einen Einfluss auf die wisWis-senschaftliche Produktivität hat, sondern auch die Anzahl der Wissenschaftler, die einer Forschungstätigkeit nachge-hen. Mit ihrer Untersuchung von Nachwuchswissenschaftlern in der Physik zwischen 1963 und 1976 konnten Stephen Cole und Gary S. Meyer (1985) nachweisen, dass sich die Anzahl der Physiker, die einen signifikanten Bei-trag zur Generierung neuen Wissens linear zur Gesamtzahl der Physiker ver-hält. Die Studie konnte zeigen, dass die von de Solla Price (1963) und Jona-than R. Cole und Stephen Cole (1972) angebrachten Argumente, dass nur wenige Wissenschaftler einen Beitrag zur Wissensproduktion leisten und so-mit eine Erhöhung der Anzahl der Wissenschaftler nicht im gleichen Maße zu einer Erhöhung des Outputs führt, falsch sind.

Nur wenige Studien analysieren einzelne Länder, oder Länder im Ver-gleich mit anderen über einen langen historischen Zeitraum hinweg und betten die gefundenen Ergebnisse in einen theoretischen Kontext ein. Aller-dings zeigen die wenigen existierenden einen gemeinsamen, logisch nach-vollziehbaren Befund, nämlich, dass wissenschaftlicher Fortschritt unter an-derem von der Anzahl der talentierten Personen abhängt, die sich für eine Karriere in der Wissenschaft entschieden haben (Merton 1938b; Cole/

Phelan 1999: 2). Folglich führt eine steigende Anzahl an Wissenschaftlern

zu steigenden Publikationszahlen. Diese Aussage wird in Abschnitt 7.2.2 im europäischen Vergleich untersucht.

Hinzu kommt, dass Daten für Analysen über mehrere Jahrzehnte hinweg oft nicht zugänglich oder schwer auszuwerten sind (Powell u.a. 2017). Aus diesem Grund können Pfadabhängigkeiten nicht umfassend untersucht wer-den (Ebbinghaus 2005b: 139). Einige empirische Studien und bibliometri-sche Analysen beginnen ihre Auswertungen wissenschaftlicher Publikatio-nen meist nach Einsetzen der Massifizierung der Hochschulbildung und dem Einsetzen der Hochschulexpansion in den 1970er Jahren (siehe bei-spielsweise Schofer 2004), die meisten haben ihren Schwerpunk aber auf Untersuchungen ab den 1980er Jahren (Adams 2009; Adams u.a. 2005;

Bornmann/Mutz 2015; Godin/Gingras 2000) oder ab den 1990er Jahren (Bornmann u.a. 2015; Meo/Al Masri/Usmani/Memon/Zaidi 2013; Meo/

Usmani/Vohra/Bukhari 2013). Es ist also keinesfalls richtig, dass wenig Forschung über die Entwicklung wissenschaftlicher Produktivität betrieben wurde, jedoch hebt sich diese Arbeit durch die Untersuchung des langen historischen Zeitraums von 1900 bis 2010 von den genannten Studien ab.

Um Aussagen über die wissenschaftliche Produktivität des deutschen Hochschul- und Wissenschaftssystems besser einordnen zu können, muss es in einen weiteren internationalen Kontext eingebettet werden. Auch ist eine reine Betrachtung der absoluten Publikationszahlen nur eingeschränkt aussagekräftig, wenn sie nicht in Bezug zu anderen Ländern gesetzt wird.

Eine Analyse der Anteile einzelner Länder am Gesamtvolumen wissen-schaftlicher Zeitschriftenartikel im Zeitraum von 1990 bis 2000 zeigt, dass Deutschland ein Wachstum von 7,0 Prozent auf 8,2 Prozent verzeichnet.

Dies gilt auch für andere große Industrienationen wie die USA, Japan, Groß-britannien und Frankreich. Allerdings hat sich der prozentuale Anteil der USA im beobachteten Zeitraum von 36 Prozent auf 28 Prozent verkleinert.

Erklärt werden kann das Absinken durch einen Anstieg der Publikationsleis-tung von Ländern, die in den letzten Jahren ihre Hochschul- und Wissen-schaftssysteme aufgebaut und etabliert haben. Zu ihnen gehören China, Indien, Südkorea, Taiwan und Brasilien. Innerhalb der Europäischen Union zeigt ein Vergleich der EU–15 Staaten37 mit den zwischen 2004 und 2007 hinzugekommenen 12 Mitgliedsstaaten38, dass die EU–15 Staaten im Jahr

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37 Belgien, Dänemark, Deutschland, Frankreich, Finnland, Griechenland, Großbritannien, Irland, Italien, Luxemburg, Niederlande, Österreich, Portugal, Schweden und Spanien.

38 Bulgarien, Estland, Lettland, Litauen, Malta, Polen, Rumänien, Slowakei, Slowenien, Tschechien, Ungarn und Zypern.

2009 einen Anteil von 29,7 Prozent am weltweiten Publikationsaufkommen hatten, welches bis zum Jahr 2009 auf 42,5 Prozent angewachsen ist. Die neu hinzu gekommenen Länder publizierten im Vergleich relativ wenig mit einem Anteil von 2,3 Prozent im Jahr 1990 und 4,1 Prozent im Jahr 2009.

Obwohl der Anteil der neu aufgenommenen Mitgliedsstaaten stark gewach-sen ist, liegt ihr gemeinsamer Anteil (11,4 Prozent) im Vergleich zu allen Mitgliedsstaaten unter dem alleinigen Anteil Deutschlands (20 Prozent) am Gesamtanteil der EU–2739 (Schmoch u.a. 2011).

3.2 Exponentielles Wachstum wissenschaftlicher

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