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Im Dokument Hochschule und Gesell-schaft (Seite 30-35)

Obwohl das Niederschreiben der Dissertationsschrift in Form einer Mono-grafie Ziel dieser Arbeit ist, gehört auch das Verfassen von wissenschaft-lichen Zeitschriftenartikeln zum zu erlernenden Handwerkszeug einer Nachwuchswissenschaftlerin. Meist fällt mit Beginn der Qualifizierungs-arbeit der Startschuss zur ersten eigenständigen ForschungsQualifizierungs-arbeit, die in diesem Fall im Rahmen eines Forschungsprojekts in internationaler Zusam-menarbeit mit Kollegen verfasst wurde und idealerweise in der Publikation der Dissertation mündet. Wissenschaftliche Arbeit erfolgt nicht immer gradlinig, sondern schrittweise. Vor Beginn der eigentlichen Forschungs-arbeit machen wir uns auf die Suche nach einem spannenden Thema. Dies kann zunächst eine simple Idee oder eine weitergedachte Frage sein, die beim gemeinsamen Kaffeetrinken mit Kollegen im Rahmen einer wissen-schaftlichen Konferenz diskutiert wurde. Oft ist nicht klar, welche Aspekte eines größeren Zusammenhangs interessant, oder dem Wissenschaftler überhaupt zugänglich sind. Gibt es bereits Forschung zum Gegenstand?

Welches Material oder welche Daten stehen zur Auswertung zur Verfügung, oder müssen erst noch generiert werden? Um eine Forschungsidee in eine oder mehrere Forschungsfragen und ein in sich schlüssiges Konzept zu überführen, wird zunächst eine grobe Projektskizze angefertigt. Diese dient häufig als Vorlage um eine Projektidee zur Finanzierung bei einer

For-schungsförderorganisation, in Deutschland beispielsweise bei der Deut-schen Forschungsgemeinschaft (DFG), einzureichen. Die DFG entscheidet dann über den Antrag und stellt bei erfolgreicher Evaluierung Geldmittel zur Durchführung des Projekts bereit. Sind erste Fragen formuliert, kann der nächste Schritt zur Beantwortung erfolgen. Die bereits vorhandene Literatur wird in Bibliotheken und Archiven gesichtet und sortiert, erste Materialien werden gesammelt – auch ich habe bereits während meines Studiums und noch intensiver während meiner Dissertationszeit zahllose Zeitschriftenartikel gelesen und als Grundlage für meine Arbeit als Quelle genutzt:

»When you stand in the reading room of a library, you see around you centuries of research, the work of tens of thousands of researchers who have thought hard about countless questions and problems, gathered information, devised answers and solutions, and then shared them with others.« (Booth u.a. 1995: 6)

Um unsere eigene Forschungsarbeit voranzutreiben, stützen wir uns also auf die Arbeit anderer, die ihre Forschungsergebnisse dokumentiert und in Form von Monografien, Sammelbänden oder wissenschaftlichen Zeitschrif-tenartikeln publiziert haben. Wichtig ist auch, dass wir uns auf die vorange-gangenen Arbeiten »verlassen« können. Wir müssen darauf vertrauen, dass unsere Kollegen ihre Forschung gewissenhaft durchgeführt und sorgfältig dokumentiert haben. Hierzu hat die wissenschaftliche Gemeinschaft das oben beschriebene Peer-Review-Verfahren zur Sicherung wissenschaftlicher Qualität eingerichtet. Ein in einer wissenschaftlichen Zeitschrift veröffent-lichter Zeitschriftenartikel, der den Peer-Review-Prozess durchlaufen hat, dient somit als gute Basis für die eigene Forschung. Wir schreiben jedoch nicht nur, um unsere Forschungsergebnisse festzuhalten. Die Arbeit dient am Anfang des Projekts der Sicherung gewonnener Informationen in loser Form und hilft uns, Zusammenhänge besser zu verstehen und erste Ergebnisse in Beziehung zueinander zu setzen. Dies geschieht oft formlos.

Die Formulierung eines Zeitschriftenartikels, der gewissen Normen und Regeln genügen muss, erfolgt meist nach Abschluss der Forschungsarbeit.

Nach dieser meist mehrere Jahre umfassenden anstrengenden Phase sollen die gewonnenen Erkenntnisse dokumentiert und anderen Interessierten zugänglich gemacht werden. Als Standardverfahren hat sich besonders in den Natur- und Technikwissenschaften sowie der Medizin der wissenschaft-liche Zeitschriftenartikel herausgebildet. Er gilt als wichtigstes Publikations-format in diesen Bereichen.

Warum publizieren Wissenschaftler ihre Arbeit in Zeitschriftenartikeln?

Doch nicht nur die Ergebnissicherung ist Ziel eines Artikels oder einer Monografie. Er hat im Laufe der Zeit immer mehr Aufgaben und Funktio-nen übernommen. Als Nachwuchswissenschaftlerin wurde mir zur Aufgabe gestellt, zu zeigen, dass ich ein mir selbst erarbeitetes Forschungsthema weitestgehend eigenständig erarbeiten, mit angemessenen Theorien und Methoden durchleuchten, Ergebnisse festhalten und diskutieren sowie die Analysen in schriftlicher Form präsentieren kann. Die Verschriftlichung dient dem Dialog mit anderen Wissenschaftlern. Viele kennen sich unterein-ander, andere haben sich noch nie persönlich getroffen, doch innerhalb eines Forschungsfeldes vereint uns alle ein gemeinsamer Bestand an Litera-tur und geteilten Wissens. Mit Getting into Print hat Walter W. Powell 1985 ein Buch vorgelegt, dass bis heute nicht an Aktualität verloren hat. Er beschreibt, wie wissenschaftliche Verlage Entscheidungen über die Annah-me oder Ablehnung eines Manuskripts treffen und wie damit die Organisa-tion und Kultur der Wissenschaft durch eine externe OrganisaOrganisa-tion beein-flusst wird. Aber nicht nur Verlagshäuser beeinflussen, ob, wie, warum und wo wir unsere Forschungsergebnisse publizieren. Bereits in Abschnitt 1.3 wurden die Motive zur Entscheidung für eine Publikation der gewonnenen Ergebnisse in Form von Zeitschriftenartikeln diskutiert. Welche Publika-tionsformen innerhalb einer Disziplin wichtig und als prestigeträchtig angesehen werden, wird allerdings innerhalb der wissenschaftlichen Ge-meinschaft ausgehandelt. Bereits angedeutet wurde, dass Publikationen in hochklassifizierten wissenschaftlichen Zeitschriften in allen Disziplinen an Bedeutung gewonnen haben, da sie unter anderem zur Leistungsbewertung herangezogen und mit Hilfe bibliometrischer Verfahren untersucht werden können. Zudem stehen für Zeitschriften große Datenbanken wie Web of Science oder Scopus zur Verfügung, die den Zugang zu Informationen verein-facht haben (siehe Abschnitte 6.3 und 6.4 zu den Details und Implikationen).

Die oben genannten Motive beeinflussen unsere Entscheidung, warum wir publizieren, obwohl das »ob« von uns gar nicht mehr in Frage gestellt wird.

Treffen wir die Entscheidung zur Wissenschaft als Beruf (Weber 2002 [1919]) gehört das verschriftlichen von generiertem Wissens zu unseren täglichen Aufgaben. Jedoch müssen nach Abschluss der Fertigstellung eines Artikels weitere Schritte durchlaufen werden, bevor er in einer wissenschaftlichen Zeitschrift publiziert werden kann.

Nach der Fertigstellung des Artikels ist vor dem Review Prozess – der lange Weg bis zur Veröffentlichung

Entscheiden wir uns dazu, unsere Forschungsergebnisse in Form eines Artikels zu publizieren, fällt meist schon vor Beginn des Schreibens die Ent-scheidung für ein bestimmtes Journal. Der Autor macht sich Gedanken, in welche Zeitschrift der Beitrag inhaltlich am besten passen könnte, um an den wissenschaftlichen Diskurs anzuknüpfen. Ist die Entscheidung gefallen, beginnt der Schreibprozess. Hierbei werden bereits die von den meisten Zeitschriften öffentlich bekannt gemachten Autorenhinweise beachtet, wie beispielsweise die maximale Länge eines Artikels, Hinweise zur Struktur oder dem Layout. Zudem versuchen die Autoren aktuelle Veröffentlichun-gen der jeweiliVeröffentlichun-gen Zeitschrift in die eiVeröffentlichun-gene Arbeit mit einzubeziehen, um zu zeigen, dass der Beitrag in die Zeitschrift passt, und dass man mit der aktuellen Literatur vertraut ist. Ist der Artikel bereit für die Begutachtung, muss er in anonymisierter Form an die Zeitschrift gesandt werden, da das Peer-Review-Verfahren in der Regel ohne gegenseitige Kenntnis der Autoren und Gutachter stattfindet. Je nach Zeitschrift findet direkt nach der Einsendung eine Vorbegutachtung durch die Herausgeber statt, oder aber der Artikel wird direkt an Experten aus dem jeweiligen Feld gesandt. Sie lesen den Artikel und schreiben ein kritisches Feedback mit einer Empfeh-lung zur Annahme oder Ablehnung des Beitrags. Diese EmpfehEmpfeh-lung wird oft in Abstufungen vorgenommen: angenommen, kleine Korrekturen, große Korrekturen, abgelehnt. Wird ein Artikel angenommen, meist mit Bitte um Korrekturen, erhalten die Autoren die Möglichkeit diesen zu überarbeiten und auf das Feedback der Gutachter einzugehen. Bevor das Manuskript zur zweiten Begutachtungsrunde versandt wird, verfassen die Autoren ein Ant-wortschreiben an die Gutachter, wo sie ihre Änderungen beschreiben, auf eventuelle Rückfragen eingehen und begründen, warum sie welche Ände-rungen vorgenommen haben. Begleitet wird das Schreiben oft von einem Brief an die Herausgeber der Zeitschrift. In manchen Fällen folgt eine zweite oder auch dritte Runde der Überarbeitung, bevor das Manuskript von den Herausgebern der Zeitschrift endgültig zur Veröffentlichung angenommen wird. Meist wird im Anschluss das Layout überarbeitet. Die Publikation erfolgt bei einigen Zeitschriften zunächst online, da der Druck einer Ausga-be Zeit in Anspruch nimmt und häufig Ausga-bereits viele Artikel auf die Veröf-fentlichung warten. Dieser Umstand und die zunehmende Belastung der wenigen zur Verfügung stehenden Gutachter führt dazu, dass bis zur Publi-kation eines Artikels in einer wissenschaftlichen Fachzeitschrift ein bis zwei

Jahre vergehen können. Hinzu kommen die direkten und indirekten Kosten, die zur Erstellung einer Publikation aufgewendet werden müssen: Personal-kosten, Apparaturen und Instrumente, Kosten für die Durchführung des Forschungsprojekts, Anschaffungskosten für Literatur, Reisekosten und vieles mehr.
Ein Zeitraum von zwei Jahren kann bei der Publikation aktuel-ler Forschungsergebnisse besonders in naturwissenschaftlichen und techni-schen Fächern mit einer hohen Weiterentwicklungsrate problematisch wer-den, da die Ergebnisse zum Zeitpunkt der Veröffentlichung teilweise schon als überholt angesehen werden müssen.

Die Auswüchse des langwierigen Peer-Review-Prozesses bis zur Veröf-fentlichung eines Artikels hat dazu geführt, dass neben den in den wissen-schaftlichen Gemeinschaften anerkannten Fachzeitschriften vermehrt On-linemagazine entstanden sind, die, getarnt unter dem Deckmantel der Serio-sität, Einladungen zur Veröffentlichung von Forschungsergebnissen an Wis-senschaftler per E-Mail verschicken. Einen Überblick über den schnell wachsenden Markt wissenschaftlicher Zeitschriften zu behalten wird beson-ders für den Nachwuchs immer schwieriger, da die Trennung zwischen renommierten Fachzeitschriften und den als »Räuberzeitschriften« (predatory journals) bezeichneten Journalen nicht immer gleich zu erkennen ist. Diese bestehen häufig lediglich aus einer Webseite und einem Briefkasten. In einem am 9. März 2017 erschienenen Artikel in der Wochenzeitung »Die Zeit« warnte Peter Weingart vor einer Zerstörung des Vertrauens in die Qualitätskontrolle der Wissenschaft durch solche Zeitschriften. Mit einer E-Mail, die lediglich hundert Mal den Satz »get me off your fucking mailing list«

enthielt, versuchte sich ein australischer Wissenschaftler aus dem E-Mail-Verteiler des International Journal of Advanced Computer Technology zu befreien und erhielt nur kurze Zeit später die Rückantwort, dass sein Text im Peer-Review-Verfahren der Zeitschrift als exzellent bewertet und zur Veröffent-lichung angenommen wurde (Spiewak 2017). Dieses anekdotische Beispiel zeigt eindrücklich die Schattenseiten der existierenden Industrie, die sich um den steigenden Veröffentlichungsdruck in der Wissenschaft gebildet hat.

Dieser kurze Abschnitt dient der Reflexion der eigenen Forschung und Eibettung des zu untersuchenden Gegenstands, Publikationen in wissen-schaftlichen Zeitschriften in den STEM+-Fächern, in den angewandten Kontext der Arbeit in Bezug auf den Alltag. Bevor die Struktur der folgen-den Kapitel vorgestellt wird, werfolgen-den im nächsten Abschnitt die Möglich-keiten und Grenzen dieser Arbeit durch eine kurze Zusammenfassung der wichtigsten Punkte der Einleitung aufgezeigt.

Im Dokument Hochschule und Gesell-schaft (Seite 30-35)