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2.3 Außerschulisches Sportsystem

2.3.1 Historische Entwicklung

Anhand des Jahrbuches des ÄGYPTISCHEN MINISTERIUMS FÜR JUGEND UND SPORT (2001, 39f) ist festzustellen, dass ägyptische Sporthistoriker einen Einfluss der politischen Verhältnisse in Ägypten auf den öffentlichen Sport konsta-tieren und deren Veränderungen mit der Zeit ganz ähnlich interprekonsta-tieren. Dies sei im Folgenden nachgezeichnet.

Obwohl das Nationale Olympische Komitee schon sehr früh gegründet wurde (s.u.), begann erst Ende der 30er Jahre ein wachsendes gesellschaftliches Inte-resse am Sport. Dies ergab sich durch die Einführung von Sportangeboten in Schulen, Universitäten, der Gründung vieler Sportvereine und vieler Sportverbän-de. In dieser Zeit wurden Sportplätze in verschiedenen Gegenden des Landes geschaffen und mit angemessenen Sportgeräten und Sportmitteln ausgestattet.

1934 wurde das Volkskomitee für Gymnastik gegründet, das für die Organisation der sportlichen Angelegenheit in Ägypten zuständig war. Außerdem wurden im Jahre 1937 mehrere sportliche Vereinigungen sowie Institutionen für die Ausbil-dung von Sportlehrern gegründet.

1951 organisierte Ägypten in Alexandria zum ersten Mal internationale Wettkämp-fe für die Länder des Mittelmeeres. Aus Ägypten stammte auch die Idee der Or-ganisation eines kontinentalen sportlichen Turniers für die Länder des afrikani-schen Kontinents. Obwohl bereits 1929 in Alexandria beschlossen, wurde die Idee eines afrikanischen Turniers erst 1965 verwirklichte; Austragungsort dieses Tur-niers war Brazzaville, die Hauptstadt Kongos (jetzt Zaire).

Einen erneuten Schub erhielt das Sportsystem durch die Juli-Revolution 1952.

Staatspräsident Gamal Abd el Nasser setzte eine neue Regierungspolitik um, die Veränderungen und Förderungen verschiedenster Bereiche als Folge der Unab-hängigkeitserklärung und Reformvorhaben anstrebte. Einer der betroffenen Berei-che war der Sport (vgl. ÄGYPTISCHES MINISTERIUM FÜR JUGEND UND SPORT, 1999, 11f). Der Nasserismus übte auch einen großen Einfluss auf andere nordafrikanische Länder wie Tunesien, Algerien und Marokko aus. Es wurden Sportplätze gebaut und Sporthochschulen errichtet. Aufgrund der sozialistisch ge-prägten Politik ergab sich aber auch eine enge Anbindung bzw. ein reger fachli-cher Austausch mit anderen sozialistischen Staaten wie der Sowjetunion. Der Sport hat in den Ländern, die diese Reformen durchgeführt haben, zur kulturellen Entwicklung beigetragen. Aus dieser Entwicklung ergab sich, dass in Ägypten vie-le neue Verwaltungsbeamte eingesetzt wurden, die für die verschiedenen Sport-spiele und sportliche Aktivitäten verantwortlich waren. Es folgte eine Erneuerung der Regeln sowie in den Mitteln des Trainings und in der Sportverwaltung.

1955 wurde dann der Hohe Rat für die Betreuung der Jugendlichen und die Sport-erziehung gegründet. Die ägyptischen Aktivitäten dehnten sich in der Folge regio-nal, kontinental und international aus. 1957 forderte Ägypten zum ersten Mal die afrikanischen Länder auf, die afrikanische Meisterschaft im Fußball auszurichten.

Das erste Turnier wurde im Februar 1957 in Khartum (Sudan) ausgerichtet. Das zweite Turnier fand 1959 in Kairo statt.

An den Daten wird ersichtlich, dass der Sport in Ägypten seit Beginn des zweiten Viertels des zwanzigsten Jahrhunderts bis in die sechziger Jahre eine erste Blüte erlebte, sodass die Kritiker des Sports diese Phase als die Goldene Epoche des

ägyptischen Sports bezeichnen, weil sie durch große sportlichen Aufführungen gekennzeichnet war und Ägypten internationales Gehör fand (vgl. ÄGYPTISCHES MINISTERIUM FÜR JUGEND UND SPORT, 1997, 24f).

Der Sport wird bis heute in Ägypten (und den meisten arabischsprachigen Län-dern) aber kaum professionell betrieben, sondern Sportler haben – mit Ausnahme erstklassiger Fußballer - lediglich Amateurstatus. Über die mit dem Sporttreiben verbundenen Wertvorstellung sich insgesamt feststellen: Sportlicher Erfolg gilt als erstrebenswert. Dies trifft insbesondere für internationale Wettkämpfe zu. In Ägyp-ten haben die SportarÄgyp-ten Fußball und Handball sogar eine eigene Fankultur aus-gebildet und das öffentliche Interesse ist hier auch für den nationalen Bereich sehr groß (z.B. während der Spielsaison Fernsehübertragungen etwa 2-3 Mal pro Wo-che).

Demgegenüber wird der Frauensport allerdings immer noch kritisch beäugt. Der kulturelle Hintergrund dafür – der Islam – ist aber nicht im eigentlichen Sinne sportfeindlich, sofern die islamischen Werte bei der Ausübung nicht verletzt wer-den (z.B. die Verhüllung der Frauen bei der Anwesenheit von Männern). Die Ein-gliederung von Frauen in den Sport ist bis heute noch nicht abgeschlossen und begann anfangs sehr zögerlich. 1936 wurde aber der erste Schritt getan, als die ersten zwei muslimischen Frauen offiziell an den Olympischen Spielen teilnah-men.

Obwohl der Leistungssport nun insgesamt von der Politik gefördert wird, wird dem allgemeinen Sporttreiben i.S. von Breiten- oder Freizeitsport von der Mehrheit der ägyptischen Bevölkerung immer noch eine geringe Bedeutung beigemessen. Er wird meist als Luxus betrachtet und ist kein fester Bestandteil der ägyptischen Freizeitkultur. Auch der Vereinssport genießt in Ägypten, das im Sport eine Vorrei-terrolle unter den arabischen Ländern einnimmt, lediglich eine marginale Bedeu-tung. Dies ist aber nicht nur auf die Sichtweise von Sport zurückzuführen (einseiti-ge Leistungsorientierung), sondern auch, weil die Mitgliedschaft in Sportvereinen vergleichsweise viel Geld kostet: Die Aufnahmegebühr beträgt mindestens 80,- €, was etwa vier durchschnittlichen Monatsgehältern entspricht; hinzu tritt ein jährli-cher Mitgliedsbeitrag von etwa einem halben Monatsgehalt. Weiterhin existieren nur wenige und vielfach schlecht ausgestattete Sportstätten. Der Vereinssport hat also keinen festen Platz im Leben der Bevölkerung, da der Übergang von den

vormals traditionellen Sportarten wie Bogenschießen, Speerspiele, Ringen und Reiten zu dem in Vereinen organisiertem Sport sich bisher noch nicht vollzogen hat (vgl. EL CHOULI, 1996a, 182f). Er wird – wenn überhaupt – von den gebilde-ten, wohlhabenden Schichten in den Städten ausgeübt, während er in den ländli-chen Gebieten kaum existiert (vgl. EL CHOULI, 1996b, 178f). Im Folgenden sei das außerschulische Sportsystem näher anhand seiner Struktur betrachtet.