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2.4 Der Deutsche Schäferhund

2.4.3 Herkunft und Entstehung

Hunde, deren Einsatzgebiet das Bewachen und Beschützen von Schafherden war, wurden bereits von altgriechischen bzw. altrömischen Schriftstellern wie Aristoteles, Columella, Varro, Maro oder Clumelle beschrieben (SCHNEIDER-LEYER 1966;

RÄBER 2001). Die Geschichte der Vorfahren der Schäferhunde reicht also weit zu-rück (ALDERTON 1996), sogar bis in die vorchristliche Zeit (SCHNEIDER-LEYER 1966).

In Deutschland finden sich die ersten Hinweise auf Schäferhunde im 7. Jahrhundert in den frühmittelalterlichen alemannischen Gesetzen, so etwa in der Lex Bajuvarium oder in der Lex Alemannorum (STREBEL 1905; RÄBER 2001). Hier heißt es: „Si quis canem pastoralem, qui lupum mordit et pecus exore ejus tollit, et clamor ad aliam vel ad tertiam villam currit, occiderit, cum tribus solidis componat.“, was in einer (freien) Übersetzung auf deutsch etwa wie folgt lautet: „Wenn jemand einen Schäfer-hund tötet, welcher imstande ist den Wolf zu würgen und ihm das Vieh zu entreißen (aus dem Maule zu reißen), welcher so laut bellt, dass man ihm bis zum andern oder dritten Gehöft hört, wird mit 3 Solidis (à 38 Mark) bestraft.“ (STREBEL 1905). Weitere Aufzeichnungen über Schäferhunde finden sich 1494 bei Crescentis, 1606 bei Gessner und 1701 bei Hohberg (STREBEL 1905; SCHNEIDER-LEYER 1966). In ihrer Gesamtheit sind Beschreibungen von Schäferhunden bis zum Ende des 19.

Jahrhunderts allerdings extrem rar und wenig aussagekräftig; sie stimmen zudem in ihrem Wortlaut oftmals stark überein. Es kann deswegen nicht ausgeschlossen wer-den, dass hier „einer kritiklos vom andern abschrieb“, was möglicherweise auch

„durch Jahrtausende zurückgeht“ und leider verschleiert, „ob tatsächlich die hier be-schriebenen Hunde auch bei uns vorkamen“ (STREBEL 1905).

Schäferhunde hatten ursprünglich als primäre Aufgabe die Bewachung und Verteidi-gung der Herde und der Hirten gegenüber Raubwild und (menschlichen) Dieben (ZELLER 1965; SCHNEIDER-LEYER 1966); erst als sekundäre Aufgaben stand ihnen das Zusammenhalten der Herde, das Verhindern der Absonderung einzelner Tiere und das Vorantreiben der Herde auf dem Weg zu den Weideplätzen zu (SCHNEIDER-LEYER 1966). Für diese Tätigkeit wurden generell „große, kräftige, schnelle und mutige Tiere“ (ZELLER 1965) genutzt, die sich durch Eigenschaften wie

„Kraft, Wachsamkeit und Angriffsfreudigkeit“ auszeichneten (SCHNEIDER-LEYER 1966). Zu einem gewissen Maße wurde jedoch bereits schon zu diesem Zeitpunkt Selektion betrieben: während stärkere Hunde für Großviehherden genutzt wurden, kamen bei Kleinviehherden (Schafe, Ziegen) kleinere und wendigere Hunde zum Einsatz (SCHNEIDER-LEYER 1966).

Etwa nach Ende des dreißigjährigen Krieges änderten sich, bedingt durch die Um-formung von Weideland zu Kulturland und die Ausrottung von Raubtieren wie Wolf, Luchs oder Bär, die Aufgaben der Schäferhunde (GRÄFIN VOM HAGEN 1935;

RÄBER 2001). Sie wurden nun dazu eingesetzt, die Herde innerhalb bestimmter Grenzen zu hüten und zu leiten und Schäden an Kulturflächen durch Betreten oder Abweiden durch die Tiere zu verhindern (ZELLER 1965; RÄBER 2001). Es erfolgte also eine Umstellung der Aufgaben des Schäferhundes vom schützenden und be-wachenden hin zum hütenden Hund (GRÄFIN VOM HAGEN 1935; SCHNEIDER-LEYER 1966). Dies spiegelte sich in der Entwicklung vom großen und wehrhaften Hund hin zum leichtfüßigen und leicht dressierbaren Hund wieder (KRICHLER 1905;

RÄBER 2001) und führte somit zu einer Veränderung sowohl des Aussehens wie auch der Eigenschaften der Schäferhunde. Diese Entwicklung, die auch in anderen Ländern Europas stattfand (GRÄFIN VOM HAGEN 1935), vollzog sich sicherlich nicht von heute auf morgen (RÄBER 2001), d. h. die erstgenannten Arbeitsgebiete gingen nicht gänzlich verloren (SCHNEIDER-LEYER 1966).

Zum Hüten geeignete Hunde waren damals überall vorhanden und mussten sicher-lich nicht erst gezüchtet werden (RÄBER 2001). Die Schäfer lasen aus den zahl-reichen zur Verfügung stehenden Hunden diejenigen aus, die ihnen dienlich waren (RÄBER 2001) und verwendeten sowohl große als auch kleine Hunde; maßgeblich für den Einsatz eines Hundes war dabei ausschließlich seine Tauglichkeit im Rah-men der Hütearbeit (CLARK u. BRACE 1995). Dass die Schäfer NachkomRah-men von Hunden, die sich als tauglich erwiesen hatten, bevorzugten, verstand sich von selbst (RÄBER 2001): „ … man wählte für die veränderte Dienstleistung des Schäferhundes überall unter der Masse rascherer Landhunde solche Exemplare aus, deren äußere Erscheinung eine besondere Befähigung für jenen besonderen Zweck in Aussicht stellte … Bewährte sich die Wahl solcher Exemplare … so suchte man dieselben mit

ähnlichen Typen zu paaren. Das ist der primitive Weg aller Rassenzüchtung.“

(BECKMANN 1894). Durch mehr oder weniger gezielte Zucht, vor allem auf Tauglichkeit zum Hüten und weniger auf äußere Merkmale, entstand eine Art Rasse (RÄBER 2001). Die äußerliche Uneinheitlichkeit der Schäferhunde – anfangs wollte man jede Haarform als besondere Rasse ansehen (STREBEL 1905) – beschrieb KRICHLER (1905) folgendermaßen „ … und tatsächlich ist auch heute noch der Rasseunterschied zwischen den Schäferhunden größer als bei irgendeiner anderen Rasse. Es wird langer Arbeit ernsthafter Züchter bedürfen, um in diese „Rasse“

einigermaßen einen einheitlichen Typ zu bringen“. Und auch BECKMANN (1984) erachtete es noch als rein unmöglich, einen einzigen Schäferhund züchten zu wollen;

es müssten, so meinte er, mindestens drei verschiedene Rassen aufgeführt werden.

Wie lange es letztlich dauerte, bis sich schließlich ein äußerlich einheitlicher Typ entwickelte, ist schwer zu sagen (RÄBER 2001); für diese Entwicklung wird ungefähr das 19. Jahrhundert angegeben (CLARK u. BRACE 1995).

Im Jahr 1882 tauchten die ersten zwei Deutschen Schäferhunde auf einer Er-scheinung hervorriefen“ (BECKMANN 1894). Bis zum Jahr 1899 wurden insgesamt nur zehn Hunde auf allen deutschen Ausstellungen gezeigt, was einen Bruchteil der Anzahl an Hunden anderer Rassen darstellt (SCHULTZ-ROTH 1974). Ursache hier-für mag das seinerzeit geringe Ansehen der Schäfer gewesen sein, das sie wegen ihrer als Teufelskunst verrufenen Arzneikunde und wegen der oft nebenbei be-triebenen „unehrlichen“ Abdeckerei genossen und das auch auf ihre Hunde über-tragen wurde (STREBEL 1905; SCHULTZ-ROTH 1974). Der Umstand, dass die Hunde sich praktisch alle im Besitz von Berufsschäfern befanden, mag die Rasse-zucht noch auf andere Art und Weise erschwert haben: „diese einfachen und unbe-mittelten Leute zeigten wenig Interesse an der Reinzucht ihrer Hunde, auch waren sie kaum zu bewegen, ihre Hunde zu einer Ausstellung oder Leistungsprüfung zu

bringen“; zudem ließen sie oft gerade die besten Rüden kastrieren, um zu ver-hindern, dass sie die Herde verlassen und einer läufigen Hündin nachlaufen (RÄBER 2001).

Der erste, der die Sache energisch in die Hand nahm, war Riechelmann. Ihm, und anschließend Wirth, ist es zu verdanken, dass die Schäferhunde nicht vollständig von der Bildfläche verschwanden. Allerdings ist es beiden nicht gelungen, den Schäferhund volkstümlich zu machen, sondern sie waren vor allem die ersten größe-ren Amateur-Züchter, die in erster Linie das noch vorhandene Material sammelten (STREBEL 1905). Als eigentlicher „Vater des deutschen Schäferhundes“, (SCHNEIDER-LEYER 1966; WILCOX u. WALKOWICZ 1991) d. h. Gründer dieser Hunderasse, gilt Max von Stephanitz. Ihm wird zugeschrieben, dem Deutschen Schäferhund einen steilen und einzigartigen Aufstieg beschert zu haben (SCHULZ-ROTH 1974; SWAROWSKY 1987; WILCOX u. WALKOWICZ 1991) und diese Hunderasse „in die ersten Reihen unserer bevorzugten Rassen gebracht zu haben“

(STREBEL 1905). Neben dem Einsatz als Hütehund wurde bereits sehr frühzeitig die Verwendung von Deutschen Schäferhunden bei Polizei und Militär angeregt (SCHULZ-ROTH 1974; WILCOX u. WALKOWICZ 1991; CLARK u. BRACE 1995).

Im Jahr 1891 gründeten C. Hahn und M. Büchelmann den kynologischen Verein

„Phylax“, der neben den Schäferhunden auch die Spitze betreute, die seinerzeit ebenfalls zu den Hütehunden gerechnet wurden (RÄBER 2001). Im selben Jahr wurde der erste Rassestandard verfasst (ALDERTON 1996). Im Jahr 1899 entstand schließlich der Verein für deutsche Schäferhunde (S. V.) (STREBEL 1905), der bis heute besteht (VEREIN FÜR DEUTSCHE SCHÄFERHUNDE e. V. 2005) und die größte Züchterorganisation für eine einzige Hunderasse auf der ganzen Welt ist (SCHULTZ-ROTH 1974). Seit Juni 2007 gibt es mit dem Schäferhundverein RSV2000 e. V. einen zweiten, von VDH und F. C. I. anerkannten Zuchtverein (SCHÄFERHUNDVEREIN RSV 2000 e. V. 2009).