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Herkunft und Lebenslauf beider Akteure bis 1951 1 Walter Janka

Im Dokument TATortund TATsache (Seite 193-196)

Walter Janka und Wolfgang Harich - Zwei Intellektuelle und die Macht in der Frühphase

2. Herkunft und Lebenslauf beider Akteure bis 1951 1 Walter Janka

Walter Janka, der Ältere von beiden, wurde 1914 in Chemnitz geboren. Über seine Herkunft schrieb Ludwig Renn 1955 an seinen Freund und Verleger Janka: „Du stammst aus einer wirklich proletarischen und dabei klassen-bewußten und politisierten Familie.“193

Jankas Vater war von Beruf Werkzeugschlosser und gehörte seit Anfang der 1920er Jahre der KPD an. Sein ältester Bruder saß ab 1932 für die KPD im Reichstag und wurde im April 1933 von der SS ermordet.194 Walter selbst absolvierte von 1928 bis 1932 eine Berufsausbildung zum Schriftsetzer und engagierte sich gleichzeitig bei der Kommunistischen Jugend.195 1933 wurde er der politische Leiter dieser Jugendorganisation der KPD in der Region Chemnitz/Erzgebirge. Nach der Machtübernahme der Nazis ging er in den Untergrund, wurde jedoch im Juni 1933 verhaftet. Es folgte seine Verur-teilung durch das Sondergericht Sachsen zu anderthalb Jahren Zuchthaus, die er in Bautzen absaß, und anschließender „Sicherheitsverwahrung“.196 Nach Verbüßung seiner Haftstrafe wurde Janka folglich in das Konzentrationslager Sachsenburg, nordöstlich von Chemnitz, gebracht.

Im Sommer 1935 erreichte seine Mutter seine Ausweisung in die CSR. Nach seinem Eintreffen in Prag nahm Janka Kontakt zur dortigen KPD-Exilleitung auf, doch schon bald kam es zu einer zunehmenden Entfremdung von den in der tschechoslowakischen Hauptstadt exilierten Genossen. Hauptgrund dafür war die bei diesen Emigranten weit verbreitete Idealisierung der Sowjetunion und die damit verbundene kritiklose Verehrung Stalins, die Janka abstieß, obschon er einräumte, damals wenig von bestimmten Vorgängen in der UdSSR wie Säuberungen und Schauprozessen gewußt zu haben.197 Ihren Ausdruck fand diese Distanzierung schließlich in Jankas Beitritt zum Jugendverband der KPTsch und darin, dass dieser ihn 1936 anstelle der KPD als Interbrigadist nach Spanien schickte.198 Nach seiner Ankunft dort nahm Janka zunächst als Soldat im Thälmann-, später in einem spanischen Bataillon am Bürgerkrieg teil. Dabei stieg er schließlich bis zum Dienstrang eines Majors der republikanischen spanischen Armee auf.199 Anfang 1939 überschritt er kurz vor Kriegsende mit seiner Einheit die Grenze nach Frankreich, wo er über zwei Jahre in verschiedenen Internierungslagern

193 zit. n. Rohrwasser: 1990, S. 117.

194 vgl. Janka : 1991, S. 28f

195 vgl. ebd., S. 20- 26.

196 vgl. ebd., S. 41- 54.

197 vgl. Marschall: 1994, S. 15 u. 18f.

198 vgl. ebd., S. 15, Fußnote 5.

199 Zu seinen Erlebnissen im Spanischen Bürgerkrieg vgl. Janka : 1991, S. 85- 172.

brachte.200 Der nach der französischen Niederlage 1940 drohenden Ausliefe-rung durch die Behörden des unter FühAusliefe-rung Marschall Pétains stehenden Rumpfstaates Etat français an Deutschland entging Walter Janka gemeinsam mit einigen anderen Internierten, darunter das Politbüromitglied der KPD Paul Merker, im August 1941 durch Flucht aus dem Lager Les Milles nach Marseille.201 Dort erhielt er wie eine Reihe weiterer Emigranten, insbeson-dere durch das Zusammenwirken des deutschen Kommunisten Willi Kreikemeyer, des örtlichen Vertreters der nordamerikanischen christlichen Hilfsorganisation Unitarian Service Commitee (USC), Noel Field und des mexikanischen Konsuls in der Stadt, Gilberto Bosques, schließlich das ret-tende Visum für Mexiko.202 Die folgende Flucht aus Europa ging über Oran in Algerien nach Casablanca, von wo aus die Gruppe um Janka per Schiff nach Veracruz an der mexikanischen Golfküste übersetzte.203 Im Dezember 1941 traf sie, zu der unter anderem auch Alexander Abusch, Steffi Spira und Leo Zuckermann gehörten, in Mexiko-Stadt ein.204 Im dortigen Exil, das verglichen mit dem in anderen Ländern große Freiheiten und Unterstützung von offizieller Seite genoß205, war Walter Janka Anfang 1942 an der Gründung der Bewegung Freies Deutschland (BFD), einer Organisation von Anti-Nazi-Emigranten, die neben anderen Aktivitäten eine eigene Zeitschrift in deutscher und spanischer Sprache herausgab, beteiligt206 und übernahm im Mai 1942 die Leitung des Exilverlages El Libro Libre (ELL)207. Bis zu dessen Auflösung 1946 erschienen dort sechsundzwanzig Titel, darunter namhafte Veröffentlichungen deutscher Emigranten wie Anna Seghers' "Das siebte Kreuz", Heinrich Manns "Lidice" und Theodor Pliviers

"Stalingrad".208 1947 kehrte Janka über die UdSSR nach Deutschland zurück.209 Zunächst übernahm er, gemäß Absprache, für ein Jahr die Stelle als persönlicher Mitarbeiter von SED-Politbüromitglied Paul Merker210, danach wirkte er bis 1950 als Generaldirektor der Filmgesellschaft DEFA.

200 vgl. ebd., S. 175- 183.

201 vgl. ebd., S. 183.

202 vgl. Kießling : 1998, S. 75.

203 Zur Flucht aus Frankreich und zur Überfahrt nach Mexiko im Einzelnen vgl. Janka: 1991, S. 185f u. Kießling: 1980, S. 222ff.

204 vgl. Kießling : 1980, S. 223.

205 vgl. Marschall: 1994, S. 19f.

206 vgl. Janka: 1991, S. 189.

207 vgl. ebd., S. 192. Allerdings beschränkte sich diese Tätigkeit Jankas v.a. auf organisatorische u. Verwaltungsaufgaben. Über Fragen des Verlagsprogramms entschied der Verlagsausschuss, dem neben Janka Anna Seghers, Ludwig Renn, Egon Erwin Kisch, Leo Katz, Paul Meyer u.

André Simone angehörten. -Vgl. Marschall: 1994, S. 23 u. 25.

208 Die vollständige Liste aller bei ELL veröffentlichter Bücher findet sich bei Kießling: 1980, S. 399ff.

209 vgl. Janka: 1991, S. 202- 7.

210 vgl. ebd., S. 209.

Am 1. Februar 1951 wurde er als Stellvertreter von Aufbau-Verlagsleiter Erich Wendt eingestellt.211 Damit begann seine mehr als fünfjährige Tätig-keit im bald bedeutendsten belletristischen Verlagshaus der DDR.

2.2 Wolfgang Harich

Wolfgang Harich erblickte 1923 in Königsberg das Licht der Welt. Im Gegensatz zu Walter Janka entstammte er einem bürgerlich-intellektuellen Milieu. Sein Vater Walter Harich war ein erfolgreicher Schriftsteller und Literaturhistoriker.212 Aufgewachsen ist Harich in Wuthenow bei Neuruppin und in Berlin, wohin seine Mutter mit ihm und seiner Schwester nach dem frühen Tod des Vaters 1932 schließlich zog. So besuchte Wolfgang zunächst in Neuruppin Volksschule und Gymnasium und setzte nach dem Umzug 1940 seine schulische Ausbildung in Berlin fort. Ein nicht unwesentlicher Grund für diesen Wohnort- und den damit verbundenen Schulwechsel waren jedoch die zunehmenden Probleme, die Harich aufgrund seiner politischen, von seiner humanistisch-pazifistischen Erziehung geprägten Anschauungen nach Hitlers Machtübernahme an den von ihm besuchten Bildungsein-richtungen hatte.213 Doch auch in Berlin, auf dem Wilmersdorfer Gymna-sium, endeten diese Schwierigkeiten nicht, so daß ihn seine Mutter schließlich auf eine Privatschule schickte. Hier führte seine kritische Aus-einandersetzung mit der Sichtweise der Nazis auf die deutschen Literatur in seinem Abituraufsatz zu Kleists „Herrmannsschlacht“ 1942 zum Schulver-weis und zur Verweigerung der Zulassung zum Abitur.214 Bereits davor besuchte Harich nebenher als Gasthörer an der Berliner Universität Vorlesungen bei Nicolai Hartmann215 und Eduard Spranger am Lehrstuhl für Philosophie.216

Einige Monate nach seinem Schulverweis erhielt Harich seine Einberufung zur Wehrmacht. 1943 desertierte er das erste Mal, wurde jedoch wenig später gefasst. Zu seinem Glück verurteilte ihn der Militärrichter nur wegen unerlaubter Entfernung von der Truppe zu Arrest. Als Deserteur hätte ihm die Todesstrafe gedroht.

Nach Verbüßung seiner Haftstrafe wurde er zeitweilig zur „Frontbewährung“

an die Ostfront geschickt. 1944 gelang ihm erneut die Desertion. Diesmal ging Harich in den Untergrund, er schloss sich der in Berlin tätigen Widerstandsgruppe „Onkel Emil“, die sich später in „ERNST“ umbenannte,

211

vgl. Janka : 1991, S. 221.

212 vgl. Prokop : 1997, S. 9.

213 vgl. ebd., S. 13f.

214 vgl. ebd., S. 14f.

215 Nicolai Hartmann (1882- 1950), stand ursprünglich dem Neukantianismus nahe, entwickelte später eine objektiv-idea1istische "Neue Ontologie", hatte starken Einfluss auf Wolfgang Harich.

vgl. Jung: 1999, S. 182 - 85.

216 vgl. Prokop : 1997, a.a.O.

an217. Dass ihr auch die Tochter des thailändischen Gesandten in Deutsch-land, mit der Harich bald eine Beziehung hatte, angehörte, eröffnete ihm die Möglichkeit für längere Zeit im Schutz der Botschaft dieses südostasia-tischen Landes unterzukommen und von dort aus die Aktivitäten der von ihm innerhalb von „ERNST“ geleiteten Untergruppe zu koordinieren. Genau dort machte ihn Wolfgang Leonhard nach der Befreiung, im Mai 1945 im Auftrag der „Gruppe Ulbricht“ ausfindig. 218 Ab 1945 war Harich unter anderem als persönlicher Referent des Präsidenten der Kammer der Kunstschaffenden, Paul Wegener 219, und bis 1948 als Theater- und Literaturkritiker mehrerer Zeitungen tätig.220 Anfang 1946 trat er der KPD bei, kurz vor ihrer Vereini-gung in der sowjetischen Besatzungszone (SBZ) mit der SPD im April jenes Jahres.221 Nachdem er im selben Jahr an der späteren Humboldt-Universität ein Studium der Literaturwissenschaft und Philosophie aufgenommen hatte, erwarb Harich 1947 in einer Sonderprüfung nachträglich die Hochschul-reife.222 Bereits ein Jahr später, noch während seines Studiums, trat Harich nach Absolvierung eines entsprechenden Lehrgangs eine Stelle als Lehrbe-auftragter an der Pädagogischen Fakultät der Humboldt-Universität an.223 1951 promovierte er zu Johann Gottfried Herder und übernahm eine Dozentur für Philosophiegeschichte an derselben Hochschule. Weiterhin beteiligte er sich im Folgejahr an der Gründung der Deutschen Zeitschrift für Philosophie, deren Chefredakteur er kurz darauf wurde, und übernahm erste Lektoratsarbeiten für den Aufbau-Verlag, wo er rasch zum Stellvertreter des Cheflektors Max Schroeder aufrückte.224

3. Die politische Situation Ende der 1940er/Anfang der 1950er Jahre

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