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Herausforderungen für Trainingsansätze im Schulkontext

4 Integration der Selbstregulationsförderung in den naturwissenschaftlichen

4.2 Herausforderungen für Trainingsansätze im Schulkontext

Die Wirksamkeit der in Kapitel 4.1 vorgestellten unterrichtsintegrierten Förderung selbstregulierten Lernens wurde in drei Schritten belegt (Labuhn, Bögeholz und Hasselhorn, 2008): Die Untersuchung liefert den statistisch abgesichterten Nachweis 1.) des Trainingsef-fektes auf die Selbstregulation, festgestellt im direkten Anschluss an die Intervention, 2.) des vergleichbaren fachbezogenen Lernergebnisses in Trainings- und Kontrollgruppe in der Phase der unterrichtsintegrierten Selbstregulationsförderung und 3.) des Lernvorteils der Trainings-gruppe in einer anschließenden neuen und von der Intervention unabhängigen Unterrichtsein-heit. Zwei weitere wichtige Belege für den Erfolg von Trainingsansätzen im Schulkontext stehen im Zusammenhang mit der dargestellten Studie noch aus und werden im vorliegenden Teilkapitel sowie in dem in Kapitel 4.3 vorgestellten empirischen Beitrag aufgegriffen:

1. Langfristige Wirksamkeit: Der praktische Nutzen unterrichtsintegrierter Ansätze ist erst dann wirklich gegeben, wenn nicht nur kurzfristige Effekte erzielt werden, sondern Selbst-regulationsfähigkeit und Lernerfolg dauerhaft gesteigert werden können.

2. Gewährleistung der Chancengleichheit: Förderung, die in der Schule ansetzt, sollte ge-währleisten, dass alle Teilnehmenden potenziell profitieren können und kein „Matthäusef-fekt“ verursacht wird. Unter Matthäuseffekt versteht man das in der pädagogisch-psychologischen Interventionsforschung häufig zu findende Ergebnismuster, dass die oh-nehin leistungsstarken Schüler(innen) mehr von den Fördermaßnahmen profitieren als die eher benachteiligten.

Langfristige Wirksamkeit der Selbstregulationsförderung

Zimmerman (1990) betont, dass langfristige Interventionseffekte nur zu erwarten seien, wenn die Förderung sowohl metakognitive als auch motivationale und behaviorale Komponenten der Selbstregulation berücksichtigt. Entsprechend dem Prinzip des reziproken Determinismus hat auch die Lernumwelt einen entscheidenden Einfluss darauf, ob einmal erworbenes Verhalten weiterhin gezeigt wird. Lernsituationen, die weniger stark strukturiert sind als der Kontext, in dem das Training stattgefunden hat, wirken häufig einer Aufrechter-haltung entgegen (Pajares, 2008). Mangelnde Unterstützung, z.B. in Form positiven Feed-backs, sowie fehlende Anwendungsgelegenheiten können dazu führen, dass in einem kurzfris-tig effektiven Training erworbene Selbstregulationsfähigkeiten auf längere Sicht nicht mehr umgesetzt und als Folge möglicherweise wieder aus dem Verhaltensrepertoire gelöscht

wer-den. Darüber hinaus spielen gemäß der sozial-kognitiven Perspektive soziale Einflüsse eine wichtige Rolle: Werden Inhalte des Trainings, wie z.B. Lern- und Selbstregulationsstrategien auch von anderen Schüler(inne)n angewandt und positiv bewertet, steigt die Wahrschein-lichkeit, dass sich ein solches Verhalten über einen längeren Zeitraum etabliert. Lernende dienen sich im günstigsten Falle gegenseitig als Verhaltensmodelle. Ohne die explizite Unter-stützung durch Lehrkräfte bedarf die Aufrechterhaltung des durch das Training gerade neu aufgebauten Verhaltens jedoch ausgeprägter Selbstregulationsfähigkeiten entsprechend den Niveaus der Selbstkontrolle oder Selbstregulation nach Zimmerman (2000).

Von den in Kapitel 3.2 erwähnten Trainings zur unterrichtsintegrierten Förderung selbstregulierten Lernens berichten Glaser und Brunstein (2007a, 2007b) sowie Souvignier und Mokleshgerami (2006) von zeitlich stabilen Effekten. Diese Resultate entsprechen der theoriebasierten Erwartung insofern, als dass in den Programmen die kombinierte Förderung metakognitiver, motivationaler und behavioraler Komponenten realisiert wird, auf deren Be-deutung Zimmerman (1990) hinweist. Im Hinblick auf langfristige Trainingseffekte auf die fachbezogene Leistung berichten Leopold, den Elzen-Rump und Leutner (2006) für die Förderung des selbstregulierten Einsatzes von Lern- und Textbearbeitungsstrategien im Rahmen des naturwissenschaftlichen Unterrichts (mit vorangehendem computerbasierten Training) ein bemerkenswertes Resultat: Der Unterschied zwischen Trainings- und Kontrollgruppe war im Posttest (Textverständnistest) im direkten Anschluss an das Training deutlich geringer (d = 0.07) als drei Monate später (d = 0.29). Im Vergleich zur Kontrollgruppe zeigten trainier-te Schüler(innen) zwar zunächst nur geringfügig bessere Leistungen, nach drei Monatrainier-ten je-doch eine deutlich bessere Behaltensleistung.

Die Evaluation von Traningsprogrammen im Schulkontext sollte aus zwei Gründen auch eine langfristige Überprüfung der Effekte beinhalten: Zum einen, weil durch den Nach-weis stabiler Interventionseffekte, insbesondere auf fachbezogene Leistungen, der Nutzen der Programme deutlich steigt und dadurch die Forderung nach einer Integration in den Schulall-tag empirisch untermauert wird. Zum anderen weisen Resultate wie das von Leopold, den Elzen-Rump und Leutner (2006) vorgelegte darauf hin, dass die Erhebung von Follow-up-Daten zu wichtigen Erkenntnissen hinsichtlich der Wirkmechanismen selbstregulierten Lernens führen kann. Für die in Kapitel 4.1 der vorliegenden Arbeit vorgestellte unterrichtsin-tegrierte Förderung wird daher in Kapitel 4.3 die noch ausstehende Klärung der langfristigen Wirkung (über ein Schulhalbjahr) vorgenommen.

Gewährleistung der Chancengleichheit

Die unterrichtsintegrierte Förderung selbstregulierten Lernens sollte so angelegt sein, dass alle Teilnehmenden profitieren und nicht bestimmte Subgruppen systematisch benachtei-ligt werden. Ein Matthäuseffekt sollte also nicht auftreten. Abbildung 4.2. zeigt ein hypotheti-sches Datenmuster als Beispiel für einen Matthäuseffekt: Obwohl der Mittelwert der Trai-ningsgruppe im Posttest über dem der Kontrollgruppe liegt (die Varianzanalyse hier also ei-nen signifikanten Effekt anzeigen dürfte), geht dieser Trainingseffekt lediglich auf den signi-fikanten Anstieg in der Teilgruppe der Schüler(innen) zurück, die schon im Prätest über aus-geprägte Fähigkeiten verfügen.

Abbildung 4.2. Beispiel für das Ergebnismuster eines Matthäuseffekts

Dieser nicht intendierte Nebeneffekt kann zum Beispiel aufgrund von Ausgangsunterschieden in den kognitiven Voraussetzungen oder in der Selbstregulationskompetenz der Lernenden auftreten, die sich differentiell auf die Verarbeitung der Trainingsinhalte auswirken. Zim-merman und Martinez-Pons (1990) berichten in einer vergleichenden Studie, dass leistungs-starke Schüler(innen) ausgeprägtere Selbstregulationsfähigkeiten und höhere Selbstwirkam-keitserwartungen zeigen als Schüler(innen) mit durchschnittlichem oder unterdurchschnittli-chem Leistungsvermögen. Legt man die sozial-kognitive Auffassung selbstregulierten Ler-nens als eine Interaktion aus personen-, verhaltens- und umweltbezogenen Prozessen zugrun-de, so zeigt die Analyse der Selbstregulationsstrategien der Schüler(inne)n, dass die leistungs-starken unter ihnen über adäquate Strategien zur Regulation aller drei Teilbereiche verfügen.

Darüber hinaus sprechen die Ergebnisse der differentiellen Studie dafür, dass

Selbstregulati-onsfähigkeiten und motivational günstige Selbstwirksamkeitserwartungen bei leistungsstar-ken Schüler(inne)n früher eine positive Entwicklung nehmen als bei Schüler(inne)n, die mit-telmäßige oder unterdurchschnittliche Schulleistungen erbringen. Wie sich solche Leistungs- und Selbstregulationsunterschiede jedoch auf die Wirkung einer Fördermaßnahme auswirken, bleibt noch zu klären.

Aufgrund des hohen Sprachanteils des unterrichtsintegrierten Förderansatzes könnte die Wirksamkeit der Selbstregulationsförderung auch zum Teil vom Migrationsstatus der Schüler(innen) abhängig sein. Jugendliche mit Migrationshintergrund kommen insgesamt betrachtet häufig aus Familien, die durch einen deutlich unterdurchschnittlichen sozioökono-mischen Status gekennzeichnet sind und in denen kaum oder gar kein Deutsch gesprochen wird (Prenzel et al., 2007). Aus Resultaten von PISA 2000 (Baumert et al., 2001) geht die Annahme hervor, dass sich sprachliche Defizite kumulativ in Sachfächern auswirken. Sprach-verständnisschwierigkeiten dürften damit den Lernprozess von Schüler(inne)n, die aufgrund ihrer kognitiven Kapazitäten eigentlich in der Lage wären, gute Leistungen zu zeigen, erheb-lich beeinträchtigen. Weiterhin sind Personen mit unzureichendem Leseverständnis in allen akademischen Bereichen in ihrem Kompetenzerwerb benachteiligt (Baumert et al., 2001).

Eine Konsequenz, die sich u.a. aus der Problematik von sprachlichen Defiziten ergibt, zeigte sich in PISA 2006: Im Bereich der naturwissenschaftlichen Kompetenz schnitten in Deutsch-land Jugendliche mit Migrationshintergrund deutlich schlechter ab als Jugendliche ohne Migrationshintergrund (Prenzel et al., 2007). Die in Kapitel 4.1 vorgestellte unterrichtsin-tegrierte Selbstregulationsförderung wurde in einer inunterrichtsin-tegrierten Gesamtschule realisiert, in der die Klassen sehr heterogen aus Schüler(inne)n mit unterschiedlichen Lernvoraussetzungen, Schulleistungsniveaus und sozialen Hintergründen zusammengesetzt sind und der durchschnittliche Migrant(inn)enanteil ca. 40% beträgt. Dieser Kontext unterstreicht die Relevanz der Überprüfung differentieller Trainingseffekte. Im folgenden Teilkapitel erfolgt daher über die langfristige Wirksamkeitsüberprüfung hinaus die empirische Klärung der Frage, ob alle Schüler(innen), unabhängig von ihren individuellen Voraussetzungen, von der Intervention profitieren.

4.3 Selbstregulationsförderung in einer Biologie-Unterrichtseinheit – langfristige und