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4 Integration der Selbstregulationsförderung in den naturwissenschaftlichen

4.1 Lernförderung durch Anregung der Selbstregulation im naturwissenschaftlichen

4.1.6 Diskussion

In der vorliegenden Studie wurde die Wirksamkeit einer in den Unterricht integrierten Anregung zum selbstregulierten Lernen untersucht. In einem ersten Schritt ging es dabei um die Frage, ob eine Unterrichtsvariante mit Selbstregulationsanregung spezifisch wirksam ist und zu einer Verbesserung der Selbstregulation führt.

Die Resultate des Prätest-Posttest-Vergleichs deuten insgesamt auf eine positive Wir-kung der Unterrichtsintervention hin. Der signifikante Interaktionseffekt auf der Gesamtskala spricht für einen Anstieg der Selbstregulation bei den Schüler(inne)n in der Trainingsgruppe.

Der tendenzielle Interaktionseffekt auf der Skala Selbstwirksamkeit sowie der signifikante Interaktionseffekt auf der Skala Lernstrategien weisen darauf hin, dass in diesen Bereichen ein Aufbau von Selbstregulation angestoßen wurde. Dennoch bleiben die Resultate leicht hin-ter unseren Erwartungen zurück: Die Effektstärken sind durchweg klein, und auf den Skalen Motivation und Selbstregulationsstrategien konnten nicht einmal kleine Effekte nachgewiesen

werden. Eine Erklärung könnte in der relativ kurzen Intervention liegen: In acht Unterrichts-stunden entfielen lediglich jeweils ca. 15 Minuten auf Selbstregulationsinhalte. Möglicher-weise hat diese begrenzte Zeit nicht ausgereicht, um die intendierten Inhalte mit der nötigen Intensität zu thematisieren. Besonders hinsichtlich der nicht festgestellten Veränderung auf der Skala Motivation vermuten wir, dass die Interventionszeit für eine positive Veränderung zu knapp bemessen war. So finden z.B. Schreblowski und Hasselhorn (2001) in einer explizit als Motivänderungsmaßnahme deklarierten Intervention nur sehr bedingt positive Verände-rungen. Sie begründen dies damit, dass für substanzielle Motivänderungen bei Jugendlichen mehr Zeit veranschlagt werden müsse, was wir auch im Bezug auf die vorliegende Studie für nachvollziehbar halten. Der tendenzielle Effekt auf der Skala Ziele geht lediglich auf eine Verschlechterung der Kontrollgruppe zurück, kann also nicht als erwartungsgemäße Verbes-serung der Trainingsgruppe gewertet werden. Das Resultat deutet ähnlich wie bei Perels, Gürtler und Schmitz (2005) darauf hin, dass die eher knappe Intervention für dieses Selbstre-gulationselement nicht ausreichend effektiv war. Zudem ist die Reliabilität dieser Skala in unserer Studie mit α = 0.49 nicht zufriedenstellend, so dass das Ergebnis ohnehin nur mit Vorbehalt interpretiert werden kann.

Eine weitere Beschränkung unserer Studie ist im Selbstaussageformat des Fragebo-gens zu sehen. Wir wählten diese Art der Messung aufgrund der ökonomischen Einsetzbarkeit (vgl. Spörer & Brundstein, 2006), die besonders für die Durchführung von Studien im Schul-kontext eine nicht zu unterschätzende Rolle spielt. Streng genommen kann jedoch auf diese Weise nicht das tatsächliche Regulationsverhalten gemessen werden, sondern lediglich die diesbezügliche Einschätzung der Schüler(innen) (vgl. Artelt, 1999, 2000). Artelt und Schell-has (1996) zeigen, dass nicht unbedingt von einem Zusammenhang zwischen dem selbst be-richteten Einsatz von Lernstrategien und deren tatsächlicher Anwendung ausgegangen werden kann. Möglicherweise verfügen Schüler(innen) zwar über das nötige Strategiewissen (und berichten durchaus auch von der Nutzung), jedoch sind sie nicht in der Lage, die Strategien in entsprechenden Situationen auch adäquat einzusetzen (Hasselhorn, 1992, 1996). Wird in der Trainingsgruppe nach der Intervention von einem stärkeren Gebrauch von Strategien und er-höhter Selbstregulation berichtet, so kann das durchaus auch auf das bei diesen Schü-ler(inne)n erhöhte Bewusstsein für das Thema Strategien zurückgehen, jedoch nicht unbe-dingt auf deren häufigere Nutzung. Es ist möglich, dass das in der Intervention erworbene Wissen das Antwortverhalten beeinflusst hat. Darüber hinaus kann im retrospektiven Selbst-bericht auch die Tendenz zu sozialer Erwünschtheit die Validität des Verfahrens gefährden.

Vor diesem Hintergrund sind die durch die Fragebogenmessung erhaltenen Ergebnisse

kri-tisch zu betrachten. Zukünftig wäre es wünschenswert, den Ansatz von Artelt (1999, 2000) aufzugreifen und die Messung durch handlungsnahe Analysen abzusichern.

Trotz der genannten Schwächen geben die Ergebnisse unseres Erachtens Anlass zu ei-ner optimistischen Betrachtung des hier vorgestellten Ansatzes, selbstreguliertes Lernen in Verknüpfung mit den jeweiligen fachlichen Inhalten in den naturwissenschaftlichen Unter-richt zu integrieren. In zukünftigen Studien zur unterUnter-richtsintegrierten Förderung selbstregu-lierten Lernens könnte der Frage, wie die im Unterrichtskontext dafür zur Verfügung stehende Zeit noch effektiver genutzt werden kann, zusätzliche Aufmerksamkeit gewidmet werden.

Unser Resultat steht im Einklang mit den Arbeiten von den Elzen-Rump und Leutner (2007) sowie Leopold, den Elzen-Rump und Leutner (2006), die ebenfalls Elemente selbstregulierten Lernens innerhalb des naturwissenschaftlichen Unterrichts förderten. Der von den Au-tor(inn)en realisierte Ansatz unterscheidet sich von dem der vorliegenden Studie jedoch hin-sichtlich der Herangehensweise und der Auswahl der Trainingselemente. Wir entwickelten gemeinsam mit den Lehrkräften eine Unterrichtseinheit und bezogen in die Intervention eine große Bandbreite an Selbstregulationsfacetten ein. Es kann bezüglich dieser breit angelegten Auswahl an Trainingsinhalten argumentiert werden, dass ein solches Vorgehen zuungunsten einer fokussierten Förderung einzelner Strategien geht. Das von uns verfolgte Ziel war es je-doch, einen großen Teil des im oben beschriebenen Modell (Zimmerman, 2000) abgebildeten Selbstregulationsprozesses mit Trainingselementen abzudecken (vgl. Perels, Gürtler &

Schmitz, 2005). In zukünftigen Studien wäre zu ermitteln, welche dieser Komponenten sich besonders gut für die Integration in den Fachunterricht eignen und Effekte erzielen, so dass die Förderung straffer und fokussierter gestaltet werden könnte. Besonders im Hinblick auf die Vereinbarkeit von Fachunterricht und fächerübergreifender Lernförderung wäre das ein relevantes Ziel.

Unsere zweite Frage bezog sich auf die Auswirkungen der Selbstregulationsanregun-gen auf schulisches Lernen. Ein wichtiges AnlieSelbstregulationsanregun-gen bestand darin zu gewährleisten, dass die Einbindung von Komponenten der Selbstregulationsförderung in den Unterricht nicht zu ge-ringeren fachbezogenen Lernleistungen führt. Zu einem solchen negativen Nebeneffekt könn-te es kommen, da a) weniger Zeit für fachliches Lernen zur Verfügung skönn-teht, b) der Neu-heitswert der Selbstregulationselemente zu Lasten der Konzentration auf fachbezogene Inhal-te gehen kann und c) in der Phase des Erwerbs neuer StraInhal-tegien die Leistungen kurzfristig absinken können (Hasselhorn & Gold, 2006, S. 97ff.). Die Resultate des lehrzielorientierten Tests im direkten Anschluss an die erste Unterrichtseinheit (Posttest I) zeigen jedoch, dass

voneinander unterscheiden. Wir werten diesen Befund dahingehend, dass die Anregung zur Selbstregulation nicht zuviel Unterrichtszeit beansprucht, gut in den Fachunterricht integrier-bar ist und nicht vom Erwerb des relevanten Fachwissens ablenkt. Es ist zu vermuten, dass Anregungen dieser Art zu einer zusätzlichen Strukturierung der Unterrichtsstunden und zu fokussierter Arbeitsweise seitens der Lehrer(innen) sowie der Schüler(innen) geführt hat, die den Zeiteinsatz zu kompensieren vermochten.

Mit dem Nachweis der insgesamt erfolgreichen Selbstregulationsförderung war die Voraussetzung dafür erfüllt, dass die Frage nach dem Effekt der Intervention auf die Lernleis-tung in einem neuen Themengebiet sinnvoll prüfbar ist. Wir verglichen daher die LeisLernleis-tungen der beiden Gruppen im lehrzielorientierten Test, der sich auf die Inhalte der zweiten Unter-richtseinheit bezog. Hier konnte ein Vorteil der Trainingsgruppe nachgewiesen werden. Nach Abschluss der Unterrichtsvariante mit Selbstregulationsanregung kam es bei den Schü-ler(inne)n offenbar zu einem erfolgreichen Lernverlauf. Wir bewerten die hier dargestellte Intervention insgesamt als erfolgreich, da gezeigt werden konnte, dass die unterrichtsinteg-rierte Förderung in enger Kooperation mit Lehrkräften zu realisieren ist, es nicht zu fachbezo-genen Leistungseinbußen kommt und die trainierten Schüler(innen) auch beim Lernen in ei-nem neuen Themengebiet von den erworbenen Lernkompetenzen profitieren. Unser Ergebnis unterstützt die aus der Studie von Souvignier und Antoniou (2007) hervorgehende Implikati-on, dass eine kooperative Arbeitsweise von Wissenschaftler(inne)n und Lehrer(inne)n ein wichtiges Kriterium für den Erfolg innovativer Unterrichtsansätze darstellt. Wenngleich die-ser Aspekt keiner expliziten Testung unterzogen wurde, spiegelt er undie-sere positive Erfahrung wider. Diesem Punkt sollte in Zukunft verstärkt Bedeutung beigemessen werden. Es wäre wünschenswert, derartige Projekte einer wissenschaftlichen Evaluation zugänglich zu ma-chen. In diesem Zuge erachten wir es weiterführend als sinnvoll zu untersuchen, ob differen-tielle Trainingseffekte entstehen. Eine Förderung, die in der Schule ansetzt, sollte gewährleis-ten, dass alle Teilnehmenden potenziell profitieren können und kein „Matthäuseffekt“ verur-sacht wird. Dieser in der pädagogisch-psychologischen Interventionsforschung häufig zu fin-dende Effekt geht darauf zurück, dass die ohnehin leistungsstarken Schüler(innen) mehr von den Fördermaßnahmen profitieren als die als die eher benachteiligten. Ein solcher ungünstiger Nebeneffekt kann zum Beispiel aufgrund des hohen Sprachanteils des Programms oder unter-schiedlicher motivationaler Voraussetzungen der Lernenden auftreten.

Die aus unserer Studie abzuleitenden Aussagen unterliegen selbstverständlich neben den bereits thematisierten methodischen einer Reihe von generellen Beschränkungen. So fand die Intervention in nur einer Schule statt, so dass die positiven Effekte zum Teil auch auf das

gute Arbeitsklima, die Aufgeschlossenheit der Lehrer(innen) und die Unterstützung durch die Schulleitung zurückgeführt werden können. Dies sind vergleichsweise ideale Umstände, was aber auch zeigt, dass unser Ansatz beim Vorliegen guter Rahmenbedingungen erfolgreich realisiert werden kann. Darüber hinaus war es aus praktischen Gründen und unter Berücksich-tigung schulischer Alltagsbedingungen nicht möglich eine randomisierte Gruppenzuweisung vorzunehmen. Da wir jedoch zeigen konnten, dass sich die Gruppen nicht hinsichtlich ihres Ausgangsniveaus in den untersuchten abhängigen Variablen unterschieden, halten wir dies für akzeptabel. Für ein solches Vorgehen spricht, dass die Intervention ohne jegliche Verände-rung der Zusammensetzung der Klassen in den Schulalltag eingebettet werden konnte. Die hier vorgestellte Studie ist für den Ansatz einer unterrichtsintegrierten Forschung im Bereich von Selbstregulation, Lernstrategien und Motivation ermutigend. Eine Weiterentwicklung unter Einbeziehung von für die Unterrichtsgestaltung relevanten Fragen erachten wir als viel-versprechend.