• Keine Ergebnisse gefunden

wirtschaftliche Schwerpunktsetzung

5 Mitteldeutsches Revier

5.5 Handlungsfeld Tourismus

Das touristische Potenzial im Mitteldeutschen Revier ist bereits gut erschlossen. Nach Aussage der Experten gibt es insgesamt ein Potenzial für 63.000 Vollbeschäftigtenäquivalente im Tour-ismus im Mitteldeutschen Revier (Interview: IHK LEIPZIG). Der Tourismus leistet bereits heute einen Beitrag von 5,1 % zum relativen Primäreinkommen und ist ausbaubar (Interview: IHK LEIPZIG). Die Leipziger Neuseelandschaft, die als Nachfolge-nutzung von Tagebaugebieten entstanden ist, ist ein nennens-wertes Beispiel von einer erfolgreichen touristischen Erschließung.

Es gibt einen Tourismusverein Leipziger Neuseeland, der die Freizeitaktivitäten in den einzigartigen Wasserlandschaften rund um Leipzig bewirbt. Im Mai 2015 unterzeichneten die Landräte der Landkreise Leipzig und Nordsachsen sowie der

Oberbürger-meister der Stadt Leipzig die Charta Leipziger Neuseeland für eine nachhaltige Zukunftsstrategie des Erholungsraumes (LEIPZIGER NEUSEENLAND 2017). Das unterstreicht die Bedeutung von Leipziger Neuseeland für den Tourismus und die Lebensqualität in der Region. Zusätzlich gibt es eine Steuerungsgruppe Seenland-schaft: diese besteht aus mehreren Arbeitsgruppen. Die AG Standortentwicklung wird von der IHK Leipzig geleitet. Sie kümmert sich um rechtliche Grundlagen für Unternehmens-ansiedlungen (runde Tische mit Ministerien etc.). Von der

sachsen-anhaltinischen Seite wird das touristische Angebot um die Seenlandschaft Goitzsche und Geiseltalsee ergänzt. Im Alten-burger Land in Thüringen gibt es zudem Angebote zur historischen Erkundung der Braunkohlereviere bspw. auf dem Radweg. Die be-stehenden Kompetenzen für das Handlungsfeld Tourismus ergeben sich zum einen aus den bestehenden Organisationen und zum anderen aus dem landschaftlichen Angebot in der Region. Im Norden des Reviers sind die Seen eher naturbelassen, zum Teil gehört das Gebiet zu Naturschutzgebieten und ist allenfalls für Vogelbeobachtungen o.ä. zugelassen. Der Süden des Reviers soll intensiver touristisch genutzt werden (Interview: IHK LEIPZIG). Auf der sächsischen Seite wird vermehrt das Potenzial von Aktiv-tourismus und WasserAktiv-tourismus in unmittelbarer Stadtnähe (zu Leipzig) ausgeschöpft, Sachsen-Anhalt hingegen lädt mit einem breiten Kultur- und Weinbauangebot ein. Wichtige Ziele des Handlungsfeldes Tourismus sind die bessere Vernetzung der touristischen Angebote und deren Vermarktung zu erreichen, aber auch die Identität innerhalb der Region zu verbessern (Interviews: METROPOLREGION MITTELDEUTSCHLAND GMBH, LANDKREIS BURGENLANDKREIS). Durch die Rekul-tivierungsmaßnahmen, die bei der Erschließung von touristischen Gebieten notwendig sind, wird das Landschaftsbild aufgewertet.

Damit weist das Handlungsfeld eine gute Qualität des Trans-formationsprozesses auf. Durch den Konsum der Touristen im Revier kann neue Wertschöpfung in der Region generiert werden.

Der Vorteil des Standortes ist die Lage zwischen Natur und Stadt,

sodass Touristen Stadttourismus sowie Sport- und Naturtourismus mit einer Reise verbinden könnten. Dies erhöht die Aufenthalts-dauer und damit die mögliche Wertschöpfung (Interview: IHK LEIPZIG). Generell ist das gewerbliche Angebot im Leipziger Neuseenland, insbesondere in Stadtnähe, deutlich stärker ausge-prägt als auf der sachsen-anhaltinischen Seite. Gewerbliche Inves-titionen in der Seenlandschaft Goitzsche nehmen erst seit wenigen Jahren zu. Das Gastgewerbe ist noch ausbaufähig (MW SACHS-EN-ANHALT). Je nach Investitionen in das Gastgewerbe im grö-ßerem Umfang und nach Länge der Aufenthaltsdauer sind positive Beschäftigungseffekte realistisch. Bis dahin ist das Handlungsfeld als synergetische Verstärkung zu anderen Handlungsfeldern zu verstehen, da eine wohnortnahe Erholung sich als weicher Stand-ortfaktor auf andere Branchen positiv auswirken kann.

Infrastruktur und Flächenbereitstellung

Für eine bessere Erreichbarkeit der Orte innerhalb der Region für Touristen wird ein weiterer Ausbau der ÖPNV-Netze als notwendig angesehen (Interview: METROPOLREGION MITTELDEUTSCH-LAND GMBH). Das Mitteldeutsche S-Bahn-Netz soll dafür ausgebaut werden, insbesondere auf der Strecke Gera-Leipzig.

Da in Sachsen-Anhalt, im Gegensatz zu Sachsen, vorranging solitäre Seen vorhanden sind, wird in Sachsen-Anhalt ein großer Wert auf die Vernetzung der begleitenden Infrastruktur (Radwege) gelegt (MW SACHSEN-ANHALT).

Im Mitteldeutschen Revier bestehen Ideen, ein vernetztes Seensystem zu erzeugen. Dabei würden die neuen Seen mit bestehenden Fließgewässern verbunden, um die entstandenen Wasserstraßen zum Wasserwandern nutzen zu können. So könnte ein 200 km langes Gewässernetz im Mitteldeutschen Revier entstehen (Interview: IHK LEIPZIG).

Die Finanzierung der Rekultivierungsmaßnahmen der

Tagebauflächen muss im Mitteldeutschen Revier, genauso wie im Lausitzer Revier, gewährleistet werden. Probleme im Bereich der Rekultivierung der Tagebauflächen können negative

Aus-wirkungen auf die touristische Nutzung der Landschaft haben (Interviews: REGIONALER PLANUNGSVERBAND LEIPZIG-WESTSACHSEN, IHK LEIPZIG, IHK HALLE-DESSAU).

Es wurde außerdem auf Versauerung von Gewässern durch eisenhaltiges Gestein hingewiesen. Dieses wird beim Braunkohle-abbau ausgespült. Das Versauern von Gewässern äußert sich dann durch eine braune Verfärbung der Flüsse. An der Braunen Spree und der Pleiße laufen bereits Maßnahmen um die Ver-sauerung rückgängig zu machen (z.B. durch Pflanzen oder bestimmte Wasserführungen). Da die Versauerung aquatische Flora und Fauna negativ beeinflussen kann, werden für die Projekte zur Bekämpfung der Versauerung (Förder-)Gelder benötigt (Interview: IHK LEIPZIG).

Gründungsförderung und Beschäftigung

Die rechtlichen Rahmenbedingungen in manchen Tourismus-bereichen (z.B. Wassertourismus) stellen momentan noch eine Hürde für Touristik-Betriebe dar. Manche Regelungen wurden noch nicht entsprechend angepasst und die Betriebe befürchten häufig noch kurzfristige Änderungen (Interview: IHK LEIPZIG). Die rechtlichen Rahmenbedingungen in dem Bereich sollten klar und verlässlich definiert sein, damit für die Unternehmen Planungs-sicherheit hergestellt werden kann. Nur so können die erhofften Beschäftigungseffekte in diesem Handlungsfeld vollständig ausgeschöpft werden.

5.6 Weitere Handlungsfelder

Ernährungswirtschaft

Die Ernährungswirtschaft ergänzt das Branchenportfolio im Mittel-deutschen Revier. Unternehmen wie die Sektkellerei Rotkäpp-chen, Südzucker und Leckermäulchen haben dort ihren Sitz. In Sachsen waren im Jahr 2013 über 40.000 Erwerbstätige in der Ernährungswirtschaft beschäftigt und die Branche gehörte zu den umsatzstärksten innerhalb des sächsischen Verarbeitenden Gewerbes mit anteilsmäßig 10 % Umsatz (SMUL 2013). Auch in Sachsen-Anhalt ist die Ernährungswirtschaft die umsatzstärkste Branche innerhalb des verarbeitenden Gewerbes mit über 20.000 Beschäftigten (MW SACHSEN-ANHALT 2016). Damit sind im Mitteldeutschen Revier Kompetenzen in der Ernährungswirtschaft vorhanden. Der Exportanteil der Ernährungswirtschaft in

Sachsen-Anhalt entspricht 15,2 % vom Gesamtumsatz, in Sachsen 10,6 %. Beliebte Absatzmärkte für Lebensmittel aus Mitteldeutschland sind Polen, Italien, die Niederlande und die Tschechische Republik. Innerhalb der Ernährungswirtschaft sind Synergien zur chemischen Industrie und Landwirtschaft denkbar.

Die Interviewpartner haben die Bedeutung von Ernährungs-wirtschaft als eine bereits bestehende Industrie, die ausbaufähig ist, betont. Jedoch lassen sich Beschäftigungspotenziale der Ernährungswirtschaft im Mitteldeutschen Revier nur schwer abschätzen. Das sächsische Staatsministerium für Umwelt und Landwirtschaft macht darauf aufmerksam, dass sich der Sektor gegenwärtig einigen Herausforderungen stellen muss, die die positive Weiterentwicklung der Ernährungswirtschaft und damit die positive Entwicklung der Beschäftigtenzahlen beeinträchtigen.

Hohe Energiepreise, Rohstoffsicherung und nicht zuletzt die Gewinnung von qualifiziertem Nachwuchs verschärfen die Wett-bewerbsbedingungen und Marktverhältnisse dieser Branche. Die Ernährungsbranche hat einen hohen Energiebedarf (bspw. zur Kühlung), daher ist auch für diese Branche eine energetische Versorgungssicherheit notwendig. Staatliche Unterstützung für notwenige Anpassungen an veränderte Marktverhältnisse wird auch zukünftig notwendig sein (SMUL 2013). Bei einem ver-stärkten Ausbau der Erneuerbaren Energiequellen stehen außerdem Agrarflächen in Konkurrenz mit Energieflächen (insbesondere für Solar- und Biogasanlagen).

Mit wettbewerbsfördernden Maßnahmen in besonders viel-versprechenden Bereichen der Ernährungswirtschaft, kann das Potenzial von diesem Handlungsfeld ausgebaut werden. Die Ernährungswirtschaft bietet Synergiepotenzial zum Tourismus, so kann das touristische Angebot mit regionaler kulinarischer Vielfalt erweitern. Im Burgenlandkreis gibt es dazu bereits die ersten An-sätze in Verbindung mit dem Weinbau. Die Landwirtschaft kann

außerdem über den Wirtschaftszweig Agrobusiness Teil der Kreis-laufwirtschaft (Rohstoffe, Energie, Abfall) werden.

Innovationsfähigkeit

Im Bereich der Forschung wurde ein Vorhaben im Burgenlandkreis erwähnt. Dort wird in Betracht gezogen, die Unternehmen mit Bildungseinrichtungen zu verbinden. Zusätzlich soll eine Fach-hochschule für Lebensmitteltechnologie etabliert werden und später eine Betriebsakademie für duale Ausbildung entstehen (zusammen mit HS Anhalt Bitterfeld für Ernährungsfragen).

IT-Dienstleistungen

In Gesprächen mit Experten fielen stellenweise Vorhaben zu Industrieforschung, bspw. 3D-Druck an der HS Merseburg. Die Metropolregion Mitteldeutschland erwartet ein Wachstum der HS Merseburg als Resultat der immer stärker frequentierten Univer-sität Leipzig. Die Stadt Leipzig als florierender Ballungsraum kann Wachstumspotenzial insbesondere im Bereich der IT-Dienstleis-tungen bieten. Laut dem Prognos Digitalisierungskompass lag der Anteil der digitalen Impulsgeber an der Gesamtbeschäftigung im Jahr 2015 bei 8,12 % und die Stadt Leipzig somit in der Gesamt-bewertung auf einem guten Rang (Rang 66 von 402 Kreisen, „gute Chancen“) (PROGNOS 2016).

5.7 Handlungsfeldübergreifende Instrumente

Neben den handlungsfeldspezifischen Instrumenten, die weiter oben aufgeführt wurden, gibt es im Mitteldeutschen Revier Bedarf an Maßnahmen, die alle Handlungsfelder betreffen.

Infrastruktur und Flächenbereitstellung

Für eine bessere Erschließung der ländlichen Räume fördert das Land Sachsen-Anhalt den Aufbau einer intermodalen Mobilitäts-plattform für den ÖPNV und Individualverkehr. Die Plattform soll den Verkehrsteilnehmer durch verkehrsträger-übergreifende Echtzeitinformationen Planbarkeit und Anschlusssicherung ermöglichen (MW SACHSEN-ANHALT 2014:55). Darauf auf-bauend existiert ein von der NASA GmbH betriebenes Projekt

„Grüne Mobilitätskette“, welches auf die Mobilitätsbedürfnisse von Kunden der Elektromobilität in Mitteldeutschland abzielt. Mit-hilfe der „Grünen Mobilitätskette“ sollen Ladesäulen für Elektro-fahrzeuge, öffentliche Verkehrsmittel und Car-Sharing-Angebote optimal verknüpft werden (NASA 2017). In Leipzig wurde bereits ein hervorragendes Ergebnis hinsichtlich innovativer Angebote und Lösungen im Öffentlichen Personennahverkehr erreicht. Die App

„Leipzig Mobil“ befriedigt das wachsende Bedürfnis nach flexibler und intermodaler Mobilität der ÖPNV-Nutzer im Leipziger Raum und bietet gute Anknüpfungspunkte für andere Ballungszentren, wie z.B. Halle (HASSE, HEINRICHS 2017).

Gründerförderung und Beschäftigung

Das Mitteldeutsche Revier verteilt sich über drei Bundesländer, manche Wirtschaftsräume liegen dabei nahe an Ländergrenzen (z.B. Leipzig). Damit Wirtschaftsräume und darin angesiedelte Unternehmen ungehindert wachsen können und sich über die Ländergrenzen erstrecken, sind harmonisierte rechtliche Rahmenbedingungen notwendig (bspw. bei Gewerbegebieten die sich über sächsische und sachsen-anhaltische Gemeinden erstrecken) (Interview: IHK LEIPZIG).

Humankapital

Das Mitteldeutsche Revier verfügt über Hochschulen in Halle (Saale) und Leipzig, aber auch die Nähe zu den Hochschul-standorten Magdeburg, Dresden und Berlin zeugt von einem soliden Zugang zu qualifizierten Fachkräften. Jedoch wird in beiden Bundesländern in den kommenden Jahren ein massiver Bevölkerungsrückgang stattfinden. Bis 2035 wird im Mittel-deutschen Revier voraussichtlich die Bevölkerung um -0,7% p.a.

zurückgehen (im Vergleich zum Bund: -0,2% p.a.) (RWI

2018:152). Dadurch wird die Anzahl der Erwerbstätigen langfristig auch sinken (Interview: METROPOLREGION MITTELDEUTSCH-LAND GMBH). Um dieser Entwicklung entgegen zu wirken, müssen nicht nur neue Arbeitsplätze in traditionellen und neuen

Technologiebranchen entstehen, sondern auch die Attraktivität der Region gesteigert werden.

Im Bereich des Braunkohle-Abbaus und der Braunkohle-Veredlung waren zu DDR-Zeiten rd. 50.000 Menschen im Mitteldeutschen Revier beschäftigt. Heutzutage sind es noch etwa 2.500. Die Beschäftigten haben ein technisches Grundverständnis und sind mit Umschulungsmaßnahmen – mit allen Einschränkungen – in anderen Bereichen im Revier einsetzbar. Diese Umschulungs-maßnahmen sind voranzutreiben (Interview: IHK LEIPZIG).

Im Mitteldeutschen Revier lag der Anteil an Schulabgängern ohne Schulabschluss zwischen 2011 und 2013 bei insgesamt 12 % (RWI 2018:146). Um die Wettbewerbsfähigkeit der Region zu gewährleisten, müssen Maßnahmen ergriffen werden, die die Schulabbrecher-Quote reduzieren. Nur dann entsteht in der Region qualifiziertes Humankapital.

Weiche Standortfaktoren und Daseinsvorsorge

Aufgrund des demografischen Wandels sind weiche Standortfak-toren im Revier von großer Bedeutung, um die Attraktivität für Un-ternehmen und Bevölkerung zu steigern. Als ein positives Beispiel für gelungene Maßnahmen zur höheren Lebensqualität kann der Süden Leipzigs angesehen werden, wo der Wandel von einer Bergbauregion zu einem Gewerbe- und Erholungsgebiet bereits Anfang der 1990er Jahre begann. Dort setzte man auf einen Strategiemix aus Tourismus, Freizeit, Wohnen und Wirtschaft.

Die Verantwortlichen in der Region Leipzigs erkannten, dass für einen erfolgreichen Strukturwandel mehrere Faktoren angepasst und verbessert werden müssen (KOMPETENZZENTRUM

ÖFFENTLICHE WIRTSCHAFT E.V. 2015:41). Das Vorhandensein eines starken Ballungszentrums kann sich positiv auf die um-liegenden Kreise auswirken, es müssen jedoch Maßnahmen ergriffen werden, damit die umliegenden und ländlichen Räume nicht abgehängt werden. Unternehmen, die Braunkohle fördern (insbesondere MIBRAG und Romonta), engagieren sich vermehrt im Mitteldeutschen Revier, um die negativen Auswirkungen des Strukturwandels aufzufangen. MIBRAG fördert bspw. sportliche, kulturelle und soziale Initiativen (DEBRIV 2015:43; ISW 2015:42). Während MIBRAG sich vorrangig für Jugendinitiativen engagiert, ist Romonta auch in Projekten zur nachhaltigen Entwicklung des Industriestandortes Amsdorf oder

Umweltschutzprojekten involviert (ISW 2015:42).

Die Formulierung „Mitteldeutsches Revier“ ist kein fest definierter Begriff und keine Marke, zu dem sich die Menschen zugehörig fühlen. Maßnahmen für Regionalmarketing sind zu fördern. Das Regionalmarketing sollte sowohl die Verwaltung des Reviers ansprechen (Zusammenarbeit der drei Bundesländer), als auch die Wirtschaft (Unternehmen im Revier vernetzen) und die Einwohner selbst.