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wirtschaftliche Schwerpunktsetzung

7 Gesamtbewertung, Erkenntnisse und Handlungsempfehlungen

7.2 Bedeutung der unterschiedlichen Instrumente

7.2.3 Gründungsförderung und Beschäftigung

Die Handlungsansätze des Instruments „Gründungsförderung und Beschäftigung“ stehen unmittelbar mit den zuvor beschriebenen Instrumenten in Verbindung. Beschäftigung entsteht durch

Expansion von bestehenden Unternehmen, durch die Attrahierung neuer Unternehmen oder der Gründung von Unternehmen. Die Strukturdaten des RWI zeigen, dass in allen Revieren die Gründungsintensität unter dem Bundesschnitt liegt. Dies gilt sowohl für die Gründungen insgesamt als auch für Gründungen von technologieintensiven Dienstleistern (RWI 2018). Die Zahl der Gründungen ist in den Kerngebieten der Reviere jeweils

besonders niedrig. Insofern ist der Einsatz von Instrumenten zur Steigerung der Gründungstätigkeit in allen Revieren

anzuraten. Die Möglichkeiten Hightech-Gründungen zu ge-nerieren zwischen den Revieren unterschiedlich. Das Rheinische Revier ist dabei durch Aachen und die Nähe zu den innovations-starken rheinischen Zentren Bonn, Köln und Düsseldorf bevorteilt.

Dennoch ist das Instrument für alle Reviere von struktureller Bedeutung.

Ein historisch verankertes Unternehmertum oder eine neu geschaffene Gründermentalität sind eine förderliche Vor-aussetzung, damit sich Personen zur Gründung eines Unter-nehmens entschließen. Diese sind in den Revieren aus ver-schiedenen Gründen unterschiedlich ausgeprägt. In den neuen Bundesländern existierte nach den langen Jahren des Systems der Planwirtschaft keine Gründermentalität. Nach der Wende bestimmten immer noch privatisierte Großunternehmen die Struktur. Deutschland zählt insgesamt nicht zur Spitze des

Unternehmertums. Im GEM schneidet Deutschland auf dem Rang 19 von insgesamt 27 innovationsbasierten Ländern

vergleichsweise schlecht ab (GLOBAL ENTREPRENEURSHIP MONITOR 2015). Aktuell kommt durch die bundesweit gesehen wirtschaftlich gute Lage hinzu, dass der Arbeitsmarkt in den Zentren mehr Menschen anlockt als in der Vergangenheit. Die Option, in seiner Heimatregion ein Unternehmen zu gründen, wird dadurch immer weniger zu einer Alternative. Aus Gutachtersicht ist

es wichtig, den Menschen schon früh die Möglichkeit einer eigenen Unternehmensgründung aufzuzeigen, sodass dieser Gedanke bereits in der Ausbildungszeit reifen kann.

Veranstaltungen in Schulen und Universitäten kommen hier z.B. in Betracht. Damit es schließlich zu einer Gründung kommt, ist es wichtig, die Hemmschwelle so niedrig wie möglich zu halten.

Gründerzentren mit vergünstigten oder sogar kostenlosen

Büroräumen sind bewährte Mittel, die zum Teil auch bereits in den Regionen bestehen. Erprobte Modelle wie das

Technologiezentrum in Aachen für innovative Gründungen oder neue Konzepte, wie das Vorhalten von Flächen in neuen

Gewerbeparks in der Nähe von Forschungseinrichtungen (wie im Brainergy-Park in Jülich geplant), sind dabei wertvolle Ansätze mit direktem Bezug auf wirtschaftliche Schwerpunktsetzungen.

Empfehlenswert ist ein Austausch zwischen den Regionen, wie diese Zentren und Konzepte im Detail aussehen, wie sie finanziert werden und welche langfristige Wirkung von ihnen ausging.

Ebenfalls wertvoll ist dabei ein Austausch, welche Versuche oder Wege nicht den erwünschten Erfolg gebracht haben und daher von anderen Regionen nicht noch einmal gegangen werden müssen.

Gute Ansätze, die diese Aspekte bereits verwirklichen sind u.a. in der „Gründungsoffensive Lausitz“, dem Vorschlag wie das

Qualitätssiegel „Spin-off in der IRR“ oder das an der Ostfalia Hochschule angesiedelte „Entrepreneurship Center“ im Helmstedter Revier gegeben.

Eine Schwäche aller Reviere ist die mangelnde Innovationskraft gepaart mit niedrigen Gründungszahlen im High-Tech-Bereich.

Insofern bietet die Verstärkung von Ausgründungen aus Hochschulen und Forschungseinrichtungen heraus einen wichtigen Ansatz, diesen Befund anzugehen. In einem struktur-ierten Wandelprozess sollten die benannten wirtschaftlichen Schwerpunktfelder ein zentraler Ausgangspunkt für wissens-intensive Gründungen in den Revieren sein. Bei der Konzeption von Beratungsangeboten und Infrastrukturen sollten die Schwer-punktfelder explizit berücksichtigt werden.

Bei der der Förderung von Unternehmensansiedlungen spielt häufig der Wettbewerb zu Nachbarregionen eine Rolle. Wenn, wie in Helmstedt, mit der Lage zu den neuen Bundesländern oder in der Lausitz, mit der Nachbarschaft zu Polen, in unmittelbarer Nähe höhere Ansiedlungsförderungen bei sonst ähnlichen Erreich-barkeiten bestehen, droht die Gefahr, dass die Anreizsysteme nicht greifen. Daher sollte bei Überlegungen bzgl. Förderungen von Unternehmensansiedlungen der Blick über die Regionsgrenze hinaus gerichtet werden.

7.2.4 Humankapital

Durch den schrittweisen Rückgang des Braunkohleabbaus und der -verstromung in den Revieren wird eine erhebliche Anzahl an Arbeitsplätzen wegfallen oder ist zum Teil schon weggefallen.

Zwei große Aufgaben entstehen dadurch für die Regionen.

Erstens müssen für die Menschen Alternativen gefunden werden, deren Arbeitsplatz bereits vor Renteneintritt wegfallen wird.

Zweitens muss gesamtwirtschaftlich auf lange Sicht eine be-deutende Menge an Arbeitsplätzen geschaffen werden, um die Beschäftigungsverluste der Regionen zu kompensieren. Dies soll vor allem in den dargestellten wirtschaftlichen Schwerpunktfeldern geschehen. Hierfür müssen Fachkräfte für die zukünftigen wirt-schaftlichen Schwerpunktfelder ausgebildet und in der Region gehalten werden.

Bei der Suche nach einer Beschäftigungsalternative für die unter Erstens genannte Gruppe muss auch der unterschiedliche Quali-fikationsgrad berücksichtigt werden. Die Hochqualifizierten haben die Chance in neuen wirtschaftlichen Schwerpunktfeldern Beschäftigung zu finden. Die Geringqualifizierten haben auf einem zunehmend spezialisierten Arbeitsmarkt schlechtere Aus-sichten. Hinzu kommt, dass das hohe Lohnniveau im Bergbau in anderen Beschäftigungsverhältnissen des gleichen Qualifikations-niveaus nicht erreicht werden wird. Dadurch wird für diese Gruppe Wohlstand und Kaufkraft stark sinken. Umschulungsmaßnahmen werden zwar gefordert, es ist aber festzuhalten, dass keine kon-kreten Maßnahmen identifiziert worden sind, wie dieses Hand-lungsfeld gestaltet werden soll. Hier herrscht aus Gutachtersicht zwingender Handlungsbedarf.

Die zweite Aufgabe besteht darin, für die wirtschaftlichen Schwer-punktfelder rechtzeitig und vorausschauend den nötigen Pool an Fachkräften in der Region zu bilden. Dies ist wieder ein Argu-ment dafür, dass neue Schwerpunkte von Universitäten und Forschungseinrichtungen zwingend zu den gewählten Schwer-punkten passen müssen. Zudem gibt es die Möglichkeit, Fach-kräfte von außen in die Region anzulocken. Hierfür ist beson-ders das Instrument „weiche Standortfaktoren und Daseinsvor-sorge“ (s. nächstes Unterkapitel) von Bedeutung, vorausgesetzt das Arbeitsplätzeangebot ist bereits vorhanden. Ein Monitoring des Fachkräftepotenzials ist für eine langfristige Steuerung empfehlenswert.

Zusätzlich droht die Gefahr, dass bei den großen Energieunter-nehmen und ihren Zulieferbetrieben auch Ausbildungsstellen gestrichen werden. Auch hier ist bereits im Vorfeld langfristig zu planen und die Schaffung von Ausbildungsstellen in den Revieren zu fördern.