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Grundlegende Theorien und Modellansätze

Im Dokument Zufriedenheit mit Dienstleistungen (Seite 90-93)

B. Konzeptionelle Grundlagen zur Analyse der Kunden-

2. Theoretische Konzeption von Kundenzufriedenheit im Dienstleistungs-

2.21 Grundlegende Theorien und Modellansätze

Kundenzufriedenheit wird überwiegend als das Ergebnis eines komplexen psy-chischen Prozesses definiert. Vor allem in jüngerer Zeit wird die Zufriedenheit auch als die emotionale Reaktion auf diesen kognitiv geprägten Vergleichsprozeß bezeichnet.125 In diesem Zusammenhang wird jedoch davon ausgegangen, daß das Ergebnis des Vergleichsprozesses nicht zwingend mit der ursprünglichen Diskrepanz zwischen den Erwartungen, oder allgemeiner, dem Anspruchsniveau an eine Leistung (Soll-Komponente) und der wahrgenommenen Leistung (Ist-Komponente) übereinstimmt, sondern daß auch direkte Effekte von diesen Kom-ponenten auf die Zufriedenheit ausgehen.126 Demzufolge wird die These aufge-stellt, daß Folgereaktionen bzw. Rückkopplungseffekte denkbar sind, die zu einer nachträglichen Anpassung des Anspruchsniveaus und/oder der wahrgenomme-nen Ist-Leistung führen und damit eiwahrgenomme-nen Einfluß auf die Kundenzufriedenheit nehmen. Zur Erklärung dieser Wahrnehmungsprozesse werden unterschiedliche Theorien herangezogen.127

Nach der Assimilationstheorie erfolgt eine Korrektur der Wahrnehmung, um die Diskrepanz zu der Erwartung zu minimieren und somit kognitive Dissonanzen zu vermeiden.128 Die Kontrasttheorie stellt den Gegensatz zur Assimilationstheorie

125 Vgl. Homburg, Ch., Rudolph, B., Theoretische Perspektiven zur Kundenzufriedenheit, a.a.O., S. 31 und die dort angegebene Literatur.

126 Vgl. z.B. Bolton, R.N., Drew, J.H., A Multistage Model of Customers· Assessments of Service Quality and Value, a.a.O., S. 376 ff.

127 Vgl. Anderson, R.E., Consumer Dissatisfaction: The Effect of Disconfirmed Expectancy on Perceived Product Performance, in: JoMR, Vol. 10, February, 1973, S. 38 ff.

128 Nach der Theorie der kognitiven Dissonanz erstreben Individuen den Abbau psychischer Spannungen (Dissonanzen), um das innere Gleichgewicht wieder herzustellen. Vgl. Festinger, L., A Theory of Cognitive Dissonance, Stanford 1957, S. 3.

dar. Hier wird davon ausgegangen, daß aufgrund der wahrgenommenen Diskre-panz die Leistung noch ungünstiger beurteilt wird und damit eine Vergrößerung der Diskrepanz erfolgt. Die Assimilations-Kontrast-Theorie vereint die Annah-men dieser beiden Theorien. Hier wird davon ausgegangen, daß die Beurteilung in Abhängigkeit von der Größe der wahrgenommenen Diskrepanz zwischen Anspruchsniveau und wahrgenommener Leistung stattfindet. Bei einer nur gerin-gen Abweichung wird die Leistung noch assimiliert; wird dagegerin-gen der individuelle Annahmebereich in positiver oder negativer Hinsicht überschritten, tritt der Kon-trasteffekt ein.129 Nach der Theorie der generellen Verneinung schließlich führt jede Form einer Abweichung von den Erwartungen, ob positiv oder negativ, zu einer ablehnenden Beurteilung. Eine Beurteilung dieser Ansätze erweist sich vor dem Hintergrund empirischer Untersuchungen und damit einhergehender unter-schiedlicher Ergebnisse als problematisch.130 So kommt z.B. ANDERSON zu dem Ergebnis, daß die Anwendbarkeit der Ansätze insbesondere von der untersuchten Produktkategorie abhängt.131

Die unterschiedlichen Theorien werden vor allem im Zusammenhang mit dem .,Confirmation/Disconfirmation-Paradigm"132 diskutiert, das die größte Verbrei-tung in der konzeptionellen und empirischen Zufriedenheitsforschung erfahren hat. Das Disconfirmation-Modell basiert auf zwei Prozessen, der Bildung eines Vergleichsstandards vor der Inanspruchnahme einer Leistung und der Bestäti-gung (Confirmation) bzw. NichtbestätiBestäti-gung (Disconfirmation) des Vergleichs-standards durch die wahrgenommene Leistung. Dem Prozeß der (Nicht-) Bestätigung kommt dabei die Rolle einer vermittelnden Variablen zwischen den Konstruktkomponenten und der eigentlichen Zufriedenheit zu.

129 Es zeigt sich, daß die Diskussion der bereits in Kap. B 2.11 angeführten Indifferenz- bzw.

Toleranzzone auf diesem Theorieansatz beruht.

130 Zu einem Überblick vgl. Korte, Ch., Customer Satisfaction Measurement: Kundenzufrieden-heitsmessung als Informationsgrundlage des Hersteller- und Handelsmarketing am Beispiel der Automobilwirtschaft, a.a.O., S. 34.

131 Vgl. Anderson, RE., Consumer Dissatisfaction: The Effect of Disconfirmed Expectancy on Perceived Product Performance, a.a.O., S. 43.

132 Vgl. Oliver, R.L., A Cognitive Model of the Antecedents and Consequences of Satisfaction Decisions, in: JoMR, Vol. 17, November 1980, S. 460 ff.

Weitere Ansätze, die auch im Kontext von (Verkehrs-)Dienstleistungen Berück-sichtigung finden, stellen der Equity-Ansatz und die Attributionstheorie dar.133 Ebenso wie das Disconfirmation-Modell zählt auch das Equity-Modell zu der Gruppe der sogenannten Gleichgewichtsmodelle.134 Dieses Modell, dem in jün-gerer Zeit im Zusammenhang mit der Zufriedenheitsforschung verstärkt Aufmerk-samkeit gewidmet wird, beruht ebenfalls auf einem Vergleichsprozeß. Dessen Gegenstand bildet jedoch nicht eine bestimmte Leistung, sondern eine Aus-tauschsituation. Hier wird unterstellt, daß ein Individuum eine distributive Gerech-tigkeit erwartet und ein Kunde dementsprechend das eigene Input/Output-Ver-hältnis mit dem anderer Personen und/oder des Dienstleisters vergleicht.135 Die Wahrnehmung von Ungerechtigkeit innerhalb dieser Einsatz/Ergebnis-Verhält-nisse hat einen negativen Einfluß auf die Kundenzufriedenheit. So ist es denkbar, daß z.B. im Falle einer Verkehrsdienstleistung von zwei Personen der gleiche Fahrpreis entrichtet worden ist, aber nur eine der beiden Personen einen Sitzplatz erhält oder eine ausführliche Beratung genießt. Dies kann Unzufriedenheit bei der anderen Person auslösen.136

In der neueren Forschungsliteratur wird darüber hinaus auch die Attributions-theorie 137 zur Erklärung der Kundenzufriedenheit herangezogen. Attributionen stellen von Kunden wahrgenommene Ursachen für das eigene Verhalten und das Verhalten anderer dar. Attributionstheoretische Ansätze zielen auf kognitive Pro-zesse ab, auf deren Basis ein Kunde den Ort der Kausalität (intern, d.h. beim Kunden, oder extern), die Kontrollierbarkeit (durch den Anbieter beeinflußbar oder nicht) und die Stabilität (dauernd oder vorübergehend) von positiven und

nega-133 Einen umfassenden Überblick über die verschiedenen Ansätze und empirische Befunde liefern Agrawal, M., You haven·t Seen All: Hypothesis for Extending Research an the Benefits of Customer Satisfaction, in: Marketing Today and for the 21st Century, Proceedings of the 24th Annual Conference of the European Marketing Academy, Bergadaa, M. (Hrsg.), Cergy 1995, S. 2 ff.; Erevelles, S., Leavitt, C., A Comparison of Current Models of Consumer Satisfaction/Dissatisfaction, in: JoCS/D&CB, Val. 5, 1992, S. 104 ff.

134 Während Gleichgewichtsmodelle ausschließlich auf den Erkenntnissen der Zufriedenheits-forschung basieren, werden im Rahmen von sog. Integrationsmodellen auch Erkenntnisse über das individuelle Beschwerdeverhalten herangezogen. Vgl. Bruhn, M., Marketing und Konsumentenzufriedenheit, a.a.O., S. 302 f., der als weitere Gleichgewichtsmodelle das Normative-Deficit-Modell sowie das Composite-Modell nennt.

135 Vgl. Homburg, Ch., Rudolph, B., Theoretische Perspektiven zur Kundenzufriedenheit, a.a.O., S. 33.

136 In neueren Ansätzen der Zufriedenheitsforschung findet der „Equity"-Gedanke gelegentlich auch im Rahmen des Disconfirmation-Paradigma Berücksichtigung. Hier wird vorgeschlagen, ,,Equity" als Soll-Komponente in das Modell zu integrieren. Zu unterschiedlichen Vergleichs-standards vgl. die Ausführungen in Kap. B 2.22 dieser Arbeit.

137 Vgl. Trommsdorff, V., Konsumentenverhalten, a.a.O., S. 261 ff.

tiven Vorfällen bzw. Erlebnissen bei der Inanspruchnahme einer Dienstleistung abwägt.138

Empirische Untersuchungen der Zufriedenheit mit Flugdienstleistungen ergaben z.B., daß insbesondere Fälle, in denen die Verantwortung für den schlechten Verlauf einer Dienstleistung auf Seiten des Anbieters vermutet wurde, zu deut-licher Unzufriedenheit der Kunden führten. Passagiere, die davon ausgingen, daß die entsprechenden Fluggesellschaften einen Einfluß auf die Verspätung ihrer Flüge nehmen können, erwiesen sich als signifikant unzufriedener als solche Fluggäste, die die Verspätung als unvermeidbar einschätzten.139 Eine mögliche Folge von Attributionen besteht in einer Änderung des Erwartungsniveaus (Erhöhung oder Senkung) im Hinblick auf zukünftige Episoden oder Transaktio-nen.

Aufgrund seiner weiten Verbreitung und empirischen Bewährung bildet das Disconfirmation-Modell den gedanklichen Rahmen der weiteren Ausführungen.

Daher werden das Modell und seine Komponenten im folgenden näher darge-stellt.

2.22 Analyse der Konstruktkomponenten und deren Einflußfaktoren im

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