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KAPITEL 4 : GRÜNE GRÜNDERINNEN

4.3 B EITRÄGE ZU G RÜNEN G RÜNDER I NNEN UND S USTAINABLE

4.3.2 Grüne GründerInnen in Netzwerken

Der Faktor „Reputation“ umfasst die Wettbewerbsvorteile Firmenruf, Glaubwürdigkeit“ und Markenbekanntheit. Auch die Pflege persönlicher Kundenkontakte trägt zur Reputation bei. Der Faktor „Innovation“ wird vor allem durch trendsetzende Fähigkeiten und neuartige Produktideen repräsentiert. Mit geringerer Faktorladung lassen sich daneben Markenbekanntheit und ökologische Bestleistungen der Innovationsleistung zuordnen. Der Faktor „Exklusivität“ zeigt sich in der Einmaligkeit von – wenig preisgünstigen - Angeboten. Der Faktor

„Kundennähe“ zeichnet sich durch den bequemen Warenzugang, die Pflege der Kundenkontakte und, mit geringerer Faktorladung, die Fachkompetenz im Kundendienst aus. Aufgrund einer hochsignifikanten Korrelation zwischen dem technologischen Vorsprung und der „Kompetenz“ im Kundendienst bilden diese Indikatoren gemeinsam den fünften Faktor. Ökologische Bestleistungen spielen letztlich bei allen Faktoren mit hinein.

Die Arbeit von Petersen ist für die Untersuchung ökologischer Gründungen deshalb besonders wichtig, weil sie die Bedeutung solcher Gründungen für ökologische Nischenmärkte anschaulich belegt. Auch noch Jahrzehnte nach dem Entstehen solcher Nischenmärkte dominieren Grüne Gründungen diese Märkte und sind teilweise (26 von 64) international Marktführer. Dies lenkt die Aufmerksamkeit hinsichtlich des Markterfolges Grüner Gründungen nicht nur auf Größe und Wachstum der Unternehmen, sondern auch auf den Exporterfolg.

Die bis hierher aufgeführten Untersuchungen fokussieren jeweils auf einzelne Unternehmen, ihre GründerInnen, Wettbewerbsvorteile und Strategien. Zum Verständnis der Dynamik Grüner Gründungen ist es jedoch darüber hinaus notwendig, einen genaueren Blick auf das Umfeld, die Kooperations- und die Netzwerkstrukturen dieser Gründungen zu werfen.

die Netzwerkanalyse endet mit drei Aussagen, wovon die ersten beiden letztlich trivial sind:

Der Entrepreneur benötigt die Fähigkeit, Ressourcen in einem geschäftlichen Netzwerk zu mobilisieren.

Unter ökologischen Gesichtspunkten ist für ein ökologisch konsequentes Endprodukt die Optimierung der gesamten Produktlinie erforderlich.

Der ökologische Entrepreneur muss dabei sicherstellen, dass seine ökologische Vision von allen Geschäftspartnern verstanden und unterstützt wird.

Die hier beschriebenen Erfahrungen sind für technisch-ökologische Innovationsprozesse typisch. Die Abhängigkeit ökologischer Innovatoren von Zulieferanten von Materialien und Anlagen einerseits wie auch die Abhängigkeit des Markterfolges von einer erfolgreichen Einbindung und Motivation der Vertriebspartner hat der Verfasser in seiner über 10-jährigen Beratungspraxis selbst häufig erlebt. Solange also die Methode der Netzwerkanalyse wie in diesem Beispiel auf die Untersuchung von geschäftlichen Beziehungen im Lieferanten- und Kundenumfeld beschränkt wird, hilft sie in Bezug auf die Beschreibung der Spezifika Grüner Gründungen wenig weiter. Bei einer solch beschränkten Anwendung bleibt offen, aus welchen Netzwerkstrukturen heraus Personen wie Paul Farrows und ihre Ideen entstehen, und auch die zur Gründung führenden Prozesse oder die Bedeutung grüner Netzwerke für den mittelfristigen Markterfolg bleiben im Dunklen.

Zur Gründung führende Strukturen und Prozesse beleuchten z. B. Petersen, der in seiner Untersuchung (s. o.) 46 marktführende Unternehmen gefunden hat, die nach seiner Ansicht als Folge der Ökologiebewegung entstanden sind, und Sven Ripsas (1997), der den Gründungsboom der 80er-Jahre im Naturkostsektor und in der biologischen Landwirtschaft ebenfalls als Folge der Umweltschutzbewegung beschreibt. Die Thematisierung von Umweltschutz und, im Zusammenhang damit, vielfältigen Ansprüchen an gesunde Ernährung ließ eine potenzielle Nachfrage deutlich werden und ergab damit vielfältige auslösende Momente, „die Menschen mit entsprechenden Ideen von potentiellen zu tatsächlichen Gründern werden ließen. Ein oft übersehener Faktor ist dabei die Bedeutung einer neu entstehenden, eine Generation verbindenden, Wertebasis. Oft sind die damit verbundenen Ziele kurzfristig nicht politisch durchsetzbar, wie z. B. der Verzicht auf Tierversuche in der Kosmetik oder der reduzierte Einsatz von Pflanzenschutzmitteln beim Anbau von Nahrungsmitteln. Unternehmerisches Handeln bietet dann die Alternative, über den Markt Einfluß zu nehmen und neu entstehenden Konsumbedürfnissen gerecht

zu werden.“ (Ripsas 1997: 199) Ripsas rechnet als bekannte Gründungen „The Body Shop“ und die „Teekampagne“ dieser Gründungswelle zu.

Auch Günter Faltin (1998) sieht einen Zusammenhang zwischen Ökologie (-bewegung) und Entrepreneurship166. In der Schaffung von Beschäftigung bei sinkendem Naturverbrauch bestehe eine Chance für grünes Entrepreneurship als Beitrag zur ökologischen Modernisierung. Er führt ein ganzes Feld schlummernder Chancen auf, zu denen er auch den ökologischen Landbau, nachwachsende Rohstoffe und sanfte Bio-Technologie zählt (Faltin 1998: 15 f.). Und er sieht bewusst die Bedeutung der Personen, die diese Ideen entwickelt haben und aktiv vertreten, für den Innovationsprozess: „Sweeping new ideas do not, as a rule, arise from workaday business life and within the context of rational economic thinking.

Such ideas often draw vibrant inputs from proximity to unconventional thinkers, socially involved people, ecologically engaged people, or artists. These people can contribute their ways of thinking and possibilities from their fields of interest to ideas for the improvement of the quality of life“ (Faltin 2001: 129). Entrepreneuren empfiehlt er, Ideen aus den Problemen der Gesellschaft heraus zu entwickeln und sich an den Werten der Gesellschaft zu orientieren. Dieses nicht zu tun führe dagegen zu Verängstigungen der Öffentlichkeit, unterminiere Glaubwürdigkeit und Vertrauen und wäre, besonders langfristig, grundsätzlich von Nachteil (Faltin 1999:

9).

Faltin plädiert entschieden dafür, mit mehr Fantasie und ungewöhnlichen Methoden und Ideen an die Gründungsfrage heranzugehen. Gerade in der Vielfältigkeit sieht er eine große Chance. Damit sieht er die Erfordernis einer

„culture of entrepreneurship, einer Atmosphäre, die weit mehr Ideenpotential zuläßt als dies im Feld der Ökonomie, so wie es heute definiert ist, stattfindet. Die in ihre Kultur auch Künstler, Außenseiter und solche Gruppierungen einbezieht, die in der ´Welt der Wirtschaft´ und ihren oft mausgrauen Vorstellungen keinen Platz sehen. Die Abneigung gegen Markt und eigenes unternehmerisches Handeln hat ja dazu geführt, daß in diesem Bereich fast ausschließlich gesellschaftliche Konventionalität und Geschäftshuber die Feder führen.“ (Faltin 1998: 18).

Im selben Band charakterisieren Faltin und Zimmer (1998: 77 ff.) Entrepreneure als „Besessene, Querdenker, Künstler“, ordnen ihnen Spleens und Macken zu und begeben sich daran, den Faktor „Kreativität“, der als wichtige Eigenschaft von Entrepreneuren kaum bestritten wird, zu untermalen. Sie plädieren deutlich für

166 Günter Faltin ist Professor an der Freien Universität Berlin mit dem Arbeitsbereich Entrepreneurship und persönlich der Gründer der Teekampagne, die in ihren Produkten soziale und ökologische Aspekte widerspiegelt (Faltin 1998: 10 f.).

Unternehmensgeist auf Seiten der Künstler und Intellektuellen. Insbesondere sehen Faltin und Zimmer (1998b: 258) in solchen Bereichen auch die Chance der Ergänzung einer einseitig auf die Förderung von Technologietransfer gerichteten Gründungsförderung. Hier werde „von einer Ressource – Forschungsergebnis – ausgegangen statt vom Markt. Aber nicht Ressourcen-, sondern Marktorientierung ist die Voraussetzung für eine erfolgreiche Einführung von Produkten“ (Faltin und Zimmer 1998b: 258). Genau hier wird der Gedanke der kulturellen Einbindung von Entrepreneuren, z. B. in einer sozialen Bewegung, anschlussfähig, denn hier liegt zumindest ein Faktor für den Erfolg der Gründung. Und genau diese Einbindung erhöht einerseits die Wahrscheinlichkeit, dass der Entrepreneur die Bedürfnisse genau dieser Gruppe gut kennt, andererseits aber auch die Wahrscheinlichkeit, dass eine – sich zumindest auf diese Gruppe erstreckende - Nachfrage wirklich eintritt.167 Die Suche nach Innovations- und Gründungspotenzialen in gesellschaftlichen Bewegungen würde damit der Anregung Faltins entsprechen, vom Markt auszugehen. Ähnliche Chancen für grüne Märkte sieht auch Peter Söderbaum (1998: 250): „The idea is simple. For example, Green consumers will prefer Green producers or companies. Green producers in turn will look for Green suppliers, and so on. Green lines will occur and Green networks will compete with those that are less green or non-green.“

Solche für Gründungen günstigen Umstände ließen es als nicht unwahrscheinlich erscheinen, dass es hierzu aus der Perspektive der auf soziale Bewegungen gerichteten Sozialforschung einschlägige Untersuchungen geben könnte. Eine im Kontext dieser Arbeit durchgeführte Recherche in der Literatur über soziale Bewegungen war aber erfolglos. Die Unternehmensgründung durch Einzelpersonen als politische Aktionsform ist offenbar kaum oder gar nicht thematisiert, die Frage nach der Unternehmensgründung als persönlicher Beitrag dazu, die Gesellschaft ökologischer zu gestalten, offenbar noch kaum gestellt worden168. Der am Berliner Wissenschaftszentrum zum Thema soziale Bewegungen arbeitende Dieter Rucht gab an, dass ihm „keine einschlägige Literatur zur Schnittstelle von sozialen Bewegungen und Unternehmensgründungen“ bekannt sei (Rucht 2003). Der Grund hierfür mag unter anderem in der Unternehmens- und

167 Astad Pastakia sieht darüber hinaus die Chance, dass die Beziehung zwischen Grünen Unternehmen und KonsumentInnen auch Chancen zur Veränderung von Konsumstrukturen bietet:

„Ecopreneurs can play an important role by educating the consumer and broadening the niche markets

…” (2002: 104).

168 Dagegen sind eine Reihe kollektiver Gründungen, wie sie z. B. zum Entstehen der Ökobank oder des Ökotestmagazins führten, durchaus dokumentiert.

Kapitalismusfeindlichkeit liegen, die die Weltsicht der Alternativ- und Umweltbewegung in den 70er-Jahren prägte. Es mag von daher hilfreich sein, einen – im Rahmen dieser Arbeit notwendigerweise stark begrenzten – Blick in die Geschichte der Umweltbewegung zu werfen. Mit Blick auf den empirischen Schwerpunkt wird dieser auf das Themenfeld Landwirtschaft und Ernährung fokussiert. Hierbei wird auch klar werden, warum die zunächst gestellte Frage nach umweltbewegten Gründerinnen und Gründern ins Leere stieß: Die Schlagworte heißen stattdessen, wie schon in Abschnitt 4.2 deutlich wurde, Alternativprojekt, Kollektiv und alternative Ökonomie. Erst mit der Professionalisierung und dem Beginn des Ausbruchs aus der Nische seit etwa Mitte der 80er-Jahre (je nach Sektor früher oder später) näherten sich die Formen der ökologischen Unternehmen denjenigen konventioneller Unternehmen an.

4.4 Der ökologische Lebensmittelsektor als Beispiel für Grüne