• Keine Ergebnisse gefunden

KAPITEL 4 : GRÜNE GRÜNDERINNEN

4.2 Ö KONOMISCHE V ISIONEN UND FEHLENDE G RÜNDER I NNEN

4.2.2 Gründungen aus der Arbeiter- und Frauenbewegung

Transformation existierender Unternehmen und Konzerne durch Managementanstrengungen daher einiger Raum gewidmet (vgl. z. B. Gore (1992:

193 f.), v.Weizsäcker (1994: 180 ff.), Frankel (1998: 97 ff.)). Neue Gründungen als politisch denkbare Möglichkeit zur Transformation des Wirtschaftssystems spielen aber in den Visionen keine Rolle. Nur an wenigen Stellen finden sich Verweise auf Unternehmerpersönlichkeiten oder Gründer.

Indirekt stellt Carl Frankel die Bedeutung ökologisch entscheidender EinzelunternehmerInnen heraus (1998: 117 f.). Er schildert das Beispiel des Outdoor-Kleidungsfabrikanten Patagonia, der in der Kundenkommunikation vor Überkonsum warnte - eine Handlungsweise, die bei Anwendung in Aktiengesellschaften Klagen von Aktieninhabern wegen Geschäftsschädigung zur Folge haben könnte.

Hoogendijk (1993: 99) mahnt ein neues Verhältnis von Gesellschaft und En-trepreneur an, „that he or she does become part of the community, truly serving the public (as they often like to present themselves)“.

Richard Douthwaite und Hans Diefenbacher (1998: 272 ff.) schildern Erzeuger-Verbraucher-Gemeinschaften und stellen hier detailliert beispielhafte Gründungsprozesse dar. Hinsichtlich der Motivationen zum Aufbau von Erzeuger-Verbraucher Gemeinschaften berufen sie sich auf Laird (1995), der Landwirte befragte: 63 % von ihnen ging es in erster Linie um „den Aufbau von Beziehungen zwischen Menschen“, nur 30 % der Befragten geben eine höhere finanzielle Sicherheit als Motiv an und etwa ebenso viele den Grund, dass sie dadurch mit ökologischen Anbaumethoden arbeiten können.

Insgesamt ist aber zu resümieren, dass in der ökonomisch-visionären Literatur, die sich der Umsetzung des Leitbildes der Nachhaltigkeit verpflichtet fühlt, die Person der GründerIn kaum auftaucht. Dass dies kein Spezifikum der Debatte im Rahmen der Nachhaltigkeit ist, zeigt auch der folgende, kurze Einblick in Gründungen aus der Arbeiterbewegung. Die Frauenbewegung hat dagegen in den 90er-Jahren die Bedeutung von Unternehmensgründungen erkannt und eine Reihe von Initiativen zur spezifischen Förderung von Unternehmensgründungen durch Frauen eingeleitet.

Großhandelsunternehmens sinnvoll erscheinen. 1894 wurde die Großeinkaufs-Gesellschaft Deutscher Konsumvereine (GEG) gegründet, die schrittweise auch die Eigenproduktion aufnahm (PAK Hamburg 1982: 98). Um 1930 verfügte die GEG schon über 50 Betriebe: Bäckereien, Schlachtereien, eine Zigarrenfabrik, eine Tabakfabrik, eine Kakao- und Schokoladenfabrik, eine chemische Fabrik, eine Zigaretten-, eine Zuckerwaren- und eine Fleischfabrik. Der Anteil der Eigenproduktion am Gesamtumsatz der GEG stieg bis 1931 kontinuierlich auf 24 % an (PAK Hamburg 1982: 98). „Dem ständigen Anwachsen des genossenschaftlich organisierten Wirtschaftssektors wurde ein hoher politischer Stellenwert beigemessen, denn die Genossenschaften verstanden sich als Instrument des wirtschaftlichen Kampfes zwischen Kapitel und Arbeit, ….. als vorwärts strebende, auf ein großes Ziel gerichtete Einrichtungen, die nichts geringeres bezwecken als die schrittweise Verdrängung des kapitalistischen Wirtschaftssystems, an dessen Stelle sie eine auf den organisierten Verbrauch gegründete Wirtschaftsordnung setzen“141. Bedeutende wirtschaftliche Aktivitäten der Arbeiterbewegung bestanden darüber hinaus in den Wohnungsgenossenschaften sowie in der Produktion von Möbeln und Hausrat. Der ADGB-Kongress in Hamburg bekannte sich 1928 zum Konzept der Wirtschaftsdemokratie als dem Weg zum Sozialismus, „der über die Übernahme der lebenswichtigen Betriebe durch die öffentliche Hand, über die Erweiterung des Bereichs der öffentlichen Wirtschaft, über die Durchsetzung der planwirtschaftlichen Regelung und über die Wandlung des Eigentumsrechts … führt“ (Naphtali 1928: 18). 1903 wurden auf dem Genossenschaftstag in Bad Kreuznach 98 Genossenschaften als mittelstandsfeindlich und unter dem Verdacht

„sozialdemokratischer Tendenzen“ aus dem Allgemeinen Verband deutscher Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften ausgeschlossen (PAK Hamburg 1982:

96). Über die hinter diesen Organisationen stehenden GründerInnen waren in den genannten Quellen aber keine Informationen verfügbar. Dies ist wenig verwunderlich, denn die Vision der Genossenschaften der Arbeiterbewegung war ja gerade, den Einzelnen als Kapitalisten aus dem Wirtschaftsleben herauszudrängen.

Die Genossenschaft war alles und der Einzelne war Ausführungsorgan des Ganzen.

Einzelpersonen standen nicht im Vordergrund und ihre Rolle als GründerIn konnte nicht geklärt werden.

Die Frauenbewegung bringt der Ökonom Amitai Etzioni mit Unternehmensgründungen in Verbindung, „e.g. the rise of the womens´ movement in the USA significantly increased women entrepreneurship“ (Etzioni 1987: 184).

Leider berichtet Etzioni hier nicht über Details oder Zusammenhänge. Dörte

141 Konsumgenossenschaftliches Volksblatt 1930: Nr. 17 S. 2 zitiert nach PAK Hamburg 1982: 98.

Gregorschewski (1997) schreibt als eine der wenigen AutorInnen über zwei aus ihrer Sicht eindeutig aus der Frauenbewegung hervorgegangene Unternehmen: die Frauenbank in Berlin, die von 1910 bis 1915 bestand, und das Gründerinnenzentrum Weiberwirtschaft, das seit 1994 ebenfalls in Berlin existiert142.

Die feministische Frauenbank gab während ihrer kurzen Existenz die Bankzeitschrift „Frauenkapital“143 heraus. Im Leitartikel der ersten Ausgabe wurde die Zielsetzung der Frauenbank sehr provokativ formuliert: „Zum Kampf gehören Waffen und zum Kriegführen gehört Geld. Beides, die Waffen und das Geld, wollen wir der Frauenbewegung in der Frauenbank schaffen!“ (Gregorschewski 1997:

29). Über die Frauen der Frauenbank konnte Dörte Gregorschewski wenig in Erfahrung bringen. Nur die Schriftleiterin des „Frauenkapitals“, Marie Raschke, konnte eindeutig dem radikalen Flügel der Frauenbewegung zugeordnet werden144.

Mitte der 70er-Jahre sieht Gregorschewski (1997: 70) die Frauenprojektebewegung entstehen – weitgehend zeitgleich mit den ersten Produktions- und Arbeitsprojekten der Umweltbewegung. Die wohl prominenteste feministische Gründerin dieser Zeit in Deutschland war Alice Schwarzer, die 1976 die Zeitschrift Emma gründete. „Das war die Zeit, in der jedes Gespräch, jedes Treffen von Kolleginnen irgendwann immer mit dem verträumten Satz endete:

´Wenn wir nur unsere eigene Zeitung hätten...´. Im Frühjahr 1976 schickte ich Rundschreiben an alle bis dahin bekannten interessierten Journalistinnen. Die Tatsache, daß ich die Initiative ergriff, war kein Zufall. Erstens arbeitete ich bereits seit 1971 als feministische Autorin und hatte ein gerüttelt Maß an entsprechenden Erfahrungen; zweitens hatte ich durch den ´Kleinen Unterschied´ Geld verdient, das ich in ein solches Projekt investieren wollte; und drittens hatte ich zu der Zeit einen gewissen Bekanntheitsgrad, der für den Start einer solchen Zeitung nützlich sein konnte. Wie so oft, wenn es um Alternativ-Projekte geht, waren zunächst sehr viele interessiert, letztendlich aber blieben nur erschreckend wenige, um die Idee in

142 Beide Projekte hat Dörte Gregorschewski in einer detaillierten Diplomarbeit an der FHW in Berlin beschrieben.

143 Die Wochenschrift Frauenkapital für Volkswirtschaft, Frauenbewegung und Kultur erschien im Verlag Frauenbank, Berlin. Marie Raschke aus dem Aufsichtsrat der Frauenbank gehörte der Schriftleitung an (Gregorschewski 1997: 28 ff.).

144 Der Anteil derjenigen von Frauen geführten Unternehmen, die sich als Teil der Frauenbewegung verstehen, ist aber klein. Dörte Gregorschewski (1997) errechnet für 1907 etwa 1,35 Millionen selbständige Frauen, für das Ende der sechziger Jahre noch ca. 600.000. Nur für einzelne davon ist ein Bezug zu politischen Zielen dokumentiert.

die Tat umzusetzen. So kam es, daß das wirklich existentielle Problem von EMMA in diesen ersten vier Jahren weder das Geld noch die Angriffe von außen waren, sondern die Tatsache, daß dieses extrem arbeitsintensive Projekt von viel zu wenigen getragen wurde“ (Schwarzer 1981). Schwarzer, der zeitweise ein autoritärer Führungsstil nachgesagt wurde (Mika 1998), hat das Unternehmen bis in die Gegenwart erfolgreich geführt.

Einen interessanten Aspekt zur Rolle von Frauen in Gründungen der Alternativbewegung erwähnt Rosemarie Rübsamen (1994) in ihrem Rückblick auf Frauen im Bereich der alternativen Energien. Sie berichtet von intensiver Beteiligung von Frauen in der Phase der Kritik an der Atomkraft, die z. B. durch Frauenaktionen in Gorleben 1980 ihren Ausdruck fand. Das Wiederaufleben der AKW-Bewegung nach der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl sei sogar mehrheitlich von Frauen getragen worden. Allerdings waren es die Frauen, die schon Ende der 80er-Jahre, in dieser „zaghaft beginnenden, zwischen Politik und konkreten Unternehmungen angesiedelten Bewegung“ (Rübsamen 1994: 270) fehlten. Spätestens mit dem Stromeinspeisegesetz von 1990 ergaben sich dann große Chancen für wirtschaftlich orientierte Projekte, die „bisher eher inoffiziell besetzten, spezialisierten Tätigkeitsgebiete [wurden] zu offiziellen Posten umgewandelt. …..Konkret heißt das: aus einem gemeinnützigen Verein wird ein Ingenieurbüro, eine kommerzielle Betriebsgesellschaft für Energieanlagen, ein kommerzieller Veranstaltungsträger, etwa eine Messegesellschaft oder ähnliches gegründet. Dies ist der Moment, in dem die Frauen endgültig verlieren“

(Rübsamen 1994: 282). Rübsamen führt dies auf patriarchale Ausgrenzung der Frauen aus den von spezialisierten Männern dominierten, technischen Unternehmungen zurück.

Aus der US-amerikanischen Frauenbewegung übernahmen Frauen in Deutschland fast zeitgleich mit diesem Vorgang die Idee einer ökonomischen Autonomie, die u. a. durch den Ankauf von Immobilien und die Gründung von feministischen Unternehmen verwirklicht werden sollte. Die Idee zu einem Gründerinnenzentrum in Berlin nahm 1987 Gestalt an. Beteiligt waren zum einen Frauen aus der Frauenprojektbewegung, zum anderen Frauen aus der Wissenschaft und besonders aus der Ökonomie. „Die Projektgründerinnen waren alle Akademikerinnen, im Grunde genommen die klassische Frauenbewegung, der Typus der bewegten Frau“ (Gregorschewski 1997: 81). Im Jahre 2003 sind in der Weiberwirtschaft ca. 60 Unternehmen, Vereine und Verbände (www.weiberwirtschaft.de) aus Handel, Produktion, Dienstleistung und Gastronomie aktiv. Gründerinnenzentren sind seither auch in anderen Städten eröffnet worden, z. B. allein vier rund um Hannover. Darüber hinaus sind in den

Jahren seit 1995 eine Reihe von Frauen-Branchenbüchern145 entstanden, die mit einem starken Schwerpunkt auf Dienstleistungsgewerbe über von Frauen geführte Unternehmen informieren (vgl. Felten 2001). Mit Gründerinnenzentren und Frauen-Branchenbüchern fördern Aktivistinnen der Frauenbewegung die Gründung und Leitung von Unternehmen durch Frauen seit den 90er-Jahren ganz direkt. Die Unternehmensgründung ist damit in Frauenkreisen gesellschaftsfähig geworden146.

Ähnlich entstanden im Laufe der 70er-, 80er- und 90er-Jahre zahlreiche Unternehmen aus der Umweltbewegung heraus. Ihnen ist der folgende Abschnitt gewidmet.