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KAPITEL 4 : GRÜNE GRÜNDERINNEN

4.2 Ö KONOMISCHE V ISIONEN UND FEHLENDE G RÜNDER I NNEN

4.2.1 Ökonomische Visionen und die Rolle der GründerIn

Es existieren viele Unternehmen, deren Zweck nicht allein mit dem Anstreben persönlichen Gewinnes oder mit anderen, auf die Person der GründerIn bezogenen Zielen erklärt werden kann und deren Gründung sich zumindest im Bereich der Motive auf die Realisierung gesamtgesellschaftlichen Nutzens richtet. Hazel Henderson (1996: 387) rechnet in ihrem 1978 erstmals publizierten Werk „Creating Alternative Futures“ beispielsweise alternative Zeitschriften, alternative Versandhäuser, wertschöpfende Produktion in Haushalten, alternative Technologien, Kooperativen und eine Reihe sozialer Bewegungen zur entstehenden

„Gegenökonomie“138. Barbara Brandt führt in ihrer „Whole Life Economics“

(1995) ein System verschiedener Arten von „Empowering Enterprises“ auf, deren Ziel sie in der Restrukturierung und Nutzung von Ressourcen zugunsten (to empower) von Individuen und Gemeinschaften sieht, wobei dennoch ständig Beiträge zur Balance des Gesamtsystems geleistet werden (Brandt 1995: 114).

137 Aus diesen beiden Bewegungen sind Unternehmen hervorgegangen, während die Friedensbewegung nicht zu mir bekannten Unternehmensgründungen führte. Denkbar wäre auch ein Fokus auf die Regionalisierung gewesen. Im englischen Sprachraum sind z. B. community enterprises eine häufige Erscheinung und auch in Deutschland existieren Unternehmen, die mit dem Blick auf die Verbesserung regionaler Verhältnisse gegründet wurden. Als Beispiel wurden, auch mit Blick auf die vorliegende Literatur, die Frauen- und Arbeiterbewegung gewählt.

138 1981 entwickelt Henderson dann eine ganze Liste von Branchen der alternativen Ökonomie, auf die sie im 1996 erschienenen Werk „Buliding a Win-Win World“ (1996: 294) verweist. Der einzige textliche Bezug zu Gründungen der alternativen Ökonomie besteht dann aber in einer Beschreibung des extrem erfolgreichen Börsenganges von Netscape (Henderson 1996: 312 f.).

Tab. 4.1: Typen von „Empowering Enterprises“ nach Brandt Werteorientierte Unternehmen

Sozialverantwortliche Unternehmen

Bewerten die Wohlfahrt ihrer Beschäftigten sehr hoch.

Unternehmen in Arbeitnehmereigentum

Sichern (oft vormals gefährdete) Arbeitsplätze und zielen auf langfristigen Erhalt von Arbeit Unternehmen der sozialen und

ökologischen

Verbraucherberatung und Unternehmensbewertung

Sind auf die Unterstützung des Erfolges von anderen Unternehmen an Absatz- und Kapitelmärkten gerichtet

Grüne Unternehmen Umweltverantwortliche Unternehmen

Zielen auf umweltverträgliche Produktion oder Produkte

Marktvermeidende Unternehmen Erwerben z. B. Land, um dies vor

umweltschädlichen Nutzungen zu schützen (z.

B. The National Trust in England), Tauschringe Gemeinschaftsentwickelnde Unternehmen

Vernetzende Unternehmen Konsumentenkooperativen, Stadt-Land-Kooperativen, die KonsumentInnen und herstellende Unternehmen in dauerhaften Kontakt zu beiderseitigem Nutzen bringen Unternehmensnetzwerke Kooperation kleiner Unternehmen zur Mehrung

des sozialen oder ökologischen Nutzens Grüne Finanzwirtschaft

Gemeinschaftsbanken (community banks)

Sind auf die Geldbeschaffung im kleinen (regionalen) Rahmen gerichtet, um damit eigenständige Entwicklung zu ermöglichen Grüne Banken Verfolgen das Ziel, soziale und ökologische

Projekte prioritär mit Krediten zu bedienen Grüne Beratungsunternehmen Unterstützen grüne oder soziale Unternehmen

sowohl durch Beratung als auch oft durch Erschließung von Finanzquellen dafür Quelle: nach Brandt (1995: 114 ff.), gekürzt und übersetzt durch den Verfasser

Es ist auffällig, dass Brandt zwar breit über den sozialen und grünen Sektor berichtet und auch auf die notwendige Kreativität zur Umgestaltung des Wirtschaftssystems hinweist, das Thema der Unternehmensgründung aber – wie

auch bei Henderson - ausgeklammert bleibt139. Im Kapitel „Household and Com-munity Wealth: from Consumers to Creators” versteht sie die Kreativität bemerken-swert stark als auf das Individuum selbst gerichtet: “Self-reliance in any area of life can be a satisfying way to express one´s innate creativity or to exercise artistic impulses. Since you are not producing to meet someone else´s standards, you can shape a project of creation exactly to your liking. The discovery, that one can make beautiful, useful things is a frequent surprise result of self-reliance.” (Brandt 1995:

152). Der Gedanke, durch Produktion auch für den Markt den Sprung aus der Selbstversorgung zur Unternehmensgründung oder auch nur Selbstständigkeit zu schaffen, fehlt.

In ihrer Vision eines feminist green socialism sieht Mary Mellor (1992) zwar nach dem Zusammenbruch der sozialistischen Staaten keine Alternative mehr zur Marktwirtschaft (1992: 181 f.), richtet aber im Folgenden ihre Argumentation auf die Formulierung von Anforderungen an Märkte aus, ohne in diesem Kontext auch die Beeinflussung von Produktmärkten durch aktives Unternehmertum zu beleuchten.

Im Rahmen des Konzepts des Vorsorgenden Wirtschaften nimmt Maite Mathes (2000: 118) bei der Betrachtung von exemplarischen Beispielen vorsorgenden Wirtschaftens hinter jedem Projekt eine „charismatische Person“ wahr und findet in deren Biographien viel kooperative „under-cover Verstärkung“, wobei sich hier die Rolle der aktiven Einzelpersonen nicht nur auf die Konstitution von Unternehmungen, sondern auch auf Stiftungen, Projekte u. a. m. bezieht140.

Anhand der Veröffentlichungen männlicher Autoren lässt sich die Aufzählung der Werke fortsetzen, die die Beschreibung ökonomischer Visionen zwar auf scharfer Kritik an den existierenden Wirtschaftsstrukturen und, als ihren wichtigsten Repräsentanten, an den Konzernen, aufbauen, auch wohl hier und da Sektoren benennen, die der Erneuerung bedürfen (vgl. z. B. Gore (1992), Ehrenfeld (1993), Hoogendijk (1993), v.Weizsäcker (1994), Douthwaite und Diefenbacher (1998), Frankel (1998)). Aber GründerInnen als Personen werden nicht weiter gehend thematisiert. In einer Reihe der Werke wird den Anstrengungen zur

139 Einen ähnlichen Eindruck vermittelt auch die „Chronologie Alternative Ökonomie“, die auf der Website des Theoriearbeitskreises alternative Ökonomie (www.leibi.de/takaoe/s98_27.htm) zu finden ist.

140 Häufig scheint sich zudem die Gründung, wenn sie denn vorkommt, eher auf ein kooperatives Projekt denn auf ein Personenunternehmen zu beziehen. Es ist dabei sicher kein Zufall, dass eines der drei Handlungsprinzipien des Vorsorgenden Wirtschaftens die aus der Versorgungsökonomie übernommene „Kooperation“ ist (Adelheid Biesecker et al. 2000: 50).

Transformation existierender Unternehmen und Konzerne durch Managementanstrengungen daher einiger Raum gewidmet (vgl. z. B. Gore (1992:

193 f.), v.Weizsäcker (1994: 180 ff.), Frankel (1998: 97 ff.)). Neue Gründungen als politisch denkbare Möglichkeit zur Transformation des Wirtschaftssystems spielen aber in den Visionen keine Rolle. Nur an wenigen Stellen finden sich Verweise auf Unternehmerpersönlichkeiten oder Gründer.

Indirekt stellt Carl Frankel die Bedeutung ökologisch entscheidender EinzelunternehmerInnen heraus (1998: 117 f.). Er schildert das Beispiel des Outdoor-Kleidungsfabrikanten Patagonia, der in der Kundenkommunikation vor Überkonsum warnte - eine Handlungsweise, die bei Anwendung in Aktiengesellschaften Klagen von Aktieninhabern wegen Geschäftsschädigung zur Folge haben könnte.

Hoogendijk (1993: 99) mahnt ein neues Verhältnis von Gesellschaft und En-trepreneur an, „that he or she does become part of the community, truly serving the public (as they often like to present themselves)“.

Richard Douthwaite und Hans Diefenbacher (1998: 272 ff.) schildern Erzeuger-Verbraucher-Gemeinschaften und stellen hier detailliert beispielhafte Gründungsprozesse dar. Hinsichtlich der Motivationen zum Aufbau von Erzeuger-Verbraucher Gemeinschaften berufen sie sich auf Laird (1995), der Landwirte befragte: 63 % von ihnen ging es in erster Linie um „den Aufbau von Beziehungen zwischen Menschen“, nur 30 % der Befragten geben eine höhere finanzielle Sicherheit als Motiv an und etwa ebenso viele den Grund, dass sie dadurch mit ökologischen Anbaumethoden arbeiten können.

Insgesamt ist aber zu resümieren, dass in der ökonomisch-visionären Literatur, die sich der Umsetzung des Leitbildes der Nachhaltigkeit verpflichtet fühlt, die Person der GründerIn kaum auftaucht. Dass dies kein Spezifikum der Debatte im Rahmen der Nachhaltigkeit ist, zeigt auch der folgende, kurze Einblick in Gründungen aus der Arbeiterbewegung. Die Frauenbewegung hat dagegen in den 90er-Jahren die Bedeutung von Unternehmensgründungen erkannt und eine Reihe von Initiativen zur spezifischen Förderung von Unternehmensgründungen durch Frauen eingeleitet.