• Keine Ergebnisse gefunden

Die Gründung der Marine-Schiffbautechnikerschule (Kaigun zōsen-kō gakkō) in der Yokosuka-Schiffswerft

3 Die innerbetriebliche Aus- und Weiterbildung in der Yokosuka- Yokosuka-Schiffswerft in der ersten japanischen Industrialisierungsphase

3.3 Vom Holz- zum Eisen- und Stahlbau: Das innerbetriebliche Ausbildungssystem in Yokosuka vom Anfang der 1880er bis zum Anfang der 1890er Jahre

3.3.3 Einstellung von Louis Émile Bertin und Erneuerung des technischen Ausbildungssystems der Yokosuka-Schiffswerft 1886-1891

3.3.3.2 Die Gründung der Marine-Schiffbautechnikerschule (Kaigun zōsen-kō gakkō) in der Yokosuka-Schiffswerft

Im Mai 1889 erging ein kaiserlicher Erlass zur Gründung einer Marine-Schiffbautechnikerschule (Kaigun zōsen-kō gakkō) in der Yokosuka-Schiffswerft (Yokosuka kaigun kōshō 1973c:38). In der Folge wurde die Marine-Schiffbautechnische-Akademie im Marine-Kriegsamt (chinju-fu) in der Nähe der Yokosuka-Schiffswerft eingerichtet und vom Direktor der bisherigen Ingenieurschule geleitet. Der Unterricht erfolgte durch die japanischen Lehrkräfte der Yokosuka-Schiffswerft.

Diese Schiffbautechnikerschule zielte auf die Weiterbildung der technischen Werkarbeiter (kōfu) der Yokosuka-Werft zum Techniker (gikō) ab. Die 45 Schüler der ehemaligen Vorarbeiter-Schule wurden je nach ihren erworbenen Fähigkeiten in ein ihren Kenntnissen entsprechendes Studienjahr dieser Schiffbautechnikerschule eingeschult. Sie erhielten nach dem Studium die Qualifikation ‚Techniker der niedrigeren Klasse‘ (gikō). Die Qualifikation gikō galt als ein niedrigerer Rang als die des gite (Technikers). Der Qualifikationsrang gite taucht erst seit 1877 in den offiziellen

130

Dokumenten auf (Taniguchi 1998: 53). 1891 wurde dieser Qualifikationsrang gite dann die Zielqualifikation der neuen schiffbautechnischen Schule der Yokosuka-Schiffswerft.

Die Voraussetzung für die Teilnahme an der Eintrittsprüfung war eine mindestens seit einem halben Jahr laufende Festanstellung in der Yokosuka-Schiffswerft und ein Alter zwischen 17 und 25 Jahren (Yokosuka kaigun kōshō 1973c:56). Die Schulregel sah vor, dass die Schüler nach dem Studium mindestens sechs Jahre in der Yokosuka-Schiffswerft bleiben und dort zur Produktion beitragen mussten.

Das Studium gliederte sich in Grund- und Hauptstudium. Das Grundstudium sollte zwei Jahre und das Hauptstudium drei Jahre dauern. Das Curriculum bestand, wie dies seit 1879 auch bei der Vorarbeiterschule der Fall war, jeweils halbtags aus Theorie in der Schule und Praxis in der Werft. Während der schulfreien Tage waren die Schüler angehalten, in der Werft zusätzliche Praktika zu absolvieren (Yokosuka kaigun kōshō 1973c:60). Das Curriculum der Marine-Schiffbautechnischen-Schule aus dem Jahr 1889 zielte im Vergleich zu dem bisherigen, seit der Entlassung der französischen Lehrkräfte abgemagerten Curriculum der Vorarbeiterschule, auf ein Höchstmaß von fachlich-theoretischem Wissen sowie praktischem Handlungswissen ab. Das Curriculum kann mit dem der Ingenieurschule aus dem Jahr 1876, als die Lehrkräfte Sarda und Dupont an der Ingenieurausbildung beteiligt gewesen waren, gleichgesetzt werden.

Allerdings wurde dieses Curriculum nach der Rückkehr Bertins nach Frankreich 1891 revidiert. Die Dauer des Studiums reduzierte sich von fünf auf vier Jahre (s. Tab.

23). Was auffällt ist, dass der Unterricht für Chinesisch und Japanisch im ersten Jahr, in dem vor allem die Geschichte Japans unterrichtet wurde, abgeschafft wurde. Stattdessen wurden die im zweiten Schuljahr unterrichteten Fächer in das erste Jahr integriert.

Algebra (lineare und quadratische Gleichung), Physik sowie die Darstellende Geometrie gehörten nun zum ersten Jahr.

Die Fächer des dritten Jahres rückten jedoch nicht in das zweite Jahr des neuen Curriculums, eher wurde das Unterrichtsprogramm im zweiten Jahr kompakter gestaltet, d. h. nur die direkt mit dem Schiffbau relevanten Inhalte wurden als Lehrstoff ausgewählt. So wurden zum Beispiel im Englischunterricht nicht mehr die Weltgeschichte, sondern anhand der auf Englisch geschriebenen technischen Dokumente, englische Begriffe für Werfttechnologie und Dampfmaschinentechnologie unterrichtet.

131

Tab. 23: Curriculum der Marine-Schiffstechnischen-Schule aus dem Jahr 1889 (zusammengestellt nach Yokosuka kaigun kōshō 1973c:60)

Grundstudium

Schuljahr Fächer Themen

1. Schuljahr Japanisch und

Chinesisch Einführung in die Geschichte Japans

Rechnung Bruch, Verhältnis, Ziehen der Quadrat- und der Kubikwurzel

Algebra Von den vier grundlegenden Regeln der Arithmetik bis zur linearen Gleichung

Geometrie Zwei und drei dimensionale Formen Englisch Lesen und Grammatik

Umrisszeichnung Grundlagen 2. Schuljahr Japanisch und

Chinesisch Umriss der Geschichte Japans

Algebra Von der quadratischen Gleichung bis zur Theorie des Binoms

Trigonometrie Definition der achter Linien, bis zur Erklärung über das Verhältnis zwischen den 8 Linien und einem Winkel Darstellende

Geographie Punkt, Linie, zwei und drei Dimensionalität Englisch Weltgeschichte

Umrisszeichnung Maschinenzeichnung Mechanik Stillstand, Bewegung, Kraft

Chemie Nichtmetall

Physik Gesamtüberblick, Luft, Wasserdruck, Licht, Geräusch

Hauptstudium

3. Schuljahr Algebraische

Geometrie Gerade Linie, Kreis, Oval, Parabel , Hyperbel Zeichnen Umrisszeichnung, Zeichnen

Dampfmaschinen-wesen Theorie der Dampfmaschinen

Angewandte

Mechanik Stabilität und Instabilität von Materialien

Chemie Metallkunde

Industriemaschinen-wesen Erklärung aller Maschinen der Werft und Einführung in das Industriewesen

4. Schuljahr Schiffbauwesen Schiffe aus Holz, Konstruktion des Eisengerippe-Holzplanken-Schiffes

Zeichnen Zeichnen von Plänen Angewandte

Mechanik Widerstand von Materialien

Dampfmaschinen-wesen Dampfmaschinen für Schiffe und Mechanik

5. Schuljahr Schiffbauwesen Schiffe aus Eisen, Eisengerippe-Holzplanken-Schiff , Entwurf eines Kriegsschiffes

Dampfmaschinen-wesen Pläne von Dampfmaschinen für Schiffe Zeichnen Zeichnen von einem Entwurf

Anmerkung Die Fächer Marineingenieurtechnologie und Dampfmaschinenwesen sind Wahlfächer. Wer im 4. Jahr am Seminar der Marineingenieurtechnologie teilgenommen hat, soll im 5. Jahr das Dampfmaschinenwesen erlernen.

Im dritten Schuljahr des Curriculums wurden die Fächer unterrichtet, die im Vergleich zum vorherigen Curriculum (1889) stärker auf die Schiffbautechnologie

132

bezogen waren, wie Dampfmaschinentechnologie, Werfttechnologie und der Entwurf von Dampfmaschinen und Maschinen sowie das Fach Konstruktionsentwurf. Im vierten und fünften Jahr des früheren Curriculums sollte das Fach Eisenkonstruktion im Rahmen der Schiffbaukunde unterrichtet werden. In den letzten zwei Schuljahren lernten die Schüler im früheren Curriculum die Schiffbaukunde mit dem Schwerpunkt auf der Eisenschiffkonstruktion und dem Dampfmaschinenwesen. Im Curriculum aus dem Jahr 1891 verkürzte man dieses zweijährige Programm auf ein Jahr. Die Fächer Schiffbau- und Dampfmaschinenkunde wurden im vierten Jahr unterrichtet.

Anders als das Curriculum aus dem Jahr 1889 bestimmte das neue Curriculum von 1891 die Werkstätten für das Praktikum im Rahmen der Studienfächer Schiff- und Maschinenbau. Die Studenten im Fachbereich Schiffbau hatten das Praktikum in der Werft und im Dock, die Studenten im Fachbereich Maschinenbau in der Schmiede, der Produktionsabteilung, der Gießerei und der Maschinenbauabteilung zu absolvieren (Yokosuka kaigun kōshō 197c:66).

Die große Nachfrage nach ausgebildeten Schiffbau-Fachkräften war in der Ära der schiffbautechnischen Wende von der Holz- zur Eisen- und Stahlkonstruktion groß. Dies führte dazu, dass die Fachkräfte schneller und trotzdem kompetenter ausgebildet werden mussten. Es wurden innerhalb von drei Jahren, also zwischen 1892 und 1895, mit insgesamt 48 Absolventen gerechnet (s. Tab. 24). Der jährliche Durchschnitt sollte bei 18 Absolventen liegen. Diese hohe Zahl der sowohl theoretisch als auch praktisch ausgebildeten Arbeitskräfte unterstützte die Entwicklung der Schiffbauindustrie wie geplant.

Tab. 24: Erwartete Anzahl von Absolventen 1892-1895 (zusammengestellt nach Yokosuka kaigun kōshō 1973c:147)

Das zugehörige Studienjahr in

der Gegenwart Anzahl der

Schüler Erwartetes Datum des Schulabschlusses

Im 5. Studienjahr 8 Jul. 1892

Im 4. Studienjahr 3 Feb. 1893

Im 3. Studienjahr 15 Jul. 1893

Im 2. Studienjahr 13 Jul. 1894

Im 1. Studienjahr 9 Jul. 1895

Zusammen 48

Diese Marine-Schiffbautechnische-Schule war zwar neu, letztlich aber doch eine Reorganisation der bisherigen Vorarbeiterschule. Aus der Reorganisation der schiffbautechnischen Ausbildung der Yokosuka-Schiffswerft seit der Einstellung von

133

Bertin als Berater in das Marineministerium entstand so eine Komplikation in dem System des Qualifikationsranges.

Die schiffbautechnische Schule in der Yokosuka-Schiffswerft bildete nun anhand des neu gestalteten Curriculums hoch qualifiziertes technisches Personal mit hohem Praxisgehalt aus, welches zur Entstehung einer neuen Qualifikationsstufe führte, die zwischen Ingenieur und Vorarbeiter angesiedelt war. Dies war auch der Grund, warum die Zielqualifikation in der Schulordnung vom gikō (Techniker der niedrigeren Klasse) in gite (Techniker der höheren Klasse) modifiziert wurde (vgl. 3.3.3.4). Das heißt, die Entstehung des Ausbildungsberufes ‚gite‘ bzw. ‚Technikers‘ im Schiffbau nimmt in der schiffbautechnischen Ausbildung in der Yokosuka-Schiffswerft durch Bertins neues Curriculum ihren Ausgang. Dies führte dazu, dass eine Ausbildungsstätte für das technische Personal im oberen Stratum der technischen Organisation in der Yokosuka-Schiffswerft entstehen konnte. Es stellte sich jedoch nun noch die Frage, wie die Vorarbeiter, deren Aufgabe es war, als Vermittler auf der mittleren Ebene der Organisation eine enge Kommunikation und einen Informationsfluss zwischen den planenden und den operierenden Abteilungen sicherzustellen, ausgebildet werden sollten.

3.3.3.3 Reorganisation der Vorarbeiterausbildung in der Yokosuka-Schiffswerf