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3 Die innerbetriebliche Aus- und Weiterbildung in der Yokosuka- Yokosuka-Schiffswerft in der ersten japanischen Industrialisierungsphase

3.1 Vorbereitungsphase: Ausbildung der Dolmetscher in der Französischen Schule zu Yokohama

3.1.3 Ausbildung in der Französischen Schule zu Yokohama

Über das genaue Datum der Eröffnung der Schule gibt es kein offizielles Dokument.

Nach den Professoren der Handelsgeschichte Ōtsuka Takematsu und Numata Jirō war der offizielle Eröffnungstag der Französischen Schule zu Yokohama am Keiō 1.3.6 (1.

April 1865) gewesen (Nishibori 1969:49). Das wären dann drei Monate nach der Erstellung des Gründungskonzeptes der Yokosuka-Schiffswerft.

3.1.3.1 Die Schulorganisation

Bei der Gründung der Französischen Schule zu Yokohama wurden Oguri Kōzukenosuke und Kurimoto Sebei (später Joun) sowie Asano Ujisuke als Verantwortliche benannt (Kurasawa 1983:690). Der Direktor der Schule war Cachon, der aufgrund der Empfehlung von Roches für die Stelle eingestellt und aus Hakodate nach Yokohama zog. Er war kein fest angestellter Direktor, da er zugleich als Botschafter und Sekretär für den französischen Konsul und als Dolmetscher tätig war.

Cachon war für das Schul- und Unterrichtskonzept zuständig und unterrichtete selbst Französisch.

Im August 1866 waren zunächst drei französische Lehrkräfte in der Schule tätig.

Diese waren neben Cachon, Charles Buland und Lenéru (vollständiger Name unbekannt). Von ihnen war Buland zunächst der einzige fest angestellte Lehrer in der Schule. Aufgrund seines Fleißes entschloss sich die Tokugawa-Regierung, ihm sogar das tägliche Essen auf Kosten der Regierung zu gewähren (Kurasawa 1983:683).

In drei Jahren arbeiteten insgesamt neun Lehrer aus Frankreich an der Schule (Nishibori 1973:51-52; Nishibori 1981:296):

1. Emmanuel Eugène Mermet-Cachon, 2. Charles Buland,

3. Henri Veuve, 4. Léon Brin, 5. Fernand Pousset,

6. Lenéru (vollständiger Name unbekannt), 7. Purit (vollständiger Name unbekannt), 8. Salabelle (vollständiger Name unbekannt), 9. Louis Samie.

Die hohe Zahl muttersprachlicher Französisch-Lehrer war in Japan beispiellos und eine Garantie für die hohe Qualität der Sprachschule. Zu den Lehrkräften aus Frankreich

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kam darüber hinaus eine japanische Lehrkraft. Als Cachon im August 1866 krank wurde, forderte Roches die Tokugawa-Regierung auf, Shioda Saburō, einen Schüler Cachons, als Vertreter für den Erkrankten einzustellen. Dies wurde von der Regierung angenommen, und Shioda wurde somit zum Dolmetscher für Roches und die Französischlehrer ernannt.

Die Französische Schule war eng verbunden mit der Yokosuka-Schiffswerft und der Sanhei denshū-sho (Schule für drei Korps: Artillerie, Infanterie und Kavallerie), die beide von den Franzosen unterstützt wurden. Die von den französischen Lehrkräften unterrichtete direkte Methode führte dazu, dass die Schüler richtig sprechen konnten und ein gutes Hörverständnis besaßen (Nishibori 1973:47). Die Schule war ferner, über den Charakter einer Sprachschule hinaus, durch das naturwissenschaftlich orientierte Curriculum fast zu einer polytechnischen Schule geworden. Aus diesem Grund setzt Nishibori (1973:48) die Französische Schule mit der 1873 gegründeten Kōbu dai-gakkō (College of Engineering) in dem Ausmaß ihrer historischen Rolle für die Modernisierung gleich.

Die Französische Schule zu Yokohama existierte zwischen 1865 und 1868, also nur ca. drei Jahre. Es wurden dort insgesamt 135 kompetente Dolmetscher mit naturwissenschaftlichem Zusatzwissen ausgebildet. Sie spielten als Vermittler des europäischen Wissens bei der Beschleunigung des Wissenstransfers und der Wissensdiffusion aus Frankreich eine zentrale Rolle.

3.1.3.2 Herkunft der Schüler

Die Schüler der Französischen Schule sollten aus dem Nachwuchs der Vasallen (kashin) der Tokugawa-Regierung gewonnen werden. Die Rekrutierung von Schülern lässt sich, bezogen auf die Gruppierung der Eintrittsdaten der Schüler, in drei Phasen einteilen (s.

Tab. 9).

Tab. 9: Die Anzahl und der Rekrutierungszeitraum von Schülern der Französischen Schule zu Yokohama (zusammengestellt nach Kurasawa 1983:702-714)

Generationen Rekrutierungszeitraum Anzahl 1. Generation Jan. 1865 - März 1865 29 2. Generation Apr. 1865 - Jan. 1867 31 3. Generation Feb. 1867 - Okt. 1867 75

Insgesamt 135

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Von diesen 135 Schülern stammten über 30 % aus Familien von Kommissaren (bugyō) im zivilen Bereich der Tokugawa-Regierung. Die Nachkommen aus Familien der Kommandanten in der Infanterie (hohei sashizu-yaku), der Büchsentruppen (jūtai sashizu-yaku) oder des Heeres (rikugun bugyō) bildeten eine weitere Hauptkohorte von Schülern. Auch die Schüler der anderen Schuleinrichtung Kaisei-sho, in der ebenso Französisch unterrichtet wurde, wechselten zur Französischen Schule zu Yokohama (s.

Abb. 4).

Abb. 4: Herkunftsfamilie der Schüler (zusammengestellt nach Kurasawa 1983:688-714)

Die relative Konzentration auf den Heeresbereich ist darauf zurückzuführen, dass die Schüler der ersten Generation von 1865 alle vom Büro des Heereskommissars (Rikugun bugyō) ausgewählt worden waren. Es wurde angestrebt, die Ausbildung von Dolmetschern angesichts des zwischen Roches und der Tokugawa-Regierung abgeschlossenen Lehrauftrages im Militärbereich zu konzentrieren. Die Schüler sollten so schnell wie möglich Französisch lernen und als Dolmetscher bei der von den Franzosen unterstützten Sanhei denshū-sho (Schule für drei Korps: Artillerie, Infanterie und Kavallerie) zwischen französischen Lehrkräften und den japanischen Schülern vermitteln. Dies bedeutete jedoch nicht, dass kein Dolmetscher für das Projekt der Yokosuka-Schiffswerft ausgebildet worden war. Nach und nach wurden auch hoch qualifizierte Dolmetscherkräfte, die nicht nur über die Sprache, sondern auch über die Grundlagen der Schiffbautechnologie, nämlich Mathematik und Geometrie verfügten, in

Kommissar 33%

Infanterie Büchsentruppe 20%

16%

Heer 13%

Kaisei-sho 9%

Arbeitslos 3%

Ärzte 3%

Andere 2%

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der Yokosuka-Schiffswerft eingesetzt. Dass die Absolventen der Französischen Schule in allen technologischen und verwaltenden Bereichen der Tokugawa-Regierung eingesetzt werden konnten, verdankte die Regierung dem Curriculum dieser Schule, das von Cachon entwickelt worden war.

3.1.3.3 Die Schulregelungen und das Curriculum

Der Direktor der Französischen Schule Cachon entwickelte das Curriculum und die Schulregulative. Die von ihm konzipierten Schulregulative benannten zunächst die Zuständigkeiten der Schule. So wurde dort bestimmt, dass Cachon die Schulorganisation verwalten und zwei Hilfskräfte für den Schulbetrieb von der französischen Regierung zur Verfügung gestellt bekommen sollte (Kurasawa 1983:684-685). Weiter erwähnten die Schulregelungen die genaue Uhrzeit und die Tage, an denen die Lernaktivitäten der Schüler stattfinden sollten. Demnach sollte, außer an Sonntagen, der Unterricht vormittags von 8 bis 12 Uhr und nachmittags von 16 bis 18 Uhr durchgeführt werden (Kurasawa 1983:684-685). Aus der Wohnungsregel ist auch abzulesen, dass die Schüler weder nachts noch tagsüber einfach ausgehen durften. Sie waren somit in ihrem Bewegungsfreiraum auf die Schule und das Wohngebäude eingeschränkt (vgl. Nishibori 1988:564).

Der Stundenplan zeigt, dass die Schüler sich zunächst intensiv mit der Aneignung des arabischen Alphabets beschäftigen mussten. So sah die Schulregel vor, dass die Schüler in den sechs Monaten zwischen 8 und 9 Uhr vormittags und 16 bis 17 Uhr nachmitahgs das Alphabet an der Tafel und das Lesen üben sollten (Nishibori 1988:563). Die Schulregelungen bestimmten ferner, dass die Lehrkräfte sich auch sonntags zwischen 12 und 18 Uhr für die Schüler zur Beantwortung von Fragen zur Verfügung stellen mussten. Mittwochs ab 12 Uhr konnten sich die Schüler ausruhen oder einen Spaziergang machen (Kurasawa 1983:684-685).

Das Curriculum umfasste neben Französisch auch Weltgeographie, französische und Weltgeschichte, Mathematik, Geometrie und Reitunterricht, der ursprünglich für die der späteren Kavallerie zuzuordnenden Schüler bereitgestellt worden war. Ein Semester betrug sechs Monate. Die Schule hatte drei Klassenstufen: Anfänger, Mittelstufe und Oberstufe. Die angeführten Fächer weisen darauf hin, dass diese Schule nicht für die Ausbildung von einfachen Dolmetschern, sondern von Personal, das im internationalen und technischen Kontext kompetent agieren können sollte, konzipiert

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worden war. Insbesondere die mathematischen und naturwissenschaftlichen Grundlagen halfen den später in der Yokosuka-Schiffswerft arbeitenden Absolventen der Französischen Schule bei der Fortentwicklung ihrer Kompetenz. Dies schlug sich zum Beispiel darin nieder, dass einige von ihnen Lehrer der Ingenieurschule der Yokosuka-Schiffswerft und auch Lehrer für Schiffbautechnologie wurden (s. Abschnitt 3.1.4).

Um die Lernmotivation zu erhöhen, sah die Schulregel vor, dass ein Lernwettbewerb veranstaltet wurde. Jedes Jahr an den Geburtstagen des japanischen Kaisers und des französischen Königs wurden Prüfungen durchgeführt. Den ersten bis drittbesten Schülern wurden vom französischen Konsul Preise verliehen. Die Preise waren französische Fachbücher und Weltkarten (s. Tab. 10). Diese Bücher, die zum Teil auch als Textbücher benutzt wurden, bringen den Charakter dieser Französischen Schule deutlich zum Ausdruck (vgl. Kurasawa 1984:42).

Tab. 10: Textbücher und Preise für die besten Schüler der Französischen Schule zu Yokohama (zusammengestellt nach Nishibori 1969:61-62)

Fachbereich Autor Jahr Titel

Französisch

Poitevin, M.P. 1865 Cours théorique et pratique de langue française

Bescherelle, Maîné 1866 Petit Dictionnaire national Geschichte

Ducoudray, M./Duruy,

M. 1866 Histoire moderne et contemporaine, depuis 1643 jusqu‘à nos jours Durry, Victor 1866 Petite Histoire de France

Gabourd, Amedée 1865 Histoire de l‘Empereur Napoléon I Tours

Geographie Cortambert, E. 1866 Petit cours de Géographie Moderne Geometrie Rinnu (vollst. Name

unbekannt) 1866 Élémentaire de géométrie Mathematik Ritt, G. 1865 Nouvelle Arithmétique des Écoles

Primaires

Maschinenbau-kunde Rinnu (vollst. Name

unbekannt) 1865 Élémentaire de mécanique

Eine Mischung aus europäischer Allgemeinbildung, technischer Spezialisierung und Sprachkenntnissen war charakteristisch für die polytechnisch vermittelnde Ausbildung dieser Schule. Der Französischunterricht in der Französischen Schule zu Yokohama zeichnete sich durch die praxisorientierte direkte Methode aus, welche durch den Einsatz von französischen Muttersprachlern als Lehrer und ohne Vermittlungssprache während des Unterrichts charakterisiert war. Darüber hinaus ging die Aneignung der französischen Sprache relativ schnell vonstatten, da im angeschlossenen Internat eine intensive Auseinandersetzung mit dem Französischen ermöglicht wurde.

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