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Die Ausbildung für technisches Personal im Übergang von der Holz- zur Stahlschiffkonstruktion 1882 - 1886

3 Die innerbetriebliche Aus- und Weiterbildung in der Yokosuka- Yokosuka-Schiffswerft in der ersten japanischen Industrialisierungsphase

3.3 Vom Holz- zum Eisen- und Stahlbau: Das innerbetriebliche Ausbildungssystem in Yokosuka vom Anfang der 1880er bis zum Anfang der 1890er Jahre

3.3.2 Die Ausbildung für technisches Personal im Übergang von der Holz- zur Stahlschiffkonstruktion 1882 - 1886

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und gezeichnet werden. Somit wurde mehr Präzision verlangt. Auf der mittleren Ebene bedurfte es ebenfalls technischen Personals, das die Konstruktion eines Stahlschiffes verstand und diese dem Konstruktionsplan entsprechend den Arbeitern präzise mitteilen konnte. Die technische Humankapitalbildung in der Yokosuka-Schiffswerft stand dementsprechend erneut vor großen Herausforderungen.

3.3.2 Die Ausbildung für technisches Personal im Übergang von der Holz- zur

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Holz bestehen sollten (Yokosuka kaigun kōshō 1973b:207). Das Schiff hieß Katsushiro und war der erste Versuch in der Yokosuka-Schiffswerft, ein Schiff aus Eisen zu bauen.

Das Fachwissen des technischen Personals reichte in der ersten Hälfte der 1880er Jahre allerdings noch nicht aus, ein Schiff mit einer hybriden Baukonstruktion oder auch nur aus Eisen herzustellen. Aus diesem Grund stellte die Yokosuka-Schiffswerft im Juni 1883 zwei ausländische Ingenieure, Henry Lewis und Nicolas David aus der Pembroke-Schiffswerft in England, ein (Yokosuka kaigun kōshō 1973b:243). Ihnen wurden neben ihrer Beratertätigkeit bei der Konstruktion auch Lehraufgaben für die Vorarbeiterschule erteilt. So wurde gleich nach der Einstellung der englischen Ingenieure das Fach Eisenschiffbauwesen dem herkömmlichen Unterrichtsprogramm des 4. Schuljahres hinzugefügt. Das Unterrichtsprogramm der Vorarbeiterschule sah wie folgt aus (Yokosuka kaigun kōshō 1973b:205-206; 245):

1. Jahr Japanisch, Mathematik, Flächengeometrie, Kubische algebraische Geometrie, technisches Zeichnen.

2. Jahr Japanisch, Kurvenlehre (kyokusen-gaku), Darstellende Geometrie, Algebra, Trigonometrie, technisches Zeichnen.

3. Jahr Japanisch, Physik, Chemie, Mechanik, Festigkeitslehre, technisches Zeichnen.

4. Jahr Eisenschiffbaukunde, Holzschiffbaukunde, Dampfmaschinenkunde, Takelage- und Segelwerk, Einführung in die Industrielehre (kōgyō gairon), technisches Zeichnen.

Neben der Einführung des neuen Faches Eisenschiffbaukunde in die Vorarbeiterschule wurden im Rahmen der Expansionspolitik der Meiji-Regierung drei weitere Ausbildungsstätten in der Yokosuka-Schiffswerft eingerichtet. Die Akkumulation des technischen Humankapitals in der Marine bzw. im Schiffbau erschien als der Schlüssel zur Teilnahme an der Weltmacht. Die Meiji-Regierung stellte in diesem Zusammenhang 1884 der Yokosuka-Schiffswerft einen Auftrag, dort Ausbildungsprogramme für Maschinenbauer, Dampfmaschinenbauer sowie Schiffszimmerleute im Zuge des Übergangs vom Holz- zum Stahlbau bei der Schiffskonstruktion einzurichten. Diese drei Ausbildungsstätten wurden am 02.06.1886 in Betrieb genommen. Die Anzahl der Schüler im Jahre 1886 betrug 21 Lehrlinge im Maschinenbau, elf Lehrlinge im

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Kesselbau und zehn Lehrlinge für Tätigkeiten im Bereich des Schiffszimmerwesens (Yokosuka kaigun kōshō 1973b:347).

Die Schulregel für die neu eingerichteten Schnellkurse für Maschinenbau und Dampfmaschinenbau sah vor, dass die Lehrlinge aus den bereits in der Yokosuka-Schiffswerft eingestellten technischen Werftarbeitern rekrutiert werden und zwischen 22 und 30 Jahren alt sein sollten. Die Voraussetzung zur Teilnahme an der Ausbildung für Maschinenbau war eine bereits abgeschlossene Ausbildung als ‚Marinetechnischer Fabrikarbeiter‘ (kaigun kōfu) oder ‚Marine-Heizer‘ (kaigun kafu). Dies bedeutete, dass die Kurse, wie dies auch bei den Vorarbeiterschulen der Fall war, den Charakter einer innerbetrieblichen Weiterbildungsorganisation besaßen. Seit der Verlagerung der Ingenieurausbildung an die Tōkyō kaisei gakkō und die damit verbundene Einstellung der Anwerbung von Ingenieur-Kandidaten änderte sich der Charakter der technischen Ausbildungsstätten in der Yokosuka-Schiffswerft somit zu einer systematischen innerbetrieblichen Weiterbildungsorganisation.

Das Curriculum der Schnellkurse für Maschinenbauer und Dampfmaschinenbauer fiel im Bereich der schulischen Ausbildung im Vergleich zum Unterrichtsprogramm der Vorarbeiterschule schmaler aus, war aber in der Praxis sehr gründlich angelegt.

Ausgerichtet wurden die Schnellkurse für die in der Yokosuka-Schiffswerft eingestellten jungen Heizer (kafu) und technischen Arbeitskräfte (kōfu) zwischen 22 und 30 Jahren. Das zweijährige Programm sah vor, dass die Schüler wöchentlich zwölf Stunden am Unterricht teilnehmen und parallel den Rest der Zeit vor Ort ein Praktikum durchführen mussten. Das Curriculum dieser Schnellkurse sah folgendermaßen aus (Yokosuka kaigun kōshō 1973b:292):

Unterrichtsprogramm:

1. Jahr Rechnung, Grundlagen für Geometrie, Grundlagen für Algebra, Zeichnen.

2. Jahr Grundlagen für das Dampfmaschinenwesen, Zeichnen.

Praktikum im Maschinenbau-Kurs:

− Gießerei (6 Monate)

− Drehbank und Montage (18 Monate) Praktikum im Dampfmaschinen-Kurs:

− Schmiede (12 Monate)

− Kesselherstellung (12 Monate)

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Das zielbezogen geplante Praktikumsprogramm, das für das Erlernen der praktischen Fähigkeiten in diesen Weiterbildungskursen konzipiert worden war, zeigt die große Bedeutung, die der Ausbildung von handlungsfähigem technischen Personal zugewiesen wurde.

Andererseits verdeutlicht die Verordnung zur Durchführung dieser Schnellkurse, dass dringender Aufholbedarf und großer Personalmangel in diesem Bereich vorhanden war. Aufgrund des expansionistischen Charakters der Regierung, die auch auf Darstellung und Umsetzung militärischer Stärke als außenpolitische Strategie setzte, stieg die Nachfrage nach Fachleuten im Schiff- und Maschinenbau. Die Yokosuka-Schiffswerft wurde in dieser Hinsicht sowohl eine Produktions- als auch Ausbildungsstätte von technischem Personal für die Meiji-Regierung. Die Lehrkapazität des Ausbildungssystems in der Yokosuka-Schiffswerft stieß jedoch angesichts des veränderten Konstruktionsmaterials an ihre Grenzen. Die Zahl der Entsendungen von den in der Werft als vielversprechend geltenden Mitarbeitern nach Europa stieg daher in dieser Zeit wieder an. Durch ein Studium im Ausland sollte den veränderten Bedingungen Rechnung getragen werden.

3.3.2.2 Auslandsstudium

Als das japanische Marineministerium im Juni 1884 der englischen Firma Armstrong einen Auftrag über die Anfertigung von zwei Kriegsschiffen erteilt hatte, entsandte das Ministerium zugleich elf Werftarbeiter der Yokosuka-Schiffswerft nach England, um sich dort Kenntnisse in der Technologie des Eisenschiffbaus anzueignen (Yokosuka kaigun kōshō 1973b:282). Sie kehrten mit den Schiffen, die im Oktober 1885 und im März 1886 von der Firma Armstrong in England ausgeliefert worden waren, nach Japan zurück (Yokosuka kaigun kōshō 1973b:311).

Im Jahre 1884 wurden, der Verordnung der Meiji-Regierung zufolge, insgesamt zwölf Fachkräfte nach England entsandt. Davon stammten sechs aus der Yokosuka-Schiffswerft. Sie alle waren Assistenten des technischen Vorarbeiters (kōfu) und Absolventen der Vorarbeiterschule. Sie hatten demnach eine technische Ausbildung auf niedrigerem Niveau.

Im September 1885 brachen drei weitere technische Werkarbeiter der Yokosuka-Schiffswerft zum Auslandsstudium auf. Sie untersuchten bei der Firma Krupp in Deutschland die Eisen- und Stahlverarbeitung sowie Qualitätsprüfungsmethoden.

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Ursprünglich war ihr Aufenthalt für drei Jahre geplant (Yokosuka kaigun kōshō 1973b:311).

Im Juni 1886 erhielt die Yokosuka-Schiffswerft allerdings die Nachricht, dass Krupp zwar die Bedienungsanweisungen und Qualitätsprüfungen für die bestellten Waren anbieten, aber keine allgemeine Ausbildung zur Eisen- und Stahlverarbeitungstechnologie übernehmen könne. Aus diesem Grund änderte die Yokosuka-Schiffswerft ihren Plan und schickte die drei Werkarbeiter, die sich bereits in Deutschland aufhielten, nach Frankreich zur Firma Creusot, um dort die Kenntnisse über die Technologie des Eisenschiffbaus zu erlangen (Yokosuka kaigun kōshō 1973b:351).

Bei der Bereitstellung der Ausbildungsplätze für die Stahlherstellung und der Qualitätsprüfung spielte der französische Ingenieur und Professor für Schiffbau der École d‘application du génie maritime in Cherbourg, Louis Émile Bertin (1840-1924), eine entscheidende Rolle.

3.3.3 Einstellung von Louis Émile Bertin und Erneuerung des technischen