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Gründe für Umschlagvariationen und Umschlaginnovationen

Als ersten wesentlichen Grund für den Verzicht auf eine Übernahme oder Anleh-nung an die Vorlage des Originals und den Entwurf eines völlig neuen Umschlags für das übersetzte Buch haben wir die marketingstrategische Ausrichtung auf den neuen Buchmarkt genannt. Daneben unterliegt die Covergestaltung in den Verla-gen aber auch einer Reihe anderer Zwänge und Rücksichtnahmen, die hier nur kurz angerissen werden können.

Jeder Buchumschlag steht in unterschiedlichen paradigmatischen Bezügen zu allen anderen Umschlägen eines Sprach- und Kulturraums, die Umschlaggestal-tung unterliegt jeweils eigenen, kulturspezifischen Konventionen, die zwar nir-gendwo ausformuliert sind, die aber habituell als ein System von Normen und Codes existieren.

Häufig schränken einheitliche Designvorgaben, die unter verschiedenen Gesichtspunkten die Wiedererkennbarkeit sicherstellen sollen, die Freiheit des Buchgestalters ein. Solche Vorgaben können sich aus einem einheitlichen

Verlags-Abb. 16 Abb. 17

Abb. 18 Abb. 19

design ergeben, hier drängt sich als Beispiel etwa die Covergestaltung des Diogenes Verlags auf, einer der wichtigsten Verlage für niederländische Literatur im deutschsprachigen Raum. (Abb. 18 und 19)

Starke Einschränkungen ergeben sich durch ein einheitliches Reihendesign, wie es bei vielen Taschenbuchreihen vorgegeben ist. Des Weiteren gibt es einheitliche Gestaltungsprinzipien für die Bücher eines bestimmten Autors oder die eigene

„Handschrift“ eines prominenten Buchdesigners, die bestimmte Vorgaben für die Umschlaggestaltung setzen.

Wenn zwischen den unterschiedlichen Vorgaben verschiedener Designprinzi-pien kein Kompromiss möglich ist, bieten Verlage Bücher gelegentlich auch gleich-zeitig mit unterschiedlichen Umschlägen an. So besaß jedes Exemplar der 1992 erschienenen Novelle Der Schwertfisch von Hugo Claus einen doppelten Schutz-umschlag, der erste mit einem expressiven Bild, der das Buch mit einem kreativ gestalteten Einzelcover und der Genrebezeichnung „Roman“ quasi im Autorende-sign in die Reihe der übrigen deutschen Claus-Ausgaben stellt, der zweite im stren-gen einheitlichen Reihendesign für die Sammler von Cotta’s Bibliothek der Moderne. (Abb. 20 und 21) Der Käufer kann selbst entscheiden, mit welchem Umschlag er das Buch ins Regal stellt.

Abb. 20 Abb. 21

Fazit

Der mit der Schwerpunktpräsentation Flanderns und der Niederlande auf der Frankfurter Buchmesse 1993 einsetzende große Erfolg der niederländischen Lite-ratur in Deutschland, der durch die Ehrengastrolle beider Länder 2016 eine erneute Bekräftigung erfahren hat, hat zu einer anhaltend großen Zahl von Über-setzungen geführt, die den niederländisch-deutschen Literaturtransfer zu einem bestens geeigneten Forschungsfeld für transferorientierte Studien in vielen Berei-chen macht. Zwei dieser Bereiche wurden im vorliegenden Beitrag angesproBerei-chen:

die Buchtitel und die Buchumschläge. In der übersetzungswissenschaftlichen Titelforschung gibt es seit Längerem eine gute methodische Grundlegung, auf deren Basis vertiefte Studien zu den niederländisch-deutschen Titelübersetzungen angeregt werden sollten, zumal es verschiedene Datenbanken gibt, die es ermögli-chen, ein nahezu vollständiges Corpus zu erstellen.

Schwieriger stellt sich die Situation in der vergleichenden Umschlagforschung dar, wo die Voraussetzungen sowohl in der methodischen Grundlegung, vor allem aber auch in der Zugänglichkeit der nötigen Coverabbildungen sehr viel ungünsti-ger sind. Es wäre daher zu wünschen, dass es ähnlich der vertalingendatabase des niederländischen Fonds voor de Letteren zum Aufbau einer online für jedermann zugänglichen omslagendatabase kommen könnte.6 Da beide Datenbanken idealiter miteinander verknüpft sein sollten, würden sich auch hierfür die beiden Literatur-fonds in den Niederlanden und Flandern am besten eignen, zumal neben den welt-weiten Übersetzungen auch die originalen niederländischen und flämischen Buchumschläge erfasst werden müssten.

FUßNOTEN

1 Als grundlegende literaturwissenschaftliche Studie kann Rothe (1986) gelten. Aus der Sicht der Übersetzungswissenschaft sei insbesondere verwiesen auf Nord (1993) und Bouchehri (2012). Mit Blick auf das Niederländische ist mir bisher ein-zig Ross (2012) bekannt, die sich mit den Titelübersetzungen der Bücher Arnon Grünbergs beschäftigt.

2 Der hier gebrauchte Begriff von Übersetzung geht davon aus, dass auf der Texte-bene ein erkennbarer Bezug zum ursprünglichen Titel besteht. Vertreter der Sko-postheorie könnten einwenden, dass Titelersetzungen selbstverständlich auch Übersetzungen seien. Eine solche Erweiterung des Übersetzungsbegriffs ist aber in unserem Zusammenhang nicht dienlich.

3 Zum assoziativen Gehalt des Namens Flandern im Deutschen vgl. ausführlicher Eickmans (2007, S. 25-28).

4 Vgl. Cohnen (1999), Kroehl (1980), Kroehl (1984) und Stefan, R., N. Rothfos & W.

Westerveld (2006).

5 Eine verdienstvolle Ausnahme bildet die vergleichende Untersuchung von

„Grunbergs omslagen rond de wereld“, so der Titel der Untersuchung von Fre-schi (2012).

6 Beispiel für Anlage und Aufbau könnte hier die „Digitale Sammlung Schutzschläge“ der Universitäts- und Stadtbibliothek Köln, die aktuell 1843 Objekte um-fasst: http://umschlagsammlung.ub.uni-koeln.de [letzter sZugriff: 18.06.2017]

Bibliographie

Bouchehri, R. (2012). Translation von Medien-Titeln. Der interkulturelle Transfer von Titeln in Lite-ratur, Theater, Film und Bildender Kunst. Berlin: Frank & Timme.

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Eickmans, H. (2007). „um uns den vlämischen Geist näher zu bringen“. Über das Engagement deut-scher Philologen, Verleger und Literaten für die Sprache und Literatur Flanderns im 20. Jahrhun-dert. nachbarsprache niederländisch, 22 (2), 24-68.

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Freschi, V. (2012). Visuele vertaling: Grunbergs omslagen rond de wereld. In D. Ross, A. Pos & M.

Mertens (Hrsg.), Ieder zijn eigen Arnon Grunberg. Vertaling, promotie en receptie in Italië, Spanje, Catalonië, Portugal en Roemenië (S. 111-130). Gent: Academia Press

Genette, G. (2001). Paratexte. Das Buch vom Beiwerk des Buches. Frankfurt am Main: Suhrkamp.

Kroehl, H. (1980). Der Buchumschlag als Gegenstand kommunikationswissenschaftlicher Unter-suchungen. (Dissertation, Mainz)

Kroehl, H (1984). Buch und Umschlag im Test. Dortmund: Harenberg.

Nord, C. (1993). Einführung in das funktionale Übersetzen. Am Beispiel von Titeln und Überschriften.

Tübingen/Basel: Francke.

Ross, D. (2012). Grunberg over de grens: functies en vertaling van prozatitels. In D. Ross, A. Pos &

M. Mertens (Hrsg.), Ieder zijn eigen Arnon Grunberg. Vertaling, promotie en receptie in Italië, Spanje, Catalonië, Portugal en Roemenië (S. 145-166). Gent: Academia Press

Rothe, A. (1986). Der literarische Titel. Funktionen, Formen, Geschichte. Frankfurt/M.: Kloster-mann.

Stefan, R., N. Rothfos & W. Westerveld (2006). U1. Vom Schutzumschlag zum Marketinginstru-ment. Mainz: Schmidt.

Braet, Boon und Nooteboom