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Gleiche Handlungsmöglichkeiten für alle

Im Dokument Herrschaftskritik Hauke Thoroe (Hrg.) (Seite 108-114)

Das Gegenteil einer „Führer“-Gesellschaft (also einer Gesellschaft, in der es ständig irgendwelche Wichtigmenschen gibt) wäre eine „horizontale Gesellschaft“. Also eine Gesellschaft, in der zwar nicht alle gleich sind, aber gleiche Handlungsmöglichkeiten haben. Alle Autoritäten, die sich erdreisten, im Namen des „Volkes“, der „Jugend“

oder der „Linken“ zu sprechen, oder gar Vereinbarungen in deren Namen zu treffen, gehören ausgelacht. Nur noch freie ungezwungene Vereinbarungen und Kooperatio-nen zwischen den direkt betroffeKooperatio-nen Menschen sollten den Alltag regeln.

Offener Zugang zu Ressourcen

Bisher gibt es Menschen, die andere Menschen zwingen können, etwas zu tun, was diese nicht oder nur ungern wollen. Dies wird bisher über direkten Zwang (Polizei, Ge-richte, Lehrer_Innen) oder über angebliche Sachzwänge wie z.B. die angebliche

„Wahl“ zwischen Arbeiten oder Verhungern organisiert. Diese und alle anderen For-men von Zwang müssen für eine horizontale Gesellschaft abgeschafft werden. Gleich-zeitig müssen aber auch Handlungsmöglichkeiten für Alle entstehen. Frei nach dem Motto „Alles für Alle- Und zwar Umsonst!“. Als erstes müsste ein freier Zugriff Aller auf alle Ressourcen bestehen. Dinge (auch Wissen) sollten nicht nur für die „Besitzer_In“

nutzbar sein, sondern für alle offen verfügbar gemacht werden.

Sich als Individuum begreifen

Auch „Linke“ fühlen sich in großen Menschenmassen, die sich wie Herden durch von Wenigen bestimmte Straßen wälzen, um am Ende den Herdenführern zuzuhören, sehr wohl. Das nennen sie dann Demonstration, und bilden sich ein, dass sie etwas getan hätten. Wenn irgendwo etwas organisiert wird, geht es sehr oft darum, welches Logo ganz nach oben kommt. Oft wird auch bei linken Organisationen ein „Drinnen/

Draußen“ suggeriert. Gemeinsam über andere Gruppen ablästern, kollektive Ent-scheidungen treffen (Plenum) und das angebliche Argument, dass das Verhalten des Einzelnen der Gruppe schade, sind leider Alltag. Das muss endlich aufhören. Jed_E kann selbst Denken und wissen, was gut für sie ist. Warum ist es so schwer, sich von kollektiven Identitäten zu lösen, und einfach „selbst“ zu sein?

Kreativität wecken

Die Einteilung der Phänomene dieser Welt fußt oft auf sehr platten Denkmustern. Die-se gängigen Modelle kennen oft nur „Freund/Feind“, „Schwarz/Weiß“, „Ja/Nein“. Dies ist eine binäre Logik, die nur starre Definitionen zulässt. Um diesem Denken zu be-gegnen, muss ein anderes Modell entworfen werden. Ich stelle mir ein System auf der Basis von Kreativität und Autonomie vor. Für die Probleme dieser Welt gibt es wahr-scheinlich annähernd unendlich viele Lösungsmöglichkeiten. Trotzdem verengen sich Diskussion oft auf entweder/oder. Aber je fitter ich im kreativen Denken bin, desto mehr Handlungsmöglichkeiten habe ich. Autonomie bedeutet in einem solchen Pro-zess, dass ich Lösungswege von anderen Menschen oder Gruppen akzeptiere,

Die Erstfassung dieses Textes entstand im Frühjahr 2006 als Brief an die Husumer Antifa, nachdem sich abzeichnete, dass die Antifas eine Soli-Kampagne für eine wegen dem Übermalen von NPD-Plakaten krimina-lisierte Person nicht mittragen würden. Der Brief analysierte ver-schiedene Kritikpunkte, u.a. mangelnde Solidarität, Entpolitisierung mangels ideologischer und persönlicher Auseinandersetzung und fehlen-

. des Vertrauen, sowie autoritäre Tendenzen in der Antifa. Der Text 108

und sie auch meine Lösungen akzeptieren, und das gleichzeitig ausgelotet wird, wo Kooperationsmöglichkeiten bestehen. Diese Mischung aus Akzeptanz und Kooperati-on macht dann kulturell-ausschließlichen Rassismus überflüssig und ist dem „struggle for life“ auch in der Effizienz klar überlegen.

Kooperativer Umgang miteinander Dem Ellbogenkampf nach Innen muss aller-dings die Forderung nach Solidarität entge-gen gesetzt werden. Gerade weil alle frei in ihren Entscheidungen und Verantwortungen sind, ist es wichtig, sich zu solidarisieren, wenn irgendwie irgendwo die (Handlungs)- freiheit anderer eingeschränkt wird. Das meint zum einen das aktive Vorgehen in solchen Fällen, als auch die vorausschauen-de Planung, in wie weit ich mit meinem Tun Andere einschränke, oder ob ich meinen Vorteil gerade auf Kosten Anderer habe.

Wichtig ist auch eine breite Kooperation mit allen Beteiligten.

Kooperative Konfliktlösung üben

Wenn es keinen Zwang gibt, zusammenzuarbeiten, ist das heftigste Druckmittel die Beendigung der Kooperation. Alle Konflikte zwischen Menschen müssten frei ausge-handelt werden: Entweder gibt es eine für beide akzeptable Lösung, oder eben keine.

Dies ist auch ein Ergebnis, denn wo steht, das mensch mit jedem auskommen muss?

Und wie viele „Einigungen“ werden heute nur erzielt, weil eine der Partner_Innen sich in einer schwachen Position wähnt, und deswegen ein unbefriedigendes Ergebnis ak-zeptiert? Oder weil die Ein_E die Ander_E mit Cops und Gerichten zwingen kann?

Direkte Intervention

Ein Mittel zur Konfliktüberwindung ohne Herrschaft ist direkte Intervention: Wenn mich ein Umstand oder das Verhalten anderer stört, bin ich der Einzige, der das ändern könnte. Also muss ich das Einzige tun, was mir bleibt: Denjenigen ansprechen, und kommunizieren, dass mich sein Verhalten stört oder ich mit einen Vorgang nicht ein-verstanden bin. Wahrscheinlich entsteht dann ein Gespräch, dass damit endet, dass

Der Freiraum in Husum war der Versuch, of-fensiv mitten in der Innenstadt einen „Offenen Raum“ ohne Kontrolle, aber mit vielen Hand-lungsmöglichkeiten für Alle zu schaffen.

benannte sowohl theoretische als auch konkrete Schritte zur Verbesser-ung der Situation und ErhöhVerbesser-ung der HandlVerbesser-ungsfähigkeit. Der Umgang mit dem Papier innerhalb der Antifa war unterschiedlich: Während Einige sich nicht einmal mit den Thesen auseinander setzten, betonten die

„Checker“ die Wichtigkeit des Papiers. Deshalb müsse sich zu gegebener Zeit damit auseinandergesetzt werden, wenn alle genügend darüber re-flektiert hätten. Der Trick ist clever: Durch das Betonen der Wich- Mit der Umsetzung der sozialdemokratischen Reformvorschläge im 20.

Jahrhundert hat sich die Bedeutung des aus dem Marxismus stammenden Wortes Solidarität entschieden gewandelt. Ursprünglich beschrieb es

„zusammenstehendes, engagiertes, parteiergreifendes direktes Handeln“

von Gleichgesinnten. Heute meint es häufig ein anonymes Einzahlen „Al-ler“ in eine anonyme bürokratische Kasse, aus der mehr oder weniger anonym individualisiert der Bedarf für den jeweiligen Zweck der Ein-

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eine für beide Seiten akzeptable Lösung gefunden wird. Wenn nicht, endet hier die Kooperation. Und eventuell beginnt dieSabotage. Wenn mich eine Sache stört (ka-puttes Dach, etc.), so bin ich selbst gefordert, dies zu ändern, da es niemand für mich erledigt, da es in selbstorganisierten Zusammenhängen keine formalen Zuständigkei-ten mehr gibt. Auch sind für mich Situationen denkbar, in denen ich finde, dass „eins die Fresse“ oder „Anzünden“ die angemessene direkte Intervention als Nothilfe wäre (Naziübergriff, Vergewaltigung, krasse Grenzverletzungen, Wiederaufbau des Berliner Stadtschlosses, Atomklo im Garten). Doch denke ich, dass in einer Gesellschaft ohne Zwang, aber mit hohem Kommunikationsniveau diese Fälle relevant seltener vorkommen als heute, gerade weil sich Entscheidungen viel schwerer gegen die Betroffenen durchsetzen lassen werden.

Offener Umgang

Generell ist in sozialen Subräumen ein offener Ungang mit Wünschen, Gefühlen, aber auch Ängsten notwen-dig. Und die Gruppe muss Ängste anderer tolerieren, und auch dafür offen sein. Niemand sollte fürchten müssen, als Spielverderber, Weichei, Jammerlappen, hysterisch oder ähnliches abgestempelt zu werden.

Individualität einfordern

Alle Maßnahmen, ALLE vereinheitlichen zu wollen müssen aufhören. Vielmehr müssen alle, die wollen, sich als handlungsfähig begreifen, ohne die anderen, die nicht wollen, einzuschränken. Dies hängt wieder eng mit der Handlungsfähigkeit für alle zusammen, und damit, sich selbst als Individuum zu begreifen, das sich keinem „großem Ganzem“ unterzuordnen hat.

Utopie und Realität annähern

Im Gegensatz zu vielen Anderen bin ich nicht bereit, bis an mein Lebensende auf eine Veränderung der Verhältnisse zu warten. Auch bilde ich mir nicht ein, mit der westlich-en Demokratie eine gute Ausgangslage für Veränderungwestlich-en durch meine Kids zu ver-teidigen, um diesen nebenbei Verantwortung aufzudrücken, um selbst mit gutem Ge-wissen etablieren zu können. Ich möchte mich bereits jetzt einer „besseren“ Welt an-nähern. Gleichzeitig glaube ich nicht mehr, dass alle Menschen nach einer eventuel-

keit der Kritik wird der offene Bruch vermieden und trotzdem die Dis-kussion immer wieder vertagt. Der Konflikt löste sich schließlich durch die schrittweise erfolgende Ausgrenzung zweier Personen. Bis heute ist keine der Forderungen und keiner der Vörschläge diskutiert oder umgesetzt worden. Auch mit Solidarität sieht es in Husum immer noch problematisch aus. Wer sich ein Bild machen möchte:

http://husum-aktiv.de.vu richtung abgedeckt wird. Diese Institutionen sind zudem oft in die be-stehenden Herrschaftssysteme fest eingebunden oder sogar Teil davon (z.B. Hartz4 und Arbeitsämter). Um als Individuum wieder gesellschaft-lich handlungsfähig zu sein, muss diese Form der „anonymen“ Solidari-tät sehr stark hinterfragt werden. Stattdessen gilt es, direkte soli-darische Netzwerke zu knüpfen, um die Vereinzelung im Alltag und bei alltäglichen Problemen überwinden zu können.

Der Klaubautermann am Husu-mer Nissenhaus bekennt sich seit 2003 zum Anarchismus

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len Revolution von heute auf Morgen ihre ausbeuterischen Verhaltensweisen ablegen, sondern dass dies geübt werden muss. Auch ist mir schleierhaft, wie auf einmal Selbstorganisation funktionieren soll, wenn es nie geübt, sondern in der „alten Welt“

immer die Fähigkeiten dazu durch Schule, Job, Politgruppe abtrainiert wurde. Zudem finde ich es beschämend, wenn Organisationen und Gruppen, die für sich in An-spruch nehmen, „alternativ“ oder „weltverändernd“ oder einfach nur „kritischer“ als

„das Draußen“ zu sein, innerhalb ihrer Gruppe dieselbe herrschafts- und kapitalismus-förmige Scheiße abziehen, wie sie es von „außerhalb“ gewöhnt sind. Es wird, wie ich finde, auch viel zu selten versucht, die gesellschaftlichen Subräume, die mensch sel-ber definieren kann (WG, Beziehung, Politgruppe etc.) konsequent nicht marktförmig, sondern selbstorganisiert und herrschaftsfrei/ arm zu gestalten. Ich sehe also zum ei-nen Potential, das Leben zu verbessern, als auch die Notwendigkeit dazu, wenn politi-sches Handeln ernsthaft etwas ändern und nicht nur „Feierabend-Antifa“ bleiben soll.

Gleiche Handlungsmöglichkeiten

In politischen Zusammenhängen sind gleiche Handlungsmöglichkeiten oft nicht gege-ben, da doch sehr große Unterschiede zwischen den Beteiligten herrschen. Zum ei-nen gibt es hier handfeste materielle Unterschiede. Einige haben Auto und/oder Füh-rerschein. Einige haben Wohnungen, andere Eltern. Die Einkommen gehen generell weit auseinander. Des Weiteren gibt es viele informelle Ressourcen, die nicht allen zur Verfügung stehen. Eine Ressource, die ich nicht kenne, weil andere sie privatisieren, kann ich auch nicht nutzen.

Wissens-Dominanz

Richtig krass ist die Verteilung der Handlungsmöglichkeiten meistens beim Thema

„Wissen“. Es gibt oft eine Hand voll „Checker“ und viele Menschen, die eher wenig Know-How über „technische“ Vorgänge haben. Am problematischsten ist jedoch der Umgang mit individuellen Ängsten und Handlungsmöglichkeiten. Beispiel Repressi-onsangst: Es ist sehr verschieden, wie Menschen in einer Gruppe Repression ein-schätzen. Einige gehen sehr locker damit um, und suchen auf Demos sogar die Bul-len, andere trauen sich nicht einmal Plakate abzureißen, z.B „weil mein Vater mich se-hen“ könnte. In einem Fall stellt selbst die Möglichkeit, mit direkter Gewalt konfrontiert zu werden, keinen Hinderungsgrund dar, während im anderen Beispiel sich bereits ein sozialer Aspekt als abschreckender repressiver Faktor darstellt. All diese Faktoren führen zu unterschiedlichen Handlungsmöglichkeiten in der Gruppe. Gemeinsame Re-flexion, Bewusstmachung und Trainings können hier Abhilfe schaffen.

Kommt es nach einer direkten Intervention zu keinem Gespräch, so ist es durchaus legitim, Verhandlungen über Vereinbarungen mit Sabotage zu erreichen. Ist z.B. die Musik in der WG zu laut, und nachdem eine Kla-ge ignoriert wurde, zieht die betroffene Person entnervt den Stecker, so handelt es sich hierbei um Sabatoge mit dem Ziel, ein Gespräch über die Bedürfnisse der handelnden Person zu provozieren und die Grenz-überschreitung durch die störende Musik zu beenden.

Als "offener Raum" kann ein Aktionsfeld bezeichnet werden, in dem es keine Beschränkungen gibt, diesen zu nutzen und zu füllen - außer die anderen AkteurInnen, mit denen bei Interessenkollision (z.B. Nutzung der gleichen Infrastruktur, Flächen u.ä. zur gleichen Zeit) eine di-rekte Vereinbarung getroffen wird. Ein Raum und seine Ausstattung ist dann offen, d.h. gleichberechtigt für alle nutzbar, wenn die Be-schränkungen physisch und praktisch nicht bestehen, d.h. der

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Wieder handlungsfähig werden

Ein anderes Beispiel sind die Unterschiede in der eigenen Wahrnehmung. Beispiel: In einem Gespräch über einen aktuellen Repressionsfall war meine Gesprächspartner_

In offensichtlich nicht in der Lage eine Handlungsmöglichkeit zu finden. Es fehlte ein-fach jede Idee. Als ich meine äußerte, fand er diese gut und sinnvoll, scheiterte jedoch an der selbstorganisierten Umsetzung. Wie soll auch jemand, der sein Leben lang nur das tun muss, was andere (Eltern, Lehrer_Innen, Fußballtrainer_Innen) ihr sagen, auf einmal selber checken, welche Möglichkeiten es gäbe? Dieses „strategische Denken“

ist superwichtig. Wahrscheinlich war mein Gegenüber auch durch meine Erwartungs-haltung völlig überfordert, dass er erst selbstständig formuliere, worauf er Lust habe, und dass er es selbstorganisiert umsetzen solle. Ich denke, diese Probleme sind lös-bar (Und wahrscheinlich noch viel mehr und ganz anders):

a) Nutzigemeinschaften

Um handfeste Ressourcen gemeinsam zu nutzen, müssen diese für alle geöffnet sein.

So macht es Sinn, diese an Orten aufzubewahren, die für viele zugänglich sind. Dort kann auch ein Ordner angelegt werden, in dem steht, wer welche teuren, seltenen oder ungewöhnlichen Werkzeuge und Apparaturen besitzt. Dann weiß jed_E, wo was ausgeliehen werden kann. Da der Zwang, irgendwie an Geld zum Leben zu kommen, viele von sinnvollen Dingen abhält, könnte überlegt werden, wie es das Leben um-sonst geben könnte. 6

b) Wissensvermittlung untereinander

Um die einzelnen informellen Vorteile für alle nutzbar zu machen, müsste erst einmal transparent werden, wer was kann oder kennt. Hier ließe sich wieder ein Ordner machen, (der für alle einsehbar ist) in dem steht, was jed_E kann. Jed_E, die nun eine

„Expert_In“ auf einem Gebiet sucht, kann sich an die Aufgelisteten wenden, und sich so eigenes Know-How aneignen, und dadurch handlungsfähiger werden. Infor-mationen, die eine aus der Gruppe hat, müssen zudem transparent gemacht werden.

c) Handlungsmöglichkeiten transparent machen

Zudem könnte allen Beteiligten in einem Prozess transparent gemacht werden, wie bestimmte Abläufe funktionieren. So lässt sich die Abhängigkeit von Menschen, die sich mit einer Technik auskennen, reduzieren. Auch lassen sich informelle Kontakte, wie mensch z.B. Dinge oder Dinstleistungen bekommen kann, ebenfalls in einer Grup-pe transparent machen.

In politischen Gruppen wird unterschiedlicher individueller Reichtum selten thematisiert. Noch seltener wird versucht, hierbei Gleichbe-rechtigung, z.B. durch gemeinsame Kassen oder Ökonomien zu schaffen.

Doch auch ohne experimentelle Lösungsversuche zu suchen, ist das Thema heikel: Auf der einen Seite fühlen sich Menschen ohne Geld auch poli-tisch weniger handlungsfähig, und anderseits bleibt oft die Frage:

„Warum soll ich das immer zahlen?“ latent vorhanden. Auch der Blick

Zugang zu den Handlungsmöglichkeiten darf weder durch verschlossene Türen, Vorbehalte, Passwörter usw. verwehrt werden können, noch dür-fen Wissensbarrieren hingenommen werden, die Einzelne von der Nutzung des offenen Raumes und seiner Teile ausschließen. Dieses bedarf in der Regel eines aktiven Handelns, um Transparenz herzustellen, Zugänge zu Informationen zu ermöglichen und Erklärungen z.B. für technische Gerä- te bereitzustellen. Das Konzept des offenen Raumes bricht sehr 112

d) Strategisches Denken trainieren

Ein bisschen schwerer ist es, sich „strategisches Denken“ anzueignen, aber es geht.

Es muss lediglich trainiert werden. Eine Übung wäre, sich ständig zu überlegen, wel-che Aktionen mensch an dem Ort, wo er gerade ist, mawel-chen könnte. Oder wie Plakate und Werbung verändert werden müssten, um einen anderen politischen Sinn zu be-kommen. Ich denke, hier sind sowohl die „Schafe“ gefragt, die sich bemühen müssen, als auch die „Checker“, die ihre bisherige Rolle kritisch reflektieren müssen, und dann ihre Handlungsmöglichkeiten auch anderen zur Verfügung stellen. 7

e) Praktische Solidarität

Gegen Repressionsangst hilft Vertrauen. Zum ei-nen in die eigeei-nen Fähigkeiten. Deswegen muss allen ständig die Möglichkeit offen stehen, ihre Fä-higkeiten zu erweitern. Gleichzeitig muss die Gruppe vertrauenswürdig sein. Besser Ängste im Vorfeld thematisieren, als Vereinbarungen unter Druck eingehen. Dazu gehört, dass alle überle-gen, was ihr Handeln für Folgen haben kann. Da-zu gehört aber auch, das ich mir sicher sein kann, das niemand aus der Gruppe gegen mich inner-halb oder außerinner-halb der Gruppe „klüngelt“, um ei-nem anderen Schaden zuzufügen, sondern Kon-flikte mit mir aus dem Weg räumt, oder zumindest diese transparent macht. Dazu gehört auch, dass niemand mit Repression alleine gelassen wird, und stattdessen eine gemeinsame solidarische Auseinandersetzung mit dem Thema geführt wird.

Alltäglicher Widerstand oder widerständiger Alltag?

Der Grund, warum ich all das hier aufführe, ist der: Wenn sich nicht grundlegend et-was in politischer Bewegung ändert, dann hoppeln viele Aktivistis früher oder später ins Bürger/ Studi/ Schüli-Leben und erzählen ihren Kids immer wieder die selben drei Geschichten aus ihrer „wilden Antifazeit“. Wenn Politik immer nur auf jeden zweiten Mittwochabend beschränkt bleibt, und es nicht gelingt, Widerstand und Alltag zu ver-knüpfen, sodass Widerstand alltäglich und Alltag widerständig wird, hat Herrschafts-kritik keine Chance.

durch die Herrschaftsbrille bringt problematisches zu Tage: Vermögende haben es leichter, die von ihnen bevorzugten Projekte zu fördern, da sie im Zweifelsfall einfach das zur Verwirklichung notwendige Geld zur Verfügung stellen können. Allerdings führt dies sehr leicht zu Domi-nanzen, da die Abhängigkeit des Projektes von bestimmten Personen die-se privilegiert, und damit die Meinungen der Beteiligten nicht mehr dasselbe Gewicht im Projekt haben.

krass mit typischen Verhaltensweisen, sodass eine ständige Kommunika-tion notwendig ist. Dies ist zum einen eine Chance für einen herr-schaftsfreien Umgang miteinander, ist aber auch oft anstrengend; vie-len Linken zu anstrengend. Doch auch ohne das Konzept 1:1 umzusetzen, bietet es viele neue, spannende Herangehensweisen. Der älteste offene Raum ist die Projektwerkstatt Saasen.

Mehr Infos: www.offener-raum.de.vu und www.projektwerkstatt.de

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Im Dokument Herrschaftskritik Hauke Thoroe (Hrg.) (Seite 108-114)