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Die Vielfalt der Einfalt: Herrschaft weltweit

Im Dokument Herrschaftskritik Hauke Thoroe (Hrg.) (Seite 54-58)

Herrschaft findet sich nicht nur in den gemäßigten Breiten. Herrschaft findet weltweit statt. Oft tritt sie sogar viel offener, unverschleierter und direkter auf, als in den von

„Demokratie“ und „Good-Gouvernance“ geprägten westlichen Gesellschaften. Trotz-dem existieren zwischen diesen Systemen Verbindungen und Abhängigkeiten, ohne die die weltweit existierenden Herrschaftssysteme nur schwer bestehen könnten.

Weltweite Vielfalt

Weltweit betrachtet sticht vor allem die Vielfalt der Herrschaftssysteme ins Auge. Es scheint nur schwer vorstellbar, dass zwischen den brutalen Regimes der Warlords u.a. im Kongo, den kommunistischen Machthaber_Innen in China und den parlamen-tarischen Demokratien in der EU Zusammenhänge und wechselseitige Abhängig-keiten bestehen sollen. Doch genau das ist der Fall.

Schattenseite der Globalisierung

Früher endeten Kriege oft mit der Erschöpfung der für die Kriegsökonomie notwendi-gen Ressourcen im Kriegsgebiet. Oft wurde so lange geplündert und geraubt, bis die-se Perspektive die-selbst für

die Landsknechte nicht mehr attraktiv erschien. Der erste Weltkrieg endete mit dem Zusammenbruch der Volkswirtschaften der Zwei-bund-Mächte. Der heutige Krieg im Kongo geht trotz völliger Verwüstung weiter.

Weltweite Abhängigkeit Offensichtlich kommt es in diesem Krieg nur wenig auf die vorhandene Infrastruk-tur an. Die für die Kriegs-ökonomie notwendigen Gü-ter werden nämlich von au-ßerhalb eingeführt. Dies ist

möglich, weil weit weg vom peripheren Kriegsgebiet prosperierende Wirtschafts-zentren für steten Zustrom von Waffen, Geld, Treibstoff und Nahrung sorgen. Doch dies geschieht nicht ohne Gegenleistung. Durch die Finanzierung des Krieges wird der Zugriff der kapitalistischen Zentren auf die Rohstoffe der Peripherie zu Schleuder-preisen gewährleistet. Im Fall des Kongos handelt es sich um Coltan und Niob, zwei seltene Erze zur Herstellung des Metalls Tantal, das z.B. für hocheffektive Akkus, Kondensatoren und Speicherchips verwendet wird. 33

Coltantagebau im Kongo. Aufgrund ausbeuterischer Ar-beitsbedingungen kommt es oft zu tödlichen Unfällen.

Verhinderte Abschiebung der Familie Makitu

Juni 2006: Die Familie Makitu soll innerhalb kürzester Frist abge-schoben werden. Grüne, Jusos, Gewerkschaft und Kirche halten das Flugzeug für abgeflogen. Doch einigen Jugendlichen gelingt es, mit kommunikativen Aktionen 300 Menschen zu einer Demo zu mobilisieren.

Und siehe da: Auf einmal finden auch Grüne, Kirchen, etc. den Fall 54

Direkte Interventionen der Zentren in der Peripherie

Wenn der ewige Krieg der Warlords nicht mehr in der Lage scheint, den effektiven Zu-griff auf Rohstoffe zu gewährleisten, greifen teilweise die Mächte der Zentren auch di-rekt in das Kriegsgeschehen ein. Im Kongo geschah dies z.B. 2006 mit Beteiligung deutscher Kampfverbände, um angeblich Wahlen zu sichern. Diese Beteiligungen an Kriegen verfolgen das Ziel, einen handlungsfähigen Staatsapparat zu konsolidieren, der dann dank seines vorher erkämpften Gewaltmonopols den „sicheren“ Zugriff auf Rohstoffmärkte leisten kann. Dies gehört u.a. zu den expliziten Aufgaben von Bundes-wehr, EU-Battlegroups und der NATO-Response Force. 33 34

Einziger Erfolg: Mehr Ab-schiebungen

Eine innenpolitische Kom-ponente der deutschen Be-teiligung am Krieg wird sel-ten beachtet. Es gelang den Behörden, Flüchtlinge in den Kongo mit dem Hin-weis auf angebliche Sicher-heit durch Wahlen abzu-schieben. Doch der Kongo-Einsatz scheiterte fatal, da der bisherige Präsident Jo-seph Kabila das Wahler-gebnis nicht akzeptierte, und Panzer den Amtssitz seines Konkurrenten Bem-ba angriffen. Dieser über-lebte jedoch, und mit ihm die Botschafter der Nachbarstaaten, die sich ebenfalls im Gebäude befanden35.

Beim letzten Versuch erfolgreicher

Eine frühere Intervention im Kongo war aus westlicher Sicht effektiver. 196136 töteten der belgische Geheimdienst und der CIA den Präsidenten Lumumba und ersetzten diesen mit Hilfe von Söldnern durch den ihnen genehmen Stabschef Mobutu. 30 Jah-re Jah-regierte dieser Diktator bis zu seinem Sturz 1997 durch die Rebellen des LauJah-rent

wichtig und beteiligen sich an einem sog. Runden Tisch, der als aller- erstes die Proteste gegen die Abschiebungspolitik der Ausländerbehör-de Ausländerbehör-des Kreises Nordfrieslands abwickelt. Doch trotzAusländerbehör-dem ist Ausländerbehör-der öf-fentliche Druck bereits stark genug, um ein Bleiberecht für die Maki-tus zu erkämpfen. Mehr Infos zur Anti-Abschiebungskampagne 2006 in Husum http://de.indymedia.org/2007/11/199098.shtml und www.makitu.de.vu

Im Sommer 2006 wollte die nordfriesische Ausländerbehörde mit Hinweis auf die Wahlen und die verbesserte Sicherheitsla-ge eine Familie in den Kongo abschieben. Was in vielen Städ-ten gelang, konnte in Husum durch Proteste verhindert werden.

Der wichtigste Händler für Tantal/Coltan ist die ehemalige BAYER-Tochterfirma H.C. Starck. Dieser Firma ist es schlichtweg egal, wo die von ihr benötigten Rohstoffe herkommen, und ob mit ihrem Geld eine Kriegsökonomie mit mehreren Millionen Toten am Laufen gehalten wird.

"Es sind vielleicht zehn Leute, wenn es hochkommt, die mit dem Coltan Profite machen” sagt ein Vertreter der evang. Kirche im Kongo.

www.cbgnetwork.org/859.html und www.kongo-kinshasa.de/kommentar/kom_059.php

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Kabilas. Mobutu ließ sich 90% der Erlöse aus den Rohstoffexporten auf Privatkonten überweisen37. Selbst wenn dieser dabei steinreich wurde, lässt sich erahnen, für was für einen geringen Preis z.B. das Coltan gen Westen wanderte.

Das traurige „Geheimnis“

Sowohl das heutige Bürger_Innen-kriegsregime als auch die damalige Diktatur sind nur durch die Unter-stützung mit Ressourcen aus den Metropolregionen aufrecht zu er-halten. Doch auch diese brauchen die Diktatoren und Warlords, um gegenüber ihrer Bevölkerung die nette, angeblich humane Fassade aufrecht zu erhalten.

Die Folgen auf Andere abwälzen Die hochtechnisierten Ausbeut-ungsmaschinerien in den kapitalist-ischen Zentren brauchen für ihr Fortbestehen gut ausgebildete Fachkräfte, die dadurch aber auch tendenziell in der Lage sind, den ganzen Schwindel zu durchschau-en. Damit diese Menschen sich trotzdem an den ihnen auferlegten Verbrechen an der Menschheit be-teiligen, muss neben institutionali-sierten Wegen der Verantwort-ungsabgabe auch ein gewisser materieller Anreiz geboten

wer-Laurent Kabila ist der Vater des heutigen Präsidenten und kämpfte schon an der Seite Lumumbas im Bürgerkrieg nach der Unabhängigkeit und nach dem Putsch Mobutus 1961 u.a. zusammen mit Che Guevara und Kinder-soldaten. Nach dem Sieg über Mobutu wurde er als Erneuerer und Demo-krat gefeiert, doch schon 1998 wurden alle Parteien wieder verboten.

Laurent Kabila starb 2001 bei einem Attentat seiner Leibwache, die an-schließend seinen Sohn Joseph als Nachfolger einsetzte.

Gleisblockade gegen Militärtransport der NATO-Response-Force (NRF) Um gegen die Existenz einer Armee, deren Aufgabe es ist, „den Zugang zu Märkten und Rohstoffen“ zu erkämpfen, zu protestieren, blockierten am Morgen des 28.2.2008 vier Aktivist_Innen einen Militärtransport der Bundeswehr auf den Schienen zwischen Schleswig und Husum. „Für mich ist die Existenz von Einrichtungen, die Menschen zum Töten abrichten, einfach unerträglich!“ kommentierte eine Aktivistin ihre Aktion.

Entwicklung des BIP pro Person in den 5 reichsten (obere Linie) und den 5 ärmsten Ländern (untere Li-nie) der Welt.

Die Graphik zeigt, dass internationaler Welthandel statt zu Entwicklung in den armen Ländern zu einer Anhäuf-ung von Reichtum in den entwickelten Ländern führt. In-teressant ist, dass auch nach der Dekolonialisierung kei-ne Steigerung beim Reichtum der armen Länder stattfin-det, aber der Reichtum der reichen Länder noch stärker zunimmt. 41

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den, damit diese Menschen sich angesichts der Millionenprofite auf der einen und der weltweiten Ungerechtigkeit auf der anderen Seite an diesem grausamen Spiel beteili-gen. Sie werden dies nur tun, wenn die weltweiten Herrschaftsmechanismen auch die Folgen ihres Handelns auf Andere abwälzen. Dies geschieht meistens relativ bequem und geräuschlos. Rentabler Atomstrom wäre nicht denkbar, wenn z.B. die deutsch-niederländische Urananreicherungsfirma URENCO nicht ihren radioaktiven Atommüll einfach unter freiem Himmel in Russland verrosten lassen könnte38. Handys und Com-puter, deren Chips und Akkus die Coltan-Legierung Tantal enthalten, wären für breite Massen von Menschen ohne das Morden, Rauben und Vergewaltigen im Kongo nicht zu finanzieren.

Verschiebungen in internationalen Herrschaftsverhältnissen

Das Erstarken von Staaten wie z.B. China und die damit einhergehenden Verschie-bungen in internationalen Kräfteverhältnissen sind kein Gegenbeispiel, dass die oben genannten Mechanismen nicht greifen würden. Im Gegenteil: Es zeigt, dass diese Mechanismen, die kapitalistischen Herrschaftssystemen innewohnen, nicht etwa auf eine wie auch immer geartete Weltverschwörung zurück gehen, sondern unter be-stimmten Bedingungen auftreten. Innerhalb dieser Mechanismen können sich die in-ternationalen Kräfteverhältnisse durchaus verschieben, ohne das Ganze zu bedro-hen.39 Gerade in China sind mehrere Prozesse gleichzeitig feststellbar: Auf der einen Seite stabilisiert die in China stattfindende ausbeuterische Billigproduktion durch Be-reitstellung günstiger Konsumgüter die westlichen Gesellschaften. Auf der anderen Seite beteiligen sich chinesische Firmen längst an Prozessen wie im Kongo, um die wachsenden Ansprüche der Bevölkerung und Eliten in China selbst befriedigen zu können40.

„Good-Gouvernance“ durch Diktatur abgesichert

In dieser Weise sichert der Krieg im Kongo das brutale Regime der Warlords, aber auch das Weiterbestehen der „Good-Gouvernance“-Demokratien im Westen, und da-mit wieder den Fortbestand der Kriegsökonomien. In beiden Gegenden der Welt wür-de es ohne die beschriebenen Mechanismen sehr viel schwerer sein, wür-der Bevölkerung zu vermitteln, warum sie angesichts der Ungerechtigkeiten in ihrer direkten Umgeb-ung und weltweit diese weiterhin akzeptieren sollten.

Mehr Infos: Nationalstaatsbildung und Transitionsprozess in der Demokratischen Republik Kongo aus demokratisierungstheoretischer Sicht, Axel Blaschke; Studienarbeit Uni Rostock

Den Gorillas in Kongos Nationalparks Kahuzi Biega und Virunga wurde der Coltan-Boom zum Verhängnis. Die hohen Coltan-Preise und die Verwendung der Gewinne zur Kriegsfinanzierung führten zum Raubbau.

Gravierende Umweltschäden waren die Folge. Z.B. wurden erneut große Flächen des stark reduzierten Lebensraumes zerstört. Von vormals 8000 Gorillas leben noch ca. 1000. www.spiegel.de/netzwelt/mobil/0,1518,549781,00.html

Über einen Zeitraum von einer Woche verlegte die Bundeswehr täglich Kriegsmaterial und Fahrzeuge des Flugabwehrraketengruppen 25 (Stadum) und 26 (Husum) zum Truppenübungsplatz Jägerbrück. Dort fand ein Manö-ver statt, mit dem die Einheiten ihre Tauglichkeit für die NATO-Res-ponse-Forces trainierten. Mit der Aktion wurde effektiv in den „norma-len“ Kriegsvorbereitungsprozess eingegriffen. Ein weiterer Transport musste ausfallen. Mehr Infos zum Prozess in Husum: www.husuma.de.vu

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Im Dokument Herrschaftskritik Hauke Thoroe (Hrg.) (Seite 54-58)