• Keine Ergebnisse gefunden

4.) Glück und Zufriedenheit in der Multioptionsgesellschaft

Man will nicht nur glücklich sein, sondern glücklicher als die anderen. Das ist deshalb so schwer, weil wir die anderen für glücklicher halten, als sie sind.

(Charles Baron de Montesquieu)

Peter Gross erlangte mit seinem 1994 verfassten Werk Die Multioptionsgesellschaft große Bekanntheit. Die Multioptionsgesellschaft ist ein Versuch, die gesellschaftlichen Prozesse, die in der modernen Gesellschaft zu beobachten sind, unter einem ganz bestimmten Fokus zu beschreiben. Die Beschreibungen betreffen jedes Mal die gleiche Gesellschaft, differenzieren sich aber durch den unterschiedlichen Standpunkt, von welchem die Beschreibung aus begonnen wird.

In der Multioptionsgesellschaft wird der Fokus auf die Möglichkeit gelegt, sein Leben selbst so zu gestalten, wie man es für richtig hält. Um sein Leben selbst zu planen und nach den eigene Bedürfnissen und Vorstellungen zu leben, ist die Freiheit, dies auch tun zu können, eine Grundvoraussetzung. Gemäß der Multioptionsgesellschaft wird genau der Aspekt der Freiheit und der Möglichkeit, alles zu tun und zu lassen, was einem beliebt, als das größte Glück beschrieben.

In der Multioptionsgesellschaft gibt es besondere Aspekte, die für das Glück oder die Zufriedenheit der in dieser Gesellschaft lebenden Menschen charakteristisch sind. Dies ist zum einen die Freiheit, die institutionell, also auch politisch und rechtlich, vorhanden sein muss, um in einer Gesellschaft der Möglichkeiten diese auch wahrnehmen zu können. Die Schaffung der Freiheit, des individuell planbaren Lebens, hat ihre Wurzeln in der Aufklärung, im Postulat der Vernunft und in der Entzauberung der Welt. Die Möglichkeit, frei zu wählen, ist primär wichtig, um Zufriedenheit und Glück zu erlangen.

Der andere entscheidende Aspekt zur Maximierung des Glücks und zur Erreichung der Selbstzufriedenheit sind die vielen Wahlmöglichkeiten, die angeboten und präsentiert werden.

Wo Wahlfreiheit herrscht, müssen auch dementsprechende Angebote vorliegen, um diese Wahlfreiheit nützen zu können. In manchen arabischen Ländern ist der Genuss von Alkohol untersagt. In Supermärkten gibt es keinen Alkohol zu kaufen, was wiederum bedeutet, dass

man keinen Alkohol zu Hause konsumieren kann. Dies ist ein Beispiel dafür, dass der Freiheit der Möglichkeiten auch Angebote und deren mögliche Realisierung gegenüberstehen müssen.

In der Moderne stellt sich die Frage nach Freiheit, oder nach dem Kampf für Freiheit nicht, da er schon errungen und gewonnen wurde. Dennoch ist er eine wichtige Vorraussetzung für das moderne Postulat. In der modernen Gesellschaft werden Angebote nicht reglementiert, sondern ausgeweitet, es gibt nichts, was es nicht gibt. Diese zwei Elemente sind entscheidend und charakteristisch für das Glück, das die Menschen haben, die in der Multioptionsgesellschaft leben.

4.1) Inhalt, Theorien und Gegenstandsbereich der Multioptionsgesellschaft

Die Multioptionsgesellschaft beschäftigt sich mit den gesellschaftlichen Einflüssen der westlichen, modernen Gesellschaft auf das individuelle Denken, Verhalten und Handeln.

Gross beschreibt dabei in seinem Buch die Sichtweise auf die moderne Gesellschaft aus dem Blickwinkel der Möglichkeiten, die sich in eben dieser Gesellschaft jedem einzelnen Mitglied darstellen. Diese Entwicklung ist besonders durch den Zeitgeist der Moderne geprägt und beeinflusst, in der jeder Mensch und jede Sache dem Fortschritt unterworfen sind. Fortschritt bedeutet in der Moderne nicht das Halten eines bestimmten Standards, in der Wirtschaft bedeutet er nicht, möglichst das gute Ergebnis des Vorjahres zu wiederholen. Fortschritt bedeutet ständiges Wachstum, ständiges Übertreffen des bisher schon Erreichten. Ein wesentliches Charakteristikum der Moderne ist das Streben nach „Mehr“ – mehr Geld, mehr Gewinn, mehr Möglichkeiten. „Fortschritt heißt fortschreiten in immer neue, besser, wahrer, schöner, gerechter gewähnte Welten. ... Fortschreiten heißt Mehr, und Mehr heißt mehr Optionen ...“ (Gross 1994: S. 366). Dieses „Mehr“ an allen Dingen, Programmen, Produkten, Optionen, Ideen und Verwirklichungen wird als attraktiver angesehen und als besser verkauft, als Einschränkung, Rücksichtnahme und Demut. „Mehr ist besser als Weniger. Mehr Erlebnis- und Lebensmöglichkeiten sind besser als weniger. Mehr Teilhabechancen an den eröffneten Handlungsmöglichkeiten sind besser, als keine oder wenige zu haben. Jedes Produkt, jede Politik, jede Wissenschaft lässt sich damit legitimieren“ (ebd. 1994: S. 114).

Fortschritt bedeutet also Veränderung und Verbesserung der Verhältnisse. Ein Ziel, ein idealer Zustand wird vorgegeben, der als anstrebenswert hochstilisiert wird und der die gegenwärtigen oder vergangenen Verhältnisse als unmodern und nicht aktuell beschreibt.

Alles, was an Vorarbeit geleistet wurde, und alle Überlegungen, die den vergangenen oder aktuellen Zustand wachsen ließen, werden entzaubert, entnormt und entregelt. Alles bisher

Dagewesene wird „zerstört“ und durch die Ideologie des „Mehr“ ersetzt. Anstelle von Traditionen und klaren Ordnungen tun sich in der Moderne Optionen und Möglichkeiten auf, Traditionen und Ordnungen werden durch Optionen und Möglichkeiten ersetzt (vgl. ebd.

1994: S. 31).

Im Fortschrittsgedanken sind also die Elemente der Zerstörung und der Steigerung enthalten.

„Die parallelen Vorgänge der Steigerung und Zerstörung, der Optionierung und Enttraditionalisierung, die Philosophie des Ent- und der Stolz darüber stehen merklich, von der Aufklärung bis zur Theorie der Modernisierung, im Vordergrund der Multioptionsgesellschaft“ (ebd. 1994: S. 30).

Ein weiteres Merkmal der modernen Gesellschaft, in welche die Multioptionsgesellschaft eingebettet ist, ist jenes der Vorgabe, was der postmoderne Mensch alles besitzen und konsumieren muss. Das Konsumieren von bestimmten Gütern, eine bestimmte Vielfalt gewisser Produkte zu besitzen, gehört in der Moderne zum guten Ton, zur Grundausstattung.

Mitglieder der modernen Gesellschaft, welche auch als Konsumgesellschaft bezeichnet werden kann, unterliegen der Vorstellung von ständigem Konsumieren, von ständigem Anreichern von neuen Besitztümern. Der Grund hierfür liegt neben dem ruhelosen Drängen der Moderne nach Mehr und Entwicklung in den Eigenschaften der Konsumgesellschaft. „Die Konsumgesellschaft beinhaltet eine vorherrschende Auffassung, welche den ‚Lebensstandard‘

zu einem Wert macht, der höher steht als alle anderen Werte“ (Prisching 2006: S. 21). Wenn Besitzen und Konsumieren den zentralen Wert einer Gesellschaft ausmacht, ist es nicht verwunderlich, wenn die Menschen ständig Neues und Besseres besitzen wollen.

Ein anderes Merkmal der modernen Gesellschaft ist, „dass das Erstrebenswerte nicht nur möglich ist, sondern dass man auch einen Anspruch darauf hat, dass es auch für einen selbst möglich gemacht wird“ (Abels 2000: S. 91f). Das Erstrebenswerte ist demnach nicht einer Minderheit, einer Obrigkeit vorbehalten, sondern das, was es zu erstreben gilt, ist für jeden möglich. Es ist nicht einfach nur für jeden möglich, es hat auch jeder Einzelne das Recht darauf, das zu erreichen, was als erreichenswert vorgeben wird und gilt. So heißt es in der Unabhängigkeitserklärung der Vereinigten Staaten von Amerika: „Wir halten die nachfolgenden Wahrheiten für klar an sich und keines Beweises bedürfend, nämlich: dass alle Menschen gleich geboren; dass sie von ihrem Schöpfer mit gewissen unveräußerlichen Rechten begabt sind; dass zu diesen Leben, Freiheit und das Streben nach Glückseligkeit gehöre ...“ (Thonhauser 2008: S. 135). Jedes Grundrecht und jedes Gleichstellungsangebot ist

mit der Teilhabe an Prozessen, an Möglichkeiten und Entscheidungsfreiheiten verknüpft, welche die Attraktivität der Moderne ausmacht (vgl. ebd. 1994: S. 146).

Die demokratische Maxime des gemeinsamen Bestimmens an allem förderte das Denken des Selbstverständlichen an allem. „So äußert sich ein tief verwurzeltes Bewusstsein des modernen Menschen, als Individuum einzigartig und als Teil des Gemeinwesens gleich zu sein, in der selbstverständlichen Annahme, aus der Pluralität der Optionen eine höchst individuelle Wahl zu treffen, und in dem genauso selbstverständlichen Anspruch, dazu auch berechtigt zu sein“ (Abels 2000: S. 105).

In der Multioptionsgesellschaft beschreibt Gross demnach die immer weiter werdenden Möglichkeiten und Angebote, sein Leben selbst zu gestalten und selbst so zu leben, wie man es möchte. In der Multioptionsgesellschaft wird die Freiheit, das tun und lassen zu können, was einem beliebt, besonders betont und als ein charakteristisches Element in Abgrenzung zu vormodernen Gesellschaften beschrieben. Demnach waren in der Vormoderne, in welcher man nicht die Möglichkeit hatte sich selbst zu verwirklichen, also nicht das tun konnte, wonach man strebte, die Menschen unfrei und von der Güte eines Kaisers oder Königs abhängig. In den Ordnungen der Gesellschaften vor der modernen Gesellschaft war man abhängig von der Gunst einer übergeordneten Instanz, auf welche man keinen Einfluss hatte.

Ob einem Glück, Freude, ein schönes und langes Leben oder Unglück, Unheil, eine schwere Krankheit oder Schicksalsschläge trafen, lag nicht in den Fertigkeiten und Fähigkeiten eines selbst. Die Verantwortung dafür, was einem in seinem Leben widerfuhr, konnte an eine höhere Instanz, einen König oder Gott, weitergegeben werden. Dies ist in der Multioptionsgesellschaft anders. Wenn man die Freiheit hat, das tun zu können, was man will, Handlungen setzt, um ein ökonomisch abgesichertes Leben zu führen, sich gesund ernährt, um ein langes Leben genießen zu können, dann ist man auch dafür selbst verantwortlich, ob der „Plan“ für das eigene Leben aufgeht oder – was auch weit reichende Konsequenzen nach sich zieht – ob der „Plan“ des Lebens nicht aufgeht. „Während in einer determinierten, kosmologischen Weltordnung, über die ein Schöpfer wacht, die Verantwortung externalisiert werden kann, Gott oder Teufel, Dämon oder Geister oder ein numinoses Fatum die Handlungen schicksalsmäßig bestimmen, streicht die Aufklärung diese Externalisierungsmöglichkeiten. Gnadenlos wird der Einzelne für sein Tun und Lassen verantwortlich gemacht“ (Gross 1994: S. 89).

4.2) Glück in der Multioptionsgesellschaft

In dem vorangegangenen, einleitenden Abschnitt wurde die Multioptionsgesellschaft mit ihren Postulaten charakterisiert. Im Folgenden soll der Fokus auf das Glück oder die Glückssuche in der Multioptionsgesellschaft gelegt werden. Hierzu werden zwei Bereiche oder Inhalte diskutiert. Zum einen wird das Glück unter dem Aspekt der Freiheit in der Multioptionsgesellschaft beleuchtet. Zum anderen wird die Glückssuche in der Fülle der Möglichkeiten und Angebote präsentiert.

4.2.1) Das Glück der Freiheit

Die Freiheit als Glück wird vom Glück der Möglichkeit dadurch unterschieden, dass die Rahmenbedingungen geschaffen werden, um die Freiheit auch tatsächlich real werden zu lassen. Das Glück der Möglichkeit ist hingegen dadurch gekennzeichnet, dass in der Multioptionsgesellschaft nicht nur die Möglichkeit besteht, das zu tun, was einem beliebt, sondern dass auch viele Möglichkeiten angeboten werden.

Wie oben schon angedeutet wurde, ist die Freiheit, welche Personen haben, die in der Multioptionsgesellschaft leben, nichts, was schon immer vorhanden war. In der Vormoderne war das Leben, oder die Aussicht auf eine bestimmte Form des Lebens, vorgegeben. Als Sohn eines Bauern in einem bestimmten Dorf geboren, war das Leben und das, was es zu bieten hatte, vorgezeichnet. Es war klar, dass der Sohn den Hof des Vaters übernehmen und dass er in dem Dorf sein Leben verbringen wird. Die Wahl des Lebenspartners war ebenso auf die Örtlichkeit des Dorfes beschränkt und wurde zusätzlich durch den sozialen Status, ökonomische Überlegungen und auch durch das Eherecht begrenzt. „Ein Handwerksgeselle, der sich in Wien verehelichen will, 1) muss zuvor darthun, dass er einige Jahre als Geselle gedient und sich gut betragen habe; 2) muss die Möglichkeit ausweisen, sich auf seine künftige Familie durch eigenen oder vereinigten Erwerb seines Weibes zu erhalten; 3) muss die Erlaubnis zur Verheiratung bei dem Magistrate ansuchen ...“ (Baldauf 1846: S. 31f.). Im Allgemeinen hatte eine durchschnittliche Person, die in der Vormoderne lebte, nicht die Freiheit, das tun und lassen zu können, was sie mochte. Das Leben und die Phasen des Lebens waren in allen Abschnitten vorgegeben. Die Zeit der Kindheit, der Ausbildung und des beruflichen Erwerbslebens war vorbestimmt.

Anders in der modernen Zeit. Kinder eines Bauern können den elterlichen Hof übernehmen, Kinder eines Unternehmers können den Betrieb übernehmen, aber es steht ihnen frei, einen

anderen beruflichen Weg einzuschlagen. Ebenso sind sie in der Partnerwahl nicht angehalten, einen bestimmten Partner wählen zu müssen oder aus einer bestimmten begrenzten Zahl auszuwählen, sondern sie können sich, unter Einhaltung der in Österreich gesetzlich festgelegten Rahmenbedingungen, frei entscheiden, wen sie als Partner wählen. Die Wahl des Partners ist dabei nicht aufgrund der Kriterien des sozialen Status, der Rasse oder gar räumlicher Gegebenheiten beschränkt. Ebenso sind Personen, die in der Moderne leben, nicht an räumliche Grenzen gebunden. Sie können ihren Beruf in einer bestimmten Stadt ausüben und sind nicht an ihren Geburtsort gebunden. Sie sind nicht nur nicht an eine bestimmte Räumlichkeit gebunden, nein, es ist sogar ihr Recht, sich dort niederzulassen und dort zu leben, wo sie es gerne möchten. Auch die Zeit der Kindheit, der Jugend, die Ausbildungszeit und sogar die Erwerbszeit sind nicht vorgegeben. Sie sind frei wählbar und individuell planbar. Die Moderne hat den traditionellen Vorgaben und Handlungsmustern entsagt und schreibt sich die Freiheit auf ihre Fahnen. Die Freiheit, wie sie in diesem Zusammenhang verstanden wird, meint die Auflösung der durch Traditionen bestimmten Handlungsmaximen und Obligationen (vgl. Abels 2000: S. 94). Das Glück der Freiheit ist in der Moderne und damit nicht zuletzt in der Multioptionsgesellschaft dadurch auszumachen, dass man nicht mehr seinem Schicksal, seinem vorgegebenen Weg, erlegen ist und ihn geduldig und demütig zu tragen hat, sondern dass man die Freiheit besitzt, das tun zu können, was man möchte und was man für sich als das Beste empfindet. „Die Vormoderne wird nicht mehr als heile Welt verklärt. Die Realanalyse macht vielmehr auf grausame Konstellationen, auf Abhängigkeiten von der Natur, auf Krankheit und Not, auf soziale Unterdrückung und permanente Unsicherheit, auf Aberglauben und Hexenverfolgung aufmerksam. Die Zuwächse an Lebenssicherheit, Lebenschancen und Lebensqualität, die größere Offenheit der Lebensverläufe und die Eigengestaltungsmöglichkeiten des Lebens rücken deutlicher ins Blickfeld“ (Fend 2005: S. 144). Das Glück der Freiheit bezieht sich also darauf, dass man in einer Zeit lebt, in der man die Umstände einer vergangenen Zeit den Umständen der Gegenwart gegenüberstellt und zu der Einsicht kommt, dass man es in der gegenwärtigen Zeit

„besser hat“ als in der Zeit davor. Es geht darum, dass dem Einzelnen nicht mehr vorgegeben wird, wie er sein Leben zu leben hat, dass er nicht mehr von der Gnade eines Königs abhängig ist, dass er nicht mehr darauf vertrauen muss, in der Gunst einer höheren Macht zu stehen, sondern dass er die Freiheit hat, oder das Glück, es nach eigenen Vorstellungen zu leben.

„Immer wieder ist vom Preis der Freiheit die Rede. Freiheit muss Überkommenes preisgeben.

Nur der kastenlose Paria kann die Moderne realisieren. Die aneignende Vernichtung, Relativierung, Plünderung und Optionierung von Traditionen ist ein Resultat der offenen,

aufgeklärten, keine unantastbaren Autoritäten mehr anerkennenden, offenen Gesellschaft“

(Gross 1994: S. 30f).

4.2.2) Das Glück der Optionen

Das Glück, die Freiheit zu besitzen und das Leben so zu gestalten, wie man es für richtig hält, ist eine Komponente der modernen Gesellschaft. Die Möglichkeiten durch ein reiches Angebot nutzen zu können, ist die andere Komponente des Glücks in der Multioptionsgesellschaft. Um das Glück der Freiheit ausleben zu können, müssen Möglichkeiten oder Optionen geschaffen werden, um das eigene Leben so auszurichten, wie es einem beliebt. Eben diese Möglichkeiten oder Optionen sind es, die der modernen Gesellschaft innewohnen, die angeboten und realisierbar gemacht werden. Im obigen Abschnitt wurde daher das Glück der Freiheit, das die Gesellschaftsmitglieder der Multioptionsgesellschaft gegenüber den vormodernen Gesellschaftsmitgliedern auskosten dürfen, beleuchtet. In diesem Abschnitt soll der Fokus auf die Optionen, die angeboten werden und aus denen jeder Einzelne wählen kann, gelegt werden.

Das Glück in der Multioptionsgesellschaft besteht also darin, sich seinen eigenen Lebensstil, sein eigenes Leben aus vielen Angeboten auswählen und „zusammenbasteln“ zu können. Die Überlegungen des Auswählens, des „Bastelns“ an der eigenen Lebensidentität, des eigenen Lebensstils wird von verschiedenen Soziologen, u.a. auch von Ronald Hitzler, diskutiert. „Der moderne Sinnbastler ist somit ein kompetenter, ein zur Einschätzung seiner subjektiven Belange fähiger und über die Mittel der Umsetzung hinlänglich informierter bzw. sich informieren könnender Akteur zu beurteilen: Er ‚stückelt‘, subjektiv (mehr oder weniger) hinlänglich, aus heterogenen symbolischen Äußerungsformen sein Leben zusammen. D.h., er bewältigt die undurchschaubare komplexe gesellschaftliche Wirklichkeit dadurch, dass er dieser Wirklichkeit Elemente entnimmt und daraus eine kleine subjektive Wirklichkeit, seine individuelle Lebenswelt zusammenbaut“ (Hitzler 1994: S. 85). Mit der „Bastelidentität“ ist das Zusammenstückeln des eigenen Lebensstils durch das Heraussuchen und Integrieren von verschiedenen angebotenen Optionen gemeint. Ähnlich geht es eben auch in der Multioptionsgesellschaft um die zahlreichen Möglichkeiten, die angeboten werden, und aus denen jeder auswählen kann, was ihn glücklich macht.

4.2.2.1) Das Glück der Optionen: Konsum

Die Suche nach dem Glück im Konsumieren von angebotenen Gütern ist eine Option, um ein Glücksgefühl erfahren zu können. Dabei geht es weniger darum, Güter des täglichen Gebrauchs, wie Lebensmittel, anzuschaffen, sondern um das Glücksgefühl beim Kaufen von Kleidung, Schmuck, Elektrogeräten, Sportartikeln und Accessoires für Körper, Haus und Heim. Das Erlebnis des Einkaufens und Konsumierens steht dabei im Vordergrund. „Wir sorgen dafür, dass dein Besuch zu einem angenehmen und abwechslungsreichen Einkauferlebnis wird“ liest man auf der Internetseite eines Möbelhauses (vgl. Internet 6).

Konsumieren als angenehmes und vor allem abwechslungsreiches und nicht fades Erlebnis.

Auf diese Möglichkeit, glücklich zu werden, wird im letzten Abschnitt eingegangen.

Die Vielfalt der Angebote und Möglichkeiten findet in jedem Lebensbereich Eingang und wird durch den Fortschrittsgedanken ständig erweitert. Laufend kommen neue Optionen dazu, die eine neue, glitzernde Welt verheißen. Die Angebote für den Einzelnen haben vor keinem Bereich des Lebens Halt gemacht. In der Konsumwelt werden Waren aus allen Kontinenten und Kulturen angeboten. „Die Güter kommen von überall her. Die hochindustrialisierten Gesellschaften des Westens und Südostasiens stellen Auktionshäuser der Moderne dar. In diesen Zentren werden auch alle übrigen Kulturen und Traditionen angeboten: Buddha steht neben Christus, der beopferte afrikanische Fetisch neben einer Monstranz mit dem Allerheiligsten“ (Gross 1994: S. 109). Die Frage, die sich stellt, dreht sich darum, wieso beispielsweise Buddha-Statuen angeboten werden, wieso andere Traditionen und Kulturen so interessant und die eigenen Traditionen so blass und unattraktiv erscheinen. Gross sieht die erste „oberflächlich wirkende“ Antwort darauf in dem Marktgesetz des Angebots und der Nachfrage. Wenn die Menschen Buddha-Statuen nachfragen, dann reagiert der Markt darauf und stellt sie zur Verfügung. Der wichtigere Aspekt, den Gross in der Folge beleuchtet, dreht sich um die Umstände, unter denen die Menschen Buddha-Statuen nachfragen, und die gleichzeitige Antwort, nämlich die Suche nach dem Sinn. „So läßt sich, für das Auftauchen des Buddhas im Züricher Auktionshaus, der Markt, die Nachfrage nach Asiatica bemühen.

Für die Explosion von Sinnangeboten, die zu erklären versuchen, warum das, was läuft, so und nicht anders läuft, wird auf die aus der Sinnleere des modernen Menschen resultierende Suche nach Sinn verwiesen“ (ebd. 1994: S. 115). Der Philosoph Wilhelm Schmid sieht in der Suche nach dem Sinn des Lebens und der Frage nach dem Lebenssinn die tatsächliche Frage, die sich die Menschen stellen. Die Suche und das Streben nach Glück und Zufriedenheit ist nur eine greifbarere Form der tatsächlichen und der dahinter stehenden Auseinandersetzung

mit dem Sinn des Lebens. Die Frage nach dem Sinn für oder von etwas entsteht dort, wo Zusammenhänge nicht mehr erkennbar sind. Dort, wo Ordnung und Zusammenhänge erkennbar sind, entsteht Zufriedenheit und Glück, welche das Leben sinnvoll machen. „Wenn keine Ordnung der Dinge erkennbar ist, weil Zusammenhänge fehlen, ergibt eine Sache keinen Sinn. ... Wo aber Sinn erfahrbar wird, ist Glück die Folge ...“ (Schmid 2007: S. 47).

Umgemünzt auf das Postulat der Moderne könnte die Maxime der Moderne mit ihren Aufweichungen, ihrer Entregulierung, ihrer Enttraditionalisierung und ihrer Relativierung in

Umgemünzt auf das Postulat der Moderne könnte die Maxime der Moderne mit ihren Aufweichungen, ihrer Entregulierung, ihrer Enttraditionalisierung und ihrer Relativierung in