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Glättungseffekte auf Index-Ebene

Im Dokument EUROPEAN BUSINESS SCHOOL (Seite 188-193)

4. DIE PROBLEMATIK DER AUSWAHL EINES GEEIGNETEN

4.4 Kritische Beurteilung bewertungsbasierter Immobilien-Indizes

4.4.2 K RITIK AN BEWERTUNGSBASIERTEN I MMOBILIEN -I NDIZES

4.4.2.2 Glättungseffekte auf Index-Ebene

Der Effekt der Bewertungsglättung auf Einzelobjektebene kann also zur Ver-minderung der Volatilität sowie zur Erhöhung der positiven Autokorrelation innerhalb der Indexzeitreihe führen.557 Dieser Effekt kann noch verstärkt werden auf aggregiertem Index-Level durch eine sog. „zeitliche Aggrega-tion“.558 Dieses Problem tritt dabei unabhängig von der Frage auf, durch welche Methode die Werte der Einzelobjekte innerhalb des Indexes ermittelt wurden. Das Phänomen der zeitlichen Aggregation ist deshalb existent, da der Markt für Immobilien dünn ist und sowohl Transaktionen als auch Bewer-tungen empirisch gerade nicht auf einen Zeitpunkt fallen. Die Zusammen-führung dieser nur im Zeitablauf beobachtbaren Werte in einem Index zieht folglich eine zeitliche Aggregation nach sich.559

Unterschiedliche stilisierte Szenarien können ins Feld geführt werden, um diese zeitliche Aggregation innerhalb eines Immobilien-Indexes zu begründen und zu illustrieren: Unterstellt sei die Existenz eines Immobilien-Portfolios, das eine unendliche Anzahl von Objekten beinhaltet, so dass Zufallsfehler auf Einzelgrundstücksebene auf aggregiertem Niveau nicht von Relevanz sind.

Weiter sei unterstellt, dass genau die Hälfte dieses Portfolios immer am Jahresende und die andere Hälfte immer zu Jahresbeginn - also gedanklich nur einen Tag später - veräußert würden. In einer Kalenderjahresbetrachtung

557 Zum Begriff der Autokorrelation vgl. z.B. Poddig/Dichtl/Petersmeier (2000), S. 98.

558 Vgl. Geltner (1993b), S. 141.

559 Vgl. Geltner (1993b), S. 142-143.

liegen die Veräußerungsdaten folglich genau ein Jahr auseinander.560

Alternativ, aber mit dem gleichen Resultat, kann angenommen werden, dass der Wert des gedachten Immobilien-Portfolios nicht über Transaktionsdaten, sondern durch Jahresendbewertungen ermittelt wird. Abstrahiert man von den im vorigen Abschnitt dargelegten Glättungseffekten auf disaggregierter Ebene - wird also idealtypisch α = 1 unterstellt -, so stellt sich allein durch die Port-folio-Gesamtwertermittlung auch hier eine Durchschnittsbildung ein, da der ausgewiesene Indexwert nicht eine Zeitpunkt-, sondern eben eine Zeitraum-beschreibung ist.561

Eine davon etwas abweichende, stärker verhaltenstheoretisch geprägte Argu-mentation unterstellt, dass die zeitliche Glättung bereits auf disaggregierter Ebene stattfindet und auf die Vorgehensweise der Sachverständigen bei der Einzelobjektbewertung zurückzuführen ist. Dabei wird davon ausgegangen, dass ein Immobilien-Portfolio zwar am Ende des Kalenderjahres komplett be-wertet wird. Jedoch führe die Zeitraum- statt Zeitpunktbetrachtung der Sach-verständigen dazu, dass sich der Gesamtwert des Portfolios zur einen Hälfte aus dem aktuellen „wahren“ Wert sowie zur anderen Hälfte aus dem „wahren“

Wert des Vorjahres zusammensetze. Diese Annahme wird auch als „Moving-average-process“-Annahme bezeichnet.562

Unabhängig von der Art der Bildung abstrakter Extremszenarien ist ihnen ge-meinsam, dass der empirisch beobachtbare Portfoliowert, respektive der Wert eines ganzen Indexes, im angenommenen Falle für den unterstellten Zeitraum formal wie folgt aussieht:563

V*t = ½ Vt + ½ Vt-1.

Es wird deutlich, dass ein solcher Index eher einem gleitenden Durchschnitt

560 Vgl. Geltner/Miller (2001), S. 660.

561 Vgl. Geltner (1989b), S. 470.

562 Die Nähe dieser Annahme zur „Reliance-upon-past-information“- sowie zur „Lack-of-confidence“-Annahme - zumindest im Hinblick auf die Glättung eines bewertungs-basierten Indexes - ist zweifellos unübersehbar.

entspricht als einem Indikator des aktuellen wahren Marktwertes, wie dies bspw. für den DAX gilt. Folglich hinken diese empirisch festgestellten Werte den theoretisch „wahren“ hinterher. In graphischer Darstellung bedeutet dies eine Rechtsverschiebung der empirischen Werte gegenüber den „wahren“

Werten entlang der Zeitachse. Deutlich wird vor allem, dass die für die vorliegende Arbeit überaus bedeutsamen Extrempunkte solcher Zeitreihen zeitlich verzögert auftreten.564

Während diese zeitliche Verzögerung die langfristig zu erwartende periodische Rendite nicht berührt, hat eine Zeitreihe, die über einen endlichen Zeitraum betrachtet wird, einen Bias. Dieser Bias hängt dabei von der Trendrichtung der wahren Werte ab. Steigt bspw. die nicht beobachtbare Zeitreihe im relevanten Zeitraum durchgängig wertmäßig an, so werden die zeitlich verzögerten Werte strukturell unterhalb der „wahren“ Werte liegen.565 Im umgekehrten Falle fallen die ausgewiesenen Werte nicht mit der gleichen Geschwindigkeit, wie Marktteilnehmer die „wahre“ Wertentwicklung erfahren. Ist dieser Effekt signifi-kant und wird er vom Markt auch wahrgenommen, so wird es zu Schwierig-keiten bei der Akzeptanz von Derivaten kommen, die solch einen Index als Basisobjekt haben. So ist der Fall denkbar, dass ein Marktteilnehmer durch den Verkauf eines Futures bewusst gegen die Markteinschätzung eines steigenden Indexes spekuliert hat. Findet dieser dann tatsächlich einsetzende Wertverlust jedoch nicht „schnell genug“ Niederschlag in diesem Basisobjekt, so ist dies nicht nur ärgerlich für den einzelnen Marktteilnehmer, sondern wird aufgrund eines Vertrauensdefizits aller Marktteilnehmer die Entstehung eines liquiden Marktes verhindern.566

Die beschriebene Durchschnittsbildung während eines Berichtszeitraumes stellt eine weitere Quelle der Reduzierung ausgewiesener Marktvolatilität dar.

563 Vgl. Geltner (1993b), S. 145.

564 Vgl. Geltner/Miller (2001), S. 662.

565 Vgl. Geltner/Miller (2001), S. 660.

566 Prof. Dr. Linneman (2001) hat in diesem Zusammenhang deutlich gemacht: „Selling short is already scary. And then you don’t want to have an index that doesn’t show that the market is going down!“; Interview A4 (Anhang A).

Dies kann einen entscheidenden Einfluss auf das Beta von Immobilien-renditen haben, die auf diese Weise gemessen werden. Wie bereits in Kapitel zwei offensichtlich wurde, kann es somit u.U. zu ausgewiesenen Korrelationen zwischen der Asset-Klasse Immobilie und anderen Anlage-Klassen kommen, die bspw. bei der theoretischen Ableitung von effizienten Multi-Asset-Portfolios zu praktisch falschen Ergebnissen führen.567

GELTNER schlägt zur Heilung der beschriebenen Effekte und ihrer Auswir-kungen zwei Maßnahmen vor: Zum einen plädiert er für die ausschließliche Berücksichtigung jener Werte, die sich im - nicht näher definierten - letzten Zeitabschnitt einer Zeitreihe befinden. Dabei verringert sich jedoch die Anzahl der einzubeziehenden Objekte, so dass hier die Gefahr der „random noise“

verstärkt wird.568 Die DID Deutsche Immobilien Datenbank hat sich diese Methode bei der Berechnug des DIX zu eigen gemacht. Durch die ausschließ-liche Berücksichtigung der Grundstücke, die im Zeitraum Oktober bis März be-wertet wurden, wird der Betrachtungszeitraum - unter Inkaufnahme einer Ver-ringerung der Grundgesamtheit - bewusst verkürzt, um so den zeitlichen Glät-tungseffekt zu reduzieren.569 Zum anderen erwägt GELTNER, die unterschied-lichen Objektwerte je nach Nähe zum relevanten Stichtag gewichtet innerhalb des Indexes zu berücksichtigen. Auch dieses Vorgehen kann jedoch wiederum die „noisiness“ des Indexes erhöhen.570 Das Problem der zeitlichen Glättung ist auf dem britischen Markt aufgrund institutioneller Rahmenbedingungen deut-lich entschärft. Während - aus organisatorisch nachvollziehbaren Gründen - in Deutschland sog. „year-round“-Bewertungen innerhalb der einzelnen Investoren-Portfolios durchgeführt werden, wird der überwiegende Teil aller Objekte in Großbritannien während des letzten Jahresquartals bewertet.571

567 Vgl. Geltner (1993b), S. 152-155 sowie bspw. die bereits in Abschnitt 2.2.2.3 angesprochene Studie von Webb/Curico/Rubens (1988), in der eine Im mobilienbei-mischung zu einem Multi-Asset-Portfolio von 2/3 als optimal postuliert wird.

568 Vgl. Geltner (1993b), S. 156.

569 Vgl. Abschnitt 4.4.1.4.2.

570 Vgl. Geltner (1993b), S. 156.

571 Vgl. Geltner/Ling (2000a), S. 104.

4.4.2.2.2 Stale Appraisals

Neben den bisher beschriebenen Glättungseffekten, die grundsätzlich zu einem gewissen Grad bei allen bewertungsbasierten Immobilien-Indizes existent sind, gibt es einen weiteren empirisch nachweisbaren Glättungseffekt, der bis dato nur bei dem unter Abschnitt 4.4.1.2 beschriebenen NPI des NCREIF in den USA auftritt. Dieses Phänomen der „stale appraisals“572 gewinnt für den deutschen Markt dahingehend an Bedeutung, als bei der Umsetzung der angekündigten Pläne der DID Deutsche Immobilien Daten-bank, den DIX alsbald schon vierteljährlich veröffentlichen zu wollen573, nach-weisliche Schwächen eines bereits existierenden bewertungsbasierten Immo-bilien-Indexes erkannt und im Voraus vermieden werden können. Dieser besondere Glättungseffekt hängt mit der Methode zusammen, mit der der NPI konstruiert wird.

In den vierteljährlich veröffentlichten NPI fließen alle berücksichtigten Grund-stücke mit ihrer letzten Bewertung ein, unabhängig davon, ob sie im vergan-genen Quartal wirklich ernsthaft neu bewertet wurden. In aller Regel werden jedoch Objekte in den Vereinigten Staaten von Amerika - wie dies auch in Europa der Fall ist - nur einmal jährlich bewertet.574 Wenn überhaupt, werden diese Werte in den allermeisten Fällen unterjährig nur durch interne Mitar-beiter aktualisiert. Dies führt dazu, dass die von den externen Sachverständi-gen ermittelten Werte bis zur nächsten offiziellen Bewertung faktisch fortge-schrieben werden und dadurch drei der viermal jährlich gemeldeten Werte eines Objektes nicht aktualisiert, sondern eben „stale“ sind.575

Darüber hinaus ist zu beobachten, dass nicht alle in der Datenbank gehal-tenen Objekte - wie dies theoretisch statistisch zu erwarten wäre - ungefähr gleichmäßig über das Kalenderjahr hinweg bewertet werden. Empirisch beobachtbar ist viel mehr, dass etwa die Hälfte aller Liegenschaften im letzten

572 stale (engl.) = alt, fade, abgestanden, gegenstandslos (geworden)

573 Vgl. Friedemann (2001), S. 56.

574 Vgl. Geltner/Ling (2000a), S. 83-84.

575 Vgl. Geltner (1998), S. 28. Diese Kritik gilt jedoch nicht für den IPD Monthly Index, in dem alle Objekte einer aktualisierten Bewertung unterzogen werden müssen!

Viertel des Jahres bewertet werden.576 Dadurch bekommt der NPI eine starke Saisonalität, die zu systematischen Verzerrungen führt. Daher ist an dieser Stelle darauf hinzuweisen, dass bei der nötigen und zu begrüßenden Ver-kürzung der Publikationsintervalle des DIX darauf zu achten ist, dass solche strukturellen Schwächen vermieden werden.

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