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Glättungseffekte auf Einzelgrundstücksebene

Im Dokument EUROPEAN BUSINESS SCHOOL (Seite 184-188)

4. DIE PROBLEMATIK DER AUSWAHL EINES GEEIGNETEN

4.4 Kritische Beurteilung bewertungsbasierter Immobilien-Indizes

4.4.2 K RITIK AN BEWERTUNGSBASIERTEN I MMOBILIEN -I NDIZES

4.4.2.1 Glättungseffekte auf Einzelgrundstücksebene

Sachverständige haben bei der Bewertung eines Objektes verschiedene An-haltspunkte, um einen objektivierten Immobilienwert, der den „wahren“ Markt-wert möglichst gut annähern soll, abzuleiten. Zunächst liegt in der Regel bereits ein Wertgutachten der zu bewertenden Liegenschaft vor.540 Sowohl bei Versicherungen als auch Offenen Immobilienfonds ist die jährliche Bewertung

540 Vgl. Geltner (1993a), S. 327.

-4 -2 0 2 4 6 8 10

1996 1997 1998 1999 2000 5 Jahre

Obere 5%

Oberes Quartil

Unteres Quartil Untere 5%

DID Total Return incl. Trans-

Aktionen und Projektentwicklungen Median

des Immobilienportfolios auf Einzelgrundstücksebene gesetzlich vorgeschrie-ben, so dass oftmals ein erster Anhaltspunkt aus der Vergangenheit gegeben ist. Genau hier setzt jedoch die erste Kritik an bewertungsbasierten Immo-bilien-Indizes an.541

Jener Teil der Abweichung einer Liegenschaftsbewertung vom theoretisch

„wahren“ Objektwert, der auf einem reinen Zufallsfehler basiert (random appraisal error), sollte sich bei einer genügend großen Anzahl von Objekten innerhalb eines Marktindexes aufheben.542 Es herrscht jedoch die allgemeine Annahme vor, dass Sachverständige darüber hinaus Objektwerte im Zeitab-lauf tendenziell glätten bzw. nur partiell anpassen.543 Dieser Bewertungsfehler wird als systematisch erachtet und würde somit auch im aggregierten Index nicht wegdiversifiziert.544 Da Sachverständige oftmals dasselbe Objekt in auf-einanderfolgenden Jahren bewerten, ist ihnen der Vorjahreswert nicht nur be-kannt, sondern sie tragen darüber hinaus auch eine gewisse innere Verant-wortung für diesen Vorjahreswert. Selbst wenn der Sachverständige ein Ob-jekt zum ersten Mal bewertet, gilt auch ihm in der Regel das Vorjahresgut-achten als Leitwert für seine Ergebnisse. Vor allem in den Vereinigten Staaten von Amerika glauben viele Praktiker und Akademiker daher „[...] that it is more difficult for the appraiser to report and explain or justify a large change in value from the previous year than a small change.“545 Dieses Phänomen soll nach-folgend als „Reliance-upon-past-information“-Annahme bezeichnet werden.546

Verschärft wird dieser Sachverhalt zusätzlich durch die Tatsache, dass ein Sachverständiger, der mit der Bewertung eines Objektes beauftragt wird, von seinem Auftraggeber auch bezahlt wird. Dieser wiederum ist in aller Regel sehr stark an Bewertungsergebnissen interessiert, die eine aus seiner Sicht günstige wirtschaftliche Situation der jeweiligen Liegenschaft dokumentieren.

Aufgrund der engen wirtschaftlichen Beziehung zwischen Sachverständigen

541 Vgl. Barkham/Geltner (1994), S. 82.

542 Vgl. Geltner (1998), S. 25-26.

543 Vgl. Geltner (1991), S. 329.

544 Vgl. Blundell/Ward (1987), S. 149-150; Geltner (1993a), S. 327.

545 Geltner (1993a), S. 327.

546 Vgl. Lai/Wang (1998), S. 522-523.

und bspw. Offenen Immobilienfonds scheint es hier durchaus zu strukturellen Abhängigkeiten kommen zu können547, die vor dem Hintergrund der vorliegen-den Arbeit lediglich dahin problematisiert wervorliegen-den sollen, als dass im Ergebnis Volatilitäten des Immobilienmarktes möglicherweise nicht vollständig in einem aggregierten bewertungsbasierten Immobilien-Index abgebildet werden können. Vor allem bei Immobilienmarktabschwüngen können diese beschrie-benen Faktoren dazu führen, dass sowohl auf disaggregierter als auch auf aggregierter Ebene die ausgewiesenen Werte gegenüber den tatsächlichen Marktwerten sowohl zeitlich verzögert als auch überhöht sind.548

Zum anderen gibt es neben diesen dargelegten institutionenökonomisch sicherlich sehr spannenden Fragestellungen einen weiteren guten Grund für einen gewissenhaften Sachverständigen, eine nur partielle Wertanpassung im Rahmen eines Bewertungsprozesses herbeizuführen. Um einen aktuellen Ver-kehrswert festzustellen, berücksichtigen Sachverständige naturgemäß aktu-elle, empirisch feststellbare Transaktionspreise von vergleichbaren Objek-ten.549 Jedoch sind solche empirisch beobachtbaren Werte, wie dies bereits weiter oben erläutert wurde, nie perfekte Indikatoren für den „wahren“ Markt-wert.550 Daher wird immer eine gewisse Unsicherheit bei der Bestimmung von Verkehrswerten von Bestandsimmobilien bestehen bleiben. Folglich ist es durchaus rational für einen Sachverständigen, in einem gewissen Maße nur partielle Wertanpassungen vorzunehmen.551 Diese Überlegung wird auch als

„Lack-of-confidence“-Annahme bezeichnet.552

547 Da die größten Offenen Immobilienfonds in Deutschland zwischen 50 und 150 Objekte in nicht unerheblicher Größe besitzen und die Entlohnung der Sachverständigen sich u.a.

nach dem Objektwert richtet, erscheint es durchaus plausibel, dass es für den einzelnen Sachverständigen wirtschaftlich attraktiv ist, sowohl mehrere Objekte dieser Anleger -gruppe als auch diese über einen mehrjährigen Zeitraum hinweg zu bewerten. Der Offene Immobilienfonds kann indes völlig frei entscheiden, welchen vereidigten und öffentlich bestellten Sachverständigen er beauftragt!

548 Vgl. Interview A4 (Anhang A); Beck (2001), S. 27.

549 Vgl. Geltner (1991), S. 329.

550 Dass sich anscheinend auch Märkte „irren“ können, legen zumindest die Entwicklungen an den verschiedenen Börsensegmenten in Deutschland in den vergangenen Jahren offensichtlich nahe; vgl. Interview A5 (Anhang A).

551 Vgl. Geltner (1991), S. 329-330.

552 Vgl. Lai/Wang (1998), S. S. 515-516.

Formal lässt sich der Effekt der dargelegten Annahmen bezüglich des Verhal-tens von Sachverständigen im Rahmen einer Objektbewertung wie folgt dar-stellen:553 Der aktuell beobachtbare, jedoch nicht perfekte Indikator für den aktuellen „wahren“ Marktwert Vt sei:

VtE = Vt + et,

wobei et den bisher schon beschriebenen reinen Zufallsfehler darstellt. Der optimale bzw. rationale Objektwert aus Sicht des Bewerters für das aktuelle Jahr t, V*t , lautet dann:

V*t = α VEt + (1 – α) V*t1,

mit 0 < α < 1. α „[...] can be thought of as a measure of the appraiser’s

‚confidence’ in his or her current independent valuation [...]“554. Daraus folgt:

V*t = α Vt + α et + (1 – α) V*t1.

In dieser Darstellung wird intuitiv klar, dass die Gewichtung des Faktors α von entscheidender Bedeutung ist. Ist der für α gewählte Wert zu groß, so erlangt der Störfaktor et eine relativ starke Bedeutung, die sich in ein hohes Fehler-potential bei der Objektbewertung übersetzen kann. Wird jedoch der Wert für α zu klein gewählt, so wird der aktuelle „wahre“ Marktwert, Vt, - bzw. die Markt-wertveränderung gegenüber der letzten Bewertung555 - nicht ausreichend be-rücksichtigt. Da aber auf aggregierter Indexebene die Fehlervariable et an-nahmegemäß über alle berücksichtigten Objekte hinweg wegdiversifiziert wird,556 kann der Effekt der Bewertungsglättung auf aggregierter Ebene für die disaggregierte Ebene auch ohne diese Fehlervariable dargestellt werden:

V*t = α Vt + (1 – α) V*t1.

553 Zur nachfolgenden Darstellung vgl. Geltner (1993a), S. 328.

554 Geltner (1991), S. 329.

555 Vt-1 wird bereits von V*t1 berücksichtigt.

556 Vgl. Geltner (1993a), S. 328.

Dieses Ergebnis zeigt eine interessante Problemstellung auf: Der optimale Wert für α bei der Bewertung eines Einzelgrundstücks unterscheidet sich deut-lich von jenem, der optimal bei der Konstruktion eines aggregierten Indexes wäre. Für letzteren Zweck ist α = 1 optimal. Jedoch werden Sachverständige beauftragt, Einzelobjekte zu bewerten; in diesem Prozess kann α < 1 offen-sichtlich optimal sein.

4.4.2.2 Glättungseffekte auf Index-Ebene

Im Dokument EUROPEAN BUSINESS SCHOOL (Seite 184-188)