• Keine Ergebnisse gefunden

Ein Gespräch lohnt immer

D S A G E R H A R D A I C H B E R G E R

Jugendwohlfahrt – ein Systempartner der Schule

41

Es ist einfach traurig. – Die Mutter ist – und das merkt man im Gespräch – mit der Erziehung und Betreuung der Kinder heillos überfordert. Die fi-nanziellen Mittel der Familie sind knapp. – Die Familie wird es in Zukunft sicher nicht leicht ha-ben.

Freilich sollte man der Mutter Hilfe anbieten, doch das ist gar nicht so einfach. – Als ich beim letzten Elternsprechtag die Mutter darauf angesprochen habe, dass ich mir Sorgen um ihr Kind mache und ich ihr empfohlen habe eine Beratungsstelle aufzusuchen, wurde sie resolut und meinte mir gegenüber, dass mich ihre familiäre Situation als Lehrerin aber schon gar nichts angehe...

Derartige Beispiele gibt es leider viele ...

Aus der Perspektive der Jugendwohlfahrt – eine Alltagsgeschichte

Im Kontext der Schule wird es leider nicht als normal angesehen, in derartigen Fällen das Unter-stützungsangebot der Jugendwohlfahrt anzuneh-men.

Nicht nur die Schule, auch andere Einrichtungen wie alle bewilligungspflichtigen Kinderbe-treuungseinrichtungen, Kindergärten und Horte, wie auch Tagesmütter und Tagesväter sind verpflichtet der Jugendwohlfahrt den Verdacht der Vernachlässigung, Misshandlung oder des sexuellen Missbrauchs von Minderjährigen unverzüglich zu melden (§ 5a O.Ö. Jugendwohl-fahrtsgesetz, 1991).

Im Falle von Stefanie sind die Missstände aber nicht spektakulär – es geht eindeutig nicht um offensichtliche Kindesmisshandlung – man kann auch nicht wirklich von einer eklatanten Vernachlässigung von Stefanie sprechen – die Mutter ist auch grundsätzlich bemüht – aber halt ganz einfach überfordert...

Aus dem Blickwinkel der Schule besteht hier keine Mitteilungspflicht an die Jugendwohlfahrt, denn hier der Mutter vorzuwerfen, dass sie ihre

„Pflichten“ offenbar nicht erfüllt ( § 48 Schulunterrichtsgesetz), wäre wohl etwas weit hergeholt.

Aus der Sicht der Jugendwohlfahrt wären Lehr-er/innen aber durchaus eingeladen einen Umkehrschluss zu denken: Es besteht in diesem Fall mit Sicherheit keine Mitteilungspflicht an den Jugendwohlfahrtsträger. – Die empfundene Sorge berechtigt aber ein vertrauliches Gespräch mit der Jugendwohlfahrt zu führen und mich als Lehrer/in über adäquate Möglichkeiten der Hilfestellung für das Kind und die Familie zu informieren.

Hier liegt die entscheidende Schnittstelle für eine weitere Zusammenarbeit mit der Jugendwohlfahrt !

Ein Telefonanruf ist nicht wirklich ausreichend. – Es bedarf einer genaueren Abklärung und Abwägung der tatsächlichen Möglichkeiten der Jugendwohlfahrt und auch der Vereinbarung einer konkreten Vorgangsweise, damit auch für die Schule das an die Mutter zu richtende Angebot nachvollziehbar wird.

Dies könnte durch ein persönliches Gespräch mit dem/der zuständigen Sozialarbeiter/in der Jugendwohlfahrt in der Schule erfolgen.

Genau an dieser Stelle muss der Dialog zwischen Schule und Jugendwohlfahrt, insbesondere zwi-schen Lehrer/in und Sozialarbeiter/in stattfinden.

Hier müssen jene gedanklichen, zukunftsorien-tierten Bilder entstehen, die eine Intervention der Jugendwohlfahrt für alle Beteiligten sinnvoll erscheinen lassen. Hier sind auch die Rahmen-bedingungen des weiteren Informationsaustau-sches und der weiteren Zusammenarbeit zu verein-baren. Die rechtlichen Voraussetzungen für diese Zusammenarbeit sind mit den Bestimmungen des

§ 48 Schulunterrichtsgesetz und des § 37 Jugend-wohlfahrtsgesetz1989 eindeutig gegeben. Das not-wendige Vertrauensverhältnis zwischen Schule und Jugendwohlfahrt muss jedoch in jedem Einzelfall, genau an dieser Schnittstelle und darüber hinaus, zwischen Lehrer/in und Sozialar-beiter/in immer wieder neu erarbeitet werden.

Vielleicht wäre in unserem beschriebenen Fall (Stefanie) ein gemeinsames Gespräch zwischen Lehrer/in und Sozialarbeiter/in mit der Mutter möglich. Thema dieses

42

KINDER UND JUGENDLICHE, DIE UNS SORGEN MACHEN

Gespräches könnte die empfundene Über-forderung der Mutter sein. Ein derartiges Gespräch könnte der Mutter gegenüber sehr wertschätzend geführt werden und Verständ-nis signalisieren.

Sozialarbeiter/innen in der Jugendwohlfahrt sind darauf sensibilisiert Menschen, denen die Be-treuungs- und Erziehungsverpflichtungen für ihre Kinder nicht wirklich gelingen, Verständnis ent-gegenzubringen. Viele Mütter schämen sich für ihr vermeintliches „Versagen“ und können Hilfe von außen nur schwer annehmen.

Im Falle von Stefanie wäre vielleicht die regelmäßige Teilnahme an der angesprochenen Nachmittagsbetreuung wichtig. Unter bestimmten Voraussetzungen kann die Jugendwohlfahrt einen Teil der Finanzierungskosten für diese Betreuung übernehmen.

Aus meiner Sicht wäre es auch notwendig, mit der Mutter die Feriensituation der Kinder zu hinterfragen. Oftmals stehen gerade Alleinerzieher/innen im Hinblick auf die Sommerferien vor einer fast unlösbaren Situation. Diverse Ferienangebote und andere Betreuungshilfen, vermittelt durch die Ju-gendwohlfahrt, könnten eine wesentliche Entlastung für die Mutter darstellen.

Ganz wichtig ist es in diesem Zusammenhang aber auch, dass der Mutter Verständnis und Wert-schätzung für ihre nicht ganz einfache Erziehungs-situation vermittelt wird. – Sie ist mit Sicherheit in einer sehr schwierigen und manchmal sogar aus-weglos scheinenden Situation. Anregungen von außen empfindet sie vorerst viel eher als einen Vorwurf als eine gutgemeinte Hilfestellung. Es bedarf wahrscheinlich mehrerer Gespräche, um eine Vertrauensebene zur Mutter zu erreichen.

Derartige Hilfen, wie sie am Beispiel von Stefanie exemplarisch angedacht wurden, sind nicht nur Initiativen sozialarbeiterischen Handelns, sondern konkrete Maßnahmen der Jugendwohlfahrt, die sich direkt aus dem O.Ö. Jugendwohlfahrtsgesetz ableiten lassen.

Dieses Gesetz ist nämlich ein Auftrag mit dem Ziel, die persönliche und soziale Entfaltung Minder-jähriger, deren Pflege und Erziehung durch geeig-nete Maßnahmen zu fördern und zu sichern, und die Familie bei ihren Aufgaben in der Pflege und Erziehung Minderjähriger zu beraten und zu unterstützen.

Der Rechtstitel„Unterstützung der Erziehung“

( § 36 O.Ö.JWG-1991) umfasst alle Maßnahmen, die im Einzelfall die verantwortungsbewusste Erziehung des Minderjährigen durch die Erziehungsberechtigten fördern. Sie soll vor allem dazu dienen, die Voraussetzungen des/der Minderjährigen in der eigenen Familie zu verbes-sern.

Die Umsetzung dieses gesetzlichen Auftrages ist grundsätzlich ein kreativer Akt, der es uns als Sozialarbeiter/innen abverlangt, im Einzelfall nach konkreten Hilfen und Lösungen zu suchen. Der Dialog mit der Schule und Anregungen engagierter Lehrer/innen können uns in diesem Prozess eine wertvolle Hilfestellung sein.

Jugendwohlfahrt wird im Kontext der Schule und auch in der Öffentlichkeit oftmals als ein Regulativ für eine Erziehungsnorm verstanden. – „Wer nicht in der Lage ist diese Norm zu erfüllen, dem droht Kindesabnahme und Unterbringung der Kinder in Heimen und anderen Einrichtungen“ – Ein leider weit verbreitetes Vorurteil, dem in der Aufklärung über die Tätigkeit der Jugendwohlfahrt nur sehr schwer zu begegnen ist, weil derartige Vorstellun-gen immer mit irrationalen Ängsten verknüpft sind und nie authentisch erlebt wurden.

Jugendwohlfahrt ist eine Hilfestellung für die Familie, für Kinder und Eltern, auf die im Einzelfall letztendlich ein Rechtsanspruch be-steht. Es bedarf noch vieler verantwortungsbe-wusster Erwachsener, insbesondere mutiger und verantwortungsbewusster Lehrer/innen, damit betroffene Kinder und Eltern in ihrer eingeengten Lebenssituation entsprechende Unterstützung erfahren können.

Jugendwohlfahrt – ein Systempartner der Schule

43

Wenn wir in der Öffentlichen Jugendwohlfahrt mit schwierigster Jugendproblematik überwiegend im Entwicklungsprozess der Pubertät, im Übergangs-bereich von der Pflichtschule in eine berufliche Eingliederung, konfrontiert werden und diese Jugendlichen in letzter Konsequenz einer sehr aufwändigen sozialpädagogischen Konzeption im Hinblick auf ihre weitere, persönliche und soziale Entwicklung bedürfen, so stellen wir immer wieder fest, dass die Schwierigkeiten dieser Kinder und ihrer Familien in ihrem Umfeld zumeist jahrelang bekannt waren.

Wenn wir versuchen, die Entwicklung dieser Jugendlichen zu rekapitulieren, so stoßen wir immer wieder auf Erscheinungsbilder im Kindes-bzw. Volksschulalter, wie sie in der oben angeführten Darstellung (Stefanie) präsentiert wurden.

Jugendwohlfahrt erhebt nicht den Anspruch, für alle Problemlagen im Erziehungsgeschehen eine Lösung anbieten zu können. Sie ist aber, wenn sie es so wollen, und auch bereit sind mitzuhelfen, für viele Familien, für die Kinder und Eltern eine ernstzunehmende Chance auf eine positive Veränderung.

Wir sind für Sie in jeder Bezirkshaupt-mannschaft, in jedem Magistrat in Ober-österreich erreichbar!

44

E

ine mögliche pädagogische Maßnahme zur Verbesserung der Schul- und Unterrichtsqualität ist die pädagogische