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Gegenstand: Ernährungssicherung Österreichs für die Zeit nach der Interimshilfe bis zum Beginn des Marshallplanes

Im Dokument PROTOKOLLE PROTOKOLLE (Seite 118-122)

Schon nach Abschluß der ersten Arbeitsphase zum Marshallplan ist erkannt worden, daß es nicht möglich sein wird, ihn mit Beginn des Jahres 1948 in Kraft zu setzen. Aus diesem Grunde hat man sofort das erste Quartal 1948 herausgehoben und hiefür ein Notstandsprogramm aufgestellt, welches von uns als Interimshilfe (STOP-GAP-AID) bezeichnet wird. Finanziell gesehen werden hiefür rund 38 Millionen Dollar zur Verfügung stehen, zeitlich betrachtet wäre damit, sowie durch Überhänge von Lebensmittelim-porten aus dem letzten Quartal 1947 die Versorgung Österreichs auf der Basis von ungefähr 1700 bzw.

1800 CAL für den Normal-Verbraucher bis gegen Ende Mai gesichert.

Technische Schwierigkeiten sowie Einzelfragen mannigfacher Art erfordern noch weitere Vorbereitun-gen und eine umfangreiche und exakte Behandlung des Marshallplanes durch dem Amerikanischen Kon-greß. Nach der Lage der Dinge muß mit Sicherheit angenommen werden, daß die eigentliche Marshallplan-Hilfe noch nicht einsetzen kann, wenn die Interimshilfe mit Ende der 40. Zuteilungsperiode, d.i. 23. Mai, aufhört.

Es ergibt sich nun die Tatsache, daß Österreichs Ernährung ab Ende Mai nur auf die Eigenprodukti-on angewiesen ist, da bisher vEigenprodukti-on keiner Stelle offiziell ein Importprogramm für den Zeitraum nach Ende Mai bis zum tatsächlichen Einsatz des Marshallplanes, ein Zeitpunkt, den man heute noch nicht kennt, erörtert oder bewilligt wurde.

Kalorienmäßig gesehen bedeutet dies, daß von den im Durchschnitt erforderlichen 2030 Tageskalo rien nur ungefähr 820 aus der Eigenproduktion zur Verfügung stehen, was zu einer Ernährungskatastrophe führen und unübersehbare Auswirkungen haben müßte.

Lebensmittelankäufe aus benachbarten Staaten sind mit wenigen Ausnahmen, wie z.B. bei Zucker oder Gemüse sehr schwierig, weil die meisten dieser Länder nur ihren Eigenbedarf an wichtigen Lebensmitteln decken können.

Da diese schweren Ernährungsprobleme keineswegs nur aus eigener Kraft gelöst werden können, müßte bei maßgebenden ausländischen Stellen vor allem in Amerika unverzüglich dargelegt werden, in welcher Ernährungssituation Österreich sich befindet, wenn nach dem Aufhören der Interimshilfe der Marshallplan nicht sofort einsetzt und hiedurch ein neuerliches u.zw. unüberbrückbares Vacuum in der Ernährung entsteht.

Die nachfolgenden statistischen Angaben vermitteln mengen- und kostenmäßig ein Bild unserer Er-nährungslage in den kritischen Monaten nach dem Ende der Interimshilfe.

Importbedarf je Zuteilungsperiode:

(Durchschnitt)

Lebensmittel: Tonnen:

Getreide für Brot

und Nährmittel rund 50.000

Fleisch „ 1.000

Fett „ 4.500

Hülsenfrüchte „ 5.000

Zucker „ 5.000

Nach derzeitigen Weltmarktpreisen würden die Kosten für diesen Importbedarf zwischen 12 und 15 Millionen Dollar liegen, wobei die Fracht bis zur österreichischen Grenze miteinbezogen ist.

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Wie dies bei Importen in der Ernährungswirtschaft stets der Fall ist, werden sich auch diese Mengen je nach der wirklichen Lage der Eigenproduktion in dem betreffenden Zeitpunkt etwas nach oben oder unten verändern. So müßten z.B. alle Anstrengungen unternommen werden, um den gesamten Fleischbe-darf im Inlande aufzubringen. Auch die Fett-Importmenge könnte etwas geringer sein, da die Verschiffung von 7000 t Erdnüssen bereits angekündigt ist und daher zu der ländlichen Aufbringung auch eine entspre-chende Menge Kunstfett aus den importierten Rohstoffen hinzukommt.

Unsere Gesandtschaft in Washington müßte sofort beauftragt werden, schon jetzt alle erforderlichen Maßnahmen zu treffen und Schritte für eine Sonderaktion einzuleiten, deren Einzelheiten noch näher zu bestimmen wären. Es muß insbesondere darauf aufmerksam gemacht werden, daß infolge der ca. 8 Wochen dauernden Verschiffungszeiten alle Einkäufe für diese Art 2. Interimshilfe bereits Mitte März einsetzen und die Bewilligung der Geldmittel hiefür bereits anfangs März erfolgen müßte, so daß bis Mitte März die erforderlichen Käufe erfolgen könnten. Es ist notwendig, diese Termine als unabänderlich und zwingend hervorzuheben, da selbst eine nur vorübergehende, also kurze Störung in der Ernährungssicherung Öster-reichs, praktisch ein Absinken der zugeteilten Rationen im Durchschnitt auf weniger als 1000 Tageskalo-rien genügen würde, um Ruhe und Sicherheit des Landes derart zu gefährden, daß eine auch später ein-setzende Hilfe nie mehr alle eingetretenen Schäden und Folgen gutmachen könnte. Einzelheiten, wie diese Notaktion erbeten und erreicht werden soll, sollen gesondert festgelegt werden.

Selbstverständlich muß Österreich aus eigenem Antrieb alles versuchen, um aus der Eigenproduktion eine höhere als bisher kontingentmäßig vorgesehene Menge für die Ernährung der Nichtselbstversorger zu erzielen. Gerade in dieser Hinsicht werden die ausländischen Hilfsstellen wie jedesmal besonders darauf hinweisen, die inländischen Hilfsquellen aufs Äußerste anzuspannen, und sie werden den genauen Nach-weis hiefür verlangen, bevor sie sich bereit erklären, die nach ihrer Ansicht richtig verbleibende Fehlmen-ge abzudecken. Der Herr Landwirtschaftsminister wird daher Fehlmen-gebeten werden, alles NötiFehlmen-ge zu veranlassen und diesbezüglich entsprechende Maßnahmen ehestens vorzubereiten.

Diese Gesamtlage und die sich daraus ergebenden Vorkehrungen betreffen nicht allein die Ernährungs-politik und Ernährungssicherung Österreichs, sondern überhaupt die wirtschaftliche und soziale Existenz des Staates. Es soll daher ein Komitee bestehend aus den Herren Ministern für Landwirtschaft, Ernährung, Inneres, Planung und Finanzen sich mit dem Lebensproblem Österreichs unverzüglich und eingehend befassen, so daß von jedem Ressort alle Möglichkeiten aufgesucht und überprüft werden, welche zu einer Klärung und Lösung aller dieser lebenswichtigen Fragen beitragen. Es muß die Frage studiert werden, wie weit Lebensmitteleinfuhren aus eigener Kraft als Ergänzung zur lokalen Produktion herangezogen werden können und es sind alle Vorkehrungen zu treffen, um Mittel und Importquellen zu finden, damit wenig-stens ein Teil der notwendigen Lebensmittelimporte auch aus eigener Kraft und Initiative erfließt.

Im Hinblick auf den geschilderten Sachverhalt stelle ich den A n t r a g, der Ministerrat möge beschließen:

1.) Der Herr Außenminister wird beauftragt, die österreichische Gesandtschaft in Washington anzu-weisen, bei allen maßgebenden Stellen ohne Verzug Schritte zu unternehmen und aufzuzeigen, daß Österreich in eine unhaltbare Situation gelangen wird, wenn der Marshallplan nicht rechtzei-tig an die Interimshilfe (STOP-GAP-AID) anschließt, da von den im Durchschnitt erforderlichen 2030 Tageskalorien nur 820 aus der Eigenproduktion stammen, Lebensmittelankäufe aus benach-barten Staaten des Ostens nur schwer möglich sind und somit der Tageskaloriensatz bedeutend unter 1000 fallen würde. Deshalb muß eine neue Interimshilfe beantragt und durchgesetzt werden, welche mit Beginn der 41. Zuteilungsperiode, d.i. ab 25. Mai einsetzt, wobei die erforderlichen Geldbeträge bereits Anfang März zur Verfügung stehen müssen, um die notwendigen Ankäufe sofort durchzuführen, und die Verschiffungen bis Mitte März zu veranlassen sind, damit die fehlenden Lebensmittel tatsächlich mit Beginn der 41. Zuteilungsperiode auch im Lande vorhan-den sind.

2.) Den Herrn Landwirtschaftsminister zu beauftragen, alle Möglichkeiten zu untersuchen und dem Ernährungsdirektorium entsprechende Maßnahmen zur Beschlußfassung vorzulegen, durch wel-che die inländiswel-che Ablieferung gesteigert werden kann. Spätestens bis 15. Februar soll ein Bericht dem Ministerrat vorgelegt werden, aus dem hervorgeht, mit welcher zusätzlich aufgebrachten Lebensmittelmenge ab 23. Mai gerechnet werden kann.

3.) Ein Ministerkomitee bestehend aus den Herren Ministern für Landwirtschaft, Ernährung, Inneres, Planung und Finanzen soll überprüfen, welche Devisen und Beträge bereitgestellt werden können,

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um Lebensmittelmengen in Ergänzung zur inländischen Aufbringung zu importieren. Hiebei soll geprüft werden, welche Mittel an Geld und Geldeswert für diese lebenswichtige Aktion in Frage kämen. Dieses Ministerkomitee soll bis spätestens 1. März dem Ministerrat Bericht erstatten.

Wien, am 26. Jänner 1948.

Der Bundesminister:

Sagmeister.

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98.

[Dienstag] 1948-02-03

Vorsitz: Figl

Anwesend:

Schärf, Helmer, Maisel, Zimmermann, Kraus, Heinl, Sagmeister, Krau-land, Übeleis, Migsch, Gruber, Altenburger, Graf, Mantler

Zugezogen:

Korp, Rizzi (zu Punkt 7)

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