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Funktionalisierungsreaktionen am Trägermaterial und an Latexpartikeln

7 Funktionalisierungsreaktionen am Trägermaterial und an Latexpartikeln

Um agglomerierte Latex-Anionenaustauscher über elektrostatische Fixierung von Latexpartikeln auf der Oberfläche eines Trägermaterials herstellen zu können, müssen in beide Komponenten funktionelle Gruppen eingebaut werden. Der Latex trägt als Anionenaustauscher quartäre Ammonium-Ionen, die mit Kationenaustauscherharzen eine ionische Bindung eingehen können.

Nachstehend werden die Reaktionswege zur Etablierung der entsprechenden funktionellen Gruppe dargestellt.

7.1 Sulfonierungsreaktion an PS-DVB-Copolymeren

Als Reagenzien für die Sulfonierung an aromatischen Kohlenwasserstoffen kommen folgende Verbindungen in Betracht: rauchende sowie konzentrierte Schwefelsäure, Schwefelsäureester, Chlorsulfonsäuren und Schwefeldioxid und dessen Komplexe in organischen Lösungsmitteln[52]. Für die Sulfonierung des im Rahmen dieser Arbeit eingesetzten PS-DVB Harzes wurde die Variante mit konzentrierter Schwefelsäure angewendet, weil sie durch ihre im Vergleich zu Schwefeldioxid u.a. Reagenzien Vorteile in der Handhabung besitzt. Das

„milde“ Sulfonierungsreagenz dringt nicht bis in die tiefste Pore des Harzes ein, sodass Sulfonatgruppen hauptsächlich auf der Oberfläche und in Makroporen fixiert werden.

Der Reaktionsmechanismus ist in Abbildung 7-1 dargestellt. Zu Beginn findet ein elektrophiler Angriff durch SO3, auf den aromatischen Ring statt. Das Elektrophil entstammt der Gleichgewichtseinstellung in konzentrierter Schwefelsäure, wie sie in Abbildung 7-1 formuliert ist. Anschließend findet die Abstraktion des aromatischen Protons statt.

+ SO3

SO3

H SO3

-SO3H 2 H2SO4 SO3 + H3O+ + HSO4

-Abbildung 7-1: Reaktionsmechanismus der Sulfonierungsreaktion [52]

Der Sulfonierungsgrad des Harzes kann durch die Reaktionszeit und -temperatur sowie durch zusätzliche Behandlung mit Ultraschall gesteuert werden. Des Weiteren spielt die Reagenzkonzentration eine Rolle.

Zur Aufarbeitung des Materials müssen diverse Waschschritte durchgeführt werden, um das Material von überschüssiger Säure und Nebenprodukten zu befreien.

Die Anzahl der Austauschergruppen kann gravimetrisch durch Bestimmung der Trockenmasse vor und nach der Sulfonierung oder durch potentiometrische Titration gegen eine starke Base ermittelt werden. Man erhält somit eine Aussage über die Austauschkapazität des Materials.

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7.2 Aminierung von VBC-DVB-Latex

Als Latex auf Styrol-Basis wurden Copolymerisate aus Vinyl-benzylchlorid (VBC) und Divinylbenzol (DVB) hergestellt. Das präfunktionelle Monomer VBC trägt am Aromaten eine Chlor-Methyl-Gruppe, die mit einem tertiären Amin durch eine nukleophile Substitutionsreaktion nach SN2 Mechanismus in ein quartäres Ammonium-Ion umgesetzt werden kann.

R

Cl

NR3

R

N+R3

+ Cl

-Abbildung 7-2: Aminierung von VBC-Latex

Die Reaktion ist mit polaren Aminen in wässriger Umgebung durchführbar. Beim Einsatz von stark unpolaren Aminen wie Tripropylamin (TPA) ist es günstig, Lösungsvermittler zuzusetzen, wie zum Beispiel Ethanol.

7.3 Aminierung von Methacrylat-Latices

Halogenierte Methacrylate zählen nicht zu den kommerziell erhältlichen Standardchemikalien. Weitaus häufiger sind Methacrylate, die im Esterteil eine Hydroxygruppe oder einen cyclischen Ether (Epoxygruppe) aufweisen.

Epoxide, die einfachsten cyclischen Ether, lassen sich mit einem tertiären Amin als Nukleophil öffnen.

O R'

O

O

O R'

O NR3

O

O R'

O NR3

OH

NR3 H2O + OH

-Abbildung 7-3: Nukleophile Epoxidringöffnung mit einem tertiären Amin am Beispiel von GMA

Die funktionelle Gruppe wird aus sterischen Gründen regioselektiv am weniger substituierten Kohlenstoffatom angelagert. Das intermediär entstehende Ammonium-Alkoholat-Zwitterion wird bei der Aufarbeitung in den korrespondierenden Alkohol überführt. Die beschriebene Reaktion wurde schon vielfach zur Herstellung von oberflächenfunktionalisierten Anionenaustauschern angewendet und die resultierenden Materialien hinreichend charakterisiert[53-55]. Das Aminierungsreagenz besteht dabei aus einer Mischung des Amins

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mit einem organischen Lösungsmittel. Die Literatur zeigt aber auch Möglichkeiten auf, die Ringöffnungsreaktionen ohne Lösungsmittel durchzuführen.

Das gespannte Epoxidringsystem besitzt eine hohe Reaktivität. Es ist daher nicht auszuschließen, dass der Ring bereits nach der Copolymerisation mit dem Vernetzer geöffnet wird und in Form eines Diols vorliegt. Unter bestimmte Voraussetzungen kann eine Ringöffnung in wässriger Umgebung eintreten[56].

Die Aminierung am Epoxid wird aufgrund des gespannten Dreirings ermöglicht. Größere cyclische Ether wie ein Tetrahydrofurfurylring können nicht so einfach in einem Schritt aminiert werden. Die Ringöffnung muss zunächst mit einem reaktiveren Reagenz erfolgen.

Die Aminierung kann dann in einem zweiten Schritt durchgeführt werden.

O O

O R'

HBr O

O

R'

OH

Br

NR3 O

O

R'

OH

R3+N

+ Br

-O O

R'

Br

Br HBr

NR3 O

O

R'

N+R3

R3+N

+ 2Br- + H2O -H2O

Abbildung 7-4: Aminierung eines Tetrahydrofurfurylrings durch ein 2-Schritt Verfahren am Beispiel von THFMA

Der Fünfring wird zunächst durch HBr geöffnet, wodurch eine Bromgruppe, sowie eine Hydroxygruppe angelagert werden. Die terminale Bromgruppe wird im zweiten Schritt durch eine nukleophile Substitutionsreaktion durch das tertiäre Amin ersetzt und ein Ammonium-Ion gebildet.

Nach der Ringöffnung mit HBr ist es prinzipiell möglich, dass ebenso die Hydroxygruppe durch den HBr-Überschuss in eine Bromgruppe überführt wird. Nach der Umsetzung mit einem tertiären Amin können so pro präfunktionelle Monomereinheit zwei Austauschergruppen fixiert werden.

Wie gerade gezeigt, kann auch eine Hydroxygruppe in ein quartäres Ammonium-Ion überführt werden.

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O O

O O

O O

R' R' R'

+

H+ Br- H2O

O O

R'

NR3

O O

R'

+ Br

-OH O+H2 Br

Br N+R3

Abbildung 7-5: Aminierung einer Hydroxygruppe am Beispiel von 2-HPMA

Die Reaktion muss im stark sauren Milieu durchgeführt werden, um die Abgangsgruppenqualität der OH-Gruppe durch Protonierung zu erhöhen.

7.4 Funktionelle Gruppen

Für die im vorangegangenen Abschnitt erläuterten Funktionalisierungsreaktionen wurden die folgenden tertiären Amine eingesetzt.

N

OH

HO HO

N

OH

HO N

OH

N

EDMA

DMEA DEMA TEA

N

N N

TMA TEtA TPA

Abbildung 7-6: Strukturformeln der verwendeten Amine

Die in Abbildung 7-6 dargestellten Amine wurden aufgrund folgender Kriterien ausgesucht:

Viele von Ihnen werden bereits als funktionelle Gruppen in Anionenaustauschern verwendet.

Die obere Reihe der abgebildeten Amine bildet eine homologe Folge mit steigender Polarität durch höhere Anteile an Hydroxyl-Gruppen. Die untere Reihe stellt eine stetige Vergrößerung des Alkylrest-Anteils dar. Die Reaktivität der Amine nimmt von links nach rechts ab.