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Die Analyse des Stands der Technik verdeutlicht, dass die derzeit existierenden Ansätze kei-ne ausreichende Unterstützung bei der Überführung der Entwicklungsergebnisse in die Pro-duktion aus Sicht der Produktentwicklung aufweisen. Es wird grundsätzlich in vielen Arbeiten ein ganzheitlicher Ansatz postuliert und verschiedenste Handlungsfelder innerhalb der Pro-duktion abgedeckt. Allerdings setzt ein Großteil der methodischen Ansätze dabei die Ent-wicklungsergebnisse als gegeben voraus, die anschließend möglichst effizient in die Produk-tion überführt werden müssen. Dabei ist der Detaillierungsgrad der Produktmerkmale hoch und Änderungen wirken sich stark negativ auf die Zielgrößen im Serienanlauf aus. Weiterhin konzentrieren sich betriebswirtschaftliche Ansätze meist auf die Erschließung neuer Märkte und die Bestimmung eines geeigneten Markteintrittszeitpunkts. Damit liegt der Schwerpunkt auf dem sogenannten Fuzzy Front End (Produktplanung) in der Produktentwicklung. Eine Unterstützung der Produktentwicklung hinsichtlich der formulierten Time-to-Market Ziele findet nur bedingt statt. Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass zwischen strate-gischen Entscheidungen aus dem Fuzzy Front End bis zum Übergang in die Produktion die Zielerreichung des Serienanlaufs keine durchgehende Beachtung erfährt. Im Hinblick auf die in Kapitel 2.2 skizzierten Problemfelder kann dies zu kritischen Planabweichungen in späten Phasen führen, die durch kürzer werdende Projektzeiten, neue Technologien und vernetzte Wertschöpfungsketten nur wenig bzw. aufwendige Möglichkeiten zur Beseitigung von Feh-lern aus der Entwicklung bieten. Daher wird empfohlen, bereits vor dem eigentlichen Seri-enanlauf eine frühzeitige Evaluation im Entwicklungsprozess hinsichtlich der Produktcharak-teristik und deren mögliche Industrialisierungsrisiken durchzuführen [Cou92], [Bil98].

Die untersuchten spezifischen methodischen Ansätze sind durch unterschiedliche Branchen geprägt, allen voran die Automobilindustrie und die Halbleiterindustrie. Eine grundsätzliche Übertragung methodischer Bausteine auf die Flugzeugindustrie ist nur bedingt möglich. An-ders als in anderen Industrien kann die Lernkurvenrate nicht mit Hilfe schnell steigender Stückzahlen verbessert werden. Die aufgezeigten Besonderheiten in der Flugzeugindustrie verdeutlichen daher die Notwendigkeit einer Adaption bzw. Anpassung an die besonderen Randbedingungen (vgl. Kapitel 2.3). Dazu zählen aufgrund der langen Entwicklungszeiten und nicht vorhandener Vor-/Nullserien unterstützende Methoden, welche schon im Vorfeld Auswirkungen und potentielle Risiken in der Einführung neuer Produkte transparent aufzei-gen. So können die Ressourcen innerhalb einer langen und kapitalintensiven Entwicklungs- und Einführungsphase optimal eingesetzt werden. Eine methodische Unterstützung in die-sem Bereich liegt allerdings derzeit nicht vor.

Die untersuchten Methoden zur Risikoabsicherung im Rahmen der Produktentwicklung be-schränken sich zum einen überwiegend auf die Qualitäts- und Funktionsabsicherung des Produkts selbst und zum anderen auf das prozessbegleitende Projektcontrolling. Eine kon-krete Berücksichtigung von Produktmerkmalen und deren möglicher Einfluss auf die

Zieler-reichung in der anschließenden Anlaufphase stehen nicht im Fokus. Dadurch weisen die An-sätze Defizite auf, konkrete Handlungsmaßnahmen über die generellen Risikobewältigungs-strategien hinaus zur Verfügung zu stellen. Eine umfassende Risikobetrachtung kann nur mit Hilfe einer Bewertung von Einflussfaktoren auf die Zielgrößen geschehen. Diese können an-schließend in Verbindung mit den entsprechenden Produktstrukturmerkmalen Hinweise auf mögliche Gestaltungsempfehlungen für einen effizienten Serienanlauf liefern.

Die vorgestellten Ansätze zur produkt- und prozessbegleitenden Bewertung stellen unter-schiedliche Kennzahlen und Kennzahlensysteme zur Abschätzung bereit. Mit Hilfe dieser Kennzahlen wird versucht, eine objektive Abschätzung hinsichtlich der Zielgrößen zu ermög-lichen. Die Hauptdefizite liegen in der frühen Anwendbarkeit der einzelnen Kennzahlen, da zum Teil zahlreiche Informationen vorliegen müssen. Ein weiterer Punkt neben den man-gelnden Informationen ist der notwendige Aufwand. Gerade für hohe Produktkomplexität und komplexe Produktionssysteme muss der Aufwand im Verhältnis zum Nutzen betrachtet werden. Um die Diskrepanz zwischen einer sehr detaillierten Erfassung im Produktionsbe-reich bis hin zu einfachen Kennzahlen der Produktstrukturierung zu überwinden und eine einheitliche Bewertung durchführen zu können, kann die Nachvollziehbarkeit in der Ent-scheidungsfindung mit Hilfe verschiedener Visualisierungstools verbessert werden (vgl. Inte-grierten PKT-Ansatz Kapitel 3.4). Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass eine Bewertung hinsichtlich der Anlaufrisiken in einer frühen Phase der Produktentwicklung nur realisiert werden kann, wenn ein konsistenter Bewertungsansatz geschaffen wird, der in der Lage ist, Rückschlüsse von der Produkt- und Prozessstruktur auf die Einflussfaktoren der Zielgrößen im Serienanlauf zu ermöglichen.

Aufbauend auf dem identifizierten Forschungsbedarf wird im folgenden Kapitel eine Metho-de zur Bewertung von Anlaufrisiken entwickelt, die einen Zusammenhang zwischen Einfluss-faktoren, Zielgrößen und möglichen Handlungsmaßnahmen bereitstellt und somit eine me-thodische Unterstützung der Übertragung von Entwicklungsergebnissen ins Produktionsum-feld gewährleisten soll. Ziel ist es, den Handlungsspielraum in der Produktentwicklung zu nutzen und auf die Randbedingungen des Serienanlaufs reagieren zu können. So können gerade im Produktionsumfeld der Flugzeugindustrie späte Änderungen und Unsicherheiten in Entscheidungssituationen reduziert werden.

Im folgenden Kapitel werden, vorbereitend zur Entwicklung des methodischen Vorgehens-modells, die Einflussfaktoren auf die Zielgrößen im Serienanlauf abgeleitet. Das so entste-hende Wirkmodell bildet die Basis zur Risikoabschätzung und Zuordnung von Handlungs-maßnahmen.

4 Entwicklung eines Wirkmodells zur Erfassung von Ein-flussfaktoren

Die ausgewählten spezifischen Ansätze im Kapitel 3.1.2 verdeutlichen, dass verschiedene Randbedingungen je nach Branche, Unternehmen und Produkt, auf den Produktentste-hungsprozess, im Speziellen den Serienanlauf, einwirken können. Eine einheitliche Beschrei-bung und eine Berücksichtigung aller Randbedingungen sind nur schwer möglich. Allerdings können generische Einflussfaktoren definiert werden, die einen besonderen Einfluss auf die Effizienz und Effektivität im Serienanlauf haben und durch die Produktentwicklung entschei-dend mitgeprägt werden. Für die spätere Abschätzung und Bewertung möglicher Anlaufrisi-ken ist ein Systemverständnis erforderlich, welches die Wechselwirkungen und Auswirkun-gen auf die Zielgrößen aufzeigt. Daher wird im FolAuswirkun-genden ein Wirkmodell entwickelt, wel-ches auf empirischen Studien und Fallstudien aus der Literatur aufbaut. Ausgehend von der beschriebenen Relevanz des Serienanlaufs (Kapitel 2.2) in der Praxis und den besonderen Randbedingungen im Flugzeugbau (Kapitel 2.3) erfolgt eine Überführung in generische Ein-flussfaktoren die auf das Zielsystem (Kapitel 2.2.1) negativ einwirken. Dieses Modell bildet die Basis für die methodische Bewertung von Anlaufrisiken und dient später zusätzlich der zielgerichteten Auswahl möglicher Reaktionsstrategien und Maßnahmen zur Reduzierung der identifizierten Risiken. Für die Auswahl der bestehenden Studien wurde darauf geachtet, dass eine Bewertung bereits vor Markteintritt und somit im Rahmen der Produktentwicklung sinnvoll gegeben ist.