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Das auffällige wiederkehrende Vorkommen des Syntagmas ὁ θεὸς τῆς εἰρήνης in den paulinischen Briefen fand schon seit ziemlich langer Zeit Beachtung in den der historisch -kritischen Methode verpflichteten exegetischen Kommentaren, diese erwähnen aber lediglich das Vorkommen in den paulinischen Briefen, ohne sich damit inhaltlich und kontextuell zu beschäftigen.5 Eine eingehende Analyse dieses Syntagmas in seiner jeweiligen Verwendung sucht man zudem vergeblich in allen Arten von theologischen Beiträgen, wo eine Auseinandersetzung mit ihm möglich und auch wünschenswert wäre.6

Der erste Forscher, der sich etwas ausführlicher mit dem „Gott des Friedens“ beschäftigt hat, war G. Delling in einem neunseitigen Aufsatz.7 Wie der Titel dieses Beitrags jedoch schon deutlich zeigt, ging es dabei nicht nur um diese eine Wendung, sondern auch um Wendungen gleicher Art. Skizzenhaft stellt G. Delling das Vorkommen der Wendung bei Paulus dar, versucht „vorchristliche Vorstufen dieser Weise, Gottesprädikate zu bilden“,8 zu finden und erforscht auch, ob „Vorstufen der Bezeichnung ‚Gott des Friedens‘“9 zu erkennen sind. Er stellt

2 Für eine textkritische Ausgabe der TestXII S. R. H. Charles, The Testaments of the Twelve Patriarchs, 1908, S. 136f. und H. W. Hollander/ M. Jonge, The Testaments of the Twelve Patriarchs, 1985, S. 283f.

3 Vgl. das Urteil von J. Becker, Untersuchung, 1970, S. 347 bezüglich des TestDan: Das Testament Dan „ist das literarisch am schwierigsten zu analysierende Testament, weil verschiedene Hände nachhaltig Bearbeitungen angebracht haben.“

4 TestDan 5,2 bildet eine ähnliche Paraklese mit der Verwendung des Syntagmas ὁ θεὸς τῆς εἰρήνης, wie man sie auch bei Paulus in Phil 4,9 und 2Kor 13,11 findet. Der ganze Abschnitt TestDan 5, 1-1––3 weist eine so stark

‚christliche Sprache‘ auf, dass es kaum Zweifel daran geben kann, dass es sich dabei um keine rein frühjüdisc he Fassung handelt. J. Becker, Untersuchung, 1970, S. 349 erkennt in TestDan 5,1ff. eine „redaktionelle Bearbeitung“ und einen „Rest des Grundstocks“ der vorangegangenen Kapitel des TestDan und fasst am Ende zusammen: „Durch die gründliche Bearbeitung in TD ist vom Grundstock darum nur wenig übriggeblieben.“

5 Vgl. z.B.: von W. M. L. de Wette, Das Neue Testament, Teil II, 1885, S. 104 über O. Michel, Römer, 1977, S. 468 bis T. Holtz, Thessalonicher, 1986, S. 263; D. Zeller, Korinther, 2010, S. 443; A. Lindemann, Korintherbrief, 200, S. 314; E. Lohse, Römer, 2003, S. 402; und E. Schnabel, Korinther, 2010, S. 841.

6 Die vorliegende Arbeit verdankt ihre Existenz diesem motivierenden Hinweis von Herrn Prof. R. Feldmeier:

vgl. R. Feldmeier/ H. Spieckermann, Gott der Lebendigen, 2011, S. 116.

7 G. Delling, „Gott des Friedens“, 1975, S. 76ff.

8 G. Delling, „Gott des Friedens“, 1975, S. 77.

9 G. Delling, „Gott des Friedens“, 1975, S. 77.

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dann sofort fest: „Das aufgefundene Material ist begrenzt.“10 Für G. Delling ist „der durch den Genetiv ‚des Friedens‘ Qualifizierte der ‚Frieden‘ Gewährende.“11 Friede wird dann als eine

„Gabe“ verstanden, aber „in einer bestimmten Breite als Heil(sein)“.12

K. Haacker stellt in seinem Aufsatz zu den Vorarbeiten für seinen Kommentar zum Römerbrief die These auf, dass der Römerbrief „ein Plädoyer für Frieden in verschiedenen Dimensionen und geschichtlichen Kontexten“ bilde.13 Nachdem er seine These mit dem Vorkommen und mit der Verwendungsart des Begriffs ‚Frieden‘ in unterschiedlichen Perspektiven begründet, kommt er am Ende seines Aufsatzes auf den „Gott des Friedens“ zu sprechen. Er weist darauf hin, dass „der Apostel gegen Ende seines Schreibens zweimal (in Röm 15.33 und 16.20) einen Segenswunsch mit ‚Der Gott des Friedens…‘ beginnen läßt.“14 Was dann unmittelbar auf diesen Hinweis folgt, ist typisch bei der Wahrnehmung dieses Syntagmas und seiner Einsetzung durch Paulus: „Ich breche hier ab in der Hoffnung, eine Spur aufgezeigt zu haben (…)“.15

Wenn man in Arbeiten bzw. Aufsätzen und Lexikonartikeln über ‚Frieden‘ nach dem Syntagma „Gott des Friedens“ sucht, findet man ein sehr homogenes Bild. E. Brandenburger verzichtet z.B. ganz bewusst auf eine Auseinandersetzung mit der „formelhaften Wendung“

„Gott des Friedens“,16 weist aber gleichzeitig darauf hin, wie „außerordentlich häufig“ 17 diese Wendung von Paulus verwendet wird. Dieser Verzicht und ein ähnliches Beiseiteschieben de r von Paulus meistverwendeten genitivischen Gottesbezeichnung kommt mehr oder weniger in fast allen umfassenderen Behandlungen der Thematik ‚Friede‘ vor.18 In keiner von diesen Behandlungen der Thematik ‚Friede‘ findet man einen eigenen Abschnitt mit einer Analyse des Syntagmas „der Gott des Friedens“ in seinem jeweiligen Vorkommen in den paulinischen Briefen – und dort, wo dieses Syntagma Erwähnung findet, wird es ausnahmslos von seinem

10 G. Delling, „Gott des Friedens“, 1975, S. 76.

11 G. Delling, „Gott des Friedens“, 1975, S. 78.

12 G. Delling, „Gott des Friedens“, 1975, S. 78.

13 K. Haacker, Römerbrief als Friedensmemorandum, 1990, S. 29.

14 K. Haacker, Römerbrief als Friedensmemorandum, 1990, S. 41.

15 K. Haacker, Römerbrief als Friedensmemorandum, 1990, S. 41.

16 E. Brandenburger, Grundlinien, 1971, S. 22.

17 E. Brandenburger, Grundlinien, 1971, S. 22.

18 W. Foerster, Art. εἰρήνη, 1935, S. 398–418; H. Bietenhard, Weltfriede, 1959, S. 65–109; G. Baumbach, Verständnis, 1975, S. 33–52; E. Brandenburger, Grundlinien, 1971, S. 21–72; P. Stuhlmacher, Der Begriff des Friedens, 1970, S. 21–69; H. Schmidt, Frieden, 1969, S. 7–168; G. Klein, Friede Gottes, 1986, S. 325–355;

U. Luz, Friedenshandeln, 1982, S. 155–214; E. Dinkler, Friede, 1972, Kolm. 434–505; H. Hegermann, Bedeutung, 1970, S. 17–39.

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Kontext isoliert und in einen systematisierenden Diskurs über Frieden aus christologischer Perspektive19 versetzt.20

K. Wengst ist der Neutestamentler, der sich sehr umfassend mit dem Thema „Friede“

vor dem zeitgeschichtlichen Hintergrund der Pax Romana beschäftigt hat. Erstaunlicherweise muss man feststellen, dass, mit Ausnahme von 1Kor 14,33, die Stellen mit dem Vorkommen des Syntagmas ὁ θεὸς τῆς εἰρήνης nicht einmal im seinem Stellenregister erwähnt werden.

In der ersten Anmerkung zu seiner Einleitung21 taucht aber die Wendung „der Gott des Friedens“ auf als ein der unterschiedlichen Vorkommen des Wortes ‚Friede‘ bei Paulus. Auf 1Kor 14,33 kommt K. Wengst dann zurück, um Paulus‘ Friedensdiskurs mit der Erbauung der Gemeinde in Verbindung zu bringen. K. Wengst versteht in seiner Darstellung der Pax Romana die christliche Gemeinde als einen Gegensatz zum Römischen Reich. Denn die Gemeinde sei

„selbst ein Raum unterbrochener Gewalt, der nächstliegende Ort christlicher Friedenspraxis.“22 Nach K. Wengst meint der „Friede, für den Paulus Gott beansprucht, (…) das förderliche Miteinander in der Gemeinde, das gegen das vermeintliche Recht der Stärkeren zu praktizieren ist.“23 Bei K. Wengst wird einerseits der theologische Aspekt der Verwendung von Frieden in 1Kor 14,33 kaum wahrgenommen (was bei ihm zugunsten der sozio-politischen Kritik ohnehin sehr stark zurücktritt und die ganze Arbeit durchdringt) und anderseits wird erstaunlicherweise nicht thematisiert, dass Paulus eigentlich häufig über ‚den Gott des Friedens‘ spricht.

Auch bei der sogenannten Post-Colonial Theology, die eine erfrischende Erweiterung der sonst so textfixierten Exegese ermöglicht und sich schwerpunktmäßig mit der Pax Romana als Hintergrund der paulinischen Theologie beschäftigt, sucht man eine Erwähnung des Syntagmas „der Gott des Friedens“ vergeblich.24 Auch dort, wo die Beiträge dieses Ansatzes sich mit der berühmt gewordenen Stelle 1Thess 5,3 auseinandersetzen, wird nicht einmal 1Thess 5,23 erwähnt.25

19 Vgl. z.B.: G. Baumbach, Verständnis, 1975, S. 40; E. Brandenburger, Grundlinien, 1971, z.B. S. 34, 58ff. und 67ff.; P. Stuhlmacher, Der Begriff des Friedens, 1970, S. 28 und S. 33ff.; H. Schmidt, Frieden, 1969, S. 124f.

und S. 142ff; G. Klein, Friede Gottes, 1986, S. 329; H. Bietenhard, Weltfriede, 1959, S. 80ff.

20 Vgl. z.B.: H. Bietenhard, Weltfriede, 1959, u.a. S. 81 und S. 88f.; H. Hegermann, Bedeutung, 1970, u.a. S. 21f.

und S. 38f.; P. Stuhlmacher, Begriff des Friedens, 1970, u.a. S. 29ff.

21 K. Wengst, Pax Romana, 1986, S. 13.

22 K. Wengst, Pax Romana, 1986, S. 110.

23 K. Wengst, Pax Romana, 1986, S. 111.

24 Vgl. z.B. die Sammelbände von R. A. Horsley (Hg.): Paul and Empire, 1997; Paul and Politics, 20 00; Paul and the Roman Imperial Order, 2004.

25 Vgl. z.B.: A. Smith, „Unmasking the Powers”, 2004, S. 47ff.; H. Koester, Imperial Ideology, 1997, S. 162f.

und K. Donfried, Political Conflict, 1997, S. 215ff.

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