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IV. Der Gott des Friedens in Philipper 4,9

4. Abfassungsort und Datierung des Briefes

Das Präskript des Briefes nennt Paulus und Timotheus479 als Absender und ‚alle Heiligen in Christus Jesus in Philippi samt Bischöfen und Diakonen‘ als Empfänger. Epaphroditus ist vermutlich der Briefüberbringer, der von Paulus nach Philippi zurückgesandt worden ist (Phil 2,25). Epaphroditus ist der Gesandte und Helfer der Glaubenden in Philippi (vgl. Phil 2,25:

ἀπόστολον καὶ λειτουργὸν), der die Gaben der Gemeinde an Paulus überbrachte und sich anschließend bei ihm einige Zeit aufhielt (Phil 4,18). Im Philipperbrief selbst finden sich keine konkreten Hinweise darauf, wo Paulus ihn verfasst hat.

Paulus schreibt den Brief an die Philipper, nachdem er verhaftet worden ist (Phil 1,13) und als sein Schicksal als Gefangener noch offen ist (Phil 1,19; 2,17). Die Fragen nach dem Wo und dem Wann dieser Gefangenschaft des Paulus, als er den Philipperbrief verfasste, sind in der

Gemeinde bezieht, nämlich das Auftreten von Irrlehrern, die er in einem ersten Moment (im Brief A und B) schlecht beurteilt habe und auf dieser erst, als er genügend Informationen darüber bekommen habe, entsprechend im Brief C reagierte. Für J. Gnilka, Philipperbrief, 1968, S. 8. weiß Paulus „erst im Kap. 3 (…) vom Einbruch der Häresie in die Gemeinde, und zwar nicht bloß als einer drohenden Möglichkeit, sondern als einer bereits eingetretenen Tatsache.“ Damit unterscheidet Gnilka, anders als Schmithals, grundsätzlich die Irrlehrer aus Kap. 3 von den Widersachern in Phil 1,28. Genau das bildet bei Gnilka ein Argument für eine Teilungshypothese. Mit der Reaktion von Paulus gegenüber den Galatern in Erinnerung, bemerkt Gnilka auf S. 8: Es bliebe „unverständlich, daß er nicht bloß mit der Attacke so lange zurückgehalten hätte, sondern auch so ruhig und gelassen der Gemeinde zuspricht.“

477 J. Gnilka, Philipperbrief, 1968, S. 9, argumentiert, dass sowohl der in Phil 1f. und Phil 4 prägnante persönliche Ton als auch die Rolle der Freude (Phil 1,4.18.25; 2,2.17.18.28.29; 4,4) und des φρονεῖν (Phil 1,7; 2,2.5; 4,2) in Kap. 3 fehlt: „Die Freude spielt auch in den anderen Briefen des Apostels eine wichtige Rolle, nirgendwo aber ist sie so beherrschend wie in Phil 1f (1,4.18.25; 2,2.17.18.28.29; 4,4). Schließlich wird man noch auf das recht gegenseitige φρονεῖν hinweisen müssen, das die Mahnrede prägt (Phil 1,7; 2,2.5; 4,2). Dieses Signum läßt Kap. 3 gleichfalls vermissen.“ Nichtsdestoweniger lässt er seinen Kampfbrief Phil B mit 4,1.8–9 schließen und scheint damit sowohl die Herzlichkeit des Apostels gegenüber den Glaubenden in Phil 4,1 – der Apostel redet die Glaubenden als ἀδελφοί μου ἀγαπητοὶ καὶ ἐπιπόθητοι, χαρὰ καὶ στέφανός μου an – als auch die Freude (in Phil 4,1 nennt Paulus die Geschwister seine Freude und seinen Ehrenkranz) zu übersehen. Das gleiche gilt für φρονεῖν, das als Verb φρονέω zweimal in Phil 3,15 vorkommt und in Phil 3,19 sogar in der Kennzeichnung der

‚Irrlehrer‘ als οἱ τὰ ἐπίγεια φρονοῦντες verwendet wird.

478 Sogar W. Schenk, Philipperbriefe, 1984, S. 334, relativiert das Argument der Stil- und Tonveränderung als

„Beweis“ eines Bruches zwischen Phil 3,1 und Phil 3,2, obwohl er selbst eine Teilungshypothese vertritt.

479 Timotheus war bei Paulus während des missionarischen Einsatzes in Philippi, begleitet ihn in seiner Gefangenschaft, obwohl er anscheinend frei ist, was seine von Paulus geplante Sendung zu den Philippern zeigt, und wird nach Philippi fahren, damit sich auch Paulus über ihre Situation informieren kann (Phil 2,19).

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Forschung sehr umstritten und immer noch völlig offen.480 Mit der Festlegung auf einen Entstehungsort hängt auch die Entscheidung für eine bestimmte Datierung zusammen und vice versa. In der Forschung wird mit drei Möglichkeiten gerechnet: Ephesus in der Mitte der 50er Jahre,481 Cäsarea am Ende der 50er482 Jahre oder Rom am Anfang der 60er Jahre483 des 1. Jahrhunderts n.Chr.

Der entscheidende Hinweis auf Ort und Datierung kommt aus der Erkenntnis, dass zwischen Paulus‘ Gefängnisort und Philippi ein intensiver Informations- und Personalverkehr stattfand.484 Aus dem Philipperbrief selbst lässt sich herauslesen, dass der Absender und die Adressaten ständig in Kontakt waren und mindestens fünf Reisen zwischen Paulus‘

Aufenthaltsort und Philippi vorausgesetzt werden können: 1. Zuerst erfuhren die Glaubenden in Philippi, dass Paulus im Gefängnis war (Phil 1,12), was sie möglicherweise dazu veranlasste, ihm erneut Hilfe zukommen zu lassen.485 2. Für diese Aufgabe wurde Epaphroditus zu ihm gesandt. Während des Aufenthalts bei Paulus erkrankte Epaphroditus und seine Erkrankung wurde in Philippi bekannt gemacht, was (3.) der Gemeinde Sorge bereitete (Phil 2,26). 4. Die Sorge der Gemeinde wurde ihrerseits Paulus und Epaphroditus selbst kundgetan (Phil 2,26).

5. Paulus schickt dann Epaphroditus mit einem Brief nach Philippi zurück. Weiterhin beabsichtigt Paulus, bald auch Timotheus zu ihnen zu schicken, der sich über die Lage der Gemeinde erkundigen und ihm dann Nachrichten über sie schicken soll. Er setzt also voraus, dass Timotheus bald wieder zu ihm zurückkommt oder mindestens Nachrichten schicken wird.

480 Für eine ausführliche Diskussion (zugunsten der sog. Ephesus-Theorie) vgl. z.B. J. Gnilka, Philipperbrief, 1987, S. 18ff. und (zugunsten der sog. Romtheorie) z.B. M. Gielen, Paulus, 2006, S. 79ff. und M. Gielen, Paulus, 2007, S.

63ff.

481 Vgl. z.B.: A. Deissmann, Gefangenschaft, 1923, S. 121ff und ders., Licht vom Osten, 1923, S. 201f.; W.

Michaelis, Gefangenschaft, 1925, bes. S.108ff; W. Schenk, Philipperbriefe, 1984, S. 338; U. Müller, Philipper, 2002, S.16ff.

482 Für Cäsarea als Haftort plädiert besonders E. Lohmeyer, Philipper, 1964, S. 3f., welcher sich aber in der Forschung nicht durchgesetzt hat.

483 Vgl. z.B. U. Schnelle, Paulus, 2003, S. 408ff.; O’Brien, Philippians, 1991, S. 19ff.; M. Bockmuehl, Philippians, 1998, S. 30ff. Zu einem detaillierten Plädoyer für die Romtheorie bzw. zu einer harten Kritik an der Ephesus-Theorie vgl. v. a. M. Gielen, Paulus, 2006, S. 79ff. und M. Gielen, Paulus, 2007, S. 63ff., die Paulus‘ Reisepläne und seinen Aufenthalt in Ephesus sogar mit Tagesangaben rekonstruieren will und so die Abfassung des Philipperbriefs in Ephesus bzw. eine lange ephesische Haft bestreiten will. Für eine eingehende Auseinandersetzung mit M. Gielens These vgl. bes. H. Wojtkowiak, Christologie und Ethik, 2012, S. 66ff. Ob man wirklich mit einer so langen Haft zu rechnen hat, wie in der Forschung häufig angedeutet wird, ist eine andere gute (noch offene) Frage.

484 Auf die problematische und auch immer noch völlig offene Frage bezüglich des Verhältnisses von Phil 3,2ff. zu Röm 9–11 und dem Galaterbrief wird hier nicht eingegangen. Denn dabei ist vor allem von Interesse, wie bzw. ob Paulus‘ theologisches Denken sich als chronologisch kohärent erweist. Dabei scheint aber alles beim Alten zu bleiben, und die Forschungsparteien bekämpfen sich (vgl. U. Müller, Ephesus, 1999, S. 155ff., M. Gielen, Paulus 2006, S. 79ff. und M. Gielen, Paulus, 2007, S. 63ff ) mit den gleichen Waffen weiter, ohne ein eindeutiges Votum geben zu könne. Am Ende muss jeder Ausleger für sich entscheiden, ob er den Phil nach Röm oder vor Röm datiert.

Ich datiere den Philipperbrief vor dem Römerbrief und plädiere für die Abfassung in Ephesus.

485 Die Glaubenden in Philippi haben Paulus mindestens zweimal finanziell unterstützt, seit er die Gemeinde gründete: vgl. Phil 4,16 (zweimal nach Thessaloniki); Phil 4,17 (einmal zum Aufenthaltsort zur Zeit der Abfassung des Briefes) und 2Kor 11,9 (einmal nach Korinth).

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Darüber hinaus plant Paulus, auch persönlich zu den Glaubenden zu reisen, sobald er freigelassen wird (Phil 2,24).

Aus diesem intensiven Kontakt zwischen Paulus und der Gemeinde – der sowohl viel Zeit als auch eine Menge Geld kostete – kann man ersehen, dass Paulus‘ Gefängnisort und die Stadt Philippi nicht sehr weit voneinander entfernt liegen konnten.486 In diesem Sinne ist sowohl Rom als auch Cäsarea als Abfassungsort des Briefes von vornherein ausgeschlossen.487

Zu bevorzugen wäre dann die Ephesus-Theorie. In der Apostelgeschichte selbst wird von Lukas in einem detaillierten Wir-Bericht erwähnt, dass Philippi etwa acht Tage per Schiff entfernt von Ephesus liegt (vgl. Apg 20,6ff.); eine Distanz, die dem intensiven Nachrichten- und Personalverkehr zwischen Paulus‘ Gefängnisort und Philippi gut entspricht. Paulus erwähnt in 1Kor 15,32 – im Ind. Aorist –, dass er in Ephesus „mit wilden Tieren gekämpft hat“

(ἐθηριομάχησα ἐν Ἐφέσῳ). Wie man diese Stelle auslegen kann – ob sie als sinnbildlicher oder realer Tierkampf im Stadion verstanden werden muss – ist sehr umstritten.

Nichtsdestoweniger kann man daraus ersehen, dass er in Ephesus mehr erlitten hat, als Lukas in der Apostelgeschichte darstellt.488 Anhand der beschriebenen Leidenserfahrungen kann man mit guten Gründen auch eine Inhaftierung vermuten.489 Paulus selbst erwähnt mehrere Inhaftierungen (2Kor 6,5.11,23), worüber Lukas jedoch in der Apostelgeschichte nicht informiert.490

486 Wenn Rom oder Cäsarea als Abfassungsorte zu vermuten wären, wären die Kosten für ständige Reisen unerschwinglich gewesen. Was die Zeit betrifft, müsste man schätzungsweise mit einem Jahr rechnen (mindestens sechs Monate für Hin- und Rückweg von Nachrichten und Personen). Es muss hier auch noch erwähnt werden, dass nach der Apostelgeschichte Paulus in Rom ziemlich selbstständig war und in einem gemieteten Haus wohnte – nicht in einem πραιτωρίῳ, wie er in Phil 1,13 erwähnt –, wo er sogar seine Mission weitertreibt (Apg 28,16ff.), aus Phil 1,12 aber erkennt man ein ganz anderes Bild. Für eine ausführliche Berücksichtigung dieser Thematik vgl. z.B.:

A. Deissmann, Gefangenschaft, 1923, S. 121ff. und W. Michaelis, Gefangenschaft, 1925, bes. S. 108ff.

487 Vgl. W. Michaelis, Datierung, 1933, S. 22ff.

488 Man muss sich auch fragen, warum Lukas die Gemeindepresbyter von Ephesus durch Paulus nach Milet rufen lässt (Apg 20) bevor er nach Jerusalem weiterfährt und dort verhaftet wird. Woran liegt es denn, dass Paulus Ephesus meidet? An zeitlichen Gründen kann es kaum liegen (trotz der Andeutung in Apg 20,16). Es wäre für Paulus viel schneller gewesen, selbst nach Ephesus zu fahren, als in Milet auf die Presbyter zu warten (Apg 20,17ff.). Darf Paulus gar nicht mehr nach Ephesus fahren? Was könnte dort geschehen sein, und woran liegt es, dass Lukas nichts darüber berichtet?

489 Wenn man in ἐθηριομάχησα ἐν Ἐφέσῳ einen realen Tierkampf sehen kann, dann muss man einen Prozess voraussetzen, während dessen Paulus selbstverständlich im Gefängnis saß. Wenn man aber darin nur einen sinnbildlichen Hinweis auf Widrigkeiten während seines missionarischen Einsatzes sehen möchte, dann ist es trotzdem nicht ausgeschlossen, dass er im Gefängnis war und das ἐθηριομάχησα ἐν Ἐφέσῳ in übertragenem Sinne auf eine schwierige in Ephesus erlebte Lage hinweist.

490 Dass Paulus mehrmals im Gefängnis inhaftiert war und Lukas darüber nichts sagen wollte bzw. konnte, ist nicht zu bestreiten. Abgesehen von der Gefangenschaft, die Paulus nach Rom führt, berichtet Lukas eigentlich nur über eine Inhaftierung von Paulus, und zwar in Philippi (vgl. Apg 16,19ff.), eine Inhaftierung, die nur eine Nacht dauerte.

Paulus selbst erwähnt in dem Peristasenkatalog in 2Kor 11,24f. die die fünfmal vierzig minus eins von Juden erhaltenen Geiselhiebe, worüber Lukas nichts berichtet; während Paulus schreibt, dass er dreimal mit Stöcken geschlagen wurde, weiß Lukas dies nur einmal zu berichten (Apg 16,22); von dem dreimaligen Schiffbruch kann bzw. will er nur einen wiedergeben, und zwar auf dem Weg nach Rom (Apg 27,27).

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Lukas berichtet über einen längeren, mehr als zweijährigen, Aufenthalt des Paulus in Ephesus (Apg 19,8.10). Allerdings kommt bei ihm keine Nachricht über eine Inhaftierung bei ihm vor.491 Dass Lukas aber in der Apostelgeschichte Paulus‘ Gefangenschaft in Ephesus nicht erwähnt, passt zu dem literarischen Aufbau seines Werkes. Für ihn ist eine Darstellung des paulinischen Wirkens in Ephesus (Apg 19,1–19), seiner Pläne (Apg 19,21f.) und der Folgen der Verkündigung des Evangeliums (Apg 19,20.18ff.23ff.) wichtiger als eine Erwähnung einer längeren Gefangenschaft. Paulus‘

Gefangenschaft wird aber auch nicht explizit erwähnt, weil eine wichtigere bzw. für sein Werk konstitutive Gefangenschaft noch geschildert wird und schon in Apg 19,21f. angedeutet wurde, eine Gefangenschaft, die Paulus später über Jerusalem nach Rom führen wird.492

5. Abgrenzung der Texteinheit

In vielerlei Hinsicht bereitet Phil 4,1–9 große Schwierigkeiten, was die Abgrenzung einer Texteinheit anlangt. In den exegetischen Kommentaren werden diese Verse sehr unterschiedlich analysiert und gegliedert. Denn sowohl die Abgrenzung einer Perikope als auch die Gliederung und Zusammengehörigkeit der Verse können verschiedenen Ansatzpunkten folgend interpretiert werden. Auf den ersten Blick scheinen sie sogar aleatorisch aneinandergereihte Ermahnungen zu bilden. Der parakletische Charakter verleiht den Versen aber eine innere Einheit, die für ihre Auslegung von besonderem Belang ist.

Die Problematik der Festlegung einer Texteinheit beginnt schon mit der Frage nach dem Anschluss von Phil 4,1 zu den folgenden oder zu den vorangegangenen Versen. Die Partikel ὥστε kann sowohl einen selbstständigen als auch einen abhängigen Satz einleiten. Entscheidend für den Anschluss von Phil 4,1 ist dann das οὕτως, welches auf das Vorhergehende hinweist.

Dadurch nimmt Phil 4,1 deutlich Bezug auf die vorangegangene Thematik und fasst Paulus‘

Intention mit jenem Komplex parakletisch zusammen,493 wie er auch entsprechend parakletisch eingeleitet worden ist (vgl. Phil 3,17).494

491 Für dieses Schweigen in der Apg vgl. vor allem U. Müller, Ephesus, 1999, S. 159ff.

492 Interessant ist hier, dass Lukas über die in Phil 2,19 geplante Sendung und Reise des Paulus als tatsächlich ausgeführt berichtet. Zuerst sendet Paulus Timotheus nach Makedonien (Apg 19,22 bzw. Phil 2,19), und danach macht er sich selbst auf den Weg dahin (Apg 20,1 bzw. Phil 2,24). Wenn man noch einen Schritt zurückgeht, dann kann man vermuten, dass die Sendung des Timotheus gerade nach der Freilassung des Paulus stattgefunden hat, genau wie der Apostel es geplant hatte (vgl. Phil 2,23), und dass seine Inhaftierung zwischen den Schilderungen in Apg 19,20 und Apg 19,21 zu vermuten ist. Genau da, wo die Erwähnung der Gefangenschaft des Paulus in Ephesus zu erwarten wäre, fügt Lukas den Hinweis auf die Pläne des Paulus ein, nach Jerusalem zu fahren, dem Ort, an dem er dann gefangen genommen wird.

493 So z.B.: P. Ewald, Philipper, 1923, S. 211; W. Michaelis, Philipper, 1935, S. 64; J. Ernst, Philipper, 1974, S. 113.

U. Wolf, Philipper, 2002, S. 194.

494 Die durch eine doppelte ἀδελφοί-Anrede eingerahmte Perikope (in Phil 3,17 und in 4,1 sogar durch eine erweiterte Anrede: ἀδελφοί μου ἀγαπητοὶ καὶ ἐπιπόθητοι, χαρὰ καὶ στέφανός μου) hebt seinen freundlichen Charakter hervor mit besonderem Nachdruck.

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Inhaltlich ist Phil 4,1 zwar eng mit Phil 3,17ff. verbunden. Sein parakletischer Charakter bildet aber einen Ansatzpunkt für die Einführung der in Phil 4,2 folgenden Ermahnungen.495 Der parakletische, zusammenfassende Charakter von Phil 4,1 veranlasst die Überleitung zu den konkreten Ermahnungen (Phil 4,2f) und dann zu der abschließenden Paraklese allgemein (Phil 4,4ff). Ein Element von Phil 4,1 gehört gegen die Gliederung bei Nestle-Aland27 nicht zu dieser zusammenfassenden Ermahnung, sondern schon zu der folgenden Ermahnung in Phil 4,2, nämlich die Anrede ἀγαπητοί.

Die schon fast übertrieben wirkende Anrede: ἀδελφοί μου ἀγαπητοὶ καὶ ἐπιπόθητοι, χαρὰ καὶ στέφανός μουbenötigt einerseits keine Zusatzanrede ἀγαπητοί zum Abschluss des Verses – auch nicht in einem Brief, in dem Paulus mit besonderem Nachdruck seine Verbundenheit mit den Glaubenden zum Ausdruck bringt. Andererseits ist eine solche nachgestellte und zudem wiederholende Anrede bei Paulus sehr ungewöhnlich. Diese ἀγαπητοί,-Anrede am Ende von Phil 4,1 bildet die Anrede und dadurch die Einleitung der Ermahnung an Evodia und Syntyche und gehört zu Phil 4,2. Wie der Vers selbst schon zeigt, redet Paulus die beiden Frauen nicht direkt an, sondern ermahnt sie indirekt. Die Geliebten bzw.

die Glaubenden in ihrer Glaubensgemeinschaft werden direkt angeredet und ihnen sagt Paulus dann, dass er Evodia und Syntyche zur gleichen Gesinnung ermahnt. Dieser Ermahnung an bestimmte Personen und somit einen konkreten Fall betreffend wird dann eine Reihe von anderen Ermahnungen bis Phil 4,9 hinzugefügt.

Anders als der Anfang ist das Ende dieses Abschnittes klar identifizierbar. Der Abschluss der Texteinheit wird einerseits mit der syndetischen abschließenden Zusicherung καὶ ὁ θεὸς τῆς εἰρήνης ἔσται μεθ᾽ ὑμῶνin Phil 4,9 und andererseits mit der Eröffnung einer neuen Thematik in Phil 4,10 deutlich markiert. Das Syntagma ὁ θεὸς τῆς εἰρήνης steht daher in Zusammenhang mit dem Abschluss der ganzen Paraklese.

Phil 4,2 (+ἀγαπητοί von Phil 4,1) bis Phil 4,9 bildet die abschließende Paraklese des Briefes und gilt als auszulegende Texteinheit. Da diese Paraklese einerseits mit der Einsetzung des Syntagmas ὁ θεὸς τῆς εἰρήνης abgeschlossen wird und auf der anderen Seite Phil 4,4–7 und Phil 4,8–9 eine gleiche Struktur mit verwandten Elementen aufweisen, werden sie im

495 G. Friedrich, Philipper, 1981, S. 167 versteht Phil 4,1 inhaltlich in Zusammenhang mit dem Vorhergehenden, aber legt ihn dann als Überleitung „zur konkreten Ermahnung der Gemeindeglieder“ aus. G. F. Hawthorne, Philippians, 1983, S. 177 versteht Phil 4,1 viel stärker in Zusammenhang mit Phil 4,2ff. und trennt ihn sogar von dem Vorhergehenden (S. 178). M. Müller, Schluß, 1997, S. 143, betrachtet Phil 4,1 als Einleitung zu den folgenden Versen. G. Fee, Philippians, 1995, S. 385 versteht andererseits Phil 4,1–3 als Abschluss von Phil 3,1–21. Wegen seines parakletischen Charakters kann Phil 4,1 ohne Probleme auch als erste Ermahnung des parakletischen Komplexes gelten.

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Folgenden in zwei Teilen ausgelegt, um später in Hinblick auf die Motivation ihrer Einsetzung und ihrer Gemeinsamkeiten und Unterschiede Berücksichtigung zu finden.