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Die Finanzierung des staatlichen Budgets

EINE ANALYSE DER SCHULDENSENKUNG IM VEREINIGTEN KÖNIGREICH

II. Die Zusammensetzung des Finanzierungsdefizits und ihre institutionelle Aufteilung

1) Die Finanzierung des staatlichen Budgets

Die Finanzierungsquellen des Finanzierungsdefizits sind in der Abbildung 16 dar-gestellt. Die Finanzierungskomponenten werden auch hier als Anteil am BIP ver-anschaulicht, weil so die jeweiligen Beiträge zur Senkung der Defizitquote leicht zugeordnet werden können.

Abbildung 16: Quellen der Defizitfinanzierung im Vereinigten Königreich

8.0 ~ Privatisierungserlöse

6.0 - Schuldfinanzierung lillllll!IIIIJGeldfinanzierung

~ ---Finanzierungsdefizit

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1979 1984 1989 1994

Quelle: CSO Blue Book, eigene Berechnungen

a) Einnahmen aus der Geldemission

Die Geldfinanzierung oder der Seignorage, wie sie im zweiten Kapitel abgeleitet wurde, spielt eine sehr geringe Rolle bei der Budgetfinanzierung im Vereinigten Königreich. Unter der Labour-Regierung zwischen 1974 und 1978 lag sie im

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Durchschnitt bei 0,73% des BIP. Der Anteil der Geldfinanzierung sank noch weiter nach 1979 und blieb relativ konstant bis 1994 mit durchschnittlich 0,22% des BIP.338 Dieser geringe Anteil ist auch konsistent mit den Inflationszielen der MTFS.

b) Finanzierung aus der Privatisierungspolitik

Eine wesentlich größere Rolle spielen dagegen die Privatisierungserlöse, wobei sie erst seit 1984 signifikant zur Budgetfinanzierung beitragen, mit einem Anteil am BIP von circa 0,5% bis 1,5%. Im ersten Haushaltsplan 1979 waren Einnahmen in Höhe von lediglich f1 Mrd. vorgesehen, im wesentlichen durch einen Teilverkauf von British Petroleum (BP). In den drei Folgejahren beschränkten sich die Verkäu-fe auf weitere Teile des Ölunternehmens, der Ölvorräte und der Ölforschungsrech-te. Nach 1983 nahmen die Einnahmen aus der Privatisierungspolitik zu. Die staatli-chen Unternehmen für Gas, Elektrizität, Wasser und Telekommunikationen wurden veräußert. Außerdem wurden Häfen, Flug-, Bus- und Schiffsunternehmen, sowie die Firmen Jaguar, British Aerospace, und Cable und Wireless wieder privati-siert. 339 Bis Ende 1994 verzeichnete die Regierung Nettoeinnahmen von ungefähr f:60 Mrd.340 Ende der 80er Jahre reichten die Beiträge aus, um fast das gesamte Budgetdefizit abzudecken.

c) Der Anteil der Schuldfinanzierung

Die Schuldfinanzierung macht in der Regel mit durchschnittlichen 75% den größ-ten Finanzierungsanteil aus (durchschnittlich 2,3% des BIP). 1994 teilte sie sich vorwiegend in langfristige Staatspapiere (circa 80%) und nicht-börsengängige Sparbriefe (circa 20%) auf.341 Derzeit sind circa 15% der britischen Staatsschuld als indexierte Schuldpapiere emittiert und die Regierung ist bemüht, diesen Anteil zu erhöhen.342 Die Abbildung 16 zeigt, wie ab 1983 die Schuldenausgabe als Anteil am BIP bis 1987 abnimmt. 1986 war die Finanzierung aus Privatisierungserlösen höher als die Schuldenausgabe. Zwischen 1987 und 1990 ist die

Staatsverschul-338 Cukiennan et al. schätzen die Seignorage ebenfalls als gering ein: Zwischen 1975 und 1982 circa 0,55% am BIP, S. 50. Nach Buiter (1985), S. 25 lagen die Einnahmen aus der Seignorage bei durchschnittlich 0,55% sogar über dem Zeitraum 1948 bis 1983.

339 Eine Zusammenstellung der wichtigsten Privatisierungen findet sich im Anhang.

340 Djaroueh (1994), S. 80 und CSO Financial Statistics. Diese Zahl unterschätzt die budgetwirksa-men Einnahbudgetwirksa-men etwas, weil manche Privatisierungserlöse an die Industrien selbst bezahlt und dann durch Anpassung ihrer Kreditaufnahme kompensiert wurden.

341 Bank ofEngland (1994), S. 350, und eigene Berechnungen.

342 Indexierte Staatspapiere wurden 1981 zum ersten Mal eingeführt, hierzu Gowland (1990), S. 122f. Judith Safford - 978-3-631-75199-2 Downloaded from PubFactory at 01/11/2019 07:12:45AM

dung sogar negativ gewesen. Zwischen Oktober 1988 und Januar 1991 wurden kei-ne langfristigen Staatspapiere herausgegeben.343 Danach steigt die Schuldausgabe allerdings wieder sehr stark an.

2) Die Aufteilung der Verschuldung zwischen den öffentlichen Schuldnern Die Finanzen der öffentlichen Hand im Vereinigten Königreich sind in drei Berei-che gegliedert: Den Zentralstaat, die Gemeinden und die verstaatlichten Industrie-betriebe. Eine interessante Entwicklung bei der Schuldenaufnahme wird sichtbar, wenn entsprechend dieser Aufteilung die jeweiligen Finanzierungsdefizite errech-net werden, wie die Abbildung 17 veranschaulicht.

Abbildung 17: Die Finanzierungsdefizite der öffentlichen Institutionen 8.0 ,---;:==========;----7111,7

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1974 1979

Quelle: CSO Blue Book, eigene Berechnungen

IIIIIIIIIIIIZentralstaat 111111111111111Gemeinden

111111111111111Öffentliche Unternehmen

__..,_ Finanzierungsdefizit

1984 1989 1994

Es fällt sofort auf, daß sich die Verteilung der Neuverschuldung auf die öffentli-chen Institutionen in den letzten zwanzig Jahren verschoben hat. Am Anfang der Periode war das Schuldverhalten der drei Bereiche relativ gleichmäßig verteilt.

Von 197 4 bis 1979 wurden die Defizite durchschnittlich zu 40% vom Zentralstaat verursacht. Die Gemeinden hatten einen Anteil von 33% und die öffentlichen Un-ternehmen von 27%. Schon in den ersten fünf Jahren (1979 bis 1984) der Konser-vativen Regierung fiel der Anteil der Neuverschuldung des Zentralstaats mit 69%

wesentlich höher aus. Ab der zweiten Hälfte des Jahrzehnts (nach 1986)

erwirt-343 Bank ofEngland (1991), S. 540.

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schafteten die öffentlichen Unternehmen dann Überschüsse, welche den zentral-staatlichen Defizitanteil mitfinanzierten. Von 1989 bis einschließlich 1994 konnten die Nettoüberschüsse der anderen zwei Sektoren die zentralstaatliche Schuldauf-nahme um durchschnittlich 5% entlasten.

Diese Zentralisierungstendenz hängt mit den wesentlichen Reformen bei der Fi-nanzierung von öffentlichen Institutionen der Konservativen Regierungen seit 1979 zusammen. Erstens wurde während der Vorbereitungen zur Privatisierung die Kre-ditaufnahme der öffentlichen Unternehmen massiv reduziert. Dies geschah durch Vermögensveräußerung, starke Preiserhöhungen ihrer Produkte sowie Rationalisie-rungsmaßnahmen, wie beispielsweise Personalabbau. Im Verlauf der 80er Jahre wurden infolge der Privatisierung die öffentlichen Unternehmen dann auch zuneh-mend aus dem öffentlichen Budget ausgegliedert. Zweitens wurden die Kontrollbe-fugnisse der Zentralregierung über die Schuldfinanzierung der Gemeinden und der übrigen öffentlichen Unternehmen ausgeweitet, einschließlich der Festsetzung von effektiven Höchstgrenzen der Schuldaufnahme bzw. Auflagen zur Schuldentilgung durch Vermögensveräußerung. 344 Insgesamt hat sich der Zentralstaat seit 1979 eine weitreichende Kontrolle über die strukturellen, gesetzlichen und finanziellen Rah-menbedingungen aller öffentlichen Institutionen gesichert.345

In der weiteren Analyse der Budgetrestriktion wird auf die Finanzen der öffentli-chen Unternehmen aufgrund ihrer relativ geringen Bedeutung nicht weiter einge-gangen. Somit bezieht sich die weitere Analyse der Schuldenentstehung auf die Neuverschuldung der Zentralregierung und der Gemeinden.

III. Die budgetpolitischen Faktoren der Schuldensenkung

Bis hierhin wurde gezeigt, wie das Wirtschaftswachstum und die Inflation die reale Last der Budgetfinanzierung mindert und wie der Seignorage und die Privatisie-rung den schuldenfinanzierten Anteil des FinanziePrivatisie-rungsdefizits verringert. Die Re-gierung hat aber auch aktive budgetpolitische Maßnahmen zur Schuldensenkung ergriffen, die im folgenden zusammen mit der resultierenden Entwicklung der Ein-nahmen und Ausgaben untersucht werden. Die Auswirkungen der verfolgten Poli-tik werden mit den Ergebnissen des zweiten Kapitel über die Strategien zur Schul-densenkung verglichen.

344 Ausführlicher hierzu Safford (1994), S. 431 f.

345 Glynn (1987), S. 69f., auch Humes IV, (1991), S. 109f., sowie Economist, 8.08.92, S. 26.

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