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Die Auswirkungen der Inflation auf die Budgetbeschränkung Im zweiten Kapitel wurde gezeigt, daß dem Staat eine Inflation bei seinen

DIE SCHULDENPOLITIK DER KONSERVATIVEN REGIERUNG

IV. Die britische Budgetpolitik im Liebte der staatlichen Budgetbeschränkung

3) Die Auswirkungen der Inflation auf die Budgetbeschränkung Im zweiten Kapitel wurde gezeigt, daß dem Staat eine Inflation bei seinen

Budget-finanzen nützlich sein kann - auf Kosten der Gläubiger. Deswegen war es gerade für die Regierung wichtig, die Öffentlichkeit glaubhaft zu überzeugen, daß sie die Inflation nicht zur Finanzierung des Budgets ausnutzen wolle. In den folgenden Abschnitten soll erstens gezeigt werden, wie die MTFS eine Budgetfinanzierung aus der Inflation verhindern und zweitens, wie die Inflation sich auf die Entwick-lung der Staatsausgaben auswirken sollte.

a) Die Auswirkungen der Inflation auf das Defizitziel

Die Ziele des öffentlichen Kreditbedarfs (PSBR) im Rahmen der MTFS wurden als nominale Größen formuliert. Die reale Wirkung der MTFS auf die Budgetfinanzen beruhte auf dem im vorigen Kapitel beschriebenen Entwertungseffekt der Inflation und läßt sich unter Berücksichtigung der konkreten Zielvorgaben und einiger ver-einfachenden Annahmen veranschaulichen.

Folgende Tabelle gibt die Ziele der MTFS für das Geldmengenwachstum fM3 und den PSBR im Verhältnis zum BIP wieder, wie sie 1980 und dann erneut 1984 for-muliert wurden.321 Wie oben bereits erläutert (Abschnitt IIl.3) wurde nach 1986/87 das Ziel fM3 aufgegeben und das Geldmengenziel nur in der engen Abgrenzung MO formuliert. Deswegen ist es sinnvoll, diese Darlegung der Wirkung der MTFS auf die Finanzjahre 1980/81 bis 1986/87 zu beschränken.

320 Hierzu Andel (1990), S. 225f.

321 Die angegebenen Ziele wurden je nach wirtschaftlicher Entwicklung kurzfristig etwas revidiert.

Davon wird an dieser Stelle abgesehen.

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Tabelle 3: Die MTFS, Geldmengenwachstum und der PSBR

Finanzjahr fM3 Wachstum (%) PSBR/BIP (%) Impliziertes Inflationsziel

1980/81 7-11 3,75 5-9

1981/82 6-10 3 4-8

1982/83 5-9 2,25 3-7

1983/84 4-8 1,5 2-6

1984/85 6-10 2 4-8

1985/86 5-9 2 3-7

1986/87 4-8 2 2-6

Quelle: Temperton (1986), S. II

Die Berechnungen für die Zielgrößen der MTFS unterstellten eine reale Wachs-tumsrate zwischen 1,75% und 2,5%. Vereinfachend wird hier ein Durchschnitts-oder Trendwert von 2% angenommen.322 Ferner wird vorausgesetzt, daß die Quan-titätstheorie gilt und Änderungen der Geldmenge sich in der Inflationsrate wider-spiegeln. Daraus folgt, daß beispielsweise für das Finanzjahr 1980/81 der Zielkor-ridor für das Geldmengenwachstum von 7-11 % nach Abzug des Realwachstums einer erwarteten Inflationsrate von 5-9% entsprach (3. Kolonne der Tabelle). Das geplante Budgetdefizit lag bei 3,75%.

322 Ein realer Wachstumstrend von 2% liegt den langfristigen Haushaltsplänen zugrunde, vgl. CSO (1993), s. 12.

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Die Beziehung läßt sich graphisch darstellen:

Abbildung 11: Die Ziele der MTFS von 1980/81 bis 1986/87

10

Budgetdefizit (% Anteil am BIP)

Eine doppelt so enge Skalierung für die Inflationsrate wurde gewählt, weil dann eine 45°-Linie die Höhe der Inflationsbereinigung {1tB wie sie im Anhang II abge-leitet wurde), ausgedrückt als Anteil am BIP, für eine Schuldenquote von 50%

wiedergibt. Dies ist im Vereinigten Königreich der 80er Jahre annähernd der Fall gewesen (vgl. Abbildung 10). Somit stellt diese 45°-Linie gerade den geometri-schen Ort von realem Budgetausgleich dar. Der Bereich links von der 45°-Linie bedeutet einen realen Budgetüberschuß, derjenige rechts davon ein reales Budget-defizit.

Die Ziele der MTFS streuen alle nah um die 45°-Linie. Die Schuldentilgung infol-ge Inflation gleicht in etwa die infol-geplanten nominalen Budinfol-getdefizite aus, so daß die

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geplanten realen Budgetdefizite annähernd bei Null liegen. Mit anderen Worten, die MTFS schien eine inflationsbereinigte Parallelpolitik verfolgen zu wollen.323 Um die geplanten mit den realisierten Werten zu vergleichen, gibt die Tabelle 4 die tatsächlichen Inflationsraten des BIP und den jährlichen Kreditbedarf des öffentli-chen Sektors an.

Tabelle 4: Inflation und der PSBR 1980-1994

Jahr Inflation324 (%) PSBR/BIP (%) Inflationsbereinigtes Budgetdefizit

1980 19,4 5,1 -4,6

1981 11,5 4,2 -1,6

1982 7,5 1,7 -2,1

1983 5,3 3,8 1,2

1984 4,5 3,2 1

1985 5,7 2,1 -0,8

1986 3,3 0,6 -1,1

1987 5,1 -0,3 -2,9

1988 6,0 -2,5 -5,5

1989 7,1 -1,8 -3,4

1990 6,4 -0,4 -3,6

1991 6,5 1,3 -2,0

1992 4,3 4,8 2,7

1993 3,3 6,7 5,1

1994 2,1 5,5 4,5

323 Die Logik der Zielvorgaben der MTFS bleibt umstritten. Interpretationen bieten z. B. Minford (1980), Budd und Bums (1981), Buiter und Miller (1981, 1983), Miller (1982), Walters (1985, 1986).

324 BIP zu Marktpreisen (CSO), siehe statistischen Anhang. Judith Safford - 978-3-631-75199-2 Downloaded from PubFactory at 01/11/2019 07:12:45AM

So lag beispielsweise 1980 die Inflation bei 19,4% und der PSBR bei 5,1%. Die Schuldentilgung infolge der Inflation machte die Hälfte von 19,4%, d. h. 9,7% des BIP aus. Folglich wurde entsprechend diesem Modell 1980 ein realer Budgetüber-schuß von 4,6% des BIP erwirtschaftet. Analog wurde für 1981 bei einer Inflati-onsrate von 11,5% ein nominales Budgetdefizit von 4,2% ausgewiesen. Das reale Ergebnis war ein Budgetüberschuß von 1,6%. Die Werte bis 1994 sind graphisch in Abbildung 12 abgebildet.

Abbildung 12: Die realisierte MTFS: Inflation und der PSBR 1980 bis 1986

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Budgetdefizit (% Anteil am BIP)

Es fällt sofort auf, daß entsprechend den Annahmen dieses Modells mit Ausnahme der Jahre 1983 und 1984 und den drei letzten Jahren reale Budgetüberschüsse er-wirtschaftet wurden.

Dieses einfache Modell und die Zahlenbeispiele sind relativ grobe Näherungen.

Wie im nächsten Kapitel gezeigt wird, liefern präzisere Berechnungen Werte, die leicht von diesen Zahlen abweichen. Dennoch veranschaulicht das Modell, wie die MTFS eine Verbindung zwischen Budgetdefizit und Inflationsrate erzeugte, und

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wie diese sich ausgewirkt hat. Gemäß den Zielen der MTFS wurde neu geschaffe-nes staatliches Finanzvermögen infolge einer Neuverschuldung durch die Inflation real vernichtet, so daß das reale Budgetdefizit annähernd ausgeglichen blieb. Ab-weichungen vom Inflationsziel hatten bei Einhaltung der geplanten Neuverschul-dung auch Folgen für die Staatsfinanzen. Lag beispielsweise die Inflationsrate hö-her als die vorausgesehene ( oder das Budgetdefizit niedriger), fand eine automati-sche reale Schuldentilgung durch die Inflation statt. Für den Fall einer ungeplanten Deflation, wäre ein reales Budgetdefizit die Folge.

Die Auswirkungen der MTFS als fiskalpolitische Strategie sind vielerorts disku-tiert worden325 und sollen hier nicht erörtert werden. Deutlich ist jedoch, wie die MTFS als Finanzstrategie eine makroökonomische Strategie der Schuldentilgung beinhaltete.

b) Der Einfluß der Inflation auf die Staatsausgaben

Im zweiten Kapitel wurde auch dargestellt, wie die Auswirkungen der Inflation von den Verteuerungsraten der einzelnen Ausgaben im Verhältnis zur gesamtwirt-schaftlichen Inflationsrate abhängen. Die Konservative Regierung versuchte nicht, unter Berücksichtigung dieser Tendenz Einfluß auf die einzelnen Ausgabekategori-en zu nehmAusgabekategori-en. Vielmehr strebte sie an, das nominale Wachstum der StaatsausgabAusgabekategori-en insgesamt zu begrenzen.326 Die MTFS legte nominale Grenzen, sogenannte „Cash Limits", für die Ausgaben fest, gesamthaft definiert als „Planning Total" (PT).

Diese Planungsgröße umfaßte die Ausgaben der zentralstaatlichen Ministerien und der staatlichen Unternehmen, die Zuweisungen an die lokalen Gebietskörperschaf-ten und an einen Reserve-Fonds, sowie die eingenommenen Finanzmittel aus der Veräußerung von staatlichem Vermögen. Ihre Festlegung setzte bei der Haushalts-planung eine Annahme über das reale Wachstum sowie über die Inflationsent-wicklung voraus. Mit anderen Worten, es mußte in der vorigen Periode (t-1) die Höhe der zukünftigen Inflationsraten (P1+,)327 prognostiziert werden. Das PT funk-tionierte dann in ähnlicher Weise wie das oben diskutierte Ziel für Neuverschul-dung. Fiel die tatsächliche Inflation höher aus als die prognostizierte, dann mußte bei unveränderten nominalen Staatsausgaben der reale Wert der Ausgaben sinken.

Unterschritt dagegen die tatsächliche Inflation die prognostizierte, dann wurde ein Raum für eine reale Erhöhung der Ausgaben geschaffen.

325 Siehe unter vielen Buiter und Miller (1981, 1983), sowie Begg (1987).

326 Hierzu Peacock ( 1985).

327 Im Rahmen der MTFS x = {0,1,2,3).

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Einige Ausgabenkategorien wurden von den Sparplänen ausgenommen. Die wich-tigste Modifikation dabei war die Regelung der personellen Transferzahlungen.

Diese wurden nicht mehr der Lohnentwicklung, sondern lediglich der Inflation an-gepaßt, womit das reale Wachstum unberücksichtigt blieb. Wenn die Anzahl der Transferempfänger gleich bleibt, dann nehmen die Transferzahlungen in einer wachsenden Wirtschaft als Anteil am BIP ab. Auch bei zunehmender Zahl von Transferempfängern wird so dem Kostenanstieg etwas Einhalt geboten. Zudem hoffte die Regierung, durch eine relative Abnahme der Transferleistungen im Ver-hältnis zur Lohnentwicklung positive Arbeitsanreize zu schaffen und damit eben-falls Ausgaben zu sparen.

1993 wurde das PT durch eine neue Planungsgröße (,,new control total" - NCT) ersetzt. Diese Größe unterschied sich vom PT, indem sie die gesamten Ausgaben der Gemeinden, aber weder die Privatisierungserlöse noch die konjunkturabhängi-gen Transferzahlunkonjunkturabhängi-gen enthielt. Das NCT sah einen realen Anstieg der Ausgaben um 1,5% vor, was unter der Annahme des Trendwachstums von 2% wieder in ähn-licher, aber gemilderter Weise als beim PT, eine Senkung der Ausgabenquote be-deutete.